Für Kinder besteht ein Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur, wenn der berechtigte Elternteil seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (§ 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), wobei es von diesem Grundsatz Ausnahmen gibt. Auch die Kinder müssen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wobei es auch hier wiederum Ausnahmen gibt (§ 63 Abs. 1 Satz 6 EStG). So kann Kindergeld für ein Kind gezahlt werden, das in einem EU- oder EWR-Staat lebt - vorausgesetzt, im Ausland wird nicht bereits Kindergeld oder eine diesem vergleichbare Leistung gewährt (§ 65 EStG). Sind die vergleichbaren ausländischen Leistungen geringer als das deutsche Kindergeld, wird gegebenenfalls ein Teilkindergeld gezahlt - das so genannte Differenzkindergeld (Abschnitt A 29 der Dienstanweisung Kindergeld). Das "Kindergeldrecht mit Auslandsbezug" führt in der Praxis zu enormen Problemen und zahlreichen Klagen vor der Finanzgerichten. 

Umstritten sind beispielsweise Fälle, in denen der - prinzipiell kindergeldberechtigte - Elternteil ins Ausland versetzt wird oder zeitweise ins Ausland verzieht, ohne jedoch die Zelte in Deutschland komplett abzubrechen. So hatte allein das Finanzgericht Baden-Württemberg in jüngerer Vergangenheit über mehrere Sachverhalte mit Auslandsbezug zu entscheiden.

1. Wohnsitz bei Entsendung in das Ausland

Wird ein Arbeitnehmer vom Inland ins Ausland entsandt, hat er grundsätzlich keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr im Inland, da er nicht mehr an einem bestimmten Ort im Inland tatsächlich körperlich anwesend ist. In einem Streitfall ging es um die Frage, ob ein in das so genannte Drittausland (Nicht-EU-Staat und Nicht-EWR-Staat) entsandter Arbeitnehmer, der eine ausgestattete Wohnung im Inland beibehalten hat, deren Benutzung ihm jederzeit möglich und gestattet gewesen ist, und sein Kind weiterhin einen Wohnsitz im Inland gehabt haben.

Nach Ansicht des Gerichts sind in einem solchen Fall die beabsichtigte Dauer des Auslandsaufenthalts und die tatsächliche Nutzung der Wohnung im Inland zu würdigen. Grundsätzlich gilt hier: Bei einer langjährigen Entsendung ins Drittausland mit lediglich kurzen Aufenthalten in der Wohnung in Deutschland gilt der inländische Wohnsitz als aufgegeben, so dass der Anspruch auf Kindergeld nicht mehr besteht. Im konkreten Streitfall ist der Kindergeldberechtigte jedoch mit Ehepartner und Kind während der Entsendezeit - hier während der Corona-Pandemie - in die Wohnung im Inland zurückgekehrt. Der Kindergeldberechtigte hat von der Wohnung aus im Homeoffice gearbeitet und das Kind hat online studiert. Der Kindergeldberechtigte und das Kind hätten erneut einen inländischen Wohnsitz begründet. Kindergeld sei wieder festzusetzen - so das Gericht (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.2023, 10 K 309/22).

2. Geburt des Kindes im Drittausland - Wohnsitz des Kindes

In einem weiteren Verfahren wurde das Kind während der Corona-Pandemie im Drittausland (Nicht-EU-Staat und Nicht-EWR-Staat) geboren, so dass die ins Ausland entsandten Eltern mit dem Kind erstmals neun Monate nach der Geburt ins Inland zurückgekehrt sind. Hier hat das Gericht entschieden: Das im Ausland geborene Kind kann auch bei einer befristeten Auslandstätigkeit der Eltern erst ab der Ankunft in der inländischen Wohnung und einem tatsächlichen Aufenthalt im Inland einen inländischen Wohnsitz begründen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.11.2023, 12 K 1322/21).

In diesem Sinne entschied das Gericht mit einem weiteren Urteil: Die tatsächliche Gestaltung müsse dafür sprechen, dass das Kind bereits mit seiner Geburt im Ausland (auch) einen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung im Inland begründe. Hieran fehle es jedoch, wenn sich das Kind tatsächlich am von beiden Eltern unterhaltenen (weiteren) Wohnsitz im Ausland (Nicht-EU-Staat und Nicht-EWR-Staat) aufhalte und erstmals acht Monate nach der Geburt kurzzeitig ins Inland komme (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2024, 11 K 341/23).

3. Entsendung eines Arbeitnehmers nach Deutschland

Im Verfahren 12 K 1355/23 (Urteil vom 21.09.2023; rkr.) ging es um einen Anspruch auf (Differenz-)Kindergeld bei Entsendung aus einem EU-Mitgliedstaat (im Streitfall: Slowakische Republik) ins Inland. Der Kläger war von seinem slowakischen Arbeitgeber durch zwei nacheinander geschaltete Entsendungen als Arbeitnehmer nach Deutschland entsandt worden. Seine Ehefrau und Kinder lebten weiterhin in der Slowakischen Republik. Die Entsendungen dauerten jeweils voraussichtlich nicht mehr als 24 Monate. Insgesamt war jedoch der Kläger mehr als 24 Monate im Inland tätig und blieb in der Slowakei sozialversichert. Das Finanzgericht entschied: Erfülle der Kläger zwar die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, bestehe im Streitfall trotzdem kein Anspruch auf (Differenz-)Kindergeld. Denn das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz sei eine Familienleistung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (VO Nr. 883/2004). Ein Anspruch auf Kindergeld sei im Streitfall nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 VO Nr. 883/2004 ausgeschlossen. Danach werde Kindergeld nicht für Kinder gewährt, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst werde.

Der deutsche Kindergeldanspruch des Klägers werde ausschließlich durch seinen Wohnort ausgelöst. Während der Entsendungstätigkeit unterliege der Kläger "weiterhin den slowakischen Rechtsvorschriften, so dass dessen Familienleistungsansprüche in der Slowakei durch diese Beschäftigung ausgelöst und gegenüber dem infolgedessen in Deutschland (ausschließlich) durch den Wohnort ausgelösten Kindergeldanspruch vorrangig sind (Art. 68 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 883/2004). Der Kläger unterliege weiterhin den Rechtsvorschriften der Slowakischen Republik, da die voraussichtliche Dauer seiner Arbeit jeweils 24 Monate nicht überschritten habe. Dieser sei in der Slowakei sozialversichert geblieben. Schließlich wohnten auch seine beiden Kinder in der Slowakei, einem anderen EU-Mitgliedstaat, so dass sämtliche Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 2 Satz 3 VO Nr. 883/2004 erfüllt seien.

Quelle der obigen Ausführungen ist eine Pressemitteilung des FG Baden-Württemberg vom 19.3.2025. Es gibt natürlich - wie eingangs erwähnt - unzählige weitere Urteile zu dem Thema. Hinzuweisen ist beispielsweise auf ein interessantes Urteil des Hessischen Finanzgerichts (siehe nachfolgend).

4. Wann besteht ein Recht zur Wohnungsnutzung?

Das Hessische FG hat entschieden, dass Kindergeld zu gewähren ist, wenn ein ins Ausland entsandter Arbeitnehmer das Recht hat, eine inländische Wohnung seines Arbeitgebers jederzeit zu nutzen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Miete das ganze Jahr über gezahlt wird. Es ist ausreichend, wenn diese für die tatsächlichen Nutzungszeiten, etwa während des Urlaubs, entrichtet wird. Eine Untervermietung der Wohnung schließt dagegen eine regelmäßige Benutzung aus und wäre schädlich (Urteil vom 11.3.2020, 3 K 1554/19).

  • Der Fall: Im Sommer 2019 wurde der Familienvater für drei Jahre nach China entsandt. Seine Ehefrau und die Kinder folgten ihm dorthin und verbrachten die meiste Zeit des Jahres in China. Die Sommerferien (ca. zwei Monate) und teilweise auch einige Wochen im Frühjahr sollten aber in Deutschland verbracht werden. Dabei sollte das im Eigentum einer GmbH stehende Haus, dessen alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Vater ist, zu Wohnzwecken genutzt werden. Eine Nutzung des Hauses durch andere Personen sollte nicht erfolgen. Der Geschäftsführer zahlte Miete aber nur für die Zeit der tatsächlichen Nutzung. Nach Beendigung der Entsendung wird die Wohnung wieder dauerhaft und uneingeschränkt von der Familie genutzt. Die Familienkasse versagte das Kindergeld. Sie ist der Auffassung, dass weder die Eltern noch ihre Kinder über einen inländischen Wohnsitz verfügten, zumal das Haus mangels Mietzahlung nicht ganzjährig zur Verfügung gestanden habe. Doch die Klage hatte Erfolg.
  • Bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer begründe das Beibehalten einer eingerichteten Wohnung im Inland eine vom Umfang der tatsächlichen Nutzung unabhängige Vermutung für eine fortdauernde Nutzungsabsicht. Diese Sachverhaltsvermutung sei zwar widerlegbar, etwa bei einer Untervermietung der Wohnung oder wenn der Arbeitnehmer am neuen Tätigkeitsort einer uneingeschränkten Residenzpflicht unterliegt und seine Familie nachgezogen ist. Im Urteilsfall bleibe es aber bei der Vermutung der dauerhaften Nutzungsabsicht. Zwar mag während der Zeit des Aufenthalts in China kein rechtlich verbrieftes Nutzungsrecht an der Wohnung bestanden haben. Tatsächlich stand dem Steuerzahler das Haus jedoch (durchgehend) zur Verfügung, was sich aus seiner Stellung als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH ergab. Die tatsächliche Verfügungsbefugnis setze nicht voraus, dass ganzjährig Miete bezahlt wird; sie könne sich auch ohne eine entsprechende gegenseitige Verpflichtung ergeben. Ein weiterer Umstand, der für das Innehaben bzw. die Beibehaltung der Wohnung spreche, sei die Rückkehrabsicht der Familie nach Ablauf der Entsendungszeit des Vaters.

STEUERRAT: In ähnlichen Fällen kann es nicht schaden, Beweisvorsorge zu treffen, um gegenüber der Familienkasse und eventuell dem Gericht zu belegen, dass eine weitere Nutzung der Wohnung tatsächlich beabsichtigt ist. Das können zum Beispiel Fotos der Inneneinrichtung vor und während des Entsendzeitraums sein, die deutlich machen, dass die Einrichtung unverändert geblieben ist. Auch sollten - falls möglich - Zeugenaussagen beigebracht werden, die bestätigen, dass die Wohnung auch während der Entsendung gelegentlich von den Familienmitgliedern genutzt wird und weiterhin private (und nicht nur dienstliche) Kontakte bestehen.

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Steuertipp der Woche vom 19.5.2025