Der Verkauf einer Immobilie ist als privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig, sofern der Verkauf innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung erfolgt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der Veräußerungsgewinn ist allerdings steuerfrei, wenn die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde, oder wenn die Immobilie im Jahr des Verkaufs und in den beiden Vorjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Was aber gilt, wenn Ehepartner zerstritten sind, der eine Ehegatte auszieht und das ihm gehörende Eigenheim nach dem Auszug von dem anderen (Ex-)Gatten oder einem Kind weiter - unentgeltlich - genutzt wird, bis die Immobilie verkauft wird? Gilt dies noch als "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken", so dass der Verkauf des Eigenheims im Zehn-Jahres-Zeitraum steuerfrei bleibt?

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass eine unentgeltliche Überlassung an den Ex-Gatten keine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" ist. Falls also der Verkauf der Immobilie innerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfolgt, ist der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig (FG Münster vom 19.5.2022, 8 K 19/20 E).

Nach derzeitiger Rechtsauffassung gilt Folgendes:

  • Eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" liegt vor, wenn die Wohnung einem Kind unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlassen wird, für das Sie Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag erhalten. Dies ist solange der Fall, wie das Kind in Berufsausbildung ist und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. In diesem Fall ist die Nutzung der Wohnung durch das Kind als eigene Nutzung zu werten. Typischer Fall sind Wohnungen, die von Sohn oder Tochter während des Studiums genutzt werden.
  • Ist das Kind älter als 25 Jahre, wird es bei den Eltern nicht mehr steuerlich berücksichtigt, sodass keine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" mehr vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn die zivilrechtliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind über das 25. Lebensjahr hinaus weiter besteht, z.B. wegen langer Ausbildung. Überschreitet daher das Kind die Altersgrenze von 25 Jahren, wird die Wohnung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Folge: Bei einem Verkauf der Wohnung liegt gegebenenfalls ein privates Veräußerungsgeschäft vor und der Veräußerungsgewinn ist steuerpflichtig (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4.4.2016, 8 K 2166/14).
  • Eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" liegt nicht vor, wenn die Wohnung an den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten unentgeltlich überlassen wird.
  • Wird die Wohnung an ein steuerlich zu berücksichtigendes Kind und an den geschiedenen Ehegatten (Kindesmutter oder -vater) unentgeltlich überlassen, liegt ebenfalls keine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" mehr vor, weil dann die Überlassung an das Kind gerade nicht zur alleinigen Nutzung erfolgt.
  • Wird eine Wohnung an drei Kinder überlassen, von denen ein Kindergeldanspruch nur für ein Kind besteht, ist die Voraussetzung der Eigennutzung nicht erfüllt. Die Wohnung muss - so das FG Niedersachsen - einem Kind, für das der Kindergeldanspruch besteht, zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Eine Nutzung zu alleinigen Wohnzwecken liege jedoch dann nicht (mehr) vor, wenn die Wohnung auch anderen Personen zur gemeinsamen Nutzung mit dem Kind überlassen wird. Das gilt selbst dann, wenn die anderen Kinder auch noch unterhaltsberechtigt sind (Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.6.2021, 9 K 16/20, Revision IX R 28/21).
  • Die unentgeltliche Überlassung an andere - auch unterhaltsberechtigte - Angehörige stellt keine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" dar (BFH-Urteil vom 26.1.1994, X R 94/91; BFH-Urteil vom 18.1.2011, X R 13/10).

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