Wird eine vermietete Immobilie unentgeltlich auf Sohn oder Tochter übertragen, treten die so Bedachten einkommensteuerlich "in die Fußstapfen" des Schenkers und führen die Abschreibungen (AfA) in der bisherigen Höhe fort. Müssen die Beschenkten hingegen etwas zahlen oder Verbindlichkeiten übernehmen, so ist der Vorgang - je nach Höhe der Gegenleistung - als voll- oder teilentgeltliches Rechtsgeschäft zu werten. Für den entgeltlichen Teil können dann "neue" Abschreibungen geltend gemacht werden und nur für den unentgeltlichen Teil wird die AfA des Rechtsvorgängers fortgeführt. Unabhängig von der Frage der AfA ist bedeutend, dass hinsichtlich des unentgeltlichen Teils möglicherweise Schenkungsteuer anfällt. Aber kann eine teilentgeltliche Übertragung - neben der Schenkungsteuer - zusätzlich Einkommensteuer auslösen? Die Antwort lautet leider "Ja"!

Ein Finanzamt kam auf folgende Idee: Sind zwischen dem Erwerb der Immobilie und der Übertragung auf Sohn oder Tochter noch keine zehn Jahre vergangen, so kann eine teilentgeltliche Übertragung als privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 EStG zu werten sein und damit die Spekulationsbesteuerung auslösen - und zwar selbst dann, wenn die Zahlung oder die Schuldübernahme unterhalb der historischen Anschaffungskosten des Übertragenden liegen.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof im Sinne des Fiskus entschieden: Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor (BFH-Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24). Er hat damit ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts kassiert. Dieses war der Ansicht, dass teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien auf Kinder unterhalb der historischen Anschaffungskosten die Spekulationsbesteuerung nicht auslösen können (Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.5.2024, 3 K 36/24).

  • Der Fall: Der Vater hatte im Jahr 2014 ein bebautes Grundstück für insgesamt 143.950 EUR erworben und anschließend vermietet. Einen Teil des Erwerbs hatte er durch ein Bankdarlehen finanziert. In 2019 übertrug der Vater diese Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter. Das Bankdarlehen valutierte noch mit 115.000 EUR. Die Tochter übernahm diese Verpflichtung. Beim Notar gaben die Vertragsparteien den aktuellen Verkehrswert der Immobilie mit 210.000 EUR an. Das Finanzamt wertete diesen Vorgang als nach
    § 23 EStG steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft, da zwischen dem Erwerb durch den Vater und der Übertragung auf die Tochter noch nicht mehr als zehn Jahre vergangen waren. Die Übertragung sei in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Vorgang aufzuteilen. Maßstab für die Aufteilung sei dabei der Verkehrswert der Immobilie im Zeitpunkt der Übertragung im Verhältnis zu den übernommenen Verbindlichkeiten. Letztlich wollte das Finanzamt einen Betrag von sage und schreibe 40.655 EUR versteuern. Der BFH hat dem Finanzamt Recht gegeben.
  • Begründung: Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden zugleich damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil. Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer. Es spielt keine Rolle, dass der Vater und seine Tochter von einer insgesamt unentgeltlichen Übertragung ausgegangen sind. Für die Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist auf die objektiv verwirklichten Besteuerungsmerkmale abzustellen. Subjektive Erwägungen wie zum Beispiel eine Spekulations- oder Überschusserzielungsabsicht sind unerheblich. Der Vater kann sich auch nicht darauf berufen, er habe mit der Übernahme der Verbindlichkeiten durch seine Tochter im Ergebnis weniger erhalten als seine historischen Anschaffungskosten. Denn bezogen auf den entgeltlichen Teil der Übertragung (es waren hier exakt 54,76 %) steht seinen anteiligen Anschaffungskosten in Höhe von 78.828 EUR ein Entgelt in Höhe von 115.000 EUR gegenüber. Der Vater hat mithin bezogen auf den entgeltlichen Teil einen Wertzuwachs erzielt.
  • Sollte es im Streitfall zu einer doppelten Belastung mit Schenkungsteuer und Einkommensteuer kommen, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber eine gleichzeitige Belastung mit diesen beiden Steuerarten einschließlich der damit verbundenen Härten grundsätzlich in Kauf genommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 25.6.2021, II R 31/19). Auch seitens des Bundesverfassungsgerichts ist eine kumulative Belastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer nicht beanstandet worden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 7.4.2015, 1 BvR 1432/10, Rz 11 ff.).

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