Gesellschafter-Geschäftsführer von GmbHs sind in der Vergangenheit vielfach oftmals ohne Weiteres davon ausgegangen, dass sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Doch diese Annahme erwies sich bei Minderheitsgesellschaftern, also bei Gesellschafter-Geschäfstführern mit weniger als 50 Prozent Stimmenanteil, als falsch und führte zu hohen Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Betroffen sind auch Gesellschafter-Geschäftsführer, die zum Beispiel durch die Übertragung von Anteilen auf ihre Kinder erst zu Minderheitsgesellschaftern geworden sind. AKTUELL haben zahlreiche Betroffene erneut den Weg vor das Bundessozialgericht (BSG) angetreten. Sie sind der Ansicht, dass mindestens bis zu den BSG-Urteilen vom 29.8.2012 ein Vertrauensschutz bestanden hat, denn erst dann ist die Rechtsauffassung geändert worden. Doch das BSG hat kein Einsehen: Es bestand kein Vertrauensschutz bis 2012. Auch für Altjahre dürfen Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden (BSG-Urteil vom 19.9.2019, Az. B 12 R 25/18 R und weitere).

Zum Hintergund: Zurückzuführen sind die Nachforderungen der DRV insbesondere auf die geänderte “Kopf und Seele”-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Jahre 2012. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte man - vermeintlich - sicher davon ausgehen, dass auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit geringen Anteilen als "selbstständig" und damit nicht beitragspflichtig angesehen wurde, "wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war." Mit anderen Worten: Wenn der Geschäftsführer zumindest über eine Sperrminorität verfügte und "Kopf und Seele" der GmbH war, sollte er nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Doch mit den Urteilen vom 29.8.2012 (B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R) hat das BSG seine Rechtsprechung aufgegeben oder - wie andere sagen - modifiziert. Spätestens seit diesem Zeitpunkt greifen die Prüfer der DRV die Fälle auf und verlangen Sozialversicherungsbeiträge - und zwar auch für die Jahre vor 2012 (!), wenn dies verfahrensrechtlich noch möglich ist.

AKTUELL haben zahlreiche Betroffene erneut den Weg vor das BSG angetreten. Sie sind der Ansicht, dass mindestens bis zu den BSG-Urteilen vom 29.8.2012 ein Vertrauensschutz bestanden hat, denn erst dann ist die Rechtsauffassung geändert worden. Doch das BSG hat kein Einsehen: Es bestand kein Vertrauensschutz bis 2012. Auch für Altjahre dürfen Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden (BSG-Urteil vom 19.9.2019, Az. B 12 R 25/18 R und weitere).

  • Der Fall: Die Klägerinnen in den vier Revisionsverfahren waren Familiengesellschaften in der Rechtsform der GmbH. Sie wandten sich gegen die Feststellung der Versicherungspflicht ihrer Geschäftsführer durch die DRV und daraus resultierende Nachforderungen von Beiträgen zur Sozialversicherung. Die klagenden Gesellschaften machten geltend, dass mindestens bis zu den Urteilen des BSG vom 29.8.2012 eine ständige und gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bestanden habe, von der sie als Familiengesellschaften auch insofern profitiert hätten, als ihre Geschäftsführer nicht als abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig zu beurteilen gewesen wären. Erst im Jahre 2012 habe das BSG Zweifel an einer Anwendbarkeit der “Kopf und Seele”-Rechtsprechung im Versicherungs- und Beitragsrecht geäußert. Die beklagte DRV habe ihre Weisungslage im Jahr 2014 an die Änderung dieser Rechtsprechung angepasst. Doch darauf ließ sich das BSG nicht ein. Vielmehr käme es in den entsprechenden Fällen nur darauf an, dass die entsprechenden früheren Prüfungen wohl ohne Verwaltungsakt beendet worden seien. Und mithin sei kein Vertrauensschutz entstanden.
  • Das BSG führt aus: Die Geschäftsführer der klagenden GmbHs unterlagen aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht. Das familiäre Näheverhältnis zwischen Geschäftsführern und Mehrheitsgesellschaftern einer GmbH ändert daran nichts. Frühere anderslautende Entscheidungen der für das Unfallversicherungsrecht und das Recht der Arbeitsförderung zuständigen Senate des Bundessozialgerichts vermitteln kein Vertrauen in eine hiervon abweichende Beurteilung. Es handelte sich dabei stets um spezifische Einzelfälle. Der für das Versicherungs- und Beitragsrecht zuständige 12. Senat des BSG hat diesen Aspekt nur höchst selten und als einen Einzelaspekt in eine Gesamtabwägung eingebracht. Ebenso wenig begründen Betriebsprüfungen, die ohne Beanstandungen beendet wurden und ohne dass ein entsprechender feststellender Bescheid erging, Vertrauensschutz, weil es an einem Anknüpfungspunkt hierfür fehlt."

Fazit: Es bleibt also dabei: Die Nachforderungen der Sozialversicherungsträger in Altfällen bleiben bestehen. Aber es gibt auch einen Lichtblick für aktuellere Fälle, denn das BSG weist auf Folgendes hin: Betriebsprüfungen müssen künftig auch bei fehlenden Beanstandungen zwingend durch einen Verwaltungsakt, der insbesondere den Umfang, die geprüften Personen und das Ergebnis der Betriebsprüfung festhält, beendet werden. Das wird zu mehr Rechtssicherheit führen. Seit einer Änderung der Beitragsverfahrensordnung zum 1.1.2017 müssen Betriebsprüfungen künftig auch bei fehlenden Beanstandungen zwingend durch einen Verwaltungsakt beendet werden. Die darin enthaltenen Feststellungen sind bei neuerlichen Betriebsprüfungen zu beachten und können unter Umständen einer anderslautenden Beurteilung entgegengehalten werden. Zudem sind die prüfenden Rentenversicherungsträger verpflichtet, die Betriebsprüfung auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter zu erstrecken, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist.

STEUERRAT: Bereits seit einigen Jahren haben GmbH-Gesellschafter zu dem Mittel der "Stimmbindungsverträge" gegriffen, um auf diesem Wege der Sozialversicherungspflicht zu entgehen. Dies ist auch grundsätzlich zulässig In drei Entscheidungen des Jahres 2015 hat das BSG allerdings verlangt, dass derartige Stimmbindungsklauseln für die Sozialversicherung nur wirksam sind, wenn sie in der Satzung verankert sind. So genannte "Schönwetter-Verträge", die also nur für den Fall einer Prüfung durch die Sozialversicherungsträger aus der Schublade gezogen werden, reichen nicht aus (BSG, Urteile vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, B 12 R 2/14 R, B 12 KR 10/14 R; s.a. LSG Baden-Württemberg v. 23.11.2016, L 5 R 50/16 und LSG Hessen v. 6.7.2017, L 8 KR 61/16). Doch Vorsicht: Wer die Stimmbindungsklauseln nun in der Satzung verankern möchte, sollte beachten, dass die Rechtsstellung des Mehrheitsgesellschafters erheblich eingeschränkt wird. Zudem kann die Regelung an anderer Stelle zu (negativen) steuerlichen Konsequenzen führen.

STEUERRAT: In vielen einschlägigen Fällen ist es nicht nur aufgrund der Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge teuer geworden. Vielmehr haben die Prüfer der Sozialversicherungsträger zuweilen auch Säumniszuschläge festgesetzt, und zwar sage und schreibe ein Prozent pro Monat (§ 24 Abs. 1 SGB IV). Damit liegen die Zuschläge außerhalb jedes normalen Zinssatzes und haben reinen Strafcharakter. Doch hinsichtlich der Säumniszuschläge gibt es wohl ein Aufatmen. Das BSG hat Ende 2018 in einer bahnbrechenden Entscheidung festgestellt, dass Säumniszuschläge bei Fahrlässigkeit oder bei falscher Interpretation einer Rechtsvorschrift nicht festgesetzt werden dürfen (BSG-Urteil vom 12.12.2018, B 12 R 15/18 R). Und das dürfte angesichts der Schwierigkeit des Rechtsgebiets sehr häufig - und nach unserer Ansicht auch in den hier streitigen Fällen - gegeben sein. Insofern bestehen also gute Aussichten, wenigstens den Säumniszuschlägen zu entgehen.

Weitere Informationen: Sozialversicherungsprüfung: Säumniszuschläge nur noch bei bedingtem Vorsatz