SteuerSparbrief - Archiv

Der Online-SteuerSparbrief erscheint monatlich im Umfang von rund 16 Seiten und ist Teil des Abonnements von Steuerrat24. Die aktuelle Ausgabe steht jeweils ab Monatsbeginn zum Abruf in der Rubrik "SteuerSparbrief" bereit.

Falls Sie eine frühere Ausgabe versäumt haben, können Sie hier die letzten Ausgaben des SteuerSparbriefs aufrufen.

 

Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:

  • Arbeitszimmer: Auch bei nur geringfügiger Nutzung absetzbar?
  • Doppelter Haushalt: Wann die Zweitwohnung zum Lebensmittelpunkt wird
  • Minijob: Riester-Förderung für Minijobber besonders vorteilhaft
  • Rente mit 63: Keine Berücksichtigung von Arbeitslosigkeit vor Rentenbeginn

Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief: 

Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum Ausdruck: SteuerSparbrief März 2018

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

nun liegt der lang ersehnte Koalitionsvertrag vor, mit dem die Richtung der Politik für die nächsten dreieinhalb Jahre vorgegeben wird. Unmittelbar nach Bekanntwerden dieses Vertrages habe ich ihn mir selbstverständlich ausführlich angeschaut und war zunächst erstaunt und erfreut, welch Bündel von positiven Maßnahmen für die kommenden Jahre geplant wird, um Steuerzahler zu entlasten, aber auch um die Finanzverwaltung, Bürger und Berater von unnützer Bürokratie zu befreien. „Das ist toll“, dachte ich, und geriet fast in euphorische Stimmung. Doch irgendwann stutzte ich – und ja, ich gebe es zu – ich hatte den Koalitionsvertrag des Jahres 2013 in den Händen. 

Doch dieser Fauxpas hatte auch etwas Gutes, denn nun sehe ich den aktuellen Koalitionsvertrag in einem anderen Licht. In dem alten Vertrag findet sich beispielsweise die Formulierung „Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe.“ Auch hatte das Thema „Vorausgefüllte Steuererklärung“ einen hohen Stellenwert. Die elektronische Kommunikation mit dem Finanzamt sollte ausgebaut werden und, und, und. Doch was ist davon verwirklicht worden? 

  • Steuervereinfachung: Mir fällt auf Anhieb nicht eine Vorschrift in den Steuergesetzen ein, die vereinfacht worden wäre. Im Gegenteil: Das Erbschaftsteuerrecht ist so verkompliziert worden, dass selbst Experten auf diesem Gebiet die Flügel strecken.
  • Vorausgefüllte Steuererklärung: Nun ja, erste Schritte sind getan worden. Da sollte man ehrlich sein. Aber wir sind noch weit entfernt von dem Standard in anderen, digital affinen Ländern. In Schweden, aber auch in den baltischen Staaten, sollen bereits 70 bis 80 Prozent der Daten vorgegeben sein. In Deutschland beträgt dieser Wert gerade einmal rund 30 Prozent.
  • Elektronische Kommunikation mit dem Finanzamt: Diese erfolgt in der Weise, dass dem Steuerzahler zahlreiche Verpflichtungen aufgebürdet werden. Wer schon einmal eine Anlage EÜR für seine Gewinneinkünfte elektronisch ausfüllen durfte, kann davon ein Lied singen. Eine Kommunikation mit dem Finanzamt per E-Mail ist dagegen so gut wie ausgeschlossen. Die digitale Übermittlung von Belegen? Davon sind wir weit entfernt. Tippfehler des Steuerzahlers bei der Übermittlung von Daten, die sich zu seinen Ungunsten auswirken? Versuchen Sie einmal, das Finanzamt zu einer Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids zu bewegen.

Nun schreiben wir das Jahr 2018. Der aktuelle Koalitionsvertrag enthält wieder „warme Worte.“ Allerdings liegt der Vorteil des jetzigen Vertrages in der – teilweisen – Festlegung von Messgrößen. So ist bestimmt worden, dass der Solidaritätszuschlag schrittweise abgeschafft wird und eine Entlastung der Steuerzahler – ab dem Jahr 2021 – im Umfang von 10 Mrd. Euro eintreten wird. Die steuerlichen Freibeträge für Menschen mit Behinderung sollen zumindest überprüft und Geringverdiener bei Sozialbeiträgen entlastet werden. 

Die Zukunft wird zeigen, ob die verhandelten Punkte auch tatsächlich umgesetzt werden. Zweifel bleiben zwar, da die verantwortlichen Personen größtenteils weiter das Ruder führen. Ich hoffe aber, dass CDU/CSU und SPD aus der Vergangenheit gelernt haben, entschlossener die Modernisierung unseres Landes vorantreiben und dabei den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht aus den Augen verlieren. Im Jahre 2021 können wir es überprüfen. 

Übrigens: Die Punkte „Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe“ und „Wir streben die Einführung einer vorausgefüllten Steuererklärung an“ finden sich auch im aktuellen Koalitionsvertrag.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Christian Herold

Redaktion Steuerrat24

 

I. Beruflicher Bereich

 

1. Arbeitszimmer:
 Auch bei nur geringfügiger Nutzung absetzbar?

Oft verweigern die Finanzämter die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers, wenn es nur in einem sehr geringen zeitlichen Umfang beruflich genutzt wird. Dann nämlich sei das Arbeitszimmer nicht "erforderlich" oder "notwendig", etwa für die Verwaltung von einigen Mietwohnungen oder für die Verwaltung einer Fotovoltaikanlage. Ist dieses Kriterium aber für die steuerliche Absetzbarkeit des Arbeitszimmers tatsächlich von Bedeutung? Jedenfalls ergibt sich die Bedingung der "Erforderlichkeit" nicht aus dem Gesetz, sondern wurde vom BFH im Jahre 1996 eingeführt. "Den im Gesetz getroffenen Regelungen liegt die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann steuerlich abziehbar sein sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist" (BFH-Urteil vom 27.9.1996, VI R 47/96).

Nach Auffasung des FG Nürnberg ist ein Arbeitszimmer für die Verwaltung einer kleinen Fotovoltaikanlage nicht absetzbar, weil es dafür nicht "erforderlich" ist (FG Nürnberg vom 19.3.2012, 3 K 308/11). Ebenfalls wird es nicht für die Verwaltung von zwei Mietwohnungen anerkannt, weil es dafür nicht "erfoderlich" ist (FG Nürnberg vom 12.2.2014, 5 K 1251/12). Auch das FG Hessen hält das Arbeitszimmer für die Verwaltung von zwei Eigentumswohnungen nicht für "erforderlich" oder notwendig (FG Hessen vom 21.11.2000, 13 K 1005/00).

ACHTUNG: Im Jahre 2017 hat der Bundesfinanzhof nochmals genau ins Gesetz geschaut und kommt zu dem verblüffenden Ergebnis, dass es auf die "Erforderlichkeit" des häuslichen Arbeitszimmers gar nicht ankommt. Die Erforderlichkeit ergebe sich nicht aus dem Gesetz und sei auch kein Merkmal für die Abzugsfähigkeit des Arbeitszimmers (BFH-Urteil vom 8.3.2017, IX R 52/14). Wow! Wahnsinn!

Nach neuer Erkenntnis des BFH ist im Gesetz die Absetzbarkeit auf zwei Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung) begrenzt. Diesen Fallgruppen liege die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in diesen Fällen erforderlich sind. "Ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für die beiden Fälle, in denen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer überhaupt nur abzugsfähig sind, folgt daher weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung" (BFH vom 8.3.2017).

AKTUELL hat das Finanzgericht Düsseldorf bei einer Flugbegleiterin die Anerkennung des Arbeitszimmers verweigert, weil der feststellbare zeitliche Umfang ihrer Bürotätigkeiten, die sie zweifellos zu Hause zu verrichten hatte, so gering war, dass dafür ein Arbeitszimmer nicht "erforderlich" war. Die Richter gingen von einem zeitlichen Arbeitsumfang zu Hause von 51 Stunden im Jahr aus, was einem Anteil von 3,1 % der Gesamtarbeitszeit entsprach - zu wenig, um das Arbeitszimmer anzuerkennen (FG Düsseldorf vom 4.5.2017, 8 K 329/15 E).

Auch in einem weiteren Urteil hat das FG Düsseldorf das Arbeitszimmer bei einer Flugbegleiterin abgelehnt, weil der Umfang ihrer Bürotätigkeiten den Richtern so gering erschien, dass das Arbeitszimmer dafür nicht "erforderlich" war (FG Düsseldorf vom 24.4.2017, 8 K 1262/15 E).

STEUERRAT: Die beiden Urteile des FG Düsseldorf sind zwar zeitlich nach der sensationellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 8.3.2017 ergangen, doch die neue BFH-Erkenntnis war im April und Mai 2017 noch nicht bekannt, weil das BFH-Urteil erst am 7. Juni veröffentlicht wurde. Aus heutiger Sicht muss festgestellt werden, dass die beiden Urteile der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechen; sie dürften deshalb heute wohl anders lauten. Der BFH hat aufgrund der Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zugelassen, sodass nun noch mit einer BFH-Entscheidung zu rechnen ist (Aktenzeichen der Revision: VI R 46/17). Einsprüche ruhen kraft Gesetzes gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

FAZIT: Wird also das häusliche Arbeitszimmer nur in einem sehr geringen Umfang für berufliche Zwecke genutzt (z.B. zur Verwaltung von einigen Mietwohnungen, von Kapitalvermögen, einer Fotovoltaikanlage), hat der BFH jetzt folgende Regeln vorgegeben:

  • -Zunächst ist zu prüfen, in welchem Umfang das Arbeitszimmer zur Erzielung von Einkünften genutzt wird und ob eine schädliche private (Mit-)Nutzung vorliegt.
  • -Wird der Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen genutzt und sind die privaten Tätigkeiten (z.B. Verwaltung des Eigenheims, Erledigung privater Korrespondenz, Aufbewahrung privater Unterlagen) im Verhältnis zur steuerrelevanten Nutzung des Arbeitszimmers als untergeordnet einzustufen, ist das Arbeitszimmer steuerlich anzuerkennen.

Weitere Informationen: Arbeitszimmer: Wann steht kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung?

 

2. Doppelter Haushalt:
Wann die Zweitwohnung zum Lebensmittelpunkt wird

Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn Sie außerhalb des Ortes, in dem Sie einen eigenen Haupthaushalt unterhalten, beschäftigt sind und auch am Beschäftigungsort wohnen. Die Errichtung des zweiten Haushalts in der Zweitwohnung am Beschäftigungsort begründet diese doppelte Haushaltsführung. Wird ein solcher Zweithaushalt aus beruflichem Anlass begründet, können die Kosten als Werbungskosten abgesetzt werden, gleichgültig, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird und wie lange sie dauert.

Wichtig: Die Zweitwohnung darf nur nicht zum neuen Lebensmittelpunkt werden, denn sonst endet die doppelte Haushaltsführung. Die Frage ist, wann die Zweitwohnung zum neuen Mittelpunkt der Lebensinteressen wird?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof bestätigt, dass die Frage, ob die Hauptwohnung oder die Zweitwohnung als Lebensmittelpunkt anzusehen ist, anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen ist. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen, z.B. Art und Intensität der sozialen Kontakte, Vereinszugehörigkeiten und andere Aktivitäten (BFH-Beschluss vom 18.12.2017, VI B 66/17).

Der Lebensmittelpunkt kann sich beispielsweise an den Beschäftigungsort verlagern,

  • wenn die Familie an den Beschäftigungsort umzieht und Sie damit die Hauptwohnung aufgeben oder nur noch für Besuchszwecke vorhalten.
  • wenn der Familienhaushalt zwar weiterbesteht, dieser aber nicht mehr Ihren Lebensmittelpunkt darstellt. Das ist anzunehmen, wenn Sie sich von Ihrem Ehegatten getrennt haben und mit einer Lebensgefährtin in der Zweitwohnung zusammenziehen.
  • wenn die Zweitwohnung in Größe und Ausstattung die Hauptwohnung übertrifft. Dann spricht vieles dafür, dass die eigentliche Haushaltsführung und der Lebensmittelpunkt an den Beschäftigungsort verlegt wurden. Ist die Zweitwohnung mehr als doppelt so groß wie die Hauptwohnung, ist von einer Verlegung des Lebensmittelpunktes auszugehen.
  • wenn Eheleute, Lebenspartner oder Lebensgefährten in der Zweitwohnung am auswärtigen Beschäftigungsort zusammenleben: Dann nämlich müssen die Beamten besonders prüfen, ob die Hauptwohnung noch der Lebensmittelpunkt ist.

Weitere Informationen: Doppelter Haushalt: Wann eine doppelte Haushaltsführung anerkannt wird.

 

3. Doppelter Haushalt:
Wenn die Hauptwohnung nicht weit vom Arbeitsort entfernt ist

Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn Sie außerhalb des Ortes, in dem Sie einen eigenen Haupthaushalt unterhalten (Hauptwohnung), beschäftigt sind und am Beschäftigungsort eine Zweitwohnung unterhalten. Die Errichtung des zweiten Haushalts in der Zweitwohnung am Beschäftigungsort begründet diese doppelte Haushaltsführung. Wird die Zweitwohnung aber auch dann anerkannt, wenn die Hauptwohnung in der Nähe des Beschäftigungsortes liegt? Oder anders herum: Wie weit darf die Hauptwohnung vom Beschäftigungsort entfernt sein, damit Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung steuerlich absetzbar sind?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt wird, wenn nicht nur die Zweitwohnung, sondern auch die Hauptwohnung am Beschäftigungsort oder in der Nähe des Beschäftigungsortes liegt. Dies ist der Fall, wenn die Arbeitsstätte "in zumutbarer Weise" täglich von der Hauptwohnung aus erreicht werden kann. Als zumutbar gelten hierbei Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke, insbesondere in Großstädten (BFH-Urteil vom 16.11.2017, VI R 31/16).

  • Der Fall: Ein Arbeitnehmer wohnt mit den Kindern seiner Lebenspartnerin zusammen in einer Hauptwohnung. Zusätzlich bewohnte er eine Zweitwohnung, von der er unter der Woche zu seiner Arbeitsstätte fährt. Die Arbeitsstätte ist von der Hauptwohnung nur 36 km entfernt, und die Fahrzeit für diese Strecke beträgt etwa eine Stunde. Er macht zum einen die täglichen Fahrten und zum anderen Kosten der doppelten Haushaltsführung (Miete, wöchentliche Heimfahrten, Verpflegungspauschbeträge für drei Monate) als Werbungskosten geltend.
  • Nach Auffassung des BFH liegt keine doppelte Haushaltsführung vor. Entscheidend ist, dass der Ort des eigenen Hausstands (Hauptwohnung) und der Beschäftigungsort auseinanderfallen. Wenn aber der auswärtige Beschäftigungsort von der Hauptwohnung aus "in zumutbarer Weise" täglich erreicht werden kann, fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort nicht auseinander. Dies ist anzunehmen bei einer Entfernung von nur 36 km und einer Fahrzeit von etwa einer Stunde. Wird in diesem Fall dennoch eine Zweitwohnung am Beschäftigungsort angemietet, ist dies privat veranlasst und begründet keine steuerliche doppelte Haushaltsführung.

ACHTUNG: Eine Mindestentfernung zwischen Hauptwohnung und beruflicher Zweitwohnung bestimmt das Gesetz nicht. In Ausnahmefällen können sich beide Wohnungen sogar in derselben politischen Gemeinde (z.B. in Berlin oder München) befinden, und ein tägliches Fahren kann dennoch nicht zugemutet werden. Grundsätzlich sind immer alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die individuellen Verkehrsverbindungen und Wegzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Richtgröße ist eine Fahrzeit von einer Stunde pro Strecke. Gerade in größeren Städten wie Berlin und München sollte nicht nur auf die Entfernungskilometer geachtet werden, sondern vielmehr auf die benötigte Zeit.

Weitere Informationen: Doppelter Haushalt: Wann eine doppelte Haushaltsführung anerkannt wird.

 

4. Fahrten zur Arbeit:
Kein Unfallversicherungsschutz auf Umwegen und Abwegen

Wegeunfälle sind Unfälle, die sich auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeit oder von der Arbeitsstätte nach Hause ereignen. Es muss ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg gegeben sein. Wegeunfälle sind eine Unterform der Arbeitsunfälle. Solche Wegeunfälle sind in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert. Versichert ist grundsätzlich der direkte Weg zur Arbeit. Versichert ist auch ein Umweg, wenn dieser aus verkehrstechnischen Gründen gefahren werden muss. Problematisch aber ist der Versicherungsschutz, wenn der Arbeitnehmer den direkten Weg zu oder von der Arbeit aus privaten Gründen unterbricht oder verlässt.

AKTUELL hat das Landessozialgericht Erfurt entschieden, dass nur der direkte Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Nicht vom Versicherungsschutz erfasst sind hingegen Umwege und Abwege. Erst wenn sich der Arbeitnehmer wieder auf dem direkten Weg befindet und der Umweg oder Abweg beendet ist, lebt der Versicherungsschutz wieder auf (LSG Thüringen vom 8.1.2018, L 1 U 900/17). Was - bitteschön - sind denn Abwege?

  • -Der Fall: Eine Beschäftigte befindet sich auf dem Rückweg von der Arbeit in einer Regionalbahn. Sie verpasst den Ausstieg an ihrem Heimatbahnhof und verbleibt im Zug in Richtung Erfurt. Sie verlässt diesen an der nächsten Haltestelle und beabsichtigt sodann die Bahngleise zu überqueren, um den am gegenüberliegenden Bahnsteig bereitstehenden Gegenzug zu erreichen. Dabei wird sie von einer Rangierlok erfasst und tödlich verletzt. Die Berufsgenossenschaft hat das Vorliegen eines Arbeitsunfalles verneint. Das LSG Erfurt hat die Auffassung der Berufsgenossenschaft bestätigt.
  • -Nach Auffassung der Richter steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich der direkte Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung. Bewege sich ein Versicherter nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder seiner Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel fort, befinde er sich auf einem sog. Abweg. Sobald der direkte Weg verlassen und der Abweg begonnen habe, bestehe daher kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung mehr. Erst wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg befinde und der Abweg beendet sei, lebe der Versicherungsschutz wieder auf. Anhaltspunkte dafür, dass das Abweichen von dem direkten Weg ausnahmsweise in den Schutz der Wegeunfallversicherung einzubeziehen sei (beispielsweise wenn der Umweg verkehrsbedingt zum Beispiel wegen Ausfalls eines Haltepunktes erforderlich wird) konnte vorliegend nicht festgestellt werden.

STEUERRAT: Bei einem Unfall auf beruflicher Fahrt sind die Schadenskosten als Werbungskosten absetzbar. Wird jedoch die normale Fahrtroute einer beruflich veranlassten Fahrt verlassen, kommt es darauf an, ob der Umweg beruflich veranlasst ist. Ist er es nicht, so wird die zunächst berufliche Veranlassung vorübergehend oder ganz aufgehoben. Mit der Folge, dass dann weder die Fahrtkosten noch die Unfallkosten auf diesem Abschnitt steuerlich anerkannt werden. Befinden Sie sich nach dem privat veranlassten Umweg wieder auf Ihrer gewöhnlichen Wegstrecke und ereignet sich dann ein Unfall, ist der Schaden wiederum beruflich veranlasst und somit absetzbar.

Weitere Informationen: Unfall: Wann der Schaden absetzbar ist

 

5. Auszubildende:
Vergütung unter 450 Euro nicht sozialversicherungsfrei

Obwohl die Ausbildungsvergütungen heutzutage meist nicht schlecht sind, gibt es aber dennoch Auszubildende, die weniger als 450 Euro im Monat bekommen. Da liegt die Frage nahe, ob die Vergütung wie eine geringfügige Beschäftigung sozialversicherungsfrei ist und der Arbeitgeber lediglich eine Pauschalabgabe von 30 % zahlen muss.

Hierzu hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden, dass für Auszubildende die Regelungen für geringfügig Beschäftigte nicht gelten. Ausbildungsverhältnisse sind unabhängig von der Höhe der Vergütung immer sozialversicherungspflichtig (LSG Baden-Württemberg vom 10.6.2008, L 4 KR 6527/06).

Doch für Auszubildende gilt eine andere vorteilhafte Regelung:

  • Liegt die Ausbildungsvergütung unter 325 EUR im Monat (sog. Geringverdienergrenze), muss der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe allein tragen. Bei höherer Vergütung zahlen Azubi und Lehrherr die Sozialabgaben je zur Hälfte (§ 20 Abs. 3 SGB IV).
  • Wenn die Vergütung aufgrund von Einmalzahlungen, wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, in einzelnen Monaten die Grenze von 325 EUR überschreitet, sind die Sozialversicherungsbeiträge nur vom übersteigenden Betrag von Arbeitgeber und Auszubildendem jeweils zur Hälfte zu tragen (§ 20 Abs. 3 Satz 2 SGB IV).
  • Für Auszubildende mit einer Ausbildungsvergütung zwischen 325 und 450 EUR gelten nicht die Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung (Mini-Jobs), und für Azubis mit einer Vergütung zwischen 450 EUR und 850 EUR gelten nicht die Regelungen zur Niedriglohn-Beschäftigung mit Gleitzone (Midi-Jobs).

STEUERRAT: Bei einer Ausbildungsvergütung von weniger als 325 EUR im Monat trägt der Arbeitgeber nicht nur die "normalen" Sozialabgaben in voller Höhe, sondern auch den durchschnittlichen Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung von 1,0 % (2018) und den Beitragszuschlag für Kinderlose zur Pflegeversicherung von 0,25 %. Diese Anteile müssen andere Versicherte alleine ohne Beteiligung des Arbeitgebers zahlen.

Weitere Informationen: Auszubildende: Die Geringverdienergrenze von 325 EUR.

 

6. Personalrabatt:
Rabatt des Reiseveranstalters auf Reisepreis kein Arbeitslohn

Sachbezüge vom Arbeitgeber sind als Arbeitslohn steuerpflichtig. Als Sachbezüge gelten auch Rabatte und Vergünstigungen auf Waren und Dienstleistungen, die Sie vom Arbeitgeber verbilligt oder kostenlos erhalten. Solche Preisvorteile sind als geldwerter Vorteil zu versteuern, doch hierfür gibt es den Personalrabatt-Freibetrag in Höhe von 1 080 EUR (§ 8 Abs. 3 EStG).

Oftmals bekommen Mitarbeiter auch Rabatte von Fremdfirmen beim Erwerb von Waren oder der Nutzung von Dienstleistungen. Leider wird in diesem Fall der Personalrabatt-Freibetrag von 1 080 EUR nicht gewährt. In diesem Fall gehören die Preisvorteile zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen, oder wenn der Arbeitgeber an der Verschaffung dieser Preisvorteile aktiv mitgewirkt hat (BMF-Schreiben vom 20.1.2015, BStBl. 2015 I S. 143).

AKTUELL hat das Finanzgericht Düsseldorf eine interessante Entscheidung getroffen, die insbesondere für die Touristikbranche große Bedeutung hat: Der Rabatt, den ein Reiseveranstalter einer Reisebüroangestellten auf den Reisepreis gewährt, stellt keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Es liegen keine Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Gestalt der Zuwendung eines Dritten vor
(FG Düsseldorf vom 21.12.2016, 5 K 2504/14 E).

  • Der Fall: Eine Angestellte eines Reisebüros nahm zusammen mit ihrem Ehemann an einer vierzehntägigen Hochseekreuzfahrt teil. Der Reisepreis betrug 1 540 EUR, während der Katalogpreis abzüglich marktüblicher Rabatte bei 6 330 EUR lag. Hintergrund war, dass die A-GmbH, die weltweit Hochseekreuzfahrten veranstaltet, Reisebüroinhabern und deren Angestellten (Expedienten) zur Sicherung der Geschäftsverbindung Rabatte von über 80 % des Katalogpreises gewährt. Das Finanzamt behandelte den Rabatt als geldwerten Vorteil und steuerpflichtigen Arbeitslohn von dritter Seite.
  • Nach Auffassung der Richter liegt bei von Dritten (Nicht-Arbeitgebern) gewährten Preisvorteilen nur dann Arbeitslohn vor, wenn der Dritte den Vorteil im Interesse des Arbeitgebers gewährt, nicht hingegen, wenn er ein eigenwirtschaftliches Interesse an der Rabattgewährung hat. Genau dies sei hier der Fall. Eigenwirtschaftliche Gründe der A-GmbH lägen in der Sicherung eines zusätzlichen attraktiven Kundenkreises, der Erwirtschaftung eines zusätzlichen Gewinns durch Synergieeffekte und zusätzliche Umsätze an Bord, der Auslastungsoptimierung sowie der Reduzierung der Kostenbelastung. Umgekehrt bestünden keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die A-GmbH die individuelle Arbeitsleistung der Reisebüroangestellten habe entlohnen wollen. Dass diese die Vergünstigung nur aufgrund ihrer Tätigkeit als Reisebüroangestellte in Anspruch nehmen konnte, reiche nicht aus, um den erforderlichen Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteil und Arbeitsleistung zu begründen.

Weitere Informationen: Personalrabatte für Waren und Dienstleistungen.

 

7. Minijob:
Riester-Förderung für Minijobber besonders vorteilhaft

Auch Minijobber, die eine geringfügige Beschäftigung mit einem Monatsverdienst von unter 450 EUR ausüben, können die Riester Förderung in Anspruch nehmen. Die Förderung besteht aus einer Grundzulage von 175 EUR ab 2018 (bisher 154 EUR) und einer Kinderzulage von 300 EUR je Kind (nach dem 1.1.2008 geboren) oder 185 EUR je Kind (vor 2008 geboren). Jugendliche unter 25 Jahren erhalten für das erste Beitragsjahr zusätzlich zur Grundzulage einmalig einen Bonus von 200 EUR.

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  • Sie müssen in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sein: Dies ist bei Minijobs seit 2013 automatisch der Fall. Sie haben zwar die Möglichkeit, die "Befreiung von der Rentenversicherungspflicht" zu beantragen, doch dies sollten Sie nicht tun!
  • Sie müssen den Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung selber zahlen: Das sind im gewerblichen Bereich im Jahre 2018 nur 3,6 % des Arbeitslohns (bei 450 EUR also 16,20 EUR monatlich bzw. 194,40 EUR jährlich). Dies ist sehr günstig! Im Haushaltsbereich beträgt der Arbeitnehmeranteil allerdings 13,6 % (61,20 EUR monatlich oder 734,40 EUR jährlich). Dies ist sehr viel! In den Jahren 2015 bis 2017 betrug der Arbeitnehmeranteil 3,7 % im gewerblichen Bereich und 13,7 % im Haushaltsbereich.
  • Sie müssen einen eigenen Riester-Vertrag abschließen.
  • Sie müssen einen Mindesteigenbeitrag in den Vertrag einzahlen, um die Zulage in voller Höhe zu bekommen. Erforderlich sind 4 % des Vorjahreseinkommens abzüglich Zulagenanspruch, mindestens jedoch ein Sockelbetrag von gerade mal 60 EUR im Jahr.

Beispiel:

Frau Meiser ist alleinstehend und hat zwei Kinder, die nach 2008 geboren sind. Sie übt eine geringfügige Beschäftigung mit einem Monatsverdienst von 450 EUR aus und schließt einen Riester-Vertrag ab. Im Vorjahr hat sie mit dem Minijob 5 400 EUR verdient (12 x 450 EUR).

 

bis 2017 

ab 2018 

Zulagenanspruch:

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundzulage  

zuzüglich Kinderzulage (300 EUR pro Kind) 

 

154 EUR 

 + 600 EUR 

 

175 EUR

+ 600 EUR

 

 

 

 

Zulagenanspruch insgesamt 

 

 

= 754 EUR

 

 

= 775 EUR

 

 

Mindesteigenbeitrag:

 

 

 

 

 

 

 

 

4 % des Vorjahreseinkommen, max. 2 100 EUR

  abzüglich Zulagenanspruch

 

216 EUR

  ./. 754 EUR

 

216 EUR

./. 775 EUR

 

 

 

 

Mindesteigenbeitrag (nicht negativ) 

 mindestens aber Sockelbeitrag

 

= 0 EUR  

60 EUR

 

= 0 EUR

60 EUR

 

Gutschrift auf dem Vertrag:

 

814 EUR

 

835 EUR

 

STEUERRAT: Für Minijobber sind Riester-Verträge ganz besonders lukrativ. Frau Meiser zahlt in die Rentenversicherung 194,40 EUR (3,6 % von 5 400 EUR) und in den Riester-Vertrag 60 EUR ein. Dafür erhält sie eine staatliche Zulage in Höhe von sage und schreibe 775 EUR (ab 2018)! Das ist wahrlich stattlich!

Weitere Informationen: Riester-Rente: Mit Minijob zu stattlichem Staatszuschuss.

 

II. Privater Bereich

 

1. Familienförderung:
Höhere Entlastung bei der gesetzlichen Pflegeversicherung?

Eltern tragen mit ihrer Kindererziehungsleistung dazu bei, dass die Umlagesysteme der Sozialversicherung erhalten bleiben und ihre Kinder später die Rente und medizinische Versorgung auch der Kinderlosen bezahlen. Sie sorgen also mit ihrer Leistung dafür, dass die Sozialsysteme funktionieren. Dennoch müssen sie Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung in gleicher Höhe wie Kinderlose zahlen. Nur in der gesetzlichen Pflegeversicherung gibt's eine Unterscheidung:

  • Im Jahre 2001 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz, dass "Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbetrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden". Ein gleicher Versicherungsbeitrag führe somit zu einem Ungleichgewicht zwischen dem Gesamtbetrag der Eltern und dem reinen Geldbetrag der Kinderlosen (BVerfG-Urteil vom 3.4.2001, 1 BvR 1629/94).
  • Aufgrund dieses Urteils müssen Kinderlose seit 2005 in der gesetzlichen Pflegeversicherung einen Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten zahlen. Doch die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, Eltern innerhalb des Systems und während der Erziehungsphase zu entlasten, wurde ignoriert. Wie viele Kinder ein Elternpaar großzieht, spielt also keine Rolle.
  • Im Juli 2017 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die Erziehungs- und Betreuungsleistungen von Eltern nicht direkt bei der Beitragsbemessung der Sozialversicherungen berücksichtigt werden müssen. Es verstoße nicht gegen die Verfassung, wenn Eltern mit mehreren Kindern wegen ihrer Erziehungsleistungen keine niedrigeren Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erfolgte nicht (BSG-Urteil vom 20.7.2017, B 12 KR 14/15 R).

AKTUELL hat das Sozialgericht Freiburg festgestellt, dass die Finanzierung derPflegeversicherung mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist. Und deshalb haben die Richter diese Frage erneut dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Es geht um eine Familie mit vier Kindern, die eine der Kinderzahl entsprechende Entlastung beim Beitrag zur Pflegeversicherung begehrt. Zudem bemängelte das Paar, dass Eltern erwachsener Kinder und Kinderlose unterschiedlich behandelt werden. Außerdem werde bei den Rücklagen für den Pflegevorsorgefonds seit 2015 nicht zwischen Kinderlosen und Eltern unterschieden, denn Eltern mit vier Kindern müssen genauso viel in den Vorsorgefonds einzahlen wie Kinderlose. Nach Auffassung der Sozialrichter hat der Gesetzgeber das Urteil des BVerfG aus dem Jahre 2001 nicht zutreffend umgesetzt, und das Bundessozialgericht hat die Entscheidung bisher unzureichend beachtet (SG Freiburg vom 23.1.2018 (Tag der Verhandlung), 6 KR 5414/15).

STEUERRAT: Gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.7.2017 wurde Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Dort sind bereits 376 Verfassungsbeschwerden wegen Benachteiligung von Eltern in der Sozialversicherung anhängig. Diese wenden sich gegen die gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherten mit Kindern durch das Beitragsrecht der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie gegen die BSG-Urteile vom 30.9.2015 (B 12 KR 15/12 R und B 12 KR 13/13 R).

Es scheint ungerecht, dass die Erziehungsleistung der Eltern nicht mit verringerten Sozialversicherungsbeiträgen honoriert wird. Einerseits stützen sie das Sozialversicherungssystem, indem sie Beitragszahler in die Welt setzen. Andererseits bekommen sie eine geringere Rente, weil genau wegen der Kindererziehung häufig Brüche in der Erwerbsbiografie vorliegen. Von dem geltenden Beitragssystem profitieren kinderlose, reiche und alte Versicherte. Eine weitere Ungerechtigkeit ergibt sich aus der Pflegereform, deren erster Teil am 1.1.2015 in Kraft getreten ist, und dem dabei beschlossenen Pflegevorsorgefonds. Zum einen wurden die Pflegebeiträge unterschiedslos für Eltern und Nichteltern um 0,3 Prozentpunkte erhöht, zum anderen werden seitdem 0,1 Prozentpunkte der Beiträge in diesem Fonds angelegt. Dort soll das Geld 20 Jahre lang angespart werden, um Beitragssteigerungen abzumildern, wenn ab 2034 die geburtenstarken Jahrgänge das 75. Lebensjahr erreichen. Es ist nicht einzusehen, dass unterhaltsverpflichtete Eltern in gleicher Weise in diesen Pflegevorsorgefonds einzahlen müssen wie Kinderlose. Hier werden Eltern mit Kindern für Personen ohne Kinder in Haftung genommen.

Weitere Informationen: www.elternklagen.de.

 

2. Heileurythmische Behandlungen:
Auch ohne amtsärztliches Attest absetzbar

Die Heileurythmie gehört zu den Therapiemethoden der Anthroposophischen Medizin. Sie ist eine Erweiterung der Schulmedizin, die neben der naturwissenschaftlichen Betrachtung die seelisch-geistige Ebene des Menschen in die Behandlung mit einbezieht. Die Heileurythmie findet Anwendung bei allen akuten, chronischen oder degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, des Herz-Kreislaufsystems, des Stoffwechselsystems und des Bewegungsapparates.

Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen sind als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung absetzbar. Strittig war bislang die Frage, ob zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit eine Verordnung des Hausarztes ausreichend ist oder ob ein amtsärztliches Attest bzw. eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vorgelegt werden muss.

Ein amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen ist vorzulegen bei "wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie" (§ 64 Abs. 1 Nr. 2f EStDV). Unklar ist, ob heileurythmische Behandlungen tatsächlich zu den "wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden" gehören?

Der Bundesfinanzhof hat die Frage geklärt: Aufwendungen fürheileurythmische Behandlungen sind als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzbar. Hierzu ist nicht erforderlich, dass ein amtsärztliches Attest oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes vorgelegt wird, es genügt eine Verordnung des Hausarztes. Denn die Anthroposophie mitsamt der Heileurythmie ist im Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen als besondere Therapierichtung anerkannt (BFH-Urteil vom 26.2.2014, VI R 27/13).

Die Richter unterscheiden zwischen wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden und wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden. Nur im ersten Fall wird der strenge amtliche Nachweis mittels amtsärztlichem Attest gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV gefordert. Hingegen genügt im zweiten Fall eine ärztliche Verordnung durch den Hausarzt oder Facharzt. Die heileurythmische Behandlung sei sogar eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode, weil diese zu den besonderen Therapierichtungen gehört, die im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt und vom Leistungsrahmen der GKV nicht ausgeschlossen sind (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Hierzu zählen ausdrücklich die Homöopathie, Anthroposophie (mit dem Heilmittel "Heileurythmie") und Phytotherapie.

Weitere Informationen: Krankheitskosten: Aufwendungen für alternative Behandlungsmethoden.

 

3. Heimunterbringung:
Miete für leerstehende Wohnung steuerlich nicht absetzbar

Aufwendungen für die Unterbringung im Pflegeheimsind als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG absetzbar, wobei das Finanzamt eine zumutbare Belastung anrechnet. Zu den abzugsfähigen Aufwendungen gehören nicht nur die Kosten für medizinische Leistungen und Pflege, sondern auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Denn die Aufwendungen für die Heimunterbringung stellen insgesamt Krankheitskosten dar.

  • Die Heimkosten sind allerdings um eine sog. Haushaltsersparnis wegen ersparter Verpflegungs- und Wohnungskosten zu kürzen, sofern der Haushalt aufgelöst wird (R 33.3 Abs. 2 Satz 2 EStR). Die Haushaltsersparnis beträgt im Jahre 2017 monatlich 735 EUR, im Jahre 2018 sind es 750 EUR.
  • Eine Haushaltsersparnis ist nicht anzurechnen, solange die Wohnung des Pflegebedürftigen nicht aufgelöst ist. Denn trotz Unterbringung im Pflegeheim ist der Heimbewohner mit den Fixkosten des Hausstandes wie Miete, Schuldzinsen, Grundgebühren für Strom und Wasser sowie Reinigungskosten weiter belastet.

Wird jedoch die Wohnung aufgrund der Heimunterbringung gekündigt, kann die noch weiter zu zahlende Miete der gekündigten Wohnung leider nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abgesetzt werden - auch nicht bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist (FG Rheinland-Pfalz vom 17.12.2012, 5 K 2017/10).

STEUERRAT: Auf eine Anrechnung der Haushaltsersparnis wird verzichtet, wenn die Heimunterbringung nur vorübergehend erfolgt, etwa anlässlich eines Sanatoriumsaufenthaltes im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung. Denn dem Steuerpflichtigen kann dann nicht zugemutet werden, seine Wohnung aufzugeben.

Weitere Informationen: Heimunterbringung: Wohnen im Pflegeheim, Behindertenheim, Altenheim.

 

III. Kinder

 

1. Elterngeld:
Keine Verminderung wegen vorangegangener Fehlgeburt

Berechnungsgrundlage für das Elterngeld ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den 12 Monaten vor der Geburt des Kindes, das der betreuende Elternteil durchschnittlich pro Monat erzielt hat (§ 2b BEEG). Falls in einzelnen Monaten kein oder nur ein geringes Erwerbseinkommen erzielt wurde, drückt dies natürlich das durchschnittliche Monatseinkommen nach unten. Doch in bestimmten Fällen soll aus politischen Gründen ein Absinken des Elterngeldes vermieden werden. Daher bleiben bei der Bestimmung des 12-Monatszeitraums vor der Geburt des Kindes solche Kalendermonate außer Ansatz, wobei sich der Zwölfmonatszeitraum auf weiter zurückliegende Monate verschiebt:

  • Monate, in denen Sie vor der Geburt des Kindes Elterngeld für ein älteres Kind erhalten haben.
  • Monate, in denen Sie unmittelbar vor der Geburt des Kindes Mutterschaftsgeld erhalten haben.
  • Monate, in denen Sie aufgrund einer schwangerschaftsbedingtenErkrankung kein oder nur ein geringeres Einkommen erzielen konnten.Das besondere gesundheitliche Risiko Schwangerer soll Ihnen bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zum Nachteil gereichen. Ob eine Erkrankung während der Schwangerschaft maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführen ist, ist durch ärztliches Attest nachzuweisen. Es kann nicht von vornherein angenommen werden, dass jede Erkrankung während der Schwangerschaft auch auf die Schwangerschaft zurückzuführen ist.

AKTUELL hat das Bundessozialgericht entschieden, dass es für die Berechnung des Elterngeldes keinen Unterschied macht, ob eine frühere Schwangerschaft mit einer Lebend- oder einer Fehlgeburtgeendet hatte, wenn die Schwangere im Anschluss an jene Schwangerschaft arbeitsunfähig an einer Depression erkrankt war. Falls also die Depression auf einer Fehlgeburt beruht, bleiben diese Krankheitsmonate außer Ansatz (BSG-Urteil vom 16.03.2017, B 10 EG 9/15 R).

  • Der Fall: Die Klägerin erlitt im Herbst 2011 zum wiederholten Mal eine Fehlgeburt. Daraufhin erkrankte sie an einer Depression und konnte ihrer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen. Erst ein dreiviertel Jahr später, als die Klägerin erneut schwanger war, konnte sie ihre Arbeit wieder aufnehmen. Nach der Geburt des Kindes gewährte ihr das beklagte Land Elterngeld, jedoch in einer geringeren Höhe, als es die Klägerin erwartet hatte. Grund dafür war, dass der Beklagte das Elterngeld nach dem Einkommen der Klägerin in den zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes berechnete, in denen die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung größtenteils kein Erwerbseinkommen erzielt atte.
  • -Nach Auffassung des BSG kann die Klägerin die Zahlung eines höheren Elterngeldes verlangen. Bei dessen Berechnung sei im Wesentlichen das Einkommen vor ihrer depressiven Erkrankung entscheidend. Diese sei als schwangerschaftsbedingte Erkrankung gemäß § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BEEG zu werten. Daher seien die Krankheitsmonate bei der Bemessung des vorgeburtlichen Erwerbseinkommens nicht zu berücksichtigen. Unerheblich sei dabei, ob die krankheitsauslösende Schwangerschaft mit der Geburt eines Kindes endete, für das Elterngeld bezogen wurde. Denn die entscheidende Vorschrift des BEEG diene dem Nachteilsausgleich Schwangerer. Das besondere gesundheitliche Risiko einer Schwangerschaft solle nicht dazu führen, dass Mütter ein geringeres Elterngeld erhalten.

Weitere Informationen: Elterngeld

 

2. Behinderte Kinder:
Übertragung des Pauschbetrages für Auslandskinder

Behinderten Kindern steht originär der Behinderten-Pauschbetrag zu. Falls das Kind davon aber keinen Gebrauch macht, können die Eltern den Behinderten-Pauschbetrag des Kindes auf sich übertragen lassen, d. h. selbst in Anspruch nehmen (§ 33b Abs. 5 EStG). Ist eine solche Übertragung auch dann möglich, wenn das Kind im Ausland lebt?

Ja, sofern Sie in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und das behinderte Kind auf Dauer im Ausland lebt, können Sie den Behinderten-Pauschbetrag Ihres Kindes auf sich übertragen lassen. Dabei sind allerdings folgende Bedingungen zu beachten:

  • Sie sind Staatsangehöriger eines EU-/EWR-Staates (EU plus Norwegen, Island und Liechtenstein),
  • Ihr Kind lebt in einem EU-/EWR-Staat,
  • Ihr Kind hat keine höheren ausländischen Einkünfte als der steuerliche Grundfreibetrag. Der Grundfreibetrag beträgt 9 000 EUR (2018) bzw. 8 820 EUR (2017) bzw. 8 652 EUR (2016). Wenn das Kind in einem Land mit geringerem Lebensstandard lebt, müssen die Beträge ggf. entsprechend der Ländergruppeneinteilung gekürzt werden.

 

Die Übertragung des Behinderten-Pauschbetrages kommt also in Betracht, wenn Sie Ihren Wohnsitz in Deutschland haben und hier unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, Ihre Familie aber im Ausland lebt (Gastarbeiter gemäß § 1 Abs. 1 EStG). Die Regelung gilt ebenfalls, wenn Sie Ihren Wohnsitz im Ausland haben, Ihre Einkünfte zum größten Teil in Deutschland erzielen und sich hier auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandeln lassen (Grenzpendler gemäß § 1 Abs. 3 EStG). Lebt jedoch das behinderte Kind in einem Nicht-EU-/EWR-Staat, z.B. in der Türkei, ist die Übertragung des Behinderten-Pauschbetrages leider nicht möglich.

Weitere Informationen: Kinder im Ausland.

 

IV. Nebentätigkeit

 

1. Übungsleiterfreibetrag:
Ehrenamtliche Nebentätigkeit beim Hauptarbeitgeber

Oftmals üben hauptberufliche Mitarbeiter nebenberuflich undehrenamtlich Tätigkeiten für ihren Hauptarbeitgeber aus. Dafür erhalten sie gesonderte Vergütungen bzw. Aufwandsentschädigungen. Wie werden die Zahlungen für ehrenamtlich ausgeübte Nebentätigkeiten an hauptamtliche Mitarbeiter steuerlich beurteilt?

Sofern die Nebentätigkeit für eine gemeinnützige Organisation oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts geleistet wird und gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient, könnte die Steuervergünstigung gemäß § 3 Nr. 26 EStG (Übungsleiterfreibetrag) in Betracht kommen.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof bestätigt, dass bei einer Tätigkeit beim Hauptarbeitgeber nur dann Anspruch auf den Übungsleiterfreibetrag von 2 400 EUR besteht, wenn es sich um eine abgrenzbare, eigenständige Nebentätigkeit handelt. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn Haupt- und Nebentätigkeit gleichartig sind und die Nebentätigkeit unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen ausgeübt wird wie die Haupttätigkeit oder wenn der Arbeitnehmer mit der Nebentätigkeit ihm aus seinem Dienstverhältnis - faktisch oder rechtlich - obliegende Nebenpflichten erfüllt (BFH-Beschluss vom 11.12.2017, VI B 75/17).

  • Eine weitere Beschäftigung für denselben Arbeitgeber wird also als Teil einer nichtselbstständigen Haupttätigkeit angesehen, wenn zwischen beiden Tätigkeiten ein "unmittelbarer Zusammenhang" besteht. Ein solcher Zusammenhang mit einem bestehenden Dienstverhältnis ist (nur) anzunehmen, wenn
    -beide Tätigkeiten für denselben Dienstherrn gleichartig sind,
    -der Arbeitnehmer mit der Nebentätigkeit eine ihm aus seinem Dienstverhältnis obliegende Nebenpflicht erfüllt
    oder
    -der Arbeitnehmer auch in der zusätzlichen Tätigkeit der Weisung und Kontrolle des Dienstherrn unterliegt.
  • In diesem Fall ist eine Aufspaltung in eine haupt- und eine nebenberufliche Tätigkeit ausgeschlossen, es wird dann ein einheitlicher Hauptberuf ausgeübt. Der Übungsleiterfreibetrag von 2 400 EUR kann nicht gewährt werden, da keine "Nebenbeschäftigung" vorliegt.

Beispiel:
Ein Angestellter bei der Handwerkskammer erteilt nebenbei Unterricht bei den Vorbereitungslehrgängen zur Meisterprüfung, die ebenfalls von der Handwerkskammer durchgeführt werden. Für diese Tätigkeit erhält er zusätzlich zu seinem Gehalt eine stundenbezogene Vergütung. Die zusätzliche Mitwirkung an den Meistervorbereitungslehrgängen ist eine "nebenberufliche" selbstständige Tätigkeit, für die die Steuervergünstigung gemäß § 3 Nr. 26 EStG in Betracht kommt.

Weitere Informationen: Nebentätigkeit im Interesse des Hauptberufs.

 

2. Nebentätigkeit:
Übungsleiterfreibetrag nicht für nebenberufliche Vortragstätigkeiten?

Für Nebentätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer, Pfleger und Künstler bleiben Vergütungen bis zum sog. Übungsleiterfreibetrag von 2 400 EUR steuer- und sozialversicherungsfrei. Dazu ist erforderlich, dass die Tätigkeit nebenberuflich für eine gemeinnützige Organisation oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts (z.B. Behörden des Bundes, der Länder, Kreise, Verbandsgemeinden und Gemeinden, Feuerwehren, Religionsgemeinschaften, Innungen, Handwerkskammern, Universitäten, Fachhochschulen, Volkshochschulen) geleistet wird und gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient (§ 3 Nr. 26 EStG).

Das charakteristische Merkmal einer Tätigkeit als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher ist es, auf andere Menschen durch persönlichen Kontakt Einfluss zu nehmen und ihnen Wissen, Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten zu vermitteln. Das gilt ebenso für vergleichbare Tätigkeiten, sofern der persönliche Kontakt und die pädagogische Ausrichtung gegeben sind. Begünstigt sind daher u.a. auch Lehr- und Vortragstätigkeiten.

AKTUELL hat das Finanzgericht Köln entschieden, dass bei einem Professor einer Hochschule Einkünfte aus einer abgrenzbaren nebenberuflichen Vortragstätigkeit nicht durch den Übungsleiterfreibetrag begünstigt sein sollen. Die Begründung mutet seltsam an: Die Vortragstätigkeit sei keine Tätigkeit als Ausbilder, Übungsleiter oder Erzieher und auch keine vergleichbare Tätigkeit in einer vornehmlich pädagogischen Ausrichtung (FG Köln vom 19.10.2017, 15 K 2006/16).

Die Begründung für die Verweigerung der Steuervergünstigung überrascht: Der Übungsleiterfreibetrag werde gewährt für Tätigkeiten mit einer "pädagogischen Ausrichtung". Ausbilder, Übungsleiter und Erzieher hätten miteinander gemeinsam, dass sie auf andere Menschen durch persönlichen Kontakt Einfluss nehmen, um auf diese Weise geistige und leibliche Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern. Nach diesen Maßstäben stelle die Vortragstätigkeit des Professors keine Tätigkeit im vorgenannten Sinne dar. Dies sei keine Tätigkeit als Ausbilder, Übungsleiter oder Erzieher; auch werde der Professor nicht ähnlich einem Ausbilder, Übungsleiter oder Erzieher in einer vornehmlich pädagogischen Ausrichtung tätig. Vielmehr halte er "nur" Vorträge zu speziellen Themen mit teilweiser rechtspolitischer Ausrichtung oder in der Weise einer Fortbildungsmaßnahme für Fachanwälte, welche dem vorgenannten Tätigkeitsbild nicht entspreche. Der Zweck des § 3 Nr. 26 EStG solle insbesondere Ausbilder, Übungsleiter und Erzieher im Sportbereich und ähnlichen Bereichen einer Breitenbildung (z.B. durch Volkshochschulen), insbesondere in der Kinder- und Jugendförderung, bei gemeinnützigen Vereinen fördern. Rechtspolitische Vortragstätigkeiten oder Fachanwaltsfortbildungen erfüllten diesen Zweck nicht. Aha!

STEUERRAT: Nach unserer Auffassung widerspricht das Urteil des FG Köln der geltenden Rechtslage: Begünstigt ist nämlich u.a. "die Lehr- und Vortragstätigkeit im Rahmen der allgemeinen Bildung und Ausbildung oder im Rahmen der beruflichen Ausbildung und Fortbildung" (R 3.26 Abs. 1 LStR). Mit einer Vortragstätigkeit kann u.E. der Vortragende durchaus auf andere Menschen durch persönlichen Kontakt Einfluss nehmen, um auf diese Weise geistige und leibliche Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern. Gegen das Urteil wurde beim BFH Nichtzulassungsbeschwerde erhoben (VIII B 5/18).

Weitere Informationen: Nebentätigkeiten: Übungsleiterfreibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG.

 

V. Kapitalerträge

 

1. Währungsgewinne:
Wie Wechselkursgewinne berechnet und besteuert werden

Bei Verkauf oder Einlösung von Wertpapieren ist der Unterschiedsbetrag zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten als Kapitalertrag steuerpflichtig. Bei Anlagen in Fremdwährung (US-$, AUD, CHF) setzt sich dieser Veräußerungsgewinn zusammen aus einem Kursgewinn und einem Wechselkursgewinn. Berücksichtigt werden natürlich auch entsprechende Verluste. Zur Ermittlung des Gewinns bzw. Verlusts sind stichtagsbezogen die Einnahmen im Zeitpunkt der Veräußerung und die Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Anschaffung jeweils mit dem maßgeblichen Wechselkurs in Euro umzurechnen. Auf diese Weise werden Währungsgewinne mit versteuert und Währungsverluste steuermindernd verrechnet (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG).

Beispiel:
Ein Anleger kauft eine Finanzinnovation in US-Dollar, die bei Fälligkeit zum Nennwert zurückgezahlt wird.

   

Anleihebetrag

Wechselkurs

Euro-Betrag

Kauf

Verkauf

 

98 000 USD

  100 000 USD

 

x 0,75 EUR =

  x 0,70 EUR =

 

73 500 EUR

70 000 EUR

 

Falls Kauf ab  2009

 

  

Verlust: - 3 500 EUR

Falls Kauf vor 2009

 

 

2 000 USD

 

 

x 0,73 EUR = 

(Jahresumrechnungskurs)

 

Gewinn: + 1 460 EUR

 

 


Steuerwirksam ist ab 2009 nicht mehr - wie bis 2008 - ein Gewinn von 1 460 EUR aufgrund Umrechnung des Gesamtergebnisses, sondern ein Verlust von 3 500 EUR aufgrund Umrechnung jeweils bei Anschaffung und Veräußerung oder Einlösung. Währungsveränderungen sind also steuerwirksam.

Was gilt, wenn bei Verkauf von Wertpapieren in Fremdwährungder Verkaufserlös nicht in Euro umgetauscht wird, sondern direkt in derselben Währung wieder neu angelegt wird? Muss auch in diesem Fall der Wechselkursgewinn versteuert werden, obwohl er gar nicht realisiert worden ist?

AKTUELL hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass es für die Besteuerung unerheblich ist, ob der Veräußerungsgewinn tatsächlich in Euro umgetauscht wird oder ob er wieder in Fremdwährung angelegt wird oder auf dem Fremdwährungskonto verbleibt. In jedem Fall muss der Gewinn in Euro umgerechnet werden, um ihn für die deutsche Besteuerung kompatibel zu machen. Auch bei sofortiger Wiederanlage ist der Gewinn dem Anleger tatsächlich zugeflossen, denn er konnte darüber verfügen. Wie er mit dem Geldzufluss umgeht, ändert nichts am Besteuerungstatbestand. Seit 2009 seien unabhängig von der Haltedauer alle Wertzuwächse aus der Veräußerung steuerpflichtig. Die Besteuerung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (FG Hamburg vom 19.5.2016, 2 K 158/15).

STEUERRAT: Wurden Wertpapiere vor Einführung der Abgeltungsteuer 2009 angeschafft, blieb der Veräußerungsgewinn steuerfrei, und das bleibt aus Vertrauensschutzgründen auch nach 2009 weiterhin so. Daher werden natürlich auch Wechselkursänderungen steuerlich nicht erfasst.
Eine Sonderregelung gilt für Wertpapiere, die vor 2009 erworben wurden und damals als "Finanzinnovation" galten: Diese Wertpapiere fallen ab 2009 nicht unter die Vertrauensschutzregelung, sondern sind bei Verkauf oder Einlösung unabhängig von einer Haltedauer steuerpflichtig. Bei Anlagen in Fremdwährung wird der Unterschiedsbetrag heute wie früher in der Fremdwährung ermittelt und der sich ergebende Gewinn mit dem Umrechnungskurs zum Zeitpunkt der Veräußerung oder Einlösung umgerechnet. Auch bei diesem Verfahren bleiben Wechselkursänderungen unberücksichtigt (BMF-Schreiben vom 18.1.2016, BStBl. 2016 I S. 85, Tz. 56).

Weitere Informationen: Umrechnung ausländischer Währungen in Euro.

 

2. Mietkautionskonten:
Wie Mieter sich die Abgeltungsteuer anrechnen lassen können

Bei Anmietung einer Wohnung muss der Mieter dem Vermieter im Allgemeinen eine Mietkaution als Sicherheit zur Verfügung stellen. Der Vermieter wiederum ist verpflichtet, diese Mietkaution getrennt von seinem Vermögen verzinslich anzulegen. Die Erträge stehen dem Mieter zu und sind von ihm zu versteuern (§ 551 Abs. 3 BGB). Doch oftmals weiß der Mieter gar nicht, wie hoch überhaupt die Zinsgutschrift ist, die er versteuern muss. Auf jeden Fall behält die Bank von den Zinsen des Mietkautionskontos immer Abgeltungsteuer in Höhe von 25 % zzgl. Soli ein. Diesen Steuereinbehalt kann der Mieter leider nicht mittels Freistellungsauftrag verhindern.

Im Allgemeinen kann der Mieter es mit der Abgeltungsteuer auf die paar Euro Zinsen bewenden lassen. Doch es gibt Fälle, in denen er seine Kapitalerträge in der Steuererklärung angeben muss oder freiwillig angeben will. Und dann kann er sich natürlich auch die einbehaltene Abgeltungsteuer anrechnen lassen. Dazu aber benötigt er eine Steuerbescheinigung von der Bank. Und auch der Vermieter hat Pflichten.

Das Bundesfinanzministerium schreibt vor, was Vermieter und Bank beachten müssen, damit der Mieter eine korrekte Steuerbescheinigung bekommt, um seine Zinsen korrekt versteuern und die einbehaltene Abgeltungsteuer zutreffend anrechnen zu können (BMF-Schreiben vom 20.12.2012, BStBl. 2013 I S. 36):

  • Hat der Vermieter ein Sparkonto eröffnet, das für die Bank als Treuhandkonto erkennbar ist, und weiß die Bank, wer der Treugeber (Mieter) ist, stellt sie die Steuerbescheinigung auf den Namen des Treugebers aus. Der Vermieter hat dem Mieter die Steuerbescheinigung zur Verfügung zu stellen (§ 34 Abs. 1 und 3 AO), damit er die Zinsen versteuern und die einbehaltene Abgeltungsteuer auf seine Einkommensteuer anrechnen lassen kann.
  • Hat die Bank von dem Treuhandverhältnis Kenntnis, ohne zu wissen, wer der Treugeber (Mieter) ist, ist die Steuerbescheinigung auf den Namen des Kontoinhabers (Vermieters) auszustellen und mit dem Vermerk "Treuhandkonto" zu versehen. Auch in diesem Fall hat der Vermieter dem Mieter die Steuerbescheinigung zur Verfügung zu stellen. So kann der Mieter die Zinsen versteuern und die Abgeltungsteuer anrechnen lassen.
  • Werden die Mietkautionen mehrerer Mieter auf demselben Kontoangelegt, wird?s kompliziert - und der Amtsschimmel wiehert: Dann soll der Vermieter als Vermögensverwalter verpflichtet sein, bei seinem Finanzamt eine "Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen" abzugeben (nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO).

STEUERRAT: Das Finanzamt wird im Allgemeinen von einer solchen bürokratischen einheitlichen und gesonderten Feststellung absehen und ganz einfach einen negativen Feststellungsbescheid erlassen, wenn es sich um einen "Fall von geringer Bedeutung handelt" (§ 180 Abs. 3 Nr. 2 AO). In diesem Fall muss der Vermieter jedem Mieter eine Kopie dieses negativen Feststellungsbescheides und der Steuerbescheinigung der Bank zur Verfügung stellen und ihnen den anteiligen Zinsertrag und die anteilige Abgeltungsteuer mitteilen. Diese Unterlagen legt der Mieter seiner Einkommensteuererklärung bei.

Weitere Informationen: Wie Mietkautionskonten besteuert werden.

 

3. Goldmünzen:
Welche deutschen Goldmünzen sind umsatzsteuerbefreit?

Goldmünzen und Goldbarren können umsatzsteuerfrei gekauft und verkauft werden, sofern es sich um sog. Anlagegold handelt. Goldmünzen werden bereits ab einem Feingehalt von 900/1000 als Anlagegold eingestuft. Erforderlich ist, dass die Münzen in ihrem Prägeland als gesetzliches Zahlungsmittel gelten oder galten. Es muss dazu nicht zwingend ein Nennwert auf der Münze zu sehen sein. Der Verkaufspreis der Münze darf den aktuellen Wert ihres Goldgehalts um nicht mehr als 80 Prozent übersteigen. Weiterhin muss die Münze nach dem Jahr 1800 geprägt worden sein (§ 25c Abs. 2 UStG).

Die EU-Kommission veröffentlicht jährlich ein Verzeichnis der Goldmünzen, die die Kriterien für die Steuerbefreiung für Anlagegold erfüllen. Für Münzen, die nicht in dem Verzeichnis enthalten sind, muss der Verkäufer im Einzelfall prüfen, ob die genannten Voraussetzungen für die Behandlung als Anlagegold erfüllt sind.Der Metallwert von Goldmünzen ist dabei grundsätzlich anhand des aktuellen Tagespreises für Gold zu ermitteln. Maßgeblich ist der von der Londoner Börse festgestellte Tagespreis (Nachmittagsfixing) für die Feinunze Gold (1 Unze = 31,1035 Gramm). Dieser in US-Dollar festgestellte Wert muss anhand der aktuellen Umrechnungskurse in Euro umgerechnet werden.

AKTUELL hat die EU-Kommission für das Jahr 2018 ein neues Verzeichnis veröffentlicht: Zu den umsatzsteuerbefreiten Anlagegoldstücken in Deutschland gehören nur die 1-DM-Goldmünze des Jahres 2001 und die 100-EUR-Goldmünzen der Jahre ab 2002 (BMF-Schreiben vom 12.12.2017, III C 1-S 7068/07/10001-09).

Im Jahre 2014 waren zusätzlich die 20-EUR-Goldmünzen (ab 2010), die 200-EUR-Goldmünze (2002) sowie die 5-Mark-, 10-Mark- und 20-Mark-Goldmünzen aus dem Deutschen Kaiserreich in der EU-Liste enthalten. Dieses Verzeichnis der EU mit der Liste der Goldmünzen, für die die Umsatzsteuerbefreiung greift, galt für das gesamte Jahr 2014, jedoch ausdrücklich nicht für das Jahr 2015 (BMF-Schreiben vom 26.5.2014,IV D 1-S 7068/07/10001-05).

Wenn für eine Goldmünze der Händlerverkaufspreis mehr als 180 % (das 1,8-fache) des Goldpreises beträgt, wird aus einer Anlagegoldmünze eine Sammlermünze. Und dafür wird Mehrwertsteuer zum regulären Steuersatz von 19 % fällig (§ 25c Abs. 2 UStG). Falls der Verkaufspreis mehr als 250 % des Goldpreises (ohne Umsatzsteuer) beträgt, gilt seit 2014 ebenfalls der allgemeine Umsatzsteuersatz. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % ist nur noch anzuwenden bei der Einfuhr von Sammlermünzen aus einem Staat außerhalb der EU (BMF-Schreiben vom 16.12.2013, IV D 2-S 7229/07/10002).

Weitere Informationen: Gold und Silber: Was Sie zur Besteuerung des Edelmetalls wissen sollten.

 

VI. Eigenheim und Vermietung

 

1. Verkauf einer Ferienwohnung:
Als Geschäftsveräußerung umsatzsteuerfrei

Wird eine Ferienwohnung an ständig wechselnde Feriengäste vermietet, ist die Vermietung umsatzsteuerpflichtig. Seit 2010 unterliegt die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen - auch kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern und Ferienwohnungen - dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG). Das aber bedeutet: Die Umsatzsteuer aus dem Kaufpreis kann als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet werden. Wird die Ferienwohnung dann innerhalb von 10 Jahren verkauft, droht eine Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 15a UStG und eine anteilige Rückforderung des Finanzamtes.

ABER der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der Verkauf einer Ferienwohnung, die zuvor umsatzsteuerpflichtig vermietet wurde, eine "Geschäftsveräußerung im Ganzen" darstellt. Und diese ist gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht umsatzsteuerbar. Dies gilt auch bei Verkauf einer einzelnen Ferienwohnung. Auf den Verkaufspreis muss also keine Umsatzsteuer berechnet werden. Und bei Verkauf innerhalb von 10 Jahren erfolgt auch keine nachteilige Berichtigung der Vorsteuer (BFH-Urteil vom 5.6.2014, V R 10/13).

Eine Geschäftsveräußerung ist die Übertragung eines Geschäftsbetriebs, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss die Unternehmensfortführung beabsichtigen. Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks ist eine Geschäftsveräußerung, da mit dem Eintritt in den Mietvertrag ein Vermietungsunternehmen übernommen wird. Dementsprechend ist die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrags im Regelfall keine Geschäftsveräußerung. Denn die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine selbstständige Tätigkeit fortgeführt werden kann, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes.

STEUERRAT: Für die Annahme der Geschäftsveräußerung ist es unschädlich, wenn die Ferienwohnung im Zeitpunkt des Verkaufs nicht vermietet war. Abzustellen ist vielmehr "auf die Übereinstimmung der vor und nach der Lieferung ausgeübten Vermietungstätigkeit". Hier ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass Ferienwohnungen nicht zur langfristigen, sondern zur wiederholten kurzfristigen Vermietung bestimmt sind, und deshalb kann aus vorübergehenden Leerständen nicht auf eine Unterbrechung oder Beendigung der Vermietungstätigkeit geschlossen werden (BFH-Urteil vom 5.6.2014, V R 10/13).

 

2. Wohnungswechsel:
Gezahlte Eigenmiete nicht als Werbungskosten absetzbar

Eine nette Idee hatte ein Ehepaar aus Schleswig-Holstein: Die Eheleute hatten nach dem Auszug ihrer Kinder aus dem Eigenheim beschlossen, das nun zu große Haus zu vermieten, selber aufs Land zu ziehen und dort eine kleinere Wohnung anzumieten. Die gezahlte Miete für die neue Wohnung machten sie bei den erzielten Mieteinnahmen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend (sog. "negative Eigenmiete"). Denn diese Einkünfte hätten sie nicht ohne die gezahlte Eigenmiete erzielen können.

Ihr Begehren begründeten die Eheleute damit, dass durch die Vermietung des bisher selbstgenutzten Hauses und die gleichzeitige Anmietung eines Einfamilienhauses die Leistungsfähigkeit i. S. des objektiven Nettoprinzips unverändert geblieben sei, da in Höhe der Mieteinkünfte nunmehr gleichzeitig die gezahlte Miete für die neue Wohnung abfließen würde. Bei bloßem Ansatz der Mieteinkünfte ohne Abzug der "negativen Eigenmiete" würde so getan, als wäre die Leistungsfähigkeit erhöht, was gerade nicht der Fall sei.

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die gezahlte Miete für die selbst genutzte Wohnung nicht als Werbungskosten bei den erzielten Einkünften aus Vermietung des bisherigen Eigenheims absetzbar ist (BFH-Urteil vom 11.2.2014, IX R 24/13).

  • Aufwendungen für das private Wohnen gehören seit 1987 grundsätzlich zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung.
  • Solche Aufwendungen der Lebensführung sind durch Berücksichtigung des steuerlichen Grundfreibetrags pauschal abgegolten oder in bestimmten Fällen als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Sie sind damit vom Werbungskostenabzug grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, vom Gesetz ist der Abzug für einen beruflichen Mehraufwand zugelassen, z. B. bei beruflich veranlasster doppelter Haushaltsführung.
  • Die steuerliche Berücksichtigung der Kosten für die eigengenutzte Wohnung ist auch nicht von Verfassung wegen geboten, wenn wegen der Vermietung der eigenen Wohnung eine andere Wohnung angemietet wird. Kosten der Haushaltsführung zählen grundsätzlich zu den Ausgaben für die allgemeine Lebensführung des Steuerpflichtigen und seiner Familie.

Weitere Informationen: Mietkosten als außergewöhnliche Belastungen absetzbar?

 

3. Anwaltskosten:
Steuerhinterziehung durch Vorspiegeln eines Mietverhältnisses

Da lebte eine Architektin zusammen mit ihrem Lebensgefährten in einer ihr gehörenden Wohnung. Doch beim Finanzamt stellte sie den Lebensgefährten als Mieter vor, erklärte brav Mieteinnahmen und setzte im Gegenzug die Wohnungskosten (Abschreibung, Zinskosten, Erhaltungsaufwand, Betriebskosten) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung ab. Das Finanzamt kam ihr auf die Schliche und leitete ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung ein. Zur Strafverteidigung benötigte die Architektin die Hilfe von Anwälten. Die Frage ist, ob die Strafverteidigungskosten steuerlich absetzbar sind.

Interessanterweise hat das Finanzgericht Niedersachsen gegen das Finanzamt entschieden und die Strafverteidigungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung anerkannt. Die der Architektin vorgeworfene Tat - Steuerhinterziehung durch Vorspiegeln eines Mietverhältnisses mit dem Ziel, an sich privat veranlasste Erhaltungsaufwendungen steuerlich absetzbar zu machen - ist ausschließlich und unmittelbar nur aus der Vermietungstätigkeit heraus erklärbar. Dieser Tatvorwurf, gegen den sich die Architektin zur Wehr gesetzt hat, ist durch die Vermietungstätigkeit veranlasst (FG Niedersachsen vom 14.5.2014, 9 K 99/13).

Im Streitfall kam allerdings hinzu, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren am Ende eingestellt wurde. Zudem erkannte das Finanzamt das streitige Mietverhältnis der Architektin mit ihrem Lebenspartner schließlich doch an. Damit sind ein Veranlassungszusammenhang der Strafverteidigerkosten mit dieser Einkunftsart und damit der Werbungskostenabzug zu bejahen.

Weitere Informationen: Anwalts- und Gerichtskosten im beruflichen Bereich.

 

VII. Renten und Pensionen

 

1. Rente mit 67:
Siebte Stufe zur Rente mit 67 für den Jahrgang 1953

Im Jahre 2018 wird der Geburtsjahrgang 1953 nun 65 Jahre alt und erreicht damit das gesetzliche Rentenalter von bisher 65 Jahren. Zeit also, um in Rente gehen zu können, oder? Doch im Jahr 2012 startete für Neurentner die "Rente mit 67" - und damit sind spezielle Grenzen zu beachten.

Regelaltersrente

Die Regelaltersgrenze wird seit 2012 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben, zunächst um einen Monat pro Jahrgang und ab 2024 um zwei Monate pro Jahrgang. Das bedeutet: Der Jahrgang 1946 ist der letzte, der 2011 noch mit spätestens 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen durfte. Wer also im Jahre 2012 das gesetzliche Rentenalter von 65 Jahre erreicht hat, konnte erst einen Monat später die Rente ohne Rentenabschläge beziehen. Das war der Geburtsjahrgang 1947. Wer beispielsweise am 15.2.1947 geboren ist, erhielt die Rente nicht schon ab dem 1.3.2012, sondern erst ab dem 1.4.2012.

AKTUELL tritt am 1.1.2018 die 7. Stufe in Kraft: Wer im Jahre 2018 65 Jahre alt wird, muss nun schon 7 Monate länger arbeiten bzw. warten, bis er die gesetzliche Rente abschlagsfrei bekommen kann. Das ist der Geburtsjahrgang 1953. Wer beispielsweise am 15.2.1953 geboren ist, erhält die Rente ohne Abschlag nicht schon ab dem 1.3.2018, sondern erst ab dem 1.10.2018.

Rente für besonders langjährig Versicherte

Wer ab dem 1.7.2014 mindestens 45 Beitragsjahre nachweisen kann, kann die Altersrente bereits mit 63 Jahren ohne Rentenabschläge beziehen. Bei Personen, die zwischen 1953 und 1964 geboren sind, wird die Altersgrenze von 63 Jahren stufenweise auf 65 Jahre angehoben. Die Anhebung erfolgt ab 2016 in Schritten von jeweils 2 Monaten pro Jahrgang. Versicherte, die ab dem 1.1.1964 geboren sind, können die abschlagsfreie Rente mit 45 Beitragsjahren erst mit 65 Jahren in Anspruch nehmen - es gilt wieder die bisherige Regelung. Sie profitieren nicht mehr von der befristeten Sonderregelung.

Im Jahre 2018 erreicht der Geburtsjahrgang 1955 das 63. Lebensjahr. Wer dann die 45 Versicherungsjahre voll hat, kann die Rente mit 63 Jahren plus 6 Monaten beziehen.

Rente für langjährig Versicherte

Wer 35 Beitragsjahre nachweisen kann, kann die "Altersrente für langjährig Versicherte" bereits vorzeitig mit 63 Jahren in Anspruch nehmen, muss dafür allerdings lebenslang Abschläge in Kauf nehmen. Die Anzahl der Abschlagsmonate steigt bei Rentenbeginn mit 63 Jahren parallel zur Regelaltersgrenze an - jedoch erst für Geburtsjahrgänge ab 1949.

Im Jahre 2018 kann der Geburtsjahrgang 1955 die Rente mit 63 Jahren und einem lebenslangen Rentenabschlag von 9,9 % erhalten.

Schwerbehindertenrente

Die Altersrente für Schwerbehinderte kann bereits ab dem 63. Lebensjahr ohne Abschläge bezogen werden, wenn der Berechtigte 35 Beitragsjahre hat und bei Beginn der Rente schwerbehindert ist, d.h. einen Grad der Behinderung von mindestens 50 hat. Dies gilt, wenn Sie vor 1952 geboren sind. Sie können aber vorzeitig bereits mit 60 Jahren und einem Abschlag von 10,8 Prozent in Rente gehen. Wurden Sie in der Zeit von 1952 bis 1963 geboren, wird die Altersgrenze für eine abschlagsfreie Rente von 63 Jahren sowie für eine Abschlagsrente von 60 Jahren stufenweise angehoben. Wurden Sie 1964 oder später geboren, liegt die Grenze für die Abschlagsrente bei 65 Jahren und für die abschlagsfreie Rente bei 62 Jahren.Doch es bleibt auch künftig dabei, dass die Schwerbehindertenrente fünf Jahre vor der regulären Altersrente bezogen werden kann.

Der Geburtsjahrgang 1955 kann die abschlagsfreie Rente erst mit 63 Jahren und 9 Monaten sowie die Abschlagsrente (10,8 % Abschlag) mit 60 Jahren und 9 Monaten bekommen.

Erwerbsminderungsrente

Die schrittweise Anhebung des Rentenalters ab 2012 wirkt sich auch bei der Erwerbsminderungsrente aus. Das Referenzalter für die Rente ohne Rentenabschlag wird ab 2012 bis 2024 schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben. Versicherte mit 35 Beitragsjahren können die Erwerbsminderungsrente weiterhin mit 63 Jahren ohne Abschläge bekommen.

Im Jahre 2018 wird eine Erwerbsminderungsrente ohne Rentenabschlag erst mit 64 Jahren gezahlt. Bei früherem Bezug müssen Rentenabschläge hingenommen werden, und zwar 0,3 % pro Monat bis zum 64. Lebensjahr - höchstens aber 10,8 %.

Zurechnungszeit: Die Rente wird so berechnet, als wäre der/die Betroffene bis zum 62. Lebensjahr mit dem bisherigen durchschnittlichen Einkommen - ggf. mit Ausnahme der letzten vier Jahre vor der Erwerbsminderung - erwerbstätig gewesen (sog. Zurechnungszeit gemäß § 59 SGB VI). Dies gilt bei Rentenantrag zwischen dem 1.7.2014 und dem 31.12.2017. Bei Rentenantrag ab dem 1.1.2018 wird die Zurechnungszeit schrittweise zwischen 2018 und 2024 vom 62. auf das 65. Lebensjahr verlängert. Die Erhöhung beginnt in den Jahren 2018 und 2019 mit einer Anhebung jeweils um drei Monate. Die Stufen der Anhebung betragen anschließend sechs Monate je Kalenderjahr. Bei einem Beginn der Erwerbsminderungsrente im Jahr 2018 endet die Zurechnungszeit mit 62 Jahren und drei Monaten.

Witwen- oder Witwerrente

Die Altersgrenze für den Bezug der großen Witwen- oder Witwerrente wird vom Jahr 2012 an bis zum Jahr 2029 schrittweise von 45 auf 47 Jahre heraufgesetzt. Die Stufen der Anhebung betragen zunächst in den Jahren 2012 bis 2023 einen Monat pro Jahr und in den Jahren 2024 bis 2029 zwei Monate pro Jahr.

Bei Tod des Versicherten im Jahre 2018 liegt die Altersgrenze für die große Witwen- oder Witwerrente bei 45 Jahren und 7 Monaten. Die große Witwen- oder Witwerrente beträgt 60 % der auf den Todeszeitpunkt berechneten Altersrente des verstorbenen Ehegatten. Der Rentenartfaktor beträgt also 0,6. Witwen oder Witwer unter 45 Jahren (plus x Monate) haben nach dem Tode des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwen- oder Witwerrente. Diese beträgt 25 % der auf den Todeszeitpunkt berechneten Altersrente des verstorbenen Ehegatten. Mit Erreichen des 45. Lebensjahres plus 7 Monate wird die kleine in eine große Witwen- oder Witwerrente umgewandelt.

Zur Rentenbesteuerung

Bei Rentenbeginn im Jahre 2018 beträgt der Besteuerungsanteil der Rente 76 %. Mit dem Besteuerungsanteil wird die Rente im Jahr des Rentenbeginns und im zweiten Rentenbezugsjahr besteuert. Der Restbetrag im zweiten Jahr ist der persönliche Rentenfreibetrag, der dann zeitlebens unverändert steuerfrei bleibt. Ab dem dritten Jahr ist die Rente in voller Höhe nach Abzug des persönlichen Rentenfreibetrages und des Werbungskosten-Pauschbetrages von 102 EUR steuerpflichtig.

Weitere Informationen: Ab 2012 später in Rente: Anhebung der Renten-Altersgrenze auf 67 Jahre.

 

2. Rente mit 63:
Abschlagsfreie Rente im Jahre 2018 erst mit 63 plus 6 Monate

Die "Altersrente für besonders langjährig Versicherte" ohne Rentenabschläge - die "Rente mit 63" - kann beanspruchen, wer mindestens 45 Versicherungsjahre nachweisen kann. Von dieser zeitlich befristeten Vorzugsregelung profitieren seit dem 1.7.2014 aber gerade einmal anderhalb Jahrgänge, nämlich Versicherte, die zwischen Juli 1951 und Dezember 1952 geboren sind. Für Geburtsjahrgänge ab 1953 wird die Altersgrenze von 63 Jahren stufenweise auf 65 Jahre angehoben. Die Anhebung erfolgt ab 2016 in Schritten von jeweils 2 Monaten pro Jahrgang. Versicherte, die ab dem 1.1.1964 geboren sind, können die abschlagsfreie Rente mit 45 Versicherungsjahren erst mit 65 Jahren in Anspruch nehmen - es gilt wieder die frühere Regelung. Sie profitieren überhaupt nicht mehr von der befristeten Sonderregelung.

Davon zu unterscheiden ist die "Altersrente für langjährig Versicherte": Diese kann man bereits mit 63 Jahren vorzeitig in Anspruch nehmen, wenn mindestens 35 Versicherungsjahre erreicht sind. Allerdings müssen dafür lebenslange Rentenabschläge in Kauf genommen werden. Im Jahre 2018 erreicht der Jahrgang 1955 die 63-Jahre-Grenze. Wer in diesem Jahr geboren wurde, kann die "Altersrente für langjährig Versicherte" mit einem Abschlag von 9,9 Prozent beziehen. Wer mit 63 Jahren Rentenansprüche in Höhe von 1 000 EUR erworben hat, bekommt als Rente also nur 901 EUR - wovon noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgehen.

AKTUELL erreicht im Jahre 2018 der Geburtsjahrgang 1955 das 63. Lebensjahr. Wer dann die 45 Versicherungsjahre voll hat, kann die abschlagsfreie Rente mit63 Jahren plus 6 Monaten bekommen. Dies ist der dritte Schritt der stufenweisen Erhöhung des Rentenalters für diese Rentenart. Auch in den folgenden Jahren steigt die Altersgrenze weiter, und zwar jeweils um zwei Monate pro Geburtsjahrgang. Beispielsweise kann der Jahrgang 1956 die abschlagsfreie Rente erst mit 63 Jahren + 8 Monate beziehen. Aus der "Rente mit 63" wird die "Rente mit 63 plus 8".

STEUERRAT: Eine Frage wird häufig gestellt: Kann bei einem Renteneintritt ab Januar 2018 ("Rente mit 63 plus 6") die Rente dennoch bereits mit 63 Jahren beansprucht und dafür ein Rentenabschlag von 0,3 Prozent je Monat hingenommen werden? Leider nein. Die "Rente mit 63 plus x" ist als abschlagsfreie Rente ausgestaltet, ohne Möglichkeit, sie vorzeitig und mit Abschlägen zu beziehen.

Falls Sie die Rente partout mit dem 63. Geburtstag haben wollen, kommt nur die "Rente für langjährig Versicherte" mit 35 Versicherungsjahren in Betracht. Dann aber beträgt für den Jahrgang 1955 der Rentenabschlag lebenslang 9,9 %, für den Jahrgang 1956 sind es 10,2 %.

Wer vor Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze (65 Jahre + x Monate) eine Rente bezieht, muss Hinzuverdienstgrenzen beachten: Unschädlich ist seit dem 1.1.2017 ein Hinzuverdienst bis 6 300 EUR im Jahr. Dabei ist unerheblich, wann im Kalenderjahr der Hinzuverdienst erzielt wird und wie lange die Beschäftigung ausgeübt wurde. Ein über 6 300 EUR hinausgehender Jahresverdienst wird in Höhe von 40 % zu einen Zwölftel auf die monatliche Rente angerechnet. Übersteigt danach der Hinzuverdienst zusammen mit der bereits gekürzten Altersrente - vereinfacht ausgedrückt - das höchste beitragspflichtige monatliche Durchschnittseinkommen der letzten 15 Kalenderjahre (sog. Hinzuverdienstdeckel), wird der übersteigende Betrag zu 100 % auf die Altersrente angerechnet.

Weitere Informationen: Vorgezogene Altersrenten: Die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren.

 

3. Rente mit 63:
Keine Berücksichtigung von Arbeitslosigkeit vor Rentenbeginn

Die abschlagsfreie Rente mit 63 ("Altersrente für besonders langjährig Versicherte") kann seit dem 1.7.2014 beanspruchen, wer mindestens 45 Versicherungsjahre nachweisen kann. Von dieser zeitlich befristeten Vorzugsregelung profitieren aber gerade einmal anderhalb Jahrgänge, nämlich Versicherte, die zwischen Juli 1951 und Dezember 1952 geboren sind. Für Geburtsjahrgänge ab 1953 geboren wird die Altersgrenze von 63 Jahren stufenweise auf 65 Jahre angehoben. Die Anhebung erfolgt ab 2016 in Schritten von jeweils 2 Monaten pro Jahrgang.

Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden u.a. auch Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I angerechnet, nicht hingegen Arbeitslosengeld II oder die frühere Arbeitslosenhilfe. Um eine "Frühverrentung" bereits mit 61 Jahren zu verhindern, gibt es einen "rollierenden Stichtag": Zwei Jahre vor dem individuellen Rentenbeginn werden keine Arbeitslosenzeiten mehr berücksichtigt und auf die notwendigen 45 Beitragsjahre angerechnet (außer bei vollständiger Geschäftsaufgabe oder Insolvenz des Arbeitgebers). Damit soll es nicht möglich sein, sich bereits mit 61 Jahren vom Arbeitgeber kündigen zu lassen, dann zwei Jahre lang Arbeitslosengeld I zu kassieren und anschließend die vorgezogene Altersrente mit 63 ohne Abschläge zu beziehen. So soll aus der "Rente mit 63" nicht eine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung werden (§ 51 Abs. 3a Nr. 3 SGB VI).

AKTUELL hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die Nichtanrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn auf die erforderlichen 45 Versicherungsjahre verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die notwendigen Versicherungszeiten betragen 45 Jahre (sog. Wartezeit). Damit sollen Fehlanreize vermieden werden, insbesondere eine faktische "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung (BSG-Urteile vom 17.8.2017, B 5 R 8/16 R und B 5 R 16/16 R).

In einem der beiden entschiedenen Fälle erhielt der Versicherte im Alter von 62 Jahren die Kündigung. Der Arbeitgeber hatte diese dem Beschäftigten gegenüber mit einer drohenden Insolvenz begründet. Nur zwei Monate nach der Kündigung war das Unternehmen tatsächlich pleite. Der Kläger meldete sich daraufhin arbeitslos und wollte mit 63 Jahren abschlagfrei in Rente gehen. Der zuständige Rentenversicherungsträger lehnte den Antrag jedoch ab, weil der Kläger die 45 Beitragsjahre nicht erreicht habe. Die Zeit der Arbeitslosigkeit vor Rentenbeginn könne nicht berücksichtigt werden, da ihm bereits vor Stellung des Insolvenzantrags gekündigt worden sei. Damit fehlten dem Kläger für die abschlagsfreie Rente mit 63 noch sieben Beitragsmonate.

STEUERRAT: Es gibt ein Schlupfloch, mit dem offensichtlich doch ein Berufsausstieg bereits mit 61 Jahren (2016: plus 2 Monate; 2017: plus 4 Monate; 2018: plus 6 Monate) möglich ist. Und das geht so: Arbeitnehmer kündigen mit 61 Jahren (plus x Monate) oder lassen sich vom Arbeitgeber kündigen, beziehen zwei Jahre Arbeitslosengeld I und üben daneben einen Minijob aus. In diesem Minijob sind sie rentenversicherungspflichtig, sodass sie hier noch zwei Beitragsjahre (allerdings nur sehr gering dotiert!!) erwerben. Auch diese Beitragsjahre aus dem Minijob werden auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet. Zu bedenken ist allerdings, dass das Arbeitslosengeld gekürzt wird, soweit der Nebenverdienst über 165 EUR hinausgeht. Auch darf die Arbeitszeit nicht mehr als 15 Wochenstunden betragen, denn sonst sind Sie nicht mehr arbeitslos. Die Bundesregierung hat die Gesetzeslücke eingeräumt. Da bei diesem Modell jedoch kaum weitere Rentenansprüche aufgebaut würden, seien die Einbußen bei Einkommen und anschließender Rente ab 63 Jahre sehr hoch. Deshalb rechnet die Bundesregierung nicht mit vielen solcher Fälle.

Weitere Informationen: Vorgezogene Altersrenten: Die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren.

 

VIII. Steuergrundlagen

 

1. Steuererklärung:
Verspätungszuschlag bei verspäteter Abgabe

Wenn Sie eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung (z. B. Umsatzsteuer-Voranmeldung, Lohnsteueranmeldung) nicht oder nicht rechtzeitig abgeben, kann das Finanzamt einen Verspätungszuschlag festsetzen (§ 152 AO). Ob und in welcher Höhe ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird, liegt im Ermessen des Finanzamtes. Der Verspätungszuschlag darf höchstens 10 % der festgesetzten Steuer betragen, maximal 25 000 EUR. Kurioserweise kann ein Verspätungszuschlag leider auch dann festgesetzt werden, wenn es aufgrund der Steueranrechnung zu einer Steuererstattung kommt (BMF-Schreiben vom 6.8.2001, BStBl. 2001 I S. 504).

Der Verspätungszuschlag ist ein auf die speziellen Erfordernisse des Steuerrechts zugeschnittenes Druckmittel zur fristgerechten Abgabe der Steuererklärungen bzw. der Steueranmeldungen, durch das dem Finanzamt die Möglichkeit gegeben wird, in einem ordnungsgemäßen und planvollen Verfahren die rechtzeitige Festsetzung der Steuer vorzunehmen und die Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Es soll auch bewirkt werden, dass der Steuerpflichtige in Zukunft die Steuererklärungen/Steueranmeldungen fristgerecht abgibt.

AKTUELL gibt das "Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens" vom 18.7.2016 neue Regeln zur Erhebung von Verspätungszuschlägen vor, die erstmals für die Steuererklärung des Jahres 2018 gelten. Neben der bisher unveränderten "Kann-Regelung" werden eine "Muss-Regelung" und ein Mindest-Verspätungszuschlag neu eingeführt (§ 152 AO). Die Neuregelung gilt für Steuererklärungen, die nach dem 31.12.2018 einzureichen sind (§ 8 Abs. 4 EGAO).

  • Einen Verspätungszuschlag muss das Finanzamt künftig festsetzen, wenn eine Steuererklärung nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Besteuerungsjahres oder - bei Vorabanforderung durch das Finanzamt - nicht bis zu dem in der Anordnung bestimmten Zeitpunkt abgegeben wurde (Muss-Regelung).
  • Diese "Muss-Regelung" gilt allerdings nicht, wenn
    -das Finanzamt die Abgabefrist gemäß § 109 AO verlängert hat oder diese Frist rückwirkend verlängert,
    -die Steuer auf Null Euro oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wird,
    -die festgesetzte Steuer die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge nicht   übersteigt  oder Lohnsteueranmeldungen jährlich abzugeben sind.
  • Bei Einkommensteuererklärungen beträgt der Zuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer (vermindert um festgesetzte Vorauszahlungen und anzurechnende Steuerabzugsbeträge), mindestens jedoch 25 Euro pro Monat.

ACHTUNG: Eine Billigkeitsregelung gibt es für Personen, die bisher davon ausgehen konnten, keine Steuererklärung abgeben zu müssen, und die nun vom Finanzamt dazu aufgefordert werden: In diesem Fall darf der Verspätungszuschlag nur für die Monate berechnet werden, die nach dem Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist begonnen haben (§ 152 Abs. 5 Satz 3 AO).

Hiermit wird im Ergebnis gesetzlich eine rückwirkende Fristverlängerung eingeräumt. Diese Regelung zielt insbesondere auf Rentner ab, die in der Vergangenheit vom zuständigen Finanzamt eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung oder eine Mitteilung, künftig nicht mehr erklärungspflichtig zu sein, erhalten haben und erst nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist vom Finanzamt zur Abgabe einer Steuererklärung möglicherweise für mehrere zurückliegende Jahre aufgefordert werden. Eine verzögerte Auswertung von Rentenbezugsmitteilungen auf Seiten der Finanzverwaltung soll sich in diesen Fällen nicht zu Lasten der betroffenen Rentner auswirken. Die Billigkeitsregelung gilt hingegen nicht für solche Steuerpflichtige, die wissen, dass sie von ihrem Finanzamt steuerlich geführt werden, und sich daher auch ohne gesonderte Aufforderung bewusst sein müssen, eine Steuererklärung abgeben zu müssen.

STEUERRAT: Anders als bisher wird ein Verspätungszuschlag künftig nicht mehr festgesetzt, wenn keine Steuer anfällt oder sich gar ein negativer Betrag ergibt oder wenn die festgesetzte Steuer die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge nicht übersteigt. Dabei sind freiwillig gezahlte Vorauszahlungen jedoch unerheblich. Andererseits ist es aus Vereinfachungsgründen auch ohne Bedeutung, ob die festgesetzten Vorauszahlungen tatsächlich entrichtet wurden.

Weitere Informationen: Zinsen auf Steuern und andere Strafzuschläge.

 

2. Aufbewahrung von Unterlagen:
Besondere Pflichten für schwerreiche Personen

Belege und Aufzeichnungen spielen im Steuerrecht eine wichtige Rolle. Keine Steuervergünstigung ohne entsprechenden Nachweis und keine Buchung ohne Beleg! Das Finanzamt traut nur dem, was schwarz auf weiß geschrieben steht. Doch nach Erledigung der Steuererklärung ist die Frage: Aufbewahren oder Vernichten?

Als "gewöhnlicher" Steuerbürger mit sog. Überschusseinkünften - das sind Arbeitslohn, Miet- und Kapitaleinkünfte - sind Sie grundsätzlich nicht verpflichtet, Ihre Steuerbescheide und die betreffenden Belege aufzubewahren. Allerdings sollten Sie die Belege zur Steuererklärung zumindest so lange aufbewahren, bis Sie den Steuerbescheid erhalten und geprüft haben - oder noch besser: bis der Steuerbescheid bestandskräftig geworden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerbescheid nur vorläufig oder unter Vorbehalt einer Nachprüfung erlassen wurde.

Eine Ausnahme gilt seit 2010 für Arbeitnehmer, Kapitalanleger und Vermieter, die Einkünfte von insgesamt mehr als 500 000 EUR im Jahr haben: Sie sind verpflichtet, ab dem Folgejahr ihre Aufzeichnungen und Unterlagen wie Unternehmer 6 Jahre lang aufzubewahren (§ 147a AO). Außerdem kann das Finanzamt bei diesen Personen Außenprüfungen ohne Anlass durchführen (§ 193 Abs. 1 AO).

  • Es müssen nur die Einnahmen und Werbungskosten aufgezeichnet und die entsprechenden Unterlagen aufbewahrt werden, nicht jedoch Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen oder Sonstiges. Doch es empfiehlt sich, auch Rechnungen und Belege für größere private Anschaffungen oder Ausgaben aufzubewahren, damit Sie im Falle einer Außenprüfung dokumentieren können, wohin Ihr Geld geflossen ist (z.B. Schmuck, Möbel, Autos, Kreuzfahrt). Damit das Finanzamt Ihnen nicht unterstellen kann, Sie hätten Ihr Geld im Ausland angelegt und die Zinsen daraus nicht versteuert.
  • Für die Einkommensschwelle von 500 000 EUR ist nicht etwa das "zu versteuernde Einkommen" maßgebend, das sich nach Verrechnung mit negativen Einkünften und nach Abzug von Ausgaben ergibt. Nein, maßgebend ist die "Summe der positiven Einkünfte" aus nichtselbstständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen und aus sonstigen Einkünften, die insgesamt mehr als 500 000 EUR im Jahr betragen muss. Einkünfte sind die Einnahmen nach Abzug der Werbungskosten. Jedoch dürfen negative Einkünfte nicht saldiert werden.
  • Bei Eheleuten gilt der Betrag von 500 000 EUR für jeden Ehegatten, er verdoppelt sich nicht, auch nicht bei Zusammenveranlagung.
  • Die Aufbewahrungspflicht beginnt mit dem Folgejahr, nachdem erstmals die Grenze von 500 000 EUR überschritten ist. Im Jahre 2017 sind die Einkünfte des Jahres 2016 maßgebend. Unterlagen aus dem Jahr 2016 müssen Sie bis Ende 2022 aufbewahren. Sie endet wieder, wenn in fünf aufeinander folgenden Jahren der Schwellenwert von 500 000 EUR unterschritten wird.

STEUERRAT: Wer mit Kapitalanlagen Gewinne, Dividenden und Zinsen von über 500 000 EUR erzielt, und diese Erträge der Abgeltungsteuer unterlegen haben, ist allein deswegen nicht zur Aufbewahrung der Unterlagen verpflichtet. Solche Kapitalerträge mit Abgeltungsteuer brauchen nicht in die Ermittlung der 500 000 EUR-Grenze einbezogen werden. Das bedeutet: Die entsprechenden Aufzeichnungen und Unterlagen über Einnahmen und Werbungskosten sind nicht aufbewahrungspflichtig (BMF-Schreiben vom 31.1.2013, BStBl. 2013 I S. 118; AEAO zu § 147a AO).
Etwas anderes gilt für Kapitalerträge, die wahlweise oder pflichtgemäß in die Veranlagung einbezogen und mit dem persönlichen Steuersatz besteuert werden, z. B. bei Wahl der Günstigerprüfung, ausländischen Kapitalerträgen, Kapitalerträge aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, hälftiger Gewinn aus einer 60/12-Lebensversicherung, Zinsen aus Darlehen zwischen nahe stehenden Personen, Veranlagungsoption für unternehmerische Beteiligungen im Privatvermögen. In diesen Fällen sind die Kapitalerträge bei der 500 000 EUR-Grenze zu berücksichtigen.

Weitere Informationen: