Bei der Ehescheidung werden im Rahmen des Versorgungsausgleichs die Rentenanwartschaften, die während der gemeinsamen Ehezeit erworben wurden, geteilt. Die Teilung erfolgt grundsätzlich intern, also innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems (interne Teilung), oder ausnahmsweise extern durch Übertragung von Anrechten auf einen anderen Versorgungsträger (externe Teilung). Auch können Anwartschaften im Rahmen des "schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs" ausgeglichen werden. Wer die interne Teilung "in Kauf nimmt", hat natürlich ein Interesse daran, sein Rentenkonto wieder aufzustocken und so nutzen viele Geschiedene die Möglichkeit, Wiederauffüllungszahlungen an ihr Versorgungswerk zu leisten. Die Frage ist dann, ob diese Zahlungen in voller Höhe als Werbungskosten oder nur beschränkt als Sonderausgaben abziehbar sind. 

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof wie folgt entschieden: Die geleistete Wiederauffüllungszahlung an den Versorgungsträger stellt ihrer Rechtsnatur nach zwar vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften dar, da sie Kürzungen der Altersrente vermeidet. Aber bei der Zahlung handelt es sich quasi um "Beiträge" zur Rentenversicherung bzw. zum berufsständischem Versorgungswerk (gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), und daher kann die Zahlung nur als Sonderausgaben im Rahmen des zulässigen Höchstbetrages abgesetzt werden (BFH-Urteil vom 19.8.2021, X R 4/19).

  • Der Fall: Ein angestellter Rechtsanwalt hatte Versorgungsanwartschaften aus dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte erworben und davon einen Teil bei Scheidung im Wege der internen Teilung an die Ehefrau abgegeben. Der Anwalt nahm nach § 37 Abs. 4 der Satzung des Versorgungswerks die Möglichkeit wahr, seine durch den Versorgungsausgleich gekürzte Rentenanwartschaft durch eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 75.000 EUR um die Hälfte wieder aufzufüllen. Der Anwalt machte diesen Betrag als Werbungskosten geltend, während das Finanzamt die Zahlung der Vermögensebene zuordnete und den Betrag als Beitrag zur Altersvorsorge im Rahmen der Sonderausgaben berücksichtigte.
  • Nach Auffassung des BFH kann die Wiederauffüllungszahlung nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften berücksichtigt werden. Trotz ihrer Rechtsnatur als Werbungskosten ist die Wiederauffüllungszahlung nur im Rahmen der Sonderausgaben absetzbar, weil es sich bei der Zahlung um "Beiträge" handelt.
  • Als Sonderausgaben absetzbar sind Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zur landwirtschaftlichen Alterskasse sowie zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Beiträge sind alle Leistungen auf eine Versicherung zur Erlangung des Versicherungsschutzes bzw. alle aufgrund von Gesetz oder Vertrag vom Steuerpflichtigen erbrachten Geldleistungen zu den begünstigten Versicherungen. Sowohl laufende Beiträge als auch Einmalbeiträge sind begünstigt.

Die Zuordnung der Wiederauffüllungszahlungen zu den Sonderausgaben hat gegenüber dem Werbungskostenabzug einen großen Nachteil: Während bei den Werbungskosten der gesamte Zahlungsbetrag berücksichtigt würde (z.B. 75.000 EUR), wirkt sich die Zahlung unter den Sonderausgaben nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag aus, der sich jährlich ändert (gemäß § 10 Abs. 3 EStG). Im Jahre 2022 sind die Altersvorsorgebeiträge insgesamt absetzbar bis zu 25.639 EUR bei Ledigen und 51.278 EUR bei Verheirateten. Davon wirken sich 94 Prozent steuermindernd aus, d.h. höchstens 24.101 EUR bzw. 48.202 EUR. Die Beträge sind allerdings schon weitgehend durch laufende Rentenversicherungsbeiträge bzw. Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken ausgeschöpft, sodass sich eine zusätzliche Wiederauffüllungszahlung nur wenig steuermindernd auswirkt.

STEUERRAT:  Wegen des Höchstbetrages empfiehlt es sich, hohe Wiederauffüllungszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung oder in das Versorgungswerk auf mehrere Jahre zu verteilen (sofern dies wirtschaftlich sinnvoll und nach der Satzung des Versorgungwerks zulässig ist). Falls Sie hierfür ein Darlehen aufnehmen müssen, können Sie die Schuldzinsen zumindest nach einem älteren BFH-Urteil als Werbungskosten bei den "sonstigen Einkünften" nach " 22 Nr. 1 EStG absetzen (BFH 5.5.1993, BStBl 1993 II S. 867).

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