Es gibt nicht nur Rentner, die so früh wie möglich ihre Rente bekommen wollen. Es gibt auch solche, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze (65 Jahre plus x Monate) noch weiterarbeiten und die Rente erst später in Anspruch nehmen möchten. Im Jahr 2022 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der steuerlich maßgebende "Rentenbeginn" immer das Jahr der tatsächlichen Bewilligung ist, auch wenn bereits früher ein Rentenanspruch besteht und dieser auf Antrag des Berechtigten hinausgeschoben wird. Nach diesem Jahr des Beginns der aufgeschobenen Altersrente richtet sich der Besteuerungsanteil (BFH-Urteil vom 31.8.2022, X R 29/20). Fazit: Steuerzahler, die später in Rente gehen, werden vom Fiskus bestraft, weil der Besteuerungsanteil ihrer Rente dauerhaft höher ist, als wenn sie mit Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gegangen wären. AKTUELL: Gegen das Urteil des BFH ist Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Das Verfahren ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvR 2212/22 anhängig.

Dem Urteil des BFH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Er vollendete im Oktober 2009 das 65. Lebensjahr. Der Kläger beantragte bei seinem Versorgungswerk, den Beginn der Rentenzahlung um den höchstmöglichen Zeitraum von 36 Monaten hinauszuschieben. Dem wurde zugestimmt, so dass die Rente ab 2012 gezahlt wurde. Das Finanzamt versteuerte die Rente unter Berücksichtigung eines Besteuerungsanteils von 64 Prozent und ermittelte dementsprechend den Rentenfreibetrag für die Folgejahre. Der Besteuerungsanteil von 64 Prozent gilt bei einem Rentenbeginn im Jahre 2012; bei einem Rentenbeginn im Jahre 2009 wären hingegen nur 58 Prozent zugrunde gelegt worden. Nach Ansicht des BFH ist die Berechnung des Finanzamts korrekt.

  • Als "Jahr des Rentenbeginns" in § 22 EStG sei das Jahr zu verstehen, ab dem die Rente - gegebenenfalls nach rückwirkender Zubilligung - tatsächlich bewilligt wird. Der Rentenbeginn liege in dem Jahr, in dem der Berechtigte die Leistungen tatsächlich erhalten und sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht hat.
  • Der Besteuerungsanteil richte sich nach dem "Jahr des Rentenbeginns" und dem für dieses Jahr maßgebenden Prozentsatz gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente sei der steuerfreie Teil der Rente. Dieser gelte ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs.
  • Doch ob diese Auffassung der BFH-Richter korrekt muss, wird nun in Karlsruhe entschieden.

STEUERRAT: In ähnlichen Fällen sollten Betroffene daher gegen nachteilige Steuerbescheide Einspruch einlegen und ein Ruhen ihres eigenen Verfahrens beantragen. Wichtig: Steuerbescheide ergehen derzeit hinsichtlich der vermeintlichen Übermaßbesteuerung von Renten vorläufig. Der Vorläufigkeitsvermerk wird sämtlichen Einkommensteuerbescheiden für Veranlagungszeiträume ab 2005 beigefügt, in denen eine Leibrente oder eine andere Leistung aus der so genannten Basisversorgung erfasst wird (BMF-Schreiben vom 30.8.2021, BStBl 2021 I S. 1042). Doch dieser Vorläufigkeitsvermerk umfasst nicht das oben genannte Problem des Besteuerungsanteils bei aufgeschobenem Rentenbeginn. Es muss also - bis auf Weiteres - gesondert Einspruch eingelegt werden!

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