Für ein Kind zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr, das sich in einer Berufsausbildung befindet, erhalten die Eltern Kindergeld. Im Zweifel müssen sie aber darlegen, dass die Ausbildung - insbesondere ein Studium - mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und nicht nur "pro forma" betrieben wird. Das Finanzgericht Münster hat kürzlich zur Frage der Ernsthaftigkeit ein positives Urteil für die kindergeldberechtigten Eltern gefällt, das auch in anderen Fällen nützlich sein kann. Daher soll es nachfolgend vorgestellt werden.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass auch ein Studium an einer privaten Fernuniversität als ernsthaft betrieben gelten kann, so dass den Eltern das Kindergeld zusteht (FG Münster, Urteil vom 5.2.205, 7 K 1522/24 Kg, AO).

  • Der Fall: Die Tochter machte im Jahr 2022 ihr Abitur und meldete sich im Juli 2022 bei der Bundesagentur für Arbeit kurzzeitig ausbildungsplatzsuchend. Ihr Vater reichte der Familienkasse später eine Immatrikulationsbescheinigung ein, aus der hervorging, dass die Tochter seit Dezember 2022 bis zum Juni 2023 für ein Fernstudium in Vollzeit an einer privaten Hochschule eingeschrieben war (Studiengang Psychologie). Die Gebühren für das Studium betrugen monatlich 348,15 EUR. Die Familienkasse hob dennoch die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum von September 2022 bis einschließlich Juni 2023 auf und forderte das bereits gezahlte Kindergeld zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass laut dem vorgelegten Studienplan insgesamt vier Klausuren, eine Hausarbeit sowie ein "advanced workbook" hätten vorgelegt werden müssen. Die Tochter habe allerdings erst eine Arbeit übermittelt. Dies lasse nicht den Rückschluss auf ein ernsthaftes und nachhaltiges Betreiben des Studiums zu. Hiergegen wandte sich der Vater und legte beispielsweise dar, dass seine Tochter als aktive Studentin mehrere Kurse belegt hatte. Das Finanzgericht gab dem Vater Recht.
  • Begründung: Eine Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen. Bestehen dagegen durchgreifende Anhaltspunkte für eine reine "Pro-forma-Immatrikulation", liegt keine Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG vor.
  • Auch wenn durch eine strenge Prüfung der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Ausbildungsbemühungen bei einem Selbststudium Missbrauch vermieden werden soll, besteht keine feste formelle Mindestgrenze für den zeitlichen Umfang einer Ausbildungsmaßnahme. Es ist insoweit eine Frage des Einzelfalls, ob die Ausbildungsbemühungen als hinreichend ernsthaft und nachhaltig qualifiziert werden können. Bereitet sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbstständig auf Prüfungen und Ähnliches vor, sind an den Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Zweifel gehen nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten.
  • Nach diesen Grundsätzen stellt das von der Tochter begonnene Fernstudium zunächst eine Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG dar. Ihr Ausbildungsziel lag in der Erlangung des akademischen Grads eines "Bachelor of Psychologie". Das Studium vermittelte ihr in den Semestern ausweislich der vorliegenden Verlaufspläne aufgrund der vorgeschriebenen Basismodule Kenntnisse und Fähigkeiten, die Grundlage für ihr angestrebtes Ausbildungsziel waren. Zudem war das Absolvieren der vorgeschriebenen Klausuren, Hausarbeiten etc. Voraussetzung, um den erstrebten Studienabschluss zu erlangen.
  • Als gewichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit des Betreibens des Studiums und gegen eine reine Pro-Forma-Einschreibung spricht zunächst der Umstand, dass die Tochter eine nicht unerhebliche monatliche Studiengebühr in Höhe von 348,31 EUR gezahlt hat, um überhaupt an Lehrgängen teilnehmen zu können. Das von ihr gewählte Studium der Psychologie weist auch keine Nähe zum "Hobbybereich" oder der rein privaten Lebensführung auf (wie dies etwa bei Sprachreisen der Fall sein kann), so dass kein wöchentlicher Mindestumfang des Selbststudiums oder eine Mindestanzahl von Leistungsnachweisen zu fordern wäre.
  • Im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme führte die Tochter nachvollziehbar aus, dass sie im ersten Semester lediglich einen "Schein" erworben habe, weil sie mit der Bearbeitung von Skripten und dem selbstständigen Ableisten der Klausuren nicht vertraut gewesen sei. Sie habe sich beim Studium in Details verloren und sah sich zunächst nicht in der Lage, weitere Leistungsnachweise zu erbringen. Nachdem sie aber mehr Erfahrungen beim Selbststudium erlangt habe, sei ihr das Ableisten von weiteren Studienleistungen im folgenden Semester leichter gefallen.
  • An den Studienfortschritt an privaten oder staatlichen (Fern-)Universitäten sind keine verschieden hohe Anforderungen zu stellen.

STEUERRAT: Bei einer Erstausbildung wird das Kindergeld ohne weitere Voraussetzungen gezahlt. Bei einer Zweitausbildung sieht die Sache anders aus: Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Lediglich eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 2 u. 3 EStG).

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