Das betreute Wohnen ist für viele ältere Menschen attraktiv, weil sie zum einen ihre Eigenständigkeit behalten, zum anderen Unterstützung erhalten, wenn sie aufgrund ihrer Einschränkungen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr verrichten können. Und im Fall der Fälle ist über einen Hausnotruf zumeist für eine schnelle Hilfe gesorgt. Die Kosten des betreuten Wohnens können aber recht hoch sein und werden von den Pflegekassen, wenn überhaupt, zumeist nicht voll übernommen. Da kann es schon einmal wichtig sein, die Abrechnung des Betreibers unter die Lupe zu nehmen. Und wer dort den Ausweis von Umsatzsteuer sieht, sollte ein zweites Mal auf die Rechnung schauen.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass Leistungen im Zusammenhang mit betreutem Wohnen umsatzsteuerfrei sind (Urteil vom 25.1.2022, 15 K 3554/18 U).

  • Der Fall: Die Klägerin betreibt eine Seniorenresidenz, bestehend aus einem Pflegeheim und sieben Wohnungen des betreuten Wohnens. Die Wohnungen befinden sich im Gebäude des Pflegeheims. Mit den Bewohnern des betreuten Wohnens schloss die Klägerin Betreuungsverträge ab, die diverse Leistungen einer (erweiterten) Grundversorgung und Wahlleistungen einschließlich eines Notrufsystems umfassten. Die Leistungen wurden durch das im Pflegeheim eingesetzte Personal erbracht. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass diese Umsätze teilweise steuerfrei seien, soweit die entsprechenden Leistungen eng mit der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen zusammenhingen. Dem folgte das Finanzamt nicht. Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben. Die gegenüber einzelnen Bewohnern erbrachten Umsätze des betreuten Wohnens seien im von der Klägerin beantragten Umfang gemäß § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei.
  • Nach dieser Vorschrift sind Leistungen von Einrichtungen steuerfrei, die eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbunden sind. Im Streitfall zählten die Bewohner des betreuten Wohnens zum Kreis der hilfsbedürftigen Personen, weil sie an altersbedingten Einschränkungen der Alltagskompetenzen litten. Die von der Klägerin im Rahmen des betreuten Wohnens erbrachten Leistungen seien auch eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden. Die Klägerin biete den Bewohnern des betreuten Wohnens ein breites Angebot an Leistungen an, die zur ambulanten Pflege gehörten und der Altenhilfe zuzurechnen seien. Hierzu gehörten verschiedene Betreuungsleistungen im Rahmen der ambulanten Pflege, aber auch die Bereitstellung eines Notrufdienstes und bedarfsweise die kurzfristige Übernahme pflegerischer Leistungen, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung. Soweit diese Leistungen auch der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienten, seien diese spezifisch auf die Behebung altersspezifischer Einschränkungen gerichtet, weil auch diese Leistungen durch das im Pflegeheim eingesetzte und hierfür geschulte Personal erbracht würden.

STEUERRAT: Auch wenn die Leistungen des betreuten Wohnens im Grundsatz umsatzsteuerfrei sind, so müssen einzelne Angebote dennoch gesondert bewertet werden, etwa bestimmte Wahlleistungen wie die Bereitstellung eines Telefonanschlusses. Diese können durchaus umsatzsteuerpflichtig sein. Und der Vollständigkeit halber: Im Einzelfall gibt es Seniorenresidenzen, zumeist für gut betuchte Damen und Herren, die keine Verträge mit Sozialträgern abgeschlossen haben und bei denen auch die Bewohner nicht auf Erstattungen ihrer Kranken- oder Pflegekasse angewiesen sind. In einem solchen Fall sind die Leistungen der Seniorenbetreuung durchaus voll umsatzsteuerpflichtig (BFH-Beschluss vom 1.6.2021, XI B 27/20).

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