SteuerSparbrief - Archiv

Der Online-SteuerSparbrief erscheint monatlich im Umfang von rund 16 Seiten und ist Teil des Abonnements von Steuerrat24. Die aktuelle Ausgabe steht jeweils ab Monatsbeginn zum Abruf in der Rubrik "SteuerSparbrief" bereit.

Falls Sie eine frühere Ausgabe versäumt haben, können Sie hier die letzten Ausgaben des SteuerSparbriefs aufrufen.

 

Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:

  • Dienstwagen: Auch elektronisches Fahrtenbuch zeitnah führen
  • Fahrten zur Arbeit: Was bei Fahrten mit dem Fahrrad absetzbar ist
  • Elterngeld: Mehrfacher Wechsel der Steuerklasse
  • Baukindergeld: Was tun, wenn keine Steuerbescheide vorliegen?
  • Bargeldgeschäfte: Aktuelles zur Kassenführung

Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief (Hinweis: Die PDF-Datei zum Ausdruck finden Sie unterhalb des Inhaltsverzeichnisses):

Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum AusdruckSteuerSparbrief Mai 2019

Liebe Leserin, lieber Leser,

außer Rechtsanwälten, die sozusagen professionell klagen, ist wohl den meisten Menschen der Gang vor ein Gericht zuwider. Aber es gibt halt Situationen, da bleibt den betroffenen Bürgern nichts anderes übrig als den Klageweg zu beschreiten. Streitigkeiten über Steuerfragen weisen die Besonderheit auf, dass es nur zwei Rechtszüge gibt, nämlich die Finanzgerichte und den Bundesfinanzhof. Es gibt also keine Oberfinanzgerichte.

Stattdessen hat der Gesetzgeber die Möglichkeit des kostenlosen - außergerichtlichen - Rechtsbehelfsverfahrens geschaffen. Gegen belastende Steuerbescheide kann also ein Einspruch eingelegt werden, der zunächst vom zuständigen Bearbeiter und im Anschluss gegebenenfalls von der Rechtsbehelfsstelle geprüft wird. Auch im Falle der Zurückweisung des Einspruchs entstehen keine Kosten. Wer allerdings einen steuerlichen Berater beauftragt hat, muss dessen Kosten auch tragen, wenn der Bescheid zu seinen Gunsten geändert wird.

Die Rechtsbehelfsstelle ist zwar nicht nur an die Gesetze, sondern auch an - allgemein bekannte und interne - Verwaltungsanweisungen gebunden. Dennoch soll sie einen unvoreingenommenen Blick auf die steuerliche Behandlung des fraglichen Sachverhalts werfen. Falls nötig, soll sie diesen weiter aufklären. Der Rechtsbehelfsstelle kommt im Verfahrensrecht eine besondere Stellung zu, da sie quasi eine gerichtliche Instanz ersetzt. Steuerbürger müssen darauf vertrauen können, dass ihr Anliegen objektiv geprüft wird.

So viel zur Theorie. Doch wie sieht die Praxis aus? Mich beschleicht das Unbehagen, dass der "unvoreingenommene Blick" immer öfter einer fiskalischen Sichtweise weicht. Einsprüche, obwohl gut begründet, werden abgeschmettert, und zwar ohne sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen. Zuweilen habe ich das Gefühl, dass die Haltung einiger Fluggesellschaften zum Vorbild genommen wird, wenn Kunden Entschädigungen aufgrund verspäteter Flüge einfordern: Erst einmal werden die Ansprüche abgewehrt; allzu viele Kunden werden schon nicht klagen. Hinzu kommt, dass immer häufiger erforderliche Sachverhaltsaufklärungen unterbleiben; stattdessen werden lieber Bescheide und Einspruchsentscheidungen ohne nähere Prüfung produziert - nach dem Motto: "Im Zweifel zu Lasten des Steuerpflichtigen."

Die derzeitige Vorgehensweise bei der Bearbeitung von Einsprüchen lässt mich daran zweifeln, ob das kostenlose Rechtsbehelfsverfahren noch zeitgemäß ist. Lange Zeit habe ich es als überaus als positiv betrachtet, dass Einsprüche kostenlos sind, denn es senkt die Hemmschwelle, einen solchen einzulegen, ganz erheblich. Und viele Jahre habe ich an die Steuergerechtigkeit geglaubt, die den Steuerbürgern durch die Rechtsbehelfsstellen zuteil werden soll.

Noch habe ich meine Meinungsbildung nicht abgeschlossen. Wenn die Finanzverwaltung ihre Arbeitsweise aber weiter zulasten der Steuerbürger ausrichtet und die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens diese Tendenz verstärkt, werde ich wohl die Schaffung von Oberfinanzgerichten und die Abschaffung der Rechtsbehelfsstellen als sinnvoll erachten.

Übrigens, nur am Rande: Es gibt eine weitere "Instanz", deren "Kraft" vielen Steuerzahlern nicht bewusst ist, nämlich die Petitionsausschüsse der Länder. Man sollte einen Petitionsausschuss selbstverständlich nicht grundlos und schon gar nicht für Kleinigkeiten anrufen. Und man sollte ihn auch nicht anrufen, wenn es "nur" um rechtliche Fragen geht, bei denen die unterschiedlichen Auffassungen sachlich gut begründet sind. Wer sich aber von seinem Finanzamt in erheblichem Maße ungerecht behandelt fühlt, sollte die Anrufung in Erwägung ziehen.

Zuweilen werden Streitigkeiten, die mitunter auch persönliche Züge angenommen haben oder in reiner Rechthaberei ausgeartet sind, wieder auf eine sachliche Ebene zurückgeführt. Den zuständigen Bearbeiter Ihres Finanzamts werden sie nach einer Petition aber wahrscheinlich nicht mehr als Freund fürs Leben gewinnen, denn für ihn bedeutet diese in erster Linie viel, viel Schreibarbeit.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Christian Herold

Redaktion Steuerrat24

 

I. Beruflicher Bereich

1. Gesundheitsförderung:
Kosten für 'Sensibilisierungswoche' nur begrenzt steuerfrei

Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung bleiben bis zu 500 EUR pro Mitarbeiter und Jahr steuer- und sozialversicherungsfrei (§ 3 Nr. 34 EStG). Wenn allerdings solche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen, sind sie unabhängig von dem Freibetrag in voller Höhe steuer- und sozialversicherungsfrei.

Wie ist wohl folgende Maßnahme zu beurteilen? Ein Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern im Rahmen eines sog. Demografieprojekts ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil (sog. Sensibilisierungswoche) an. Das Seminar umfasst u.a. Kurse zu gesunder Ernährung und Bewegung, Körperwahrnehmung, Stressbewältigung, Herz-Kreislauf-Training, Achtsamkeit, Eigenverantwortung und Nachhaltigkeit. Das Unternehmen meint, dass die Maßnahme ganz überwiegend im betrieblichen Interesse liege und es deshalb am Entlohnungscharakter fehle. Also müsste die Leistung für die Mitarbeiter in vollem Umfang steuerfrei sein.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die vom Arbeitgeber übernommenen Kosten von 1.300 EUR für ein einwöchiges Seminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil Arbeitslohn sind, weil die Teilnahme nicht im ganz überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt ist. Denn bei der Sensibilisierungswoche handele es sich um eine gesundheitspräventive Maßnahme, die darauf abziele, den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern. Hingegen könnten Maßnahmen zur Vermeidung berufsspezifischer Erkrankungen im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen und deshalb nicht als Arbeitslohn einzustufen sein. Die Aufwendungen des Arbeitgebers sind also steuer- und sozialversicherungspflichtig, soweit sie den "Gesundheitsfreibetrag" von 500 EUR gemäß § 3 Nr. 34 EStG übersteigen (BFH-Urteil vom 21.11.2018, VI R 10/17; ebenso bereits BFH-Urteil vom 7.5.2014, VI R 28/13).

STEUERRAT: Bei solchen Aufwendungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung, die nicht im überwiegend betrieblichen Interesse liegen, kommt der Freibetrag gemäß § 3 Nr. 34 EStG zur Anwendung. Folglich bleibt der vom Arbeitgeber gewährte Vorteil von 1.300 EUR in Höhe von 500 EUR steuerfrei - und nur der übersteigende Betrag ist als Arbeitslohn steuer- und sozialversicherungspflichtig.

Weitere Informationen: Gesundheitsförderung: Steuerfreibetrag für betriebliche Leistungen.

 

2. Dienstwagen:
Auch elektronisches Fahrtenbuch zeitnah führen

Unter Finanzbeamten wird gescherzt, es gäbe kein Fahrtenbuch, das einer ausführlichen Prüfung standhalte. Das ist sicherlich übertrieben, aber in der Tat gibt es bei der Fahrtenbuchführung so viele Fallstricke, dass es wirklich schwerfällt, ein solches "finanzamtsfest" zu führen. Gerade weil handschriftliche Aufzeichnungen lästig, zeitaufwendig und damit auch fehleranfällig sind, haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend elektronische Fahrtenbücher am Markt etabliert. Es gibt hier verschiedene Modelle und Systeme. Bei einem namhaften Hersteller wird zum Beispiel ein so genannter OBD- bzw. OBD-2-Stecker im Kfz angebracht, der Datum, Uhrzeit, Start- und Zieladresse sowie die gefahrene Distanz einer jeden Fahrt ermittelt und diese anschließend an das Smartphone oder den PC übermittelt. Die weiteren Daten müssen dann zuhause ergänzt werden. Doch auch ein elektronisches Fahrtenbuch ist kein Allheilmittel.

AKTUELL hat das Niedersächsische Finanzgericht wie folgt entschieden: Die unmittelbare elektronische Erfassung der Fahrtwege eines betrieblichen Fahrzeugs durch ein technisches System reicht zur Führung eines Fahrtenbuches nicht aus. Neben dem Bewegungsprofil müssen die Fahrtanlässe ebenfalls zeitnah erfasst werden. Eine technische Lösung, die auch nach Jahren noch Änderungen zulässt, kann nicht als elektronisches Fahrtenbuch anerkannt werden (Urteil vom 23.1.2019, 3 K 107/18).

  • Der Fall soll hier etwas ausführlicher dargestellt werden, da er wohl viele Nutzer von Dienst- und Geschäftswagen betreffen kann: Der Kläger nutzte einen Dienstwagen seines Arbeitgebers und führte ein elektronisches Fahrtenbuch. Dies bestand aus dem oben erwähnten OBD-2-Stecker mit einem GPS-Empfänger, der über das Mobilfunknetz jeweils die aktuelle Position und die Bewegungsdaten auf einem zentralen Server aufzeichnet. Der Nutzer erhält einen Online-Zugang zu den Daten und kann den Fahrten mittels der zugehörigen Software einen vordefinierten Fahrtzweck zuordnen oder einen individuellen Fahrzweck eintragen. Diese Zuordnungen bleiben nach der Ersterfassung zunächst frei änderbar. Der Anwender kann aber auch eine sogenannte frei bestimmbare Periode (eine Woche, einen Monat o.ä.) final bearbeiten und dann in dem Programm abschließen, so dass die vom Anwender ergänzten Daten danach nicht mehr veränderbar sind. Dazu muss er zwingend den tatsächlichen Kilometerstand des Fahrzeuges laut Fahrzeugtacho ablesen und in der Software eingeben. Die Software vergleicht anschließend den rechnerisch unter Verwendung der GPS-Funktion ermittelten Kilometerstand mit dem abgelesenen Kilometerstand des Fahrzeugs und erfasst bei Abweichungen von mehr als 5 % ggf. eine zusätzliche (private) Fahrt, die dann noch editiert werden kann. Abweichungen zwischen den Kilometerständen können u.a. durch den Ausfall des Gerätes (kein Strom, kein GPS-Signal) oder durch das manuelle Abschalten des Steckmoduls, ein Herausrutschen des Steckmoduls durch Erschütterungen oder Herausziehen des Steckmoduls entstehen. Das elektronisch geführte/ergänzte Fahrtenbuch kann nach dem Abschluss einer Periode in eine ebenfalls nicht veränderbare PDF-Datei übertragen werden.
  • Trotz der digitalen Erfassung stellte das Finanzamt aber Mängel des Fahrtenbuches fest: Der im Fahrtenbuch enthaltene Kilometerstand entsprach zum Beispiel nicht den Kilometerständen laut Werkstattrechnungen. Anlass bzw. der Zweck von Fahrten seien teilweise unzutreffend beschrieben und teilweise mögliche private Fahrtunterbrechungen nicht hinreichend gekennzeichnet worden. Offenbar hat der Kläger die Fahrten zu spät eingetragen und konnte sich dann nicht mehr im Einzelnen an die Fahrtanlässe erinnern. Das Finanzamt verwarf daher die Fahrtenbücher und erhöhte den Bruttoarbeitslohn des Klägers unter Anwendung der Ein-Prozent-Pauschalregelung. Die entsprechende Klage blieb erfolglos.
  • Die Begründung des Gerichts: Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, könne dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen. Im Streitfall habe der Kläger nicht nachgewiesen, das Fahrtenbuch überhaupt zeitnah und ordnungsgemäß geführt zu haben, die Kilometerstände zum Ende der privaten bzw. dienstlichen Fahrten nicht nachgewiesen und Fahrtanlässe nicht korrekt beschrieben. Es reiche nicht aus, dass nur die Fahrten mit den per GPS ermittelten Geo-Daten selbst zeitnah aufgezeichnet worden sind. Vielmehr müssten alle Angaben, die für ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erforderlich sind, zeitnah in das Fahrtenbuch eingetragen werden. Daher seien die Fahrtenbücher zu verwerfen.
  • Das Steckmodul und die dazugehörige Datenbank haben nur die Fahrten mit den durch das GPS-Modul ermittelbaren Angaben (Ort und Zeit des Beginns und des Endes der Fahrt) der Fahrten, die nicht als privat gekennzeichnet worden sind, im Rahmen der technischen Verfügbarkeit des Gerätes (nicht ausgeschaltet und nicht gestört) aufgezeichnet und in einer zentralen Datenbank gespeichert. Die zusätzlich unverzichtbaren Angaben zu den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartnern oder - wenn solche nicht vorhanden sind - die Angabe des konkreten Gegenstandes der dienstlichen Verrichtung mussten von dem Anwender ergänzt werden. Diese Angaben konnte das Programm ohne die Mitwirkung des Klägers den Fahrten nicht zuordnen. Diese unerlässlichen Ergänzungen zu den betrieblichen Anlässen der Fahrten müssen für ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch ebenfalls zeitnah erfolgen. Die Fahrtenbücher des Klägers enthielten jedoch keine Angaben dazu, wann diese Angaben zu den Fahrtanlässen in der Datenbank ergänzt worden sind.
  • Die vorgelegten Fahrtenbücher seien überdies insgesamt als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen, weil der Kläger die tatsächlichen Kilometerstände nach den Tachos der Fahrzeuge niemals im Streitzeitraum den rechnerisch ermittelten Tachoständen in den Daten des elektronischen Fahrtenbuches gegenübergestellt hat.

STEUERRAT: Die Entscheidung verdeutlicht, dass auch elektronische Fahrtenbücher zeitnah und vollständig zu führen sind und den Finanzämtern Ungereimtheiten schnell auffallen. So werden Werkstattrechnungen oder aber auch eingereichte Bewirtungsbelege mit den Angaben verglichen. Kilometer- und Ortsangaben sollten damit übereinstimmen. Zur "zeitnahen Aufzeichnung" hat sich das BMF mit Schreiben vom 4.4.2018 (BStBl 2018 I S. 592, Tz. 3.2) wie folgt geäußert: "Es bestehen keine Bedenken, ein elektronisches Fahrtenbuch, in dem alle Fahrten automatisch bei Beendigung jeder Fahrt mit Datum, Kilometerstand und Fahrtziel erfasst werden, jedenfalls dann als zeitnah geführt anzusehen, wenn der Fahrer den dienstlichen Fahrtanlass (Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner) innerhalb eines Zeitraums von bis zu sieben Kalendertagen nach Abschluss der jeweiligen Fahrt in einem Webportal einträgt und die übrigen Fahrten dem privaten Bereich zugeordnet werden." Gegen das aktuelle Urteil liegt übrigens mittlerweile die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI B 25/19 vor. Berufen Sie sich im Fall der Fälle auf diese Rechtssache und beantragen Sie ein Ruhen Ihres eigenen Verfahrens.

Weitere Informationen: Firmenwagen und Betriebs-Pkw: Fahrtenbuch ordnungsgemäß führen

 

3. Arbeitsmittel:
Kosten für Ohrstöpsel aufgrund Lärms wegen Umbauarbeiten

Es ist manches Mal seltsam, womit sich Finanzrichter beschäftigen müssen. In einem Fall, den das Sächsische Finanzgericht entscheiden musste, ging es unter anderem um den Abzug von Kosten für Ohropax in Höhe sage und schreibe 2,95 EUR. Die Anschaffung der Ohrstöpsel erfolgte, weil in den Büroräumen des Arbeitgebers über längere Zeit tagsüber Baumaßnahmen durchgeführt wurden. Das Finanzamt hat die Kosten tatsächlich gestrichen.

Doch die Finanzrichter hatten ein Einsehen. Die Anschaffungskosten für Ohropax seien als Werbungskosten zu berücksichtigen. Denn diese dienten im konkreten Einzelfall ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend der Erwerbstätigkeit des Klägers, weil er die Ohrstöpsel während seiner Tätigkeit im Büro des Arbeitgebers benötigte, um die während der gleichzeitig stattfindenden Baumaßnahmen auftretenden Geräusche zu dämpfen (Sächsisches FG, Urteil vom 18.5.2018, 4 K 194/18).

 

4. Fahrtkosten:
Keine Dienstreisen bei Fahrten des Gerichtsvollziehers zum Gericht

Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind nur mit der Pauschale von 0,30 EUR je Entfernungskilometer abziehbar. Andere berufliche und dienstliche Fahrten sind hingegen mit den tatsächlich entstandenen Kosten oder mit der Dienstreisepauschale steuerlich zu berücksichtigen. Daher gibt es immer wieder Streit über die Frage, wann eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt. Oder anders ausgedrückt: Arbeitnehmer bestreiten gegenüber dem Finanzamt immer wieder das Vorliegen einer ersten Tätigkeitstätte, um ihre Fahrtkosten höher absetzen zu können.

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass ein Gerichtsvollzieher die Fahrten von seinem Wohnort zu seinem Amtssitz nur mit der Entfernungspauschale geltend machen kann. Seine erste Tätigkeitsstätte ist das zuständige Amtsgericht (Urteil vom 23.7.2018, 10 K 1935/17).

  • Der Fall: Ein Gerichtsvollzieher unterhält in seinem Amtsgerichtsbezirk ein Gemeinschaftsbüro. Hiervon nutzt er ein Bürozimmer zu seinen Bürozeiten an zwei Tagen, jeweils dienstags und mittwochs, für ca. 2 Stunden. Daneben betreibt er in seinem Einfamilienhaus ein eigenes Büro, das als weiteres Geschäftszimmer genehmigt ist. Der Gerichtsvollzieher wollte anstelle der Entfernungspauschale die Fahrtkosten mit 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer abziehen, was ihm jedoch verweigert wurde.
  • Zur Begründung verweisen die Finanzrichter insbesondere darauf, dass der Sitz des Amtsgerichts kraft Zuordnung durch seinen Dienstherrn als erste Tätigkeitsstätte anzusehen ist. Es handele sich nicht lediglich um eine disziplinarische Zuordnung. Denn das Amtsgericht sei zugleich die dem Kläger zugewiesene Dienststelle/Dienststätte im Sinne des öffentlichen Reisekostenrechts.

STEUERRAT: Das FG hat die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 35/18 vorliegt. Die Richter führen aus, dass die Anforderungen, die an eine erste Tätigkeitsstätte zu stellen sind, höchstrichterlich noch nicht geklärt seien. Dabei schränken sie ihren Hinweis nicht auf den Fall des Gerichtsvollziehers ein, so dass sich Betroffene auch in anderen Fällen auf das Verfahren berufen und ein Ruhen ihres eigenen Verfahrens beantragen sollten.

 

5. Fahrten zur Arbeit:
Was bei Fahrten mit dem Fahrrad steuerlich absetzbar ist

Viele Arbeitnehmer nutzen für die Fahrten zur Arbeit und auch gelegentlich bei Auswärtstätigkeiten das Fahrrad. Die Frage ist, was Sie in diesem Fall steuerlich als Werbungskosten absetzen können.

1. Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte

Die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte können mit der Entfernungspauschale von 30 Cent je Entfernungskilometer als Werbungskosten abgesetzt werden. Dabei spielt die Art des Verkehrsmittels keine Rolle, sodass auch das Fahrrad begünstigt ist.

2. Fahrten zu einem gleichbleibenden Sammelpunkt

Manche Arbeitnehmer haben keine "erste Tätigkeitsstätte", sondern müssen sich auf Weisung ihres Arbeitgebers dauerhaft an einem gleichbleibenden Treffpunkt (Sammelpunkt) einfinden und von dort aus ihre Arbeit aufnehmen oder unterschiedliche Arbeitsorte aufsuchen. Solche Treffpunkte sind beispielsweise das Fahrzeugdepot bei Berufskraftfahrern, Straßenbahnführern, Taxifahrern, Lokomotivführern, Zugbegleitern usw., die ihr Fahrzeug stets am gleichen Ort übernehmen. Dies können auch Sammelpunkte sein, um von dort mit einem Fahrzeug des Arbeitgebers zu den jeweiligen Einsatzstellen weiterzufahren, z.B. Parkplatz, Treffpunkt am Firmensitz zur Weiterfahrt zu Baustellen. Sie können seit 2014 die Fahrten mit dem Fahrrad zum gleichbleibenden Treffpunkt mit der Entfernungspauschale von 30 Cent je Entfernungskilometer absetzen, bis 2013 war hierfür lediglich die Dienstreisepauschale von 5 Cent je Fahrtkilometer absetzbar. Gleichwohl können auch seit 2014 Verpflegungspauschbeträge bei einer Abwesenheit ab 8 Stunden geltend gemacht werden.

3. Fahrten im Rahmen von Auswärtstätigkeiten

Werden Dienstreisen oder Auswärtstermine mit dem Fahrrad absolviert, kann seit 2014 keine Pauschale mehr abgesetzt werden, weil es eine Pauschale von 20 Cent nur noch für motorgetriebene Fahrzeuge gibt, also für Moped, Mofa oder S-Pedelec (mehr als 25 km/h). Bis 2013 waren immerhin 5 Cent je Fahrtkilometer absetzbar. Doch absetzbar sind unverändert die tatsächlich entstandenen Aufwendungen, z.B. die Anschaffungskosten, verteilt über die Nutzungsdauer, entsprechend dem beruflichen Nutzungsanteil. Aber diese Ermittlung ist doch recht mühsam.

STEUERRAT: Werden Dienstfahrten mit einem Elektrofahrrad unternommen, ist zu unterscheiden, ob das Fahrrad verkehrsrechtlich als Fahrrad (Pedelec) oder als Kraftfahrzeug (S-Pedelec, E-Bike) einzustufen ist. Letzteres sind Elektro-Fahrräder, deren Motor auch Geschwindigkeiten über 25 Kilometer pro Stunde unterstützt. In diesem Fall können Sie die Dienstreisepauschale von 20 Cent je Fahrtkilometer absetzen.

4. Fahrten mit einem Firmenfahrrad (das zusätzlich zum Gehalt überlassen wird)

Immer mehr Unternehmen stellen ihren Mitarbeitern Fahrräder und Elektrofahrräder zur Verfügung, mit denen sie zur Arbeit fahren und die sie auch privat nutzen können (Firmenfahrräder). Seit dem 1.1.2019 ist der private Nutzungswert aus der Überlassung eines Firmenfahrrads für den Mitarbeiter steuer- und sozialversicherungsfrei. Voraussetzung ist, dass das Fahrrad zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird, z.B. anstelle einer Gehaltserhöhung, aber nicht durch Gehaltsumwandlung (§ 3 Nr. 37 EStG 2019). Diese Steuerbefreiung ist zunächst befristet bis zum 31.12.2021 (§ 52 Abs. 4 Satz 7 EStG 2019).

STEUERRAT: Obwohl der Arbeitgeber Ihnen das Fahrrad steuerfrei überlassen kann, können Sie dennoch in Ihrer Steuererklärung die Fahrten zur Arbeit mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen und brauchen den Vorteil nicht darauf anzurechnen. Das Abzugsverbot gemäß § 3c Abs. 1 EStG gilt hier ausnahmsweise nicht (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 7 EStG 2019). Die Anrechnungsbeträge wären relativ gering, und eine Anrechnung dieser Leistungen auf die Entfernungspauschale wäre administrativ kaum möglich.

ACHTUNG: Die Steuerbefreiung gilt für "normale" Fahrräder und für Elektrofahrräder. Ist ein Elektrofahrrad jedoch verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeug einzuordnen (z.B. Elektrofahrräder, deren Motor auch Geschwindigkeiten über 25 Kilometer pro Stunde unterstützt), gelten für die Bewertung des geldwerten Vorteils weiterhin die Regeln der Dienstwagenbesteuerung. Dies gilt für S-Pedelecs (Speed-Pedelecs) und E-Bikes. Damit greift bei Anschaffung im Zeitraum 2019 bis 2021 auch die neue Halbierung der Bemessungsgrundlage für Elektrofahrzeuge. Das heißt: Bei Anwendung der 1 %-Pauschalmethode ist der Listenpreis nur zur Hälfte anzusetzen, und für die Fahrten zur Arbeit ist ein Zuschlag von 0,03 % des halben Listenpreises hinzuzurechnen. Bei Anwendung der Fahrtenbuchmethode sind die Anschaffungskosten oder vergleichbare Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

5. Fahrten mit einem Firmenfahrrad (das im Wege einer Gehaltsumwandlung überlassen wird)

Nicht immer möchte der Arbeitgeber die Kosten für das Fahrrad übernehmen. Viele Arbeitnehmer vereinbaren mit dem Arbeitgeber, dass sie für die Überlassung eines Fahrrades die Leasingrate übernehmen und dafür das Bruttogehalt entsprechend herabgesetzt wird. Bei dieser sog. Gehaltsumwandlung wird ein Teil des Bruttogehalts in den Sachbezug "Fahrrad" umgewandelt. Dafür ist ein geldwerter Vorteil zu versteuern. Eine Gehaltsumwandlung aus dem Bruttogehalt wird steuerlich nur dann anerkannt, wenn der Arbeitsvertrag entsprechend geändert wird. Ohne Vertragsänderung handelt es sich um eine steuerlich irrelevante Zuzahlung aus dem Barlohn. Als geldwerter Vorteil steuerpflichtig ist monatlich 1 % des Listenpreises. Dies ist die sog. 1 %-Durchschnittsmethode (gemäß § 8 Abs. 2 Satz 10 EStG). Dieser Betrag ist ebenfalls sozialversicherungspflichtig, sofern das Gehalt die Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt. Bei einer Überlassung ab dem 1.1.2019 bis zum 31.12.2021 wird der Listenpreis nur zur Hälfte angesetzt.

Weitere Infos, insbesondere auch zu den jeweiligen Anwendungszeitpunkten: Überlassung von Fahrrädern und Elektrofahrrädern: Geldwerter Vorteil für die Privatnutzung

 

6. Lohnsteuer:
Arbeitnehmer muss Arbeitgeber nachentrichtete Steuer erstatten

Der Arbeitgeber muss zwar die Lohnsteuer für seine Arbeitnehmer abführen, Letztere bleiben aber Schuldner der Lohnsteuer. Üblicherweise gibt es im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer insoweit nur wenig Konfliktpotenzial. Manchmal streiten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber "bis aufs Blut", wenn es um die Höhe der abzuführenden Lohnsteuer geht. So geschehen in einem Fall, den das Bundesarbeitsgericht (BAG) jüngst zu entscheiden hatte.

In dem zugrundeliegenden Fall war der Mitarbeiter entlassen worden; im Kündigungsschutzprozess einigten sich die Parteien dann auf die Zahlung einer Abfindung. Trotz der Einigung ging der Streit weiter und der ehemalige Arbeitgeber forderte von dem Mitarbeiter noch rund 1.200 EUR. Es wurde nämlich festgestellt, dass das Fahrtenbuch, das der Mitarbeiter für die Nutzung seines Dienstwagens geführt hatte, offenbar nicht in Ordnung war. Also wurden Lohnabrechnungen berichtigt und die fälligen Mehrsteuern mit der Abfindung verrechnet - sehr zum Leidwesen des Arbeitnehmers. Dieser war der Auffassung, dass eine Verrechnung der Lohnsteuer mit der Abfindung nicht erfolgen dürfe.

AKTUELL hat das BAG geurteilt, dass die Verrechnung zulässig war. Hat der Arbeitgeber von Einkünften des Arbeitnehmers zu wenig Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, könne er vom Arbeitnehmer die Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer verlangen. Denn der Arbeitgeber haftet zwar für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat, deren Schuldner ist jedoch allein der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Etwas anderes gelte nur, wenn der klar erkennbare Parteiwille dahin geht, die Steuerlast solle den Arbeitgeber treffen. Für den Erstattungsanspruch sei es unerheblich, ob der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer die Steuerforderung freiwillig oder aufgrund eines Haftungsbescheids der Finanzbehörde erfüllt (BAG-Urteil vom 17.10.2018, 5 AZR 538/17).

 

7. Versorgungszusage:
Steuerpflicht bei Übertragung auf einen Pensionsfonds

Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern in der Vergangenheit Versorgungszusagen gemacht haben, können diese angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus zuweilen nicht mehr finanzieren. Oftmals geraten aufgrund der hohen Rückstellungen auch die Bilanzen in Schieflage. Und wieder andere Arbeitgeber möchten ihr Unternehmen veräußern, finden jedoch keinen Käufer, der bereit ist, die Versorgungszusagen zu übernehmen. In diesen Fällen wird dann überlegt, die Versorgungszusagen auszulagern, zumeist auf einen Pensionsfonds. Für den Arbeitnehmer ist die Übertragung grundsätzlich steuerfrei (§ 3 Nr. 66 EStG), wenn der Arbeitgeber einen entsprechenden Antrag stellt (§ 4e Abs. 3 EStG). Doch was gilt, wenn der Antrag - aus welchen Gründen auch immer - nicht gestellt wird?

AKTUELL hat das Finanzgericht Köln entschieden, dass Arbeitslohn vorliegt, wenn der Arbeitgeber eine Versorgungszusage auf einen Pensionsfonds überträgt und der Arbeitnehmer durch die Übertragung einen eigenen Anspruch auf Leistungen gegen den Pensionsfonds erwirbt. Der Arbeitslohn ist mithin steuerpflichtig, wenn der Antrag nach § 4e EStG nicht gestellt wird (Urteil vom 27.9.2018, 6 K 814/16).

  • Der Fall: Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die ihm im Jahr 1993 eine Pensionszusage erteilt hatte. Im April 2010 wurde die GmbH veräußert. Gleichzeitig wurde die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer beendet. Anlässlich dieser Veräußerung und der damit verbundenen Beendigung der Geschäftsführerstellung des damals 54-jährigen Klägers wurde seine Pensionsverpflichtung auf einen Pensionsfonds übertragen. Als Gegenleistung für die Übertragung trat die GmbH ihre Ansprüche aus einer Rückdeckungsversicherung an den Pensionsfonds ab. Einen Antrag nach § 4e Abs. 3 EStG stellte GmbH nicht. Das Finanzamt rechnete dem steuerpflichtigen Arbeitslohn des Geschäftsführers einen Betrag von 233.680 EUR zu. Dies entsprach der bei der GmbH gebildeten und nun aufgelösten Rückstellung. Das FG Köln hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.
  • Es sind zwei Fälle zu unterscheiden: Leistet der Arbeitgeber Zuwendungen an eine Einrichtung, die dem Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch einräumt, sind erst die laufenden von der Versorgungseinrichtung an den Arbeitnehmer ausgezahlten Bezüge als Arbeitslohn zu qualifizieren. Anders ist es aber, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber Beiträge geleistet hat, ein - eigener - unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht. Dann liegt sofortiger Arbeitslohn vor - und so verhält es sich in dem aktuellen Fall.
  • Durch die Übertragung der Zusage auf den Pensionsfonds ist Arbeitslohn entstanden. Der Kläger hat auch nach der Übertragung lediglich eine Anwartschaft auf eine Altersversorgung. Gleichwohl stellt sich der Vorgang so dar, als hätte die GmbH dem Kläger Mittel zur Verfügung gestellt, die er dann aufgewandt hat, um von einem fremden Dritten, nämlich dem Pensionsfonds, eine Pensionszusage zu erhalten, mit der er unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung der GmbH ist.

STEUERRAT: Arbeitnehmer sollten in ähnlichen Fällen unbedingt darauf drängen, dass der Arbeitgeber den Antrag nach § 4e Abs. 3 EStG stellt, damit die Übertragung der Versorgungszusage bei ihnen steuerfrei bleibt. Üblicherweise haben auch die Arbeitgeber ein entsprechendes Interesse. Zuweilen möchten Arbeitgeber aber lieber einen hohen "buchtechnischen Aufwand" produzieren, der sich durch die Auflösung der Rückstellung und die Übertragung auf den Pensionsfonds ergibt. Damit können sie ihre Steuerlast sofort mindern, auch wenn dies zulasten der Arbeitnehmer ginge. Die Versteuerung bei den Arbeitnehmern dürfte zwar übrigens der so genannten Fünftel-Regelung unterliegen. Angesichts der oftmals hohen Versorgungszusagen ist damit aber nur eine minimale Minderung des Steuersatzes zu erreichen. Gegen die Entscheidung des FG Köln liegt die Revision unter dem Az. VI R 45/18 vor, so dass entsprechende Fälle noch offen gehalten werden sollten.

 

8. Praktikum:
Unterbrechung führt nicht zum Anspruch auf Mindestlohn

Praktikanten haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 9,19 EUR, wenn sie das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigt. Was aber gilt, wenn das Praktikum auf Veranlassung des Praktikanten unterbrochen wird, etwa weil dieser erkrankt ist? Verlängert sich der Drei-Monats-Zeitraum in diesem Fall? Oder ist bei Wiederaufnahme des Praktikums und Ablauf der drei Monate der Mindestlohn zu zahlen?

AKTUELL hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht, wenn zwar der Drei-Monats-Zeitraum - etwa durch Krankheit - überschritten wird, sich die reine Praktikumsdauer aber nicht verlängert, das heißt, dass das Praktikum selbst die Höchstdauer von drei Monaten nicht überschritten hat (BAG-Urteil vom 30.1.2019, 5 AZR 556/17).

  • Der Fall: Die Klägerin vereinbarte mit der Arbeitgeberin, die eine Reitanlage betreibt, ein dreimonatiges Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung zur Pferdewirtin. Das Praktikum begann am 6.10.2015. Im November war die Klägerin vier Tage krank. Ab dem 20.12.2015 trat sie in Absprache mit der Arbeitgeberin über die Weihnachtsfeiertage einen Familienurlaub an. Während des Urlaubs verständigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin erst am 12.1.2016 in das Praktikum zurückkehrt, um in der Zwischenzeit auf anderen Pferdehöfen "Schnuppertage" verbringen zu können. Das Praktikum endete schließlich am 25.1.2016. Die Praktikantin erhielt während des Praktikums keine Vergütung. Sie forderte daraufhin für die Zeit ihres Praktikums eine "Nachzahlung" in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in einer Gesamthöhe von 5.491 EUR brutto. Sie trug vor, dass die gesetzlich festgelegte Höchstdauer eines Orientierungspraktikums von drei Monaten überschritten sei. Daher sei ihre Tätigkeit mit dem Mindestlohn von damals 8,50 EUR pro Stunde zu vergüten.
  • Das BAG hat dies abgelehnt. Ein Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn bestehe nicht, weil das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung die Höchstdauer von drei Monaten nicht überschritten hat. Unterbrechungen des Praktikums innerhalb dieses Rahmens seien möglich, wenn der Praktikant/die Praktikantin hierfür persönliche Gründe hat und die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhängen. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Das Praktikum wurde wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie auf eigenen Wunsch der Klägerin für nur wenige Tage unterbrochen und im Anschluss an die Unterbrechungen jeweils unverändert fortgesetzt. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf angemessene Vergütung nach dem Berufsbildungsgesetz hatte daher keinen Erfolg.

 

II. Privater Bereich

1. Rentenversicherung:
Rückerstattung von Beiträgen an Neu-Beamte ist steuerfrei

Häufig sind Beamte, bevor sie tatsächlich verbeamtet werden, zunächst als Angestellte bei ihrem Dienstherrn tätig. Erfolgt die Übernahme ins Beamtenverhältnis innerhalb von fünf Jahren, können die Neu-Beamten eine Erstattung der geleisteten Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung beantragen (§ 210 Abs. 1a SGB VI). Fraglich ist dann, ob die Erstattung der Beiträge zu versteuern oder ob der Sonderausgabenabzug des aktuellen Jahres zu mindern ist. Auch an eine Berichtigung der Steuerbescheide der vergangenen Jahre wäre zu denken.

AKTUELL hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass die Erstattung von Beiträgen zur Rentenversicherung nach § 210 Abs. 1a SGB VI eine steuerfreie Einnahme darstellt. Zudem darf der Sonderausgabenabzug des aktuellen Jahres nicht gemindert werden, es liegt also keine "negative Sonderausgabe" vor (Urteil vom 14 K 1629/18 E).

  • Der Fall: Die Klägerin hatte für drei Jahre Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Nachdem sie verbeamtet worden war, beantragte sie im Jahr 2016 die Erstattung dieser Beiträge gemäß § 210 Abs. 1a SGB VI. In 2017 erstattete die Deutsche Rentenversicherung Bund einen Betrag von rund 2.782 EUR. Das Finanzamt berücksichtigte den Erstattungsbetrag als Minderung der Altersvorsorgeaufwendungen. Der Sonderausgabenabzug wurde entsprechend dem für 2017 abzugsfähigen Anteil um 84 % von 2.782 EUR, also um 2.336 EUR reduziert.
  • Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich. Die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen gehört zwar zu den sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG. Sie ist aber nach § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG steuerfrei. Wenn aber eine Erstattung als steuerbare, wenngleich steuerfreie Einnahme einzustufen sei, könne sie folglich nicht als negative Sonderausgabe gewertet werden - so die Finanzrichter. Es wäre unvereinbar mit der Wertung des § 3 Nr. 3 Buchst. b EStG, eine steuerfreie Einnahme anzunehmen, aber der Beitragserstattung zugleich durch die Qualifikation als negative Sonderausgabe eine steuererhöhende Wirkung beizumessen.

STEUERRAT: Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, so dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist (Az. X R 35/18). Doch bis auf Weiteres sollten sich Betroffene auf die aktuelle Entscheidung berufen. Sie sollten im Übrigen prüfen, welche Werte ihr Sozialversicherungsträger an die Finanzverwaltung übermittelt hat. Sollte die Finanzverwaltung auch in der Revision unterliegen, wird sie wohl versuchen, die Steuerbescheide der Altjahre zu ändern und den Sonderausgabenabzug rückwirkend zu streichen. Die Fachliteratur ist sich nicht einig, ob eine solche Korrektur zulässig wäre (für Fachleute: zum Meinungsstand siehe Münch in EFG 2019, S. 410).

 

2. Prozesskosten:
Kosten für Umgangs- und Namensrecht des Kindes nicht absetzbar

Aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahre 2013 sind Kosten eines Zivilprozesses nur im Ausnahmefall als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG - unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung - absetzbar, "wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass Anwaltskosten, die im Zusammenhang mit der Beurkundung des Nachnamens eines minderjährigen Kindes sowie mit dem Umgangsrecht für dieses Kind entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind (FG Münster vom 12.2.2019, 2 K 750/17 E).

  • Der Fall: Die Mutter führt mit dem Vater ihres minderjährigen Kindes, einem Niederländer, rechtliche Auseinandersetzungen. Hierbei ging es zum einen um die vom Vater in den Niederlanden vorgenommene standesamtliche Beurkundung des Nachnamens des Sohnes, die nach Auffassung der Mutter ohne ihre Zustimmung und damit widerrechtlich erfolgt sei. Zum anderen wollte die Mutter dem Vater das Umgangsrecht mit dem Sohn wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs entziehen lassen. Da der Vater den Sohn im Jahr 2015 in die Niederlande verbracht habe, hätten sich die Rechtsstreitigkeiten zwischenzeitlich dorthin verlagert. Die Mutter beantragte den Abzug von Anwaltskosten für eine niederländische Kanzlei in Höhe von 3.800 EUR als außergewöhnliche Belastungen und führte hierzu aus, dass ihre seelische und finanzielle Belastung inzwischen so hoch sei, dass der Verlust ihrer Existenzgrundlage drohe. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Kosten ab, da die Mutter eine konkrete Gefährdung ihrer Existenzgrundlage nicht nachgewiesen habe.
  • Nach Auffassung der Finanzrichter sind nur solche Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Hiermit seien - so die BFH-Rechtsprechung - nur die materiellen Lebensgrundlagen des Steuerpflichtigen gemeint. Diese Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor, da die Existenzgrundlage der Mutter nicht aufgrund des Kindesnamens oder des Umgangsrechts gefährdet sei, sondern aufgrund der finanziellen Belastung durch die Prozesse.

Ungeklärt ist bislang die Frage, ob unter Existenzgrundlage nur die "materielle" Existenz zu verstehen ist oder ob dazu auch eine "immaterielle" Grundlage gehört, die den Kernbereich menschlichen Lebens betrifft. Hierunter fallen unter anderem psychische oder seelische sowie ideelle Lebensgrundlagen. Zu den sozialen Bedürfnissen zählen auch die Liebe zu seinem Kind und die Fürsorge für das Kind.

  • Der BFH jedenfalls versteht als Existenzgrundlage bisher allein die "materielle" Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen. Seelische und soziale Bedürfnisse sollen nicht darunterfallen (BFH-Urteil vom 18.5.2017, VI R 9/16).
  • Hingegen soll nach Ansicht des FG Düsseldorf auch die immaterielle Existenzgrundlage berücksichtigt werden. So sollen Prozesskosten im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinem Kind und der Rückkehr des bei der Mutter im Ausland lebenden Kindes nach Deutschland als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzbar sein, weil sie einen "Kernbereich menschlichen Lebens" betreffen. Ohne ein Umgangsrecht mit dem Kind und die Rückkehr nach Deutschland sei die (immaterielle) Existenzgrundlage des Vaters gefährdet. Und die Betroffenheit des Kernbereichs menschlichen Lebens sei als Bedrohung der Existenzgrundlage zu begreifen (FG Düsseldorf vom 13.3.2018, 13 K 3024/17 E, Revision VI R 15/18).
  • Auch nach Auffassung des FG München sind die Begriffe "Existenzgrundlage" und "lebensnotwendige Bedürfnisse" auch in einem immateriellen Sinn zu deuten. Und so sollen Rechtsstreitigkeiten, die zwangsläufig erwachsen und den Kernbereich des menschlichen Lebens betreffen, als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sein (FG München vom 7.5.2018, 7 K 257/17, Revision VI R 27/18).

STEUERRAT: Die Finanzgerichte Düsseldorf und München teilen ausdrücklich nicht die Auffassung des BFH, "dass der Begriff 'Existenzgrundlage' allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen erfasst. Vielmehr kann dieser Begriff ebenso wie die Formulierung 'lebensnotwendige Bedürfnisse' in den Fällen, in denen der Kernbereich des menschlichen Lebens betroffen ist, auch die Gefahr des Verlustes psychischer oder ideeller Bedürfnisse erfassen." Denn die Begriffe "Existenzgrundlage" und "lebensnotwendige Bedürfnisse" seien gesetzlich nicht definiert und könnten daher grundsätzlich auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, wenn der Rechtsstreit den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Nun muss der Bundesfinanzhof die Frage klären, ob Aufwendungen für die Führung eines den Kernbereich des menschlichen Lebens berührenden Rechtsstreits, so über das Umgangsrecht eines Elternteils mit dem Kind, als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind. Machen Sie entsprechende Kosten geltend und legen Sie bei Ablehnung Einspruch gegen den Steuerbescheid ein unter Hinweis auf die anhängigen BFH-Verfahren (Aktenzeichen: VI R 15/18 und VI R 27/18).

Weitere Informationen: Anwalts- und Gerichtskosten im privaten Bereich

 

3. Riester:
Kein Sonderausgabenabzug ohne Anlage AV

Beiträge zur so genannten Riester-Förderung werden mit einer Zulage und gegebenenfalls einem ergänzenden Abzug als Sonderausgabe belohnt. Um den Sonderausgabenabzug zu erhalten, müssen Sie aber die zwingend die "Anlage AV" abgeben.

AKTUELL hat das Hessische Finanzgericht entschieden, dass die - eventuell versehentliche - Nichtabgabe der Anlage AV später nicht geheilt werden kann. Das heißt: Wird die Anlage AV der Steuererklärung nicht beigefügt, liegt keine "offenbare Unrichtigkeit" vor, so dass ein bestandskräftiger Steuerbescheid im Nachhinein nicht geändert werden kann. Der Sonderausgabenabzug ist verloren (Urteil vom 28.1.2019, 9 K 1382/18).

Die Finanzrichter hatten in dem Verfahren übrigens die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Diese ist seitens der Kläger aber nicht eingelegt worden, so dass die Sache rechtskräftig geworden ist.

Weitere Informationen: Ausfüllhilfe zur Anlage AV

 

4. Krankheitskosten:
Erhöhte Lebensmittelkosten wegen Bulimie absetzbar?

Eine Bulimie ist medizinisch fraglos als Krankheit zu werten, sie tritt meist bereits unter Heranwachsenden oder im frühen Erwachsenenalter auf. Bei dieser Ess- und Brechsucht handelt es sich um eine psychogene Essstörung, bei der in exzessiver Weise Nahrungsmengen in kürzester Zeit zugeführt und anschließend Maßnahmen (z.B. selbstinduziertes Erbrechen usw.) ergriffen werden, um das Körpergewicht in einem (sub)normalen Rahmen zu halten.

Der Fall: Die Ehefrau leidet seit 20 Jahren an Bulimie. Sie erleidet mindestens fünf Mal am Tag Heißhungerattacken. Pro Heißhungerattacke (bis zu 8.000 kcal) werden Lebensmittel im geschätzten Wert von mindestens 10 EUR "verschlungen" und wieder erbrochen. Bei mindestens 20 Attacken pro Woche ergeben sich krankheitsbedingte Mehrkosten in Höhe von mindestens 200 EUR pro Woche. Sind solche krankheitsbedingten Mehraufwendungen für Lebensmittel als außergewöhnliche Belastungen absetzbar?

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass Mehraufwendungen für Lebensmittel wegen einer Bulimieerkrankung steuerlich nicht abzugsfähig sind. Dabei handele es sich nicht um originäre Aufwendungen im Krankheitsfall, sondern vielmehr um Kosten der privaten Lebensführung, die unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG fallen (FG Münster vom 19.2.2019, 12 K 302/17 E).

  • Zu den üblichen Aufwendungen für die Lebensführung rechnen auch die Kosten für die Verpflegung, gleichgültig, in welcher Höhe sie tatsächlich anfallen. Unterschiede der Lebenshaltungskosten, z.B. in Ballungsgebieten und ländlichen Gemeinden, sind grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch bei einer Bulimieerkrankung.
  • Lebensmittel stellen keine Arzneimittel und damit typische und unmittelbare Krankheitskosten dar. Die zusätzlichen Lebensmittelkosten dienen weder der Heilung noch der Linderung der Erkrankung, sie sind vielmehr Ausdruck der Erkrankung. Die Nahrungsmittel haben für den Betroffenen keine therapeutische Notwendigkeit, denn die Kosten zielen nicht auf die Wiederherstellung der Gesundheit oder einer Genesung der Erkrankung ab. Die Aufwendungen für die Lebensmittel stellen weder Maßnahmen oder Medikamente noch Hilfsmittel dar, die durch einen Arzt, Therapeuten oder Heilpraktiker verordnet wurden.
  • Zudem gilt hier, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden können. Zwar handelt es sich bei den Lebensmittelaufwendungen nicht um Diätkost. Wenn aber der Gesetzgeber den Ausschluss sogar ärztlich verordneter Diätverpflegung - und damit krankheitsbedingten Lebensmittelaufwendungen - anordnet, so muss dies erst recht für nicht ärztlich verordnete krankheitsbedingte Lebensmittelmehrkosten gelten.

Weitere Informationen: Krankheitskosten: Aufwendungen für Arznei- und Heilmittel

 

5. Krankheitskosten:
Verzicht auf Kostenerstattung wegen Beitragserstattung

Personen mit privater Krankenversicherung zahlen oftmals Arztrechnungen bis zu einer bestimmten Höhe aus eigener Tasche, um so die Beitragsrückerstattung zu retten, die oftmals bis zu sechs Monatsbeiträge betragen kann. Die Beitragserstattung reduziert zwar die abzugsfähigen Versicherungsbeiträge beim Sonderausgabenabzug und bringt so eine geringere Steuerersparnis. Doch dieser Nachteil könne - so meinen viele - ausgeglichen werden, in dem die selbst getragenen Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG geltend gemacht werden und hier eine entsprechende Steuerersparnis bringen. Daher lohnt es sich oftmals, kleinere Rechnungen für Arzt und Arzneimittel nicht einzureichen, sondern aus eigener Tasche zu bezahlen.

Doch bisher ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob Krankheitskosten, die wegen der Beitragsrückerstattung nicht bei der Krankenversicherung eingereicht werden, überhaupt als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind. Mehrere Finanzgerichte meinen jedenfalls, dass bei einem freiwilligen Verzicht auf die Kostenerstattung die Kosten nicht mehr zwangsläufig und die Abwälzung auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt sei.

AKTUELL hat das Finanzgericht Niedersachsen in gleicher Weise entschieden, dass Krankheitskosten, die ein Steuerpflichtiger selbst trägt, um eine Beitragsrückerstattung von seiner privaten Krankenkasse zu erhalten, mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar sind (FG Niedersachsen vom 20.2.2019, 9 K 325/16, Revision).

  • Der Fall: Die Kläger hatten anstelle der Erstattung der Arztrechnungen durch die Krankenkasse die Kosten selbst getragen und von der Kasse eine Beitragsrückerstattung in Form einer sog. Pauschalleistung für das vergangene Jahr in Anspruch genommen. Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der Kosten mangels Zwangsläufigkeit ab. Zumindest sei der Erstattungsbetrag von den als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen abzuziehen.
  • Nach Auffassung der Richter lässt der Verzicht des Klägers auf die Erstattung der von ihm getragenen Aufwendungen für Krankheitskosten - soweit sie den Selbstbehalt von hier 600 EUR übersteigen - die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entfallen. Dies gilt auch, wenn der Verzicht aufgrund der hierdurch bedingten Beitragsrückerstattung von Krankenkassenbeiträgen wirtschaftlich vorteilhaft für die Kläger ist. Der wirtschaftliche Vorteil führt nicht zu einer Unzumutbarkeit der Geltendmachung der Ersatzansprüche gegen die Krankenkasse: Kann sich ein Steuerpflichtiger durch Rückgriff gegen seinen Versicherer schadlos halten, ist eine Abwälzung seiner Kosten auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn Gründe vorliegen, die den Verzicht selbst oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen als unzumutbar erscheinen lassen könnten.

STEUERRAT: Verzichten Sie zugunsten einer Beitragserstattung auf eine Kostenerstattung, sind Sie steuerlich doppelt benachteiligt: Zum einen dürfen Sie die Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung absetzen. Zum anderen wird die Beitragserstattung im Rahmen der Sonderausgaben mit Ihren Krankenversicherungsbeiträgen saldiert, sodass sie auch hier weniger absetzen können. Ein Trost mag sein, dass sich kleinere Gesundheitskosten ohnehin nicht steuermindernd auswirken, wenn die zumutbare Belastung nicht überschritten wird. Lediglich die Krankheitskosten in Höhe des Selbstbehalts, die nicht vom Versicherungsschutz abgedeckt sind, stellen dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen dar. Sofern jedoch dieser Betrag unter der zumutbaren Belastung liegt, ergibt sich insoweit keine steuerliche Auswirkung.

Weitere Informationen: Krankheitskosten: Wann und wie Sie welche Kosten absetzen können

 

6. Spenden:
Zahlungen aufgrund einer Schenkung unter Auflage absetzbar?

Spenden sind nur dann steuerlich als Sonderausgaben absetzbar, wenn sie freiwillig, d.h. ohne rechtliche Verpflichtung, und unentgeltlich, d.h. ohne Gegenleistung, geleistet werden. Manchmal aber werden Spenden doch aufgrund einer Verpflichtung gezahlt, z.B. als Dauerspende aufgrund einer übernommenen Patenschaft oder aufgrund einer Verpflichtungserklärung. Und auch dann liegt Freiwilligkeit vor, sofern die Verpflichtung freiwillig eingegangen wurde (BFH-Urteil vom 12.9.1990, I R 65/86).

Wie aber sind folgende Zahlungen zu beurteilen? Eine Person erhält eine Schenkung mit der Auflage, einen monatlichen oder einen festen Betrag an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Erfolgen diese Zahlungen noch "freiwillig"?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof zur Schenkung unter Auflage zwei grundlegende Aussagen getroffen (BFH-Urteil vom 15.1.2019, X R 6/17):

  • (1) Grundsätzlich gilt: Wer einen Geldbetrag als Schenkung mit der Auflage erhält, diesen einem gemeinnützigen Verein zuzuwenden, ist mit diesem Betrag grundsätzlich nicht wirtschaftlich belastet und daher nicht spendenabzugsberechtigt. Eine Zuwendung von Vermögen mit dem Zweck, es zugunsten anderer zu verwenden, spricht bereits zivilrechtlich nicht für die Einordnung als Schenkung, sondern vielmehr für ein Auftragsverhältnis mit treuhänderischem Einschlag, sog. Treuhandabrede. Hier ist der Schenker und nicht der Geber als Spender anzusehen, doch für den Spendenabzug muss die Zuwendungsbestätigung auf seinen Namen ausgestellt sein. Falls dies nicht geschehen ist, "könnte es sich anbieten, auf den Namen des Schenkers lautende Zuwendungsbestätigungen nachzureichen".
  • (2) Etwas anderes gilt für zusammenveranlagte Eheleute: Erfolgt zwischen Ehegatten eine Schenkung unter Auflage, ist die wirtschaftliche Belastung des Schenkers dem zuwendenden Ehegatten zuzurechnen. Bei zusammenveranlagten Eheleuten kommt es gemäß § 26b EStG nicht darauf an, welcher der Eheleute mit einer Zuwendung wirtschaftlich belastet ist. Zudem sind alle Voraussetzungen des § 10b EStG erfüllt: Eine solche Auflage ist durch den tatsächlichen Vollzug des Schenkungsversprechens zivilrechtlich wirksam geworden, auch die Freiwilligkeit sowie das Fehlen einer Gegenleistung sind zu bejahen. Denn der Inhalt eines Vertrags ist grundsätzlich verhandelbar, und daher wird eine aus dem Vertrag folgende rechtliche Verpflichtung freiwillig eingegangen.

Im Urteilsfall schenkte der Ehemann kurz vor seinem Tod seiner Ehefrau einen Geldbetrag von 400.000 EUR und verpflichtete sie, Teilbeträge von insgesamt 130.000 EUR an zwei gemeinnützige Vereine weiterzuleiten. Die Vereine stellten Zuwendungsbestätigungen auf den Namen der Ehefrau aus. Das Finanzamt versaget den Spendenabzug mit der Begründung, die Ehefrau habe nicht freiwillig gehandelt, sondern aufgrund einer Verpflichtung des Ehemannes die Zahlungen geleistet. Doch der BFH bejahte den Spendenabzug.

STEUERRAT: Gemäß § 26b EStG werden bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt. Wenn Ehegatten daher im Bereich des Sonderausgabenabzugs gemeinsam als ein Steuerpflichtiger behandelt werden, spricht bereits der Wortlaut dieser Vorschrift klar dafür, dass es für die Spendenabzugsberechtigung nicht darauf ankommen kann, welcher der zusammenveranlagten Ehegatten durch die Zuwendung wirtschaftlich belastet ist. Bei zusammenveranlagten Eheleuten spielt es bezüglich Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen keine Rolle, wer die Ausgaben verursacht hat und wer sie bezahlt hat (R 10.1 EStR). Ausgaben des einen Ehegatten sind daher ohne weiteres auch als solche des anderen Ehegatten anzusehen (BFH-Urteil vom 3.8.2005, XI R 76/03).

Weitere Informationen: Spenden: Steuern sparen mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen.

 

7. Haushaltsnahe Leistung:
Ganztägiger Hunde-Betreuungsservice nicht begünstigt

Die Betreuung und Pflege von Tieren wird von der Finanzverwaltung als haushaltsnahe Dienstleistung anerkannt, soweit dies innerhalb des Haushalts erfolgt. Also gibt es für "Tierbetreuungs- und -pflegekosten" auch eine Steuerermäßigung von 20 Prozent (BMF-Schreiben vom 9.11.2016, BStBl 2016 I S. 1213, Anlage 1). Die Kosten für die Versorgung und Betreuung des Haustieres - einschließlich der Anfahrtskosten - sind aber nur dann begünstigt, wenn die Betreuung im Haushalt bzw. auf dem Grundstück erfolgt. Die Steuervergünstigung gibt es also nicht, wenn das Tier außerhalb der Wohnung betreut wird, z.B. in einer Tierpension.

Geklärt ist, dass zumindest das "Ausführen" des Tieres außerhalb der Wohnung nicht steuerschädlich ist (BMF-Schreiben vom 9.11.2016, BStBl. 2016 I S. 1213, Tz. 18). Doch ist auch das Ausführen eines Hundes ("Gassi gehen") über die Grundstücksgrenzen hinaus steuerbegünstigt? Der Bundesfinanzhof hatte diese wichtige Frage zugunsten der Hundehalter entschieden. Das Ausführen des Hundes für ein bis zwei Stunden außerhalb der Grundstücksgrenzen ist steuerlich begünstigt ist (BFH-Beschluss vom 25.9.2017, VI B 25/17).

Doch anders liegt der Fall, wenn ein Hunde-Betreuungsservice den Hund vom Haushalt abholt und nach Ablauf der Betreuungszeit dort wieder abliefert. Dann sind die Kosten dafür nicht steuerbegünstigt. Denn in diesem Fall findet eine Betreuung nicht in der Wohnung oder auf dem Grundstück des Steuerpflichtigen statt. Die längerfristige außerhäusliche Betreuung eines Haustiers, z.B. über einen ganzen Tag oder während der Ferien, ist nicht mit dem bloßen Ausführen eines Hundes für ein bis zwei Stunden vergleichbar, die auch während der gewöhnlichen häuslichen Betreuung des Tieres durch den Steuerpflichtigen oder andere haushaltsangehörige Personen anfällt (FG Münster vom 25.5.2012, 14 K 2289/11 E).

AKTUELL hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg die ablehnende Sichtweise zum ganztägigen Hunde-Betreuungsservice bestätigt (Urteil vom 7.11.2018, 7 K 7101/16). Der Ablauf der Hundebetreuung stellte sich in dem Fall wie folgt dar: Der Hundebetreuer holte den Hund der Kläger täglich an deren Wohnort für eine Gassi-Runde ab, die mit anderen Hunden durchgeführt wurde. Am Nachmittag wurde der Hund wieder zum Wohnort der Kläger zurückgebracht. Dazwischen wurde der Hund im Auto herumgefahren oder auch auf dem Gelände des Hundebetreuers betreut. Diese Gestaltung der Hundebetreuung sei nicht mehr vergleichbar zu einer Hundebetreuung, die Mitglieder des Haushalts leisten. Denn diese würden mit einem Hund den Wohnort nicht zum Gassi-Gehen verlassen, um dann erst am Nachmittag wieder zurückzukehren.

STEUERRAT: Das FG hat zwar zuungunsten der Hundehalter entschieden, allerdings erfreulicherweise darauf hingewiesen, welche Leistungen begünstigt sind. Dazu gehört neben den im Haushalt selbst erbrachten Leistungen wie Füttern, Fellpflege und die sonstige Beschäftigung des Tieres auch das Ausführen zum Beispiel eines Hundes über die Grundstücksgrenzen hinaus, wenn der Hund zum Ausführen für ein bis zwei Stunden im Haushalt des Steuerpflichtigen abgeholt und anschließend wieder zurückgebracht wird.

Weitere Informationen: Steuervergünstigung für haushaltsnahe Dienstleistungen

 

III. Kinder

1. Elterngeld:
Mehrfacher Steuerklassenwechsel im Bemessungszeitraum

Grundlage für das Elterngeld ist das persönliche Nettoeinkommen, nicht das Familieneinkommen. Maßgebend ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in den 12 Monaten vor der Geburt des Kindes, das der betreuende Elternteil durchschnittlich pro Monat erzielt hat, sog. Bemessungszeitraum (§ 2b BEEG). Bei nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit hängt die Höhe des Elterngeldes von der Höhe des fiktiven Nettoeinkommens in den letzten 12 Monaten vor der Geburt des Kindes ab. Je höher also das Nettoeinkommen, desto höher das Elterngeld. Besonderen Einfluss auf die Höhe des Nettoeinkommens hat der pauschale Steuerabzug, der sich nach den Lohnsteuerabzugsmerkmalen richtet, vor allem nach der Steuerklasse.

Grundsätzlich ist die Steuerklasse in der letzten Gehaltsabrechnung vor der Geburt des Kindes maßgebend. Falls nun Eheleute die Steuerklasse gegenüber der ersten Gehaltsabrechnung in den letzten 12 Monaten geändert haben, wird die neue Steuerklasse nur dann berücksichtigt, wenn sie für die Mehrzahl der letzten 12 Monate angewandt wurde. Und das bedeutet: Die neue Steuerklassenkombination, z.B. Steuerklasse III für die Mutter und V für den Vater, muss vor der Geburt des Kindes mindestens 7 Monate lang angewandt werden (§ 2c Abs. 3 BEEG). Was aber gilt, wenn die Steuerklasse im Bemessungszeitraum mehrfach geändert worden ist?

AKTUELL hat das Bundessozialgericht entschieden, dass bei einem Elterngeldberechtigten, der die Steuerklasse im Bemessungszeitraum für das Elterngeld (zwölf Monate vor dem Monat der Geburt) mehrmals wechselt, die im Bemessungszeitraum relativ am längsten geltende Steuerklasse entscheidend ist. Bei einem mehrmaligen Wechsel der Steuerklasse überwiegt die Steuerklasse, die in mehr Monaten gegolten hat als jede andere Steuerklasse (relative Betrachtung). Die maßgebliche Steuerklasse müsse nicht mindestens in sieben Monaten des Bemessungszeitraums gegolten haben, auch wenn dies für den Elterngeldberechtigten im Einzelfall finanziell günstiger sei (absolute Betrachtung). (BSG-Urteil vom 28.3.2019, B 10 EG 8/17 R).

Der Fall: Vor der Geburt ihres Sohnes am 11.2.2016 bezog die Klägerin Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Von Dezember 2014 bis Mai 2015 hatte sie für sechs Monate die Steuerklasse I, im Juni und Juli 2015 die Steuerklasse IV und von August bis November 2015 für vier Monate die Steuerklasse III. Der Klägerin erhielt Basiselterngeld sowie Elterngeld Plus ab dem 4. Lebensmonat. Dabei legte die Elterngeldkasse als Bemessungsentgelt das Einkommen in der Zeit von Dezember 2014 bis November 2015 zugrunde. Die Abzüge für Lohnsteuer berechnete sie nach der für die Klägerin finanziell ungünstigen Steuerklasse I, die im Bemessungszeitraum sechs Monate und damit relativ gesehen am längsten gegolten hatte. Diese Berechnung hat das Bundessozialgericht bestätigt.

STEUERRAT: Je höher das Nettogehalt in den letzten 12 Monaten vor der Geburt des Kindes ist, desto höher wird das Elterngeld nach der Geburt sein. Und das höchste Nettogehalt ergibt sich, wenn der Elternteil, der das Elterngeld beziehen will, mindestens 7 volle Monate vor der Geburt des Kindes die Steuerklasse III wählt. Bei Eheleuten ist eine Änderung der Steuerklasse von V nach III oder IV nach wie vor zulässig, denn das bringt ein höheres Nettoeinkommen und damit ein höheres Elterngeld (BSG-Urteil vom 25.6.2009, B 10 EG 3/08 R). Aber seit 2013 gilt, dass der Wechsel mindestens 7 Monate vor dem Geburtsmonat des Kindes erfolgen muss, damit er anerkannt wird. Wenn Sie sich also nicht gleich nach Bekanntwerden der Schwangerschaft um die Änderung der Steuerklasse kümmern und sich erst später - zu spät! - dafür entscheiden, bekommen Sie Elterngeld nur nach der zuerst eingetragenen ungünstigeren Steuerklasse.

Weitere Informationen: Elterngeld: Die neuen Regeln ab 2013

 

2. Berufsausbildung:
KV-Beiträge des Kindes als Sonderausgaben der Eltern

Kinder in Berufsausbildung - also Auszubildende, Referendare, Beamtenanwärter - sind in der Kranken- und Pflegeversicherung versichert. Sie sind selber Versicherungsnehmer. Die Beiträge behält der Arbeitgeber unmittelbar von der Ausbildungsvergütung ein. Für diesen Fall gibt es im Gesetz eine erfreuliche Sonderregelung: Sofern die Eltern für das Kind noch Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag haben, können sie die Beiträge zur Basiskranken- und Pflegeversicherung des Kindes dennoch als ihre Sonderausgaben absetzen. Die Eltern können also auch dann die Beiträge fürs Kind absetzen, wenn das Kind diese aus eigenem Einkommen selber zahlen könnte (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).

  • Bisher war die Finanzverwaltung äußerst großzügig und ließ den Sonderausgabenabzug bei den Eltern zu, egal ob diese die Versicherungsbeiträge tatsächlich gezahlt oder dem Kind erstattet haben. Ausreichend war, dass die Eltern dem Kind Unterhalt in Form von Unterkunft und Verpflegung gewährt haben. Absetzbar waren nur Beiträge zur Basisabsicherung, nicht aber für Wahlleistungen, weil Beiträge zu "sonstigen Versicherungen" nicht unter die Sonderregelung fallen (R 10.4 EStR; BMF-Schreiben vom 24.5.2017, BStBl. 2017 I S. 820, Tz. 81).
  • Im März 2018 hat der Bundesfinanzhof die großzügige Auffassung des Fiskus enger gefasst: Wenn dem Kind aufgrund seines Ausbildungsverhältnisses die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Arbeitgeber einbehalten werden und es diese somit selber zahlt, dürfen die Eltern diese Beiträge nur dann als Sonderausgaben absetzen, wenn sie erstens zum Unterhalt verpflichtet sind und zweitens durch die Beitragszahlung oder -erstattung tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sind. Sie müssen dem Kind also die Beiträge nachweislich erstatten, die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung ist nicht ausreichend (BFH-Urteil vom 13.3.2018, X R 25/15).

AKTUELL setzt das Bundesfinanzministerium das BFH-Urteil per Erlass quasi außer Kraft und schreibt den Finanzbeamten vor, die frühere Regelung zur steuerlichen Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen eines Kindes in Berufsausbildung fortzuführen. Es soll also weiterhin dabei bleiben, dass die Eltern die Beiträge des Kindes als ihre Sonderausgaben absetzen dürfen, auch wenn sie dem Kind nur Unterkunft und Verpflegung, d.h. Naturalunterhalt, gewährt haben. Ferner gilt weiterhin, dass "die Einkünfte und Bezüge des Kindes keinen Einfluss auf die Höhe der bei den Eltern zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen haben" (BMF-Schreiben vom 3.4.2019, IV C 3-S 2221/10/10005:005).

Der Fall: Das Kind in Berufsausbildung hatte die von seinem Arbeitgeber einbehaltenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung als Sonderausgaben geltend gemacht, ohne dass diese sich im Rahmen seiner Einkommensteuerfestsetzung auswirkten. Daraufhin machten seine Eltern die Aufwendungen im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung mit der Begründung geltend, sie hätten ihrem Kind, das noch bei ihnen wohne, schließlich Naturalunterhalt gewährt. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof lehnten den Sonderausgabenabzug der Eltern ab. Aufgrund der neuen Einsicht des Fiskus dürfen nun aber die Eltern die Beiträge des Kindes als Sonderausgaben absetzen.

STEUERRAT: Ungeachtet der aktuellen Anweisung der Finanzverwaltung kann es natürlich nicht schaden, dem Kind die Beiträge zur Basisabsicherung - nachweislich - zu erstatten, denn die Gerichte sind an das BMF-Schreiben nicht gebunden. Kommt es also wegen eines ganz anderen Streitpunkts zu einem Verfahren vor einem Finanzgericht, könnte dieses den Abzug der Sonderausgaben verweigern, wie der genannte BFH-Fall bewiesen hat.

Weitere Informationen: Krankenversicherung: Absicherung von unterhaltsberechtigten Personen

 

3. Jugendfreiwilligendienste:
Ableistung für Jugendliche auch in Teilzeit möglich

Das freiwillige soziale oder ökologische Jahr können nur Jugendliche unter 27 Jahren ableisten, und dies ist für sie auch nur in Vollzeit möglich. Hingegen steht der Bundesfreiwilligendienst Männern und Frauen jeden Alters offen. Hier haben Personen über 27 Jahre die Möglichkeit, den Dienst auch in Teilzeit zu leisten.

AKTUELL wird ab Mai 2019 sowohl beim Bundesfreiwilligendienst als auch beim freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr die Möglichkeit eingeführt, dass auch Jugendliche vor Vollendung des 27. Lebensjahres den Dienst in Teilzeit leisten können ("Gesetz zur Einführung einer Teilzeitmöglichkeit in den Jugendfreiwilligendiensten sowie im Bundesfreiwilligendienst für Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres"). Voraussetzung dabei ist, dass

  • ein "berechtigtes Interesse" der Freiwilligen an einer Teilzeitbeschäftigung vorliegt und
  • die Tätigkeit mindestens 20 Stunden wöchentlich umfasst.

Was ist ein berechtigtes Interesse? Dies ist anzunehmen, wenn Jugendliche ein eigenes Kind oder einen nahen Angehörigen zu betreuen haben, schwerbehindert sind und nicht die regelmäßige tägliche oder wöchentliche Dienstzeit absolvieren können oder vergleichbare schwerwiegende Gründe gegeben sind. Dies können gesundheitliche, physische oder psychische Beeinträchtigungen sein, arbeitsmarktneutrale Bildungs- oder Qualifizierungsangebote (die zeitlich mit einer Vollzeittätigkeit kollidieren), Teilnahme an einem Integrationskurs nach dem Aufenthaltsgesetz parallel zu einem Freiwilligendienst.

Mit der Einführung der Teilzeitmöglichkeit in den Freiwilligendiensten wird kein Rechtsanspruch der Freiwilligendienstleistenden auf eine Stundenreduzierung geschaffen. Es muss vielmehr zur Inanspruchnahme der Teilzeitmöglichkeit im Bundesfreiwilligendienst das Einverständnis von Einsatzstelle und Freiwilligem und in einem Jugendfrewilliigendienst das Einverständnis von Einsatzstelle, Träger und Freiwilligem vorliegen. Das berechtigte Interesse ist durch die Vorlage geeigneter Belege nachzuweisen und in der Einsatzstelle bzw. beim Träger als Anlage der Freiwilligendienstvereinbarung zu dokumentieren.

 

IV. Nebentätigkeit

1. Gemeinnützige Vereine:
Erhöhung der Grenze für Zuwendungen an Mitglieder

Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit eines Vereins ist, dass der Verein seine Zwecke "selbstlos" fördert (§ 52 Abs. 1 AO). Selbstlos heißt, dass der Verein nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen darf. Dazu gehört, dass die Mitglieder keine finanziellen und sachlichen Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten dürfen (§ 55 AO).

Eine Ausnahme bilden sog. Annehmlichkeiten: Das sind zum einen Sachzuwendungen aus persönlichem Anlass des Vereinsmitglieds, z.B. Geburtstag, Silberhochzeit, Jubiläum, Krankenbesuch usw. (Blumen, Genussmittel, Gutschein, Buch, Tonträger), zum anderen Sachzuwendungen aus besonderem Vereinsanlass, z.B. Vereinsausflug, gesellige Veranstaltung, Sommerfest usw. Derartige Zuwendungen sind zulässig, "wie sie im Rahmen der Betreuung von Mitgliedern allgemein üblich und nach allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen sind" (AEAO Ziff. 10 zu § 55 AO). Sind die Zuwendungen "unangemessen", gefährden sie die Gemeinnützigkeit des Vereins. Doch was genau ist "angemessen"? Wieviel darf der Verein zugunsten der Vereinsmitglieder ausgeben?

Im Lohnsteuerrecht gibt es für Annehmlichkeiten eine steuerliche Freigrenze: Diese wurde zum 1.1.2015 von 40 EUR auf 60 EUR angehoben (R 19.6 Abs. 1 LStR). Doch im Gemeinnützigkeitsrecht gibt es bundesweit keine einheitliche Regelung. Daher sind jeweils die Länder dafür zuständig, zu entscheiden, in welcher Höhe Zuwendungen an Vereinsmitglieder als "angemessen" gelten. In Hessen ist die Summe der erlaubten Annehmlichkeiten auf den jährlichen Mitgliedsbeitrag des einzelnen Mitglieds begrenzt. In Mecklenburg-Vorpommern dürfen Sachzuwendungen bis zu 60 EUR verausgabt werden. In Rheinland-Pfalz ist eine allgemeine Betragsgrenze nicht festgelegt, doch die Finanzverwaltung orientiert sich auch hier an der lohnsteuerlichen Freigrenze für Annehmlichkeiten an Arbeitnehmer. In anderen Bundesländern gilt eine Nichtbeanstandungsgrenze von 40 EUR - so auch in Baden-Württemberg.

AKTUELL wird in Baden-Württemberg rückwirkend ab dem 1.1.2019 die Grenze für Annehmlichkeiten an Vereinsmitglieder von 40 EUR auf 60 EUR angehoben (FinMin. Baden-Württemberg, PM vom 21.3.2019).

  • Nunmehr darf also eine Zuwendung aus besonderem persönlichen Anlass, wie Geburtstag, Hochzeit oder Jubiläum, bis zu 60 EUR kosten. In begründeten Einzelfällen darf diese Summe auch überschritten werden. Solche Zuwendungen sind auch zulässig als Anerkennung für langjährige Vereinsmitgliedschaft oder die ehrenamtliche Tätigkeit im Verein. Unschädlich sind auch Kranzspenden beim Tode von Vereinsmitgliedern, ebenso die übliche Bewirtung mit Speisen und Getränken als Gegenleistung für Aktivitäten besonders engagierter Mitglieder.
  • Handelt es sich um Zuwendungen für ein besonderes Vereinsereignis, wie Weihnachtsfeier oder Ausflug, darf der Verein bis zu 60 EUR pro Mitglied im Jahr ausgeben. Im Gegensatz zur Freigrenze für Vereinsveranstaltungen, die innerhalb des gesamten Vereinsjahres nicht überschritten werden darf, kann der Betrag von 60 EUR pro besonderem persönlichen Ereignis auch mehrmals im Jahr für das gleiche Mitglied genutzt werden.

 

V. Kapitalerträge

1. Aktien:
Zuteilung von Hewlett-Packard-Aktien per "Spin-off" nicht steuerpflichtig

Der Tausch oder Wandel von Aktien, bei dem die Kleinanleger nicht mitbestimmen können, ist für diese nicht immer vorteilhaft. Zum einen müssen sie mit wirtschaftlichen Nachteilen rechnen, zum anderen kann ein Tauschvorgang aber auch steuerlich nachteilig sein. Vor dem Finanzgericht Düsseldorf ging es nun um die Frage, ob Aktionäre von Hewlett-Packard, denen im Zuge eines so genannten "Spin offs" Aktien zugeteilt worden sind, eine "Sachausschüttung" versteuern müssen.

AKTUELL haben die Düsseldorfer Finanzrichter glücklicherweise entschieden, dass die Aktionäre der Hewlett-Packard Company (HPC) durch die Ausgabe der Aktien der Hewlett-Packard Enterprise Company (HPE) keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt haben (Urteil vom 29.01.2019, 13 K 2119/17 E).

  • Der Fall: Die HPC führte im Jahr 2015 eine Kapitalmaßnahme durch. Zum 31.10.2015 änderte sie ihren Namen in Hewlett-Packard Incorporated (HPI). Anschließend übertrug sie zum 1.11.2015 ihr Unternehmenskundengeschäft im Wege eines so genannten "Spin-offs" auf eine Tochtergesellschaft, die HPE. Die Aktionäre erhielten für eine alte Aktie der HPC eine Aktie der umbenannten Gesellschaft HPI und zusätzlich eine Aktie der HPE. Für die Aktie der HPI wurde von einer internationalen Agentur eine neue internationale Wertpapiernummer (ISIN) erteilt. Im Streitfall war der Kläger Aktionär der HPC. Seine depotführende Bank behielt auf die Ausgabe der Aktien der HPE Kapitalertragsteuer ein. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger geltend, dass die von seiner Bank ausgestellte Steuerbescheinigung unzutreffend sei. Der Vorgang sei ein steuerfreier Aktiensplit. Das beklagte Finanzamt hielt die Besteuerung der Aktienzuteilung als steuerpflichtige Sachausschüttung für zutreffend. Dabei verwies es auf eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben vom 20.3.2017, BStBl I 2017, 431).
  • Dem ist das Finanzgericht entgegengetreten. Nach seiner Auffassung ist die Zuteilung der Aktien der HPE kein steuerpflichtiger Vorgang. Anzuwenden seien die einkommensteuerrechtlichen Sondervorschriften für Kapitalmaßnahmen. Der von der HPI durchgeführte "Spin-off" sei eine Abspaltung im Sinne dieser Sondervorschriften. Diese Abspaltung löse im Zeitpunkt der Zuteilung der Aktien keine Besteuerung aus. Das Gericht widersprach der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach bei einer Abspaltung von einem nicht im EU/EWR-Raum ansässigen Unternehmen die ISIN des abspaltenden Unternehmens erhalten bleiben müsse. Die Vergabe einer neuen ISIN für die lediglich umbenannte Gesellschaft hielt das Gericht für unschädlich. Es wies darauf hin, dass die Aktienzuteilung zu einem späteren Zeitpunkt steuerlich relevant werden könne. Eine abschließende steuerrechtliche Beurteilung des Vorgangs sei bei der Veräußerung der betreffenden Aktien vorzunehmen.

STEUERRAT: Das Urteil dürfte auch für Kapitalmaßnahmen anderer Gesellschaften von Bedeutung sein. Anleger sollten daher die Besteuerung in ähnlichen Fällen nicht hinnehmen. Das FG hat die Revision zugelassen. Bislang ist noch nicht bekannt, ob diese eingelegt worden ist.

Weitere Informationen: Abgeltungsteuer: Wie Beteiligungen besteuert werden

 

2. Abgeltungsteuer:
Sind Steueranmeldungen durch die Anleger anfechtbar?

Immer wieder entscheiden die Finanzgerichte, dass ein Wertpapiergeschäft nicht steuerpflichtig oder aber ein Einbehalt der Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer) nicht erforderlich ist. Die Banken und Aktiengesellschaften ihrerseits gehen aber auf "Nummer sicher" und melden im Zweifel die Kapitalertragsteuer beim Finanzamt an. Bevor sie in Haftung genommen werden, sollen die Anleger sich die zu Unrecht gezahlte Steuer doch selbst beim Finanzamt zurückholen. Üblicherweise ist dies auch kein Problem und die Anleger geben sich mit dem Vorgehen zufrieden. Ein offenbar verärgerter Anleger war aber ganz und gar nicht einverstanden, dass er auf seine eigene Einkommensteuererklärung verwiesen wurde. Er wollte bereits die Anmeldung der Kapitalertragsteuer durch das Geldinstitut anfechten.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof aber entschieden, dass eine entsprechende Klage dann der Grundlage entbehrt, wenn der Vorgang bereits in der Einkommensteuerfestsetzung des Anlegers berücksichtigt worden ist und die abgeführte Kapitalertragsteuer auf die Steuerschuld angerechnet wurde (BFH-Urteil vom 20.11.2018, VIII R 45/15).

  • Der Fall: Aufgrund einer "Entflechtung (Spin-off)" von Aktien einer amerikanischen Kapitalgesellschaft behielt das Geldinstitut des Anlegers Kapitelertragsteuer ein. Dieser war der Auffassung, dass die Entflechtung der Wertpapiere nicht steuerpflichtig sei und erhob nach dem Erlass des Einkommensteuerbescheids, in dem der Vorgang gewürdigt worden war, eine so genannte Drittanfechtungsklage gegen die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des Geldinstituts. Das Finanzgericht hat die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen. Der BFH hat diese Entscheidung bestätigt.
  • Die Begründung: Zwar war der Kläger als Gläubiger der Kapitalerträge grundsätzlich befugt, die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des Geldinstituts anzufechten. Jedoch hatte sich die KLage durch den Erlass des Einkommensteuerbescheids erledigt. Die Klage war danach mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Grundsätzlich hält der BFH die Beschränkung der Drittanfechtungsklage gegen eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung auch verfassungs- und europarechtlich für zulässig.

HINWEIS: Nicht entschieden hat der BFH über die Frage, wie eine Drittanfechtungsklage zu beurteilen wäre, wenn der Vorgang nicht in die Veranlagung zur Einkommensteuer einbezogen worden wäre. Möglicherweise wäre die Klage dann zulässig gewesen. Ob der mögliche Erfolg das Kostenrisiko rechtfertigt, ist aber doch in den meisten Fällen sehr zweifelhaft.

 

3. Lebensversicherung:
Werbungskostenabzug bei Sicherheits-Kompakt-Rente

Vor einigen Jahren erfreute sich die so genannte Sicherheits-Kompakt-Rente (SKR) großer Beliebtheit. Das Modell ist von der Schnee-Gruppe vertrieben worden. Anleger haben dabei Rentenversicherungen gegen Einmalbetrag mit sofort beginnenden lebenslangen Rentenzahlungen abgeschlossen. Die Beitragszahlung ist per Kredit finanziert worden; zur Kredittilgung wurden fondsgebundene Lebensversicherungen eingesetzt. Oftmals wurden Produkte des britischen Versicherers Clerical Medical bevorzugt. Die Versicherten bzw. Anleger haben sich mit der Finanzverwaltung jahrelang darüber gestritten, ob und inwieweit die Finanzierungskosten für den Erwerb der SKR steuerlich zu berücksichtigen sind.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof wie folgt entschieden: Die Finanzierungskosten für den Erwerb einer SKR sind aufzuteilen in Werbungskosten, die anteilig den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG und den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 EStG zuzuordnen sind. Dies gilt auch nach der Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 und des damit verbundenen Verbots, Werbungskosten abziehen dürfen (BFH-Urteil vom 11.12.2018, VIII R 7/15).

  • Der Fall: Der Kläger schloss in den Jahren 2003 bis 2006 drei SKR ab. Die Vertragspakete sahen als sog. Versorgungskomponente den Abschluss einer Rentenversicherung mit sofort beginnenden, lebenslangen Rentenzahlungen vor, und als sog. Tilgungskomponente den Abschluss einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung oder Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht mit Laufzeiten zwischen 14 und 18 Jahren jeweils gegen Einmalbeträge. Die Einmalbeträge beider Komponenten sowie anfallende Nebenkosten wurden durch endfällige Darlehen finanziert. Bei Fälligkeit sollten die Darlehen vollständig mit der Ablaufleistung aus der Tilgungskomponente bedient werden, wobei die prognostizierten Ablaufleistungen - bei erwarteten Renditen zwischen 6 und 7 Prozent - die endfälligen Darlehen übersteigen sollten. Nach der Gesamtkonzeption sollten, nach prozentualer Aufteilung der Finanzierungskosten auf beide Komponenten, sowohl die Rentenversicherungen als auch die Lebensversicherungen erhebliche Überschüsse der Einnahmen über die Werbungskosten erbringen. Der Kläger wollte die gesamten Finanzierungskosten der sogenannten Tilgungsdarlehen bei den sonstigen Einkünften steuerlich abziehen.
  • Nach Ansicht des BFH hat der Kläger aus den Lebensversicherungen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG erzielt, und zwar in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes. Die Einkünfte sind nicht steuerfrei. Aus den Rentenversicherungen hat der Kläger sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 EStG erzielt, die mit dem Ertragsanteil zu versteuern sind. Die Besteuerung als Leibrente in Höhe des Ertragsanteils gilt auch für die nicht garantierten Bonuszahlungen.
  • Nach diesen Grundsätzen stellen die streitigen Finanzierungskosten nur insoweit Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften dar, wie sie anteilig auf die Finanzierung der Rentenversicherungen entfallen. Soweit die Schuldzinsen auf die Finanzierung der Lebensversicherungen entfallen, handelt es sich dagegen um vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Soweit der Kläger die Darlehen sowohl zum Erwerb der Rentenversicherungen als auch zum Erwerb der Lebensversicherungen verwendet hat, besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Schuldzinsen jeweils zu den aus diesen Quellen erzielten bzw. noch zu erzielenden Einnahmen. Die Schuldzinsen sind deshalb entsprechend der tatsächlichen Verwendung der Darlehen aufzuteilen. Mit der Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 besteht für Werbungskosten im Zusammenhang mit Kapitaleinkünften i.S. des § 20 EStG ein Abzugsverbot. Doch dieser Umstand rechtfertigt keine vollständige Zurechnung der Werbungskosten zu den sonstigen Einkünften.

Weitere Informationen: Renten- und Lebensversicherungen gegen fremdfinanzierten Einmalbetrag

 

VI. Eigenheim und Vermietung

1. Ferienwohnung:
Airbnb muss Daten von Gastgebern an Gemeinden herausgeben

Viele Inhaber von Ferienwohnungen oder Zweitwohnsitzen vermieten diese gerne über die Plattform Airbnb. Doch da Airbnb und ähnliche Portale einigen Gemeinden mittlerweile ein Dorn im Auge sind, wollen sie kurzfristige Vermietungen unterbinden. Damit soll der Knappheit an Wohnraum entgegen getreten werden, denn die betroffenen Wohnungen stehen nicht mehr zur Dauermiete zur Verfügung. Die Vermieter wiederum sehen sich in ihren Rechten beschnitten und fürchten um ihre Einnahmequelle. Daher klagen viele gegen die Zulässigkeit der so genannten Zweckentfremdungsverbote. Andere wiederum pochen darauf, dass Airbnb die Daten von vermittelten Wohnungen erst gar nicht an die Gemeinden herausgeben dürfe und hoffen insoweit auf Unterstützung von Airbnb selbst.

AKTELL hat das Bayerische Verwaltungsgericht München jedoch entschieden, dass Airbnb die Daten zu Gastgebern von vermittelten Wohnungen an die Gemeinden herausgeben muss und damit die Klage der Airbnb Ireland UC abgewiesen (Urteil vom 12.12.2018, M 9 K 18.4553).

  • Der Fall: Nach dem bayerischen Zweckentfremdungsrecht ist eine Vermietung von privaten Wohnräumen länger als acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdbeherbergung genehmigungspflichtig. Dadurch soll vermieden werden, dass Wohnraum dem Wohnungsmarkt entzogen wird. Darum hat die beklagte Landeshauptstadt München Airbnb (Irland) aufgefordert, sämtliche das Stadtgebiet betreffende Inserate, welche die zulässige Höchstvermietungsdauer überschreiten, mitzuteilen.
  • Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass sich die Klägerin trotz ihres Firmensitzes in Irland aufgrund ihrer Tätigkeit im Bundesgebiet an nationale Vorschriften halten muss. Das Auskunftsverlangen sei als Maßnahme zur Überwachung des Zweckentfremdungsrechts nach EU-Recht zulässig. Auch sei die Klägerin als Vermittlerin der Wohnungen verpflichtet mitzuwirken, indem sie der Gemeine die hierfür erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Das Zweckentfremdungsrecht und das darauf beruhende Auskunftsverlangen seien zudem verfassungsgemäß. Der Herausgabe der personenbezogenen Daten stünden keine datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen.

HINWEIS: Dem Vernehmen nach verlangen immer mehr Staaten die Herausgabe der Daten von Airbnb. Es ist also damit zu rechnen, dass Vermieter demnächst Post von den Finanzämtern im In- und Ausland erhalten. Übrigens gilt bei den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) im Hinblick auf Immobilen nicht immer das Belegenheitsprinzip. Einige DBA sehen eine Besteuerung im Wohnsitzstaat - also Deutschland - vor. Es ist mithin denkbar, dass Deutschland im Wege der Amtshilfe bereits in Kürze die Daten aus Spanien oder anderen Ländern erhalten und die Vermietungseinkünfte überprüfen wird.

 

2. Ferienhäuser:
Gewinnerzielungsabsicht für jede Wohnung einzeln prüfen

Wer eine Ferienwohnung besitzt und vermietet, zwischenzeitlich aber auch selbst nutzt, muss gegenüber dem Finanzamt glaubhaft machen, dass er mit der Vermietung einen sogenannten Totalüberschuss erwirtschaftet. Die Ertragsprognose ist für einen Zeitraum von 30 Jahren anzustellen. Innerhalb dieser Zeitspanne muss also mit einem Gewinn gerechnet werden. Ist hingegen mit dauerhaften Verlusten zu rechnen, so wird eine so genannte Liebhaberei unterstellt und die Verluste dürfen - in der Regel auch rückwirkend - nicht steuerlich abgezogen werden. Doch was gilt, wenn der Vermieter ein Ferienhaus besitzt, in dem sich mehrere Wohnungen befinden und diese im Laufe der Jahre ganz unterschiedlich genutzt werden, zum Beispiel zunächst für eine dauerhafte Vermietung und erst später als Ferienwohnung? Ist dann die Gewinnerzielungsabsicht für jede Wohnung gesondert zu prüfen oder für die gesamte Immobilie?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass es auf jede einzelne Wohnung ankommt. Weiter hat er entschieden, dass die Frage, ob ein Totalüberschuss erzielt werden kann, bei einem Nutzungswechsel neu zu bewerten ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Wohnung zunächst dauerhaft vermietet, dann saniert und anschließend als Ferienwohnung genutzt wird (BFH-Urteil vom 8.1.2019, IX R 37/17).

  • Der Fall: Eheleute waren Eigentümer von zwei Immobilien, in denen sich jeweils zwei Wohnungen befanden. Beide Immobilien waren im Zeitpunkt der Anschaffung dauerhaft vermietet, wurden später aber ganz unterschiedlich genutzt. Letztlich wurden drei der vier Wohnungen, unter anderem nach einer umfassenden Renovierung, an Feriengäste vermietet, und zwar ohne Eigennutzung durch die Eheleute. Lediglich eine Wohnung wurde auch selbst zu Ferienzwecken genutzt. Die Eigentümer erklärten viele Jahre Verluste - neudeutsch "Werbungskostenüberschüsse" - aus der Vermietung. Das Finanzamt vertrat irgendwann die Auffassung, für die beiden Immobilien sei eine Überschussprognose zu erstellen; deren Ergebnis sei negativ. Vor diesem Hintergrund erkannten das Finanzamt und das Finanzgericht die erklärten Verluste auch rückwirkend nicht mehr an. Bei der Überschussprognose wurden zwar die beiden Immobilien getrennt betrachtet, jedoch nicht die einzelnen Wohnungen.
  • Hiergegen wehrten sich die Eheleute und haben beim BFH gewonnen. Zu Unrecht sei eine gemeinsame Überschussprognose durchgeführt worden. Jedes Objekt, also jede Wohnung, müsse für sich betrachtet werden. Für die Wohnungen, die ausschließlich an Feriengäste vermietet werden, gilt insoweit: Wird eine Ferienwohnung ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten, ist grundsätzlich und typisierend von der Absicht des Steuerpflichtigen auszugehen, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften. Voraussetzung ist, dass das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen - abgesehen von Vermietungshindernissen - nicht erheblich unterschreitet. Solange eine Wohnung zu mehr als 75 % der ortsüblichen Vermietungszeit vermietet wird, ist die Gewinnerzielungsabsicht zu unterstellen.
  • Entschließt sich der Steuerpflichtige dafür, eine Immobilie nach einer vorangegangenen dauerhaften Vermietung und anschließender Sanierungsphase als Ferienimmobilie zu vermieten, so ist die Frage der Gewinnerzielungsabsicht neu zu bewerten. Aber: Eine vorangehende, auf Dauer angelegte Vermietung indiziert die Vermutung, dass die Einkünfteerzielungsabsicht auch während der Sanierungszeit bestand. Diese Auffassung des BFH kommt den Eigentümern zugute, da sie die Sanierungskosten damit grundsätzlich immer abziehen dürfen.

STEUERRAT: Für die Besitzer von Ferienhäusern mit mehreren Wohnungen ist das Urteil erfreulich. In betroffenen Fällen sollten ablehnende Steuerbescheide daher nicht akzeptiert werden oder es sollte darauf gedrängt werden, bislang vorläufig erlassene Steuerbescheide nunmehr für endgültig zu erklären. Dann wäre gesichert, dass die Verluste der Vergangenheit erhalten bleiben. Der BFH hat die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen, damit diese den Sachverhalt nun weiter aufklärt und entsprechend der Grundsätze des BFH neu bewertet.

Weitere Informationen: Steuerrat zur Ferienwohnung

 

3. Verkauf einer ETW:
Kein Spekulationsgewinn trotz kurzzeitiger Vermietung

Werden Immobilien innerhalb von zehn Jahren an- und wieder verkauft, so liegt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vor (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Früher sprach man insoweit von Spekulationsgeschäften. Die Gewinne aus Veräußerungen innerhalb der Zehn-Jahres-Frist unterliegen grundsätzlich der Einkommensteuer. Lediglich folgende Ausnahmen sind zu berücksichtigen:

  • Die Immobilie wurde im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Eine zwischenzeitliche kurze Vermietungsphase wäre steuerschädlich (1. Alternative des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
  • Die Immobilie wurde im Jahr des Verkaufs und in den beiden Vorjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Nicht erforderlich ist jedoch, dass dieser Zeitraum drei volle Kalenderjahre umfasst. Somit kommt es auf den zeitlichen Umfang der Eigennutzung im ersten und dritten Jahr nicht an (2. Alternative).

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass eine kurzzeitige Vermietung vor dem Verkauf einer langjährig selbstgenutzten Eigentumswohnung unschädlich ist, der Veräußerungsgewinn also bei einem Verkauf innerhalb der Zehn-Jahres-Frist steuerfrei bleibt (Urteil vom 7.12.2018, 13 K 289/17).

  • Der Fall: Der Kläger hatte 2006 eine Eigentumswohnung erworben und diese bis April 2014 durchgehend zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Von Mai 2014 bis Dezember 2014 vermietete er diese an Dritte. Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.12.2014 veräußerte er die Eigentumswohnung. Das Finanzamt ermittelte einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 44.338 EUR. Hiergegen wandte sich der Kläger. Seiner Ansicht nach war die Veräußerung nicht steuerbar, da er die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorausgegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. § 23 EStG erfordere keine ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken.
  • Auch das FG verneinte die Besteuerung des Gewinns. Die 2. Alternative des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erfordere - anders als die 1. Alternative - keine Ausschließlichkeit der Eigennutzung. Es genüge eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren. Diese müsse - mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahres - nicht während des gesamten Kalenderjahres vorgelegen haben. Es genüge ein zusammenhängender Zeitraum der Eigennutzung, der sich über drei Kalenderjahre erstrecke. Für diese Auslegung spreche auch die Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber habe eine ungerechtfertigte Besteuerung von Veräußerungsvorgängen bei Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) vermeiden wollen. Diesem Zweck widerspreche es, den Veräußerungsgewinn bei einer kurzzeitigen Zwischenvermietung bis zur Veräußerung zu besteuern.

HINWEIS: Zwar ist die Revision nicht zugelassen worden, das Finanzamt hat jedoch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt (Az. BFH IX B 28/19). Daher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

 

4. Baukindergeld:
Was ist zu tun, wenn keine Steuerbescheide vorliegen?

Wer das Baukindergeld beantragt, muss gegenüber der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Nachweis über sein Haushaltseinkommen führen. Dazu müssen die Einkommensteuerbescheide des zweiten und dritten Kalenderjahres vor Antragseingang des Antragstellers und - sofern vorhanden - des im Haushalt lebenden Ehe- oder Lebenspartners oder Partners aus eheähnlichen Gemeinschaften vorgelegt werden. Bei Antragseingang in 2018 sind die Einkommensteuerbescheide aus den Jahren 2015 und 2016 einzureichen, bei Eingang in 2019 mithin mithin die Bescheide der Jahre 2016 und 2017.

Offenbar mehren sich nun die Fälle, in denen das neue Baukindergeld beantragt wird, die Eigentümer der Immobilie in den vergangenen Jahren aber gar nicht veranlagt worden sind und daher keine Steuerbescheide vorweisen können. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Antragsteller in der Vergangenheit im Ausland gewohnt haben. Das ist misslich, denn die KfW pocht auf die Bescheide. Doch was tun?

Relativ einfach zu lösen sind die Fälle, in denen eine Veranlagung zur Einkommensteuer mangels Antrags unterblieben ist, die Steuerbürger also zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet waren. Hier kann nun für die alten Jahre eine Veranlagung beantragt werden. Sobald die Steuerbescheide vorliegen, können diese der KfW zur Verfügung gestellt werden.

Was aber, wenn die Immobilienbesitzer weder beschränkt noch unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren, weil sie etwa in den Jahren 2015 und 2016 im Ausland gewohnt haben und auch kein Einkommen in Deutschland erzielt haben? In diesen Fällen kann eigentlich selbst auf Antrag keine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt werden, denn es hat weder eine beschränkte oder noch eine unbeschränkte Steuerpflicht vorgelegen. Eine Bescheinigung des Finanzamts, dass eine Person steuerlich geführt wird bzw. in den betroffenen Jahren nicht geführt worden ist, wird der KfW nicht ausreichen. Die Finanzverwaltung hüllt sich zu dem Problem - soweit ersichtlich - bislang in Schweigen.

STEUERRAT: Nach Informationen von Steuerrat24 werden die Fälle zunächst "gesammelt", allerdings soll eine Abstimmung mit der KfW alsbald erfolgen. Betroffene sollten beim Finanzamt unseres Erachtens die Erteilung einer Bescheinigung über die Höhe ihres Einkommens für die Jahre 2015 und 2016 bzw. 2016 und 2017 beantragen und diesen Antrag der KfW unter Darstellung des Sachverhalts in Kopie zuleiten. Verweisen Sie darauf, dass sich die KfW und das Finanzamt - gegebenenfalls über die zuständige Oberfinanzdirektion - über die weitere Handhabung verständigen mögen.

Weitere Informationen: Eigenheim-Förderung: Das neue Baukindergeld

 

5. Eigentumswohnung:
Kurzzeit-Vermietung grundsätzlich erlaubt

Kurzfristige Vermietungen an Feriengäste sind für Wohnungseigentümer in touristisch anziehenden Gebieten zumeist lukrativer als Langzeit-Vermietungen. Doch wenn in einem Mehrfamilienhaus nur eine oder zwei Wohnungen der kurzfristigen Beherbergung dienen, die anderen Wohnungen hingegen langfristig genutzt werden, sind die Kurzfristvermietungen von der Dauernutzern nicht gern gesehen. Denn wer ist schon erfreut, wenn er quasi täglich oder wöchentlich neue Nachbarn begrüßen darf? So ist es nicht verwunderlich, dass ein entsprechender Fall bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) getragen wurde.

AKTUELL hat der BGH entschieden, dass die kurzzeitige Vermietung von Eigentumswohnungen prinzipiell nicht durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer verboten werden kann (BGH-Urteil vom 12.4.2019, V ZR 112/18).

  • Der Fall: Es ging um eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit acht Wohnungen. Die Klägerin ist Eigentümerin einer der Wohnungen, die Beklagten sind die übrigen Wohnungseigentümer. Die Teilungserklärung enthält eine Regelung, wonach den Wohnungseigentümern auch die kurzzeitige Vermietung ihrer Wohnungen (z.B. an Feriengäste) gestattet ist. Eine sogenannte Öffnungsklausel sieht vor, dass die Teilungserklärung mit einer Mehrheit von 75 % aller Miteigentumsanteile geändert werden kann. Mit einer solchen Mehrheit beschlossen die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 29.3.2017, die Teilungserklärung dahingehend zu ändern, dass die Überlassung einer Wohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste, vor Ort befristet Tätige oder andere Mieter mit Unterkunftsbedürfnissen von kurzer Dauer sowie eine Nutzung als Werkswohnung nicht mehr zulässig ist.
  • Doch ein solcher Beschluss ist nach Ansicht des BGH rechtswidrig. Nach der bislang geltenden Gemeinschaftsordnung sei die kurzzeitige Vermietung zulässig gewesen. Im Ausgangspunkt erlaubte es die allgemeine Öffnungsklausel den Wohnungseigentümern zwar, solche Vereinbarungen mit qualifizierter Mehrheit zu ändern. Zum Schutz der Minderheit seien dabei aber bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Das gelte unter anderem für Beschlussgegenstände, die zwar verzichtbare, aber "mehrheitsfeste" Rechte der Sondereigentümer betreffen. Zu diesen "mehrheitsfesten" Rechten eines Sondereigentümers gehöre die Zweckbestimmung seines Wohnungs- oder Teileigentums. Diese gäbe vor, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden darf; deshalb habe sie aus Sicht des Sondereigentümers entscheidenden Einfluss auf den Wert seiner Einheit. Werde sie geändert oder eingeschränkt, betrifft dies die Nutzung des Sondereigentums in substanzieller Weise. Derartige Eingriffe bedürften jedenfalls der Zustimmung des Eigentümers der Einheit, deren Zweckbestimmung geändert werden soll.
  • Den übrigen Wohnungseigentümern stehen aber gegebenenfalls andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. Was die Kurzzeitvermietung angeht, müssen damit einhergehende Störungen wie Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigungen durch Feriengäste nicht hingenommen werden; sie können einen Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG begründen.

 

VII. Renten und Pensionen

1. Rentenerhöhung:
Mehr Geld für Rentnerinnen und Rentner ab 1. Juli 2019

Zum 1.7.2019 gibt es eine spürbare Rentenerhöhung: Im Westen steigen die Renten um 3,18 % und im Osten um 3,91 %. Damit steigt der aktuelle Rentenwert von derzeit 32,03 Euro auf 33,05 Euro (West) bzw. von 30,69 Euro auf 31,89 Euro (Ost). Die jährliche Rentenanpassung wird von vier Faktoren bestimmt:

  • Lohnentwicklung: Die für die Rentenanpassung relevante Lohnsteigerung beträgt 2,39 % in den alten Ländern und 2,99 % in den neuen Ländern.
  • Nachhaltigkeitsfaktor: Berücksichtigt wird die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentenbeziehenden zu Beitragszahlenden. In diesem Jahr wirkt sich der Nachhaltigkeitsfaktor mit 0,64 Prozentpunkten positiv auf die Rentenanpassung aus.
  • Altersvorsorgefaktor: Berücksichtigt wird die Veränderung der Aufwendungen der Arbeitnehmer beim Aufbau ihrer Altersvorsorge. Da der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung des Jahres 2017 (18,7 %) gegenüber dem Jahr 2018 (18,6 %) um 0,1 Prozentpunkte gesunken ist und die sog. "Riester-Treppe" bereits 2013 letztmals zur Anwendung kam, wirkt der Faktor Altersvorsorge in diesem Jahr rechnerisch mit 0,13 Prozentpunkten anpassungssteigernd.
  • Gesetzliche Rentenangleichung Ost: Mit dem Rentenüberleitungsabschlussgesetz wurde geregelt, dass der aktuelle Rentenwert (Ost) spätestens am 1.7.2024 die Marke von 100 % erreichen wird, sodass ab dann in ganz Deutschland ein einheitlicher aktueller Rentenwert gelten wird. Bei der Rentenanpassung für die neuen Bundesländer sind die im Rentenüberleitungsabschlussgesetz festgelegten Angleichungsschritte relevant. In diesem Jahr ist der aktuelle Rentenwert (Ost) mindestens so anzupassen, dass er 96,5 % des Westwerts erreicht (2018: 95,8 %). Mit dieser Angleichungsstufe fällt die Rentenanpassung Ost höher aus als nach der tatsächlichen Lohnentwicklung Ost.

ACHTUNG: Die Zahlung der erhöhten Rente erfolgt zwar automatisch. Doch das Geld kommt nicht bei allen zum gleichen Zeitpunkt an: Wer ab April 2004 in Rente gegangen ist, bekommt das Rentenplus erst mit vier Wochen Verspätung. Denn die Rente wird am letzten Bankarbeitstag des Monats rückwirkend für den laufenden Monat überwiesen. Somit wird Ihre Rente - also auch die erhöhte Rente - erst Ende Juli auf dem Konto sein. Hingegen wird für Rentner, die vor April 2004 in Ruhestand gingen, die Rente im Voraus für den folgenden Monat bezahlt. Das heißt: Die Rente für Juli erhalten Sie bereits Ende Juni - und damit auch schon das Rentenplus für Juli.

HINWEIS: Die Rentenerhöhung kostet knapp 11 Milliarden Euro pro Jahr. Im Jahre 2019 fallen Kosten von knapp 5,5 Milliarden Euro an. Das sog. Rentenniveau vor Steuern liegt unter Berücksichtigung der Rentenerhöhung für das Jahr 2019 bei 48,16 %. Durch das Rentenpaket vom Herbst 2018 ist gesetzlich festgelegt, dass das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken und der Rentenbeitragssatz nicht über 20 % steigen darf.

 

2. Altersrente:
Zuordnung von Kindererziehungszeiten bei beiden Elternteilen?

Die Erziehung von Kindern wird bei der Rente honoriert. Bei Müttern und Vätern, die nach dem 1.1.1921 geboren sind, werden für die Kindererziehung sog. "Kindererziehungszeiten" als Beitragszeiten auf dem Rentenkonto gutgeschrieben. Diese Zeiten wirken rentensteigernd (§ 56 und § 57 SGB VI).

  • Für Kinder, die nach dem 1.1.1992 geboren wurden, wird seit 1989 auf dem Rentenkonto eine Kindererziehungszeit von 36 Monaten gutgeschrieben. Ein Jahr Kindererziehungszeit entspricht dem Durchschnittsverdienst und bringt 1 Entgeltpunkt.
  • Für Kinder, die vor dem 1.1.1992 geboren wurden, wurde bis 30.6.2014 eine Kindererziehungszeit von nur 12 Monaten gutgeschrieben. Ab dem 1.7.2014 wurde die Kindererziehungszeit von 12 auf 24 Monate erweitert. Statt einem Entgeltpunkt wurden 2 Entgeltpunkte auf dem Rentenkonto gutgeschrieben oder als Zuschlag zur laufenden Rente gewährt, sog. "Mütterrente I". Seit dem 1.1.2019 wird die Kindererziehungszeit von 24 Monate auf 30 Monate erweitert. Statt 2 Entgeltpunkten werden nun 2,5 Entgeltpunkte auf dem Rentenkonto gutgeschrieben oder als Zuschlag zur laufenden Rente gewährt, sog. "Mütterrente II" (§ 249 und § 307d SGB VI).

Für die Zuordnung von Kindererziehungszeiten gilt Folgendes: Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat (§ 56 Abs. 2 SGB VI).

AKTUELL hat das Landessozialgericht Erfurt entschieden, dass eine doppelte Zuordnung von rentenrechtlichen Kindererziehungszeiten für denselben Zeitraum auch dann nicht erfolgen kann, wenn beide Eltern gleichzeitig Elternzeit nehmen (Thüringer Landessozialgericht vom 10.1.2019, L 2 R 760/17).

  • Der Fall: Der Kläger nahm nach der Geburt der gemeinsamen Tochter für denselben Zeitraum wie die Mutter Elternzeit und war in dieser Zeit an der Erziehung des Kindes gleichberechtigt beteiligt. Nachdem die Kindererziehungszeit durch die Rentenversicherung einvernehmlich für diesen Zeitraum vollumfänglich der Kindesmutter zugeordnet worden war, beantragte der Kläger zusätzlich die Zuordnung der Kindererziehungszeiten für sich selbst. Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland hat diesen Antrag abgelehnt.
  • Nach Auffassung des LSG ist die Zuordnung der Kindererziehungszeiten für denselben Zeitraum bei beiden Elternteilen mit den gesetzlichen Vorschriften nicht vereinbar. In der Vorschrift des § 56 Abs. 2 Satz 2 bis 10 SGB VI wird die Zuordnung der jeweiligen Erziehungszeit zu einem bestimmten Elternteil angeordnet. Dabei kommt die Zuordnung der Erziehungszeit nur an einen Elternteil in Frage. Die Zuordnung der Kindererziehungszeiten bei beiden Elternteilen für denselben Zeitraum der Erziehung sieht das Gesetz ausdrücklich nicht vor. Die Eltern haben nur die Möglichkeit zu bestimmen, wem von beiden die Erziehungszeit zugeordnet werden soll.

Weitere Informationen: Altersrente: Leistungen für Kindererziehung und "Mütterrente"

 

3. Betriebliche Altersvorsorge:
Auszahlung einer Versicherung bei Kündigung

Wer seine Arbeitsstelle verliert oder selbst kündigt, verfügt oftmals nicht über die Mittel, um eine - betriebliche - Altersvorsorge aus eigener Leistung fortzuführen. Zwar wird in diesen Fällen üblicherweise geraten, die Versicherung lieber ruhen zu lassen als zu kündigen. Aber was nützt es, wenn die betroffene Person dringend Geld benötigt? Dann wird halt auch die Versicherung gekündigt und der - zumeist geringe Rückkaufwert - vereinnahmt.

AKTUELL hat das Finanzgericht Köln geurteilt, dass eine Kapitalauszahlung aus einer fondsgebundenen Rentenversicherung auch bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses weder außergewöhnlich noch außerordentlich sei. Folglich sei die Auszahlung der Rückkaufwerts voll zu versteuern; die so genannte Fünftel-Regelung dürfte nicht angewandt werden (Urteil vom 14.2.2019, 15 K 855/18).

  • Der Fall, der dem Urteil zugrunde lag, ist recht tragisch. Eine Arbeitnehmerin war schwer erkrankt und wurde seit August 2013 als pflegebedürftig eingestuft. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes war nicht zu erwarten. Vor dem Hintergrund, dass sie eine vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen beantragen konnte, kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis im August 2014. Der Arbeitgeber teilte daraufhin der Versicherung mit, dass die Eigenschaft als Versicherungsnehmer auf die frühere Mitarbeiterin übertragen werden solle. Mit Wirkung zum 1.1.2015 kündigte diese die Versicherung. Sie erhielt eine Einmalleistung von 37.805 EUR, die das Finanzamt in voller Höhe ohne Anwendung der Fünftel-Regelung in § 34 Abs. 1 EStG der Besteuerung unterwarf. Die Klage hatte keinen Erfolg.
  • Nach Ansicht der Finanzrichter ist der Grund für die Kündigung der Versicherung unerheblich. Auf die persönlichen Beweggründe der Klägerin für die gewählte Entscheidung sei nicht abzustellen. Allerdings sei die Revision zuzulassen, da höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, ob eine Kapitalauszahlung infolge einer Kündigung anders zu würdigen ist als ein bei regulärer Beendigung der Ansparphase ausgeübtes Kapitalwahlrecht.

STEUERRAT: Die Revision ist zwischenzeitlich anhängig unter dem Az. X R 7/19. In ähnlichen Fällen sollte daher Einspruch eingelegt und ein Ruhen des eigenen Verfahrens beantragt werden. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu dem Thema scheint im Übrigen nicht einheitlich zu sein. Bei der Kapitalauszahlung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Rahmen der "Basisversorgung" hat er entschieden, dass die Leistung zwar vertrags- bzw. satzungsgemäß, aber gleichwohl atypisch war, da die dortigen Einkünfte der Basisversorgung des Versicherten dienten und die tatsächliche Verwendung als Altersversorgung grundsätzlich dadurch sichergestellt wird, dass die Rentenversicherungsansprüche nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht veräußerbar, nicht übertragbar und nicht kapitalisierbar sind (BFH-Urteil vom 23.10.2013, X R 3/12; ähnlich BFH-Urteil vom 23.10.2013, X R 33/10). In anderen Fällen hat der BFH für Zahlungen, die in ihrer Zusammenballung nicht atypisch sind, eine ermäßigte Besteuerung abgelehnt, so etwa für ein einmaliges Sterbegeld (BFH-Urteil vom 23.11.2016, X R 13/14).

 

VIII. Selbstständige

1. GWG:
Erhöhung der Sofortabschreibung mittels Investitionsabzugsbetrag

Wirtschaftsgüter, die seit dem 1.1.2018 angeschafft werden, können sofort abgeschrieben werden, wenn ihre Anschaffungskosten nicht mehr als 800 EUR netto betragen. Zuvor lag der Betrag bei 410 Euro netto. Vielfach unbekannt ist, dass im Zusammenspiel mit dem Investitionsabzugsbetrag und der 40-prozentigen Abschreibung nach § 7g Absatz 2 EStG eine Sofortabschreibung sogar von "höherpreisigen" Wirtschaftsgütern erreicht werden kann. Dazu ein Beispiel:

Herr Steuerle hat im Jahre 2017 einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g ESG in Höhe von 20.000 EUR gebildet. Im Jahre 2019 schafft er ein Notebook für 1.200 EUR netto an. Steuerle kann nun eine Abschreibung nach § 7g Absatz 2 EStG in Höhe von 40 % von 1.200 EUR = 480 EUR geltend machen, so dass ein Betrag von 720 EUR für das Notebook übrig bleibt. Diesen Betrag kann Steuerle nach § 6 Abs. 2 EStG im Jahre 2019 sofort in voller Höhe abschreiben. Er muss die Aufwendungen für das Notebook also nicht auf die voraussichtliche Nutzungsdauer verteilen. Unterm Strich hat er also 1.200 EUR sofort abgeschrieben, wobei er in den Genuss des Abzugsbetrages von 480 EUR sogar schon zwei Jahre früher gekommen ist.

Zu beachten ist Folgendes: Seit dem 1.1.2016 wird bei der Bildung eines Investitionsabzugsbetrages auf eine Funktionsbezeichnung des oder der voraussichtlich anzuschaffenden Wirtschaftsgüter verzichtet. Das heißt: Investitionsabzugsbeträge können ohne weitere Angaben für künftige Investitionen im beweglichen Anlagevermögen bis zu einem Höchstbetrag von 200.000 EUR gewinnmindernd abgezogen werden - vorausgesetzt, die Größenmerkmale des Betriebes und auch die übrigen Voraussetzungen sind erfüllt.

STEUERRAT: Insofern ist es fast ratsam, stets einen "Mindest-Investitionsabzugsbetrag" für kleinere Anschaffungen parat zu haben, um über diesen Weg sozusagen die Sofortabschreibung von 800 EUR auf bis zu rund 1.320 EUR erhöhen zu können. Das hier vorgestellte "Modell" eignet sich auch, um zumindest im kleineren Rahmen ein Mehrergebnis im Rahmen einer Betriebsprüfung kompensieren zu können. Diesbezüglich kann auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.3.2016 (IV R 9/14 BStBl 2017 II S. 295) hingewiesen werden. Danach gilt: Die Gewährung eines Investitionsabzugsbetrags ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige die Begünstigung im Anschluss an eine Außenprüfung zur Kompensation der von dieser ermittelten Gewinnerhöhungen geltend macht.

Weitere Informationen: Der Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG

 

2. Bargeldgeschäfte:
Aktuelles zur Kassenführung und Hinweis auf Merkblätter

Die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung steht bei jeder Betriebsprüfung ganz oben auf dem Prüfungsplan. Insbesondere gilt dies bei bargeldintensiven Betrieben, also in der Gastronomie, im Einzelhandel, im Frisörhandwerk und dem Taxigewerbe. Und zugegebenermaßen sind Manipulationen leider keine Seltenheit, so dass der Argwohn der Finanzverwaltung durchaus verständlich ist. Daher versucht sie seit Jahr und Tag, zum einen ihre Prüfungsmethoden zu verfeinern, und zum anderen die Anforderungen an die Kassenführung zu verschärfen. Vielfach sind die Verschärfungen durch die Finanzgerichte akzeptiert worden. Und Ende 2016 hat auch der Gesetzgeber reagiert und mit dem so genannten Kassengesetz neue Anforderungen an die Führung von Kassen und Kassensystem gestellt.

Das bedeutet unter anderem:

  • Ab dem 1.1.2020 müssen Kassen und Kassensysteme ("elektronische Aufzeichnungssysteme") zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen vorsehen. Das heißt: Ab dem kommenden Jahr müssen Kassen durch eine so genannte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) geschützt sein, die bestimmte Vorgänge in der Kasse manipulationssicher protokolliert. Das konkret eingesetzte TSE-Modell muss durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert sein. Die betroffenen Kassen müssen außerdem innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme an das zuständige Finanzamt gemeldet werden. Die erstmalige Mitteilung muss bis zum 31.1.2020 erfolgen.
  • Kassen und Kassensysteme, die im Zeitraum vom 26.11.2010 bis zum 31.12.2019 angeschafft worden sind und Geschäftsvorfälle digital aufzeichnen, nicht aber mit einer zertifizierten TSE aufgerüstet werden können, dürfen noch bis zum 31.12.2022 verwendet werden. Ab dem 1.1.2023 ist dann aber auch hier Schluss; die Kassen dürfen nicht weiter genutzt werden. Sie dürfen übrigens auch nicht weiterverkauft werden.

STEUERRAT: Wer jetzt eine neue Kasse erwirbt, sollte sich vom Hersteller oder Kassenaufsteller unbedingt bestätigen lassen, dass die Kasse über die TSE verfügt oder in Kürze aufgerüstet werden kann.

HINWEIS: Leider hat das BSI viel zu viel Zeit verstreichen lassen, bis es die Anforderungen an das Sicherheitsmodul definiert hat. Daher geraten zunächst die Kassenhersteller und anschließend die Nutzer der Kassen unter einen enormen Zeitdruck. Es ist damit zu rechnen, dass sich Unternehmer ausgerechnet in der hektischen Vorweihnachtszeit mit der Auswahl einer neuen Kasse oder einer TSE befassen müssen. Daher laufen die Verbände Sturm und verlangen vom Bundesfinanzministerium eine Übergangsfrist. Noch lässt die Finanzverwaltung kein Entgegenkommen erkennen, aber aus unserer Sicht wird sie um eine Fristverlängerung nicht umhinkommen, da es noch weitere ungeklärte Fragen gibt. Beispiel: Was geschieht, wenn es - bei modernen PC-gestützten - Kassensystemen eine Seriennummer für die Hard- und eine weitere für die Software gibt? Welche Nummer ist überhaupt zu melden? Muss jedes Update gemeldet werden? Auf die Finanzverwaltung kommt noch viel Erläuterungsbedarf zu.

STEUERRAT: Das Landesamt für Steuern Niedersachsen hat aktuell zwei Merkblätter zur Kassenführung herausgegeben, und zwar zum einen das "Merkblatt zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung bei Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems" und zum anderen das "Merkblatt zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung ohne Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems (sog. offene Ladenkasse)". Interessierte sollten die Merkblätter herunterladen. Hier ist der Link:
Merkblätter Kassenführung (bitte auf der Seite des Landesamts nach unten scrollen).

Weitere Informationen: GoBD: Sieben Regeln zur Umsetzung der digitalen Buchführung

 

3. Umsatzsteuer:
Keine Steuerfreiheit für Tanzunterricht

Bereits mehrere Male hat Steuerrat24 über die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen von Privatlehrern berichtet. Während die Finanzgerichte in den vergangenen Jahren weniger streng waren und vielen Lehrern die Steuerfreiheit ihrer Umsätze genehmigt haben, erfolgt nun offenbar nach und nach eine Kehrtwende.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die bei einem Tangotanzkurs erbrachten Leistungen üblicherweise umsatzsteuerpflichtig sind. Eine Steuerfreiheit gilt nur, wenn es der Kurs zumindest einzelnen Teilnehmern ermöglicht, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung auch beruflich zu nutzen (BFH-Urteil vom 24.1.2019, V R 66/17). Der BFH hat mit diesem Urteil die positive Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

  • Der Fall: Die Klägerin erzielte u.a. Umsätze als Tangolehrerin. Den Tangounterricht erteilte sie einerseits an der Volkshochschule und andererseits als Privatlehrerin. In ihrer Steuererklärung behandelte sie die Umsätze, die sie für die VHS ausgeführt hatte, als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Umsätze aus der Tätigkeit als Tanzlehrerin nicht steuerfrei seien. Steuerfrei nach § 4 Nr. 21 UStG seien unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen einer privaten Schule oder einer anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung. Das Erlernen des Tangos diene hingegen der Freizeitgestaltung und die Umsätze der Klägerin aus den VHS-Kursen seien folglich mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu besteuern.
  • Während die Klage erfolgreich war, unterlag die Tanzlehrerin nun vor dem BFH. Er begründet sein Urteil u.a. wie folgt: Steuerfrei ist nach EU-Recht der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Die Steuerfreiheit bezieht sich aber nur auf Aus- oder Fortbildungen, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Anhaltspunkte für die Annahme reiner Freizeitgestaltungen können sich z.B. aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung eines Kurses ergeben. Zu Kursen, die von ihrer Zielsetzung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind, gehören insbesondere Kurse, die sich allgemein an am Tanz interessierte Menschen richten. Ermöglicht ein Kurs demgegenüber einem Teilnehmer, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung später beruflich zu nutzen, genügt dies für die Steuerfreiheit selbst dann, wenn hiervon nur wenige Teilnehmer Gebrauch machen.
  • Für die Frage, ob es sich danach um steuerfreien Unterricht oder um eine steuerpflichtige Unterweisung zur bloßen Freizeitgestaltung durch einen Privatlehrer handelt, ist schließlich auch das Gemeinwohlinteresse an der durch den Privatlehrer ausgeübten Tätigkeit zu berücksichtigen. So kann ein besonders hohes Gemeinwohlinteresse, das die Annahme einer steuerfreien Unterrichtsleistung durch einen Privatlehrer rechtfertigt, z.B. beim Schwimmunterricht bestehen.
  • Die Annahme eines Freizeitcharakters wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Tanzen in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen in den Unterrichtsfächern Musik, Darstellendes Spiel und Sport verankert ist.

STEUERRAT: Privatlehrern, bei denen die Steuerbefreiung ihrer Umsätze streitig ist bzw. bei denen es sich um Grenzfälle handelt, ist zu empfehlen, eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde einzuholen. Dieses muss bestätigen, dass der Unterreicht auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet (§ 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes). Wichtig: Die reine Bestätigung eines Kursangebots reicht aber nicht aus, wie der BFH in seiner Urteilsbegründung (Rz. 21) explizit ausführt. Angesichts dessen sollte auch bereits erteilte Bescheinigungen in ähnlichen Fällen unbedingt daraufhin überprüft werden, ob sie den Anforderungen des BFH genügen.

 

4. Umsatzsteuer: Verweigerung einer Steuer-Nr. bei erheblichen Pflichtverletzungen

Wer selbständig tätig werden möchte, benötigt dafür üblicherweise eine Steuer-Nr. oder eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Ein potenzieller Kunde wird mit ihm sonst kaum Geschäfte machen wollen. Eine vom Finanzamt verweigerte Steuer-Nr. kommt also fast einem Berufsverbot gleich.

AKTUELL hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass ein angehender Unternehmer zwar einen Anspruch auf Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke hat. Dies gelte allerdings nicht, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Steuerpflichtige eine ihm zugeteilte Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke in betrügerischer Weise verwenden wird (Urteil vom 10.1.2019, 7 V 7203/18).

  • Der Fall: Vor Gericht stritten sich das Finanzamt und der "Unternehmer" darum, ob ihm im Wege der einstweiligen Anordnung eine Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen ist. Der Antragsteller war in der Vergangenheit offenbar auf verschiedenen Feldern tätig, erwies sich dabei aber weder als unternehmerisch erfolgreich noch als steuerlich zuverlässig. So wurden zum Beispiel für eine Tätigkeit keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben und die im Schätzungswege festgesetzten Umsatzsteuern nicht beglichen. Da der Antragsteller den zuständigen Finanzämtern Abgaben in Höhe von ca. 36.000 EUR schuldete, beantragte ein Finanzamt in 2016 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieser Antrag wurde mangels Masse zurückgewiesen. In 2018 hatte der Antragsteller bei der Finanzverwaltung noch Schulden von fast von 53.000 EUR.
  • Ungeachtet dessen reichte der Antragsteller einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung wegen der Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit beim Finanzamt ein. Darin erklärte er, seit dem 1.3.2018 als Unternehmensberater tätig zu sein. Er beantragte auch eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Das Finanzamt versagte ihm indes eine Steuer-Nr. für umsatzsteuerliche Zwecke. Daraufhin stellte der "Unternehmer" einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem er die Erteilung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke begehrte.
  • Auch das FG lehnte den Antrag per einstweiliger Anordnung ab. Ein Unternehmer, dem eine Steuer-Nr. erteilt worden ist, begründe eine höhere Gefahr für Steuerausfälle als ein Unternehmer, dem keine solche Steuer-Nr. erteilt wurde - so die Finanzrichter. Alles in allem sei die Versagung einer Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke geeignet, steuerlich unzuverlässigen Steuerpflichtigen den Marktzugang zu erschweren und damit die Verkürzung von Umsatzsteuer zurückzudrängen. Dass die Versagung der Steuer-Nr. für Umsatzsteuerzwecke zu einer Erschwerung des Marktzugangs oder sogar zu einem Verschließen des Marktzugangs führt, sei verfassungsgemäß. Das insoweit einschlägige Grundrecht der Berufsfreiheit sei begrenzt, nämlich im Hinblick auf die ebenfalls von der Verfassung anerkannten Rechtsgüter der Funktionsfähigkeit der staatlichen Finanzsysteme und die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützte Belastungsgleichheit der redlichen Konkurrenten.

HINWEIS: Unternehmer, die ihren steuerlichen Pflichten stets nachkommen, werden dem FG Berlin-Brandenburg wohl beipflichten und die Verweigerung einer Steuer-Nr. begrüßen. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Freiheit der Berufsausübung gem. Art 12 GG ein hohes Gut darstellt und die Entscheidung des Finanzgerichts einen Eingriff in dieses Grundrecht darstellt. Ob dieser Eingriff zulässig ist, mag unterschiedlich bewertet werden. Eine Entscheidung des FG Hamburg vom 30.8.2016 lässt sich jedenfalls dahingehend interpretieren, dass das Anführen einer fiskalischen Gefahr keine gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Berufsfreiheit bzw. für die Versagung der Steuer-Nr. bietet (FG Hamburg 30.8.2016, 6 V 105/16). Und in dem BFH-Urteil vom 23.9.2009heißt es: "Hat eine natürliche Person durch Anmeldung eines Gewerbes ernsthaft die Absicht bekundet, unternehmerisch i.S. des § 2 UStG tätig zu werden, ist ihr außer in Fällen eines offensichtlichen, auf die Umsatzsteuer bezogenen Missbrauchs auf Antrag eine Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen." (BFH 23.9.2009, II R 66/07). Insofern bestehen sicherlich gute Chancen, in ähnlichen Fällen die Erteilung einer Steuer-Nr. ­gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen zu können. Dies gilt zumindest, wenn die betrügerische Absicht nicht ganz offenbar ist.

 

5. Gewerbesteuer: Heileurythmisten sind Freiberufler und somit gewerbesteuerfrei

Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker und Krankengymnasten gelten von Gesetzes wegen als Freiberufler und unterliegen damit nicht der Gewerbesteuerpflicht. Der insoweit maßgebende § 18 des Einkommensteuergesetzes sieht allerdings auch "ähnliche Berufe" als freiberuflich an. Naturgemäß kommt es bei einer derart schwammigen Formulierung oftmals zu Streitigkeiten mit dem Finanzamt. Jüngst hat eine Heileurythmistin den beschwerlichen Weg bis vor den Bundesfinanzhof (BFH) gewagt und dort gewonnen. Die Entscheidung ist auch für andere Heilberufe durchaus von Interesse.

AKTUELL hat der BFH entschieden, dass der Abschluss eines Integrierten Versorgungsvertrags nach §§ 140a ff. SGB V (sog. IV-Verträge) zwischen dem Berufsverband der Heileurythmisten und einer gesetzlichen Krankenkasse ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit darstellt. Eine weitergehende Prüfung der Vergleichbarkeit der Ausbildung und Tätigkeit des Heileurythmisten mit der eines Krankengymnasten/Physiotherapeuten sei aufgrund der indiziellen Wirkung der Teilnahmeberechtigung an den Leistungen der sog. IV-Verträge nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 20.11.2018, VIII R 26/15).

  • Der Fall: Die Klägerin war Mitglied des Berufsverbandes Heileurythmie. Nach der Satzung des Berufsverbandes konnte nur Mitglied werden, wer ein Abschlusszeugnis für Eurythmie und Heileurythmie und nach den Richtlinien des Berufsverbandes eine Berufsqualifikation erworben hatte. Anfang 2006 schlossen zwölf gesetzliche Krankenkassen mit den Berufsverbänden der anthroposophischen Heilkunst Verträge zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin auf der Grundlage der §§ 140a ff. SGB V (sog. IV-Verträge). Der Berufsverband der Klägerin war einer der Vertragspartner.
  • Nach Ansicht des BFH ist die Tätigkeit der Klägerin damit freiberuflich und unterliegt nicht der Gewerbesteuer. Zwar sei die Ausbildung zum Heileurythmisten staatlich nicht geregelt. Dem Ziel, eine fachgerechte Berufsausübung zu gewährleisten, dienten jedoch auch die Regelungen der §§ 140a ff. SGB V (IV-Verträge), die bestimmte Anforderungen an die Qualifikation des Erbringers der Heilleistung stellen.
  • Dieser rechtlichen Würdigung stünde nicht entgegen, dass hinsichtlich der von der Klägerin erbrachten Heilleistungen keine regelmäßige Kostentragung durch die Krankenkassen erfolgte, da im Streitfall nur zwölf Krankenkassen einen Versorgungsvertrag nach §§ 140a ff. SGB V mit dem Berufsverband der Heileurythmisten abgeschlossen haben.

HINWEIS: Die Entscheidung zur Einkommen- und Gewerbesteuer liegt auf einer Linie mit dem Urteil des BFH zur Umsatzsteuer (BFH 26.7.2017, XI R 3/15). Danach sind die Leistungen der Heileurythmisten umsatzsteuerfrei. Die Finanzverwaltung hat zwar über ein Jahr benötigt, um das Urteil zu akzeptieren, sich dann aber mit BMF-Schreiben vom 27.11.2018 zur Anerkennung durchgerungen (BStBl 2018 I S. 1363).

 

6. Gewerbesteuer:
Entwarnung für Grundstücksunternehmen mit Dienstwagen

So genannte Grundstücksunternehmen, die außer der Immobilienverwaltung sowie der Verwaltung eigenen Kapitalvermögen keine anderen Aktivitäten entfalten, profitieren von einer besonderen Regelung im Gewerbesteuergesetz: Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG greift die so genannte erweiterte Gewerbesteuerkürzung, die selbst hohe Gewinne komplett von der Gewerbesteuer befreit. Doch die Finanzverwaltung ist recht streng. Übrige Aktivitäten, die in der Vorschrift nicht genannt sind, führen zu einem Entzug der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. Eine - wie auch immer geartete - gewerbliche Betätigung wäre also schädlich.

Im vergangenen Jahr hat eine Anweisung der Oberfinanzdirektion (OFD) Nordrhein-Westfalen für Entsetzen gesorgt, die zwar "nur" intern ergangen war, aber dennoch allgemein bekannt geworden ist. Wenn nämlich einem Gesellschafter oder einem Mitunternehmer ein betrieblicher Pkw zur privaten Nutzung überlassen wird, sollte dies eine schädliche Tätigkeit sein, die der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG entgegenstünde (Kurzinformation Gewerbesteuer 5/18 vom 29.9.2018).

AKTUELL hat die OFD Nordrhein-Westfalen ihre Auffassung aber revidiert. In der überarbeiteten Anweisung heißt es nun: "Die reine Kfz-Überlassung an Gesellschafter und Mitunternehmer zu privaten Zwecken ist keine schädliche Tätigkeit i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Das bedeutet, dass allein durch die Überlassung eines betrieblichen Kfz an Gesellschafter bzw. Arbeitnehmer zu privaten Zwecken das Grundstücksunternehmen den Anspruch auf die erweiterte Kürzung nicht verliert." Für die betroffenen Grundstücksunternehmen kann also Entwarnung gegeben werden.

 

7. Gewerbesteuer:
Bei Personengesellschaften unbedingt die Anrechnung regeln

Die Gewerbesteuer, die von Einzelunternehmern und von Personengesellschaften bezahlt wird, soll diese nicht über Gebühr belasten. Daher wird die Gewerbesteuer auf die persönliche Einkommensteuerschuld der Unternehmer und Gesellschafter angerechnet - allerdings nur in Höhe des 3,8-fachen Gewerbesteuermessbetrages. Die Anrechnung ist zudem auf die tatsächlich bezahlte Gewerbesteuer begrenzt (§ 35 EStG).

Bei Gesellschaftern einer Personengesellschaft, also insbesondere einer OHG, KG oder GmbH & Co. KG, kann die Anrechnung der Gewerbesteuer bei ungeschickter Gestaltung jedoch ins Leere gehen oder den Falschen begünstigen. Die Gefahr besteht insbesondere, wenn ein Gesellschafter unterjährig in die Gesellschaft ein- oder austritt, denn die Anrechnung steht nur den Gesellschaftern zu, die am 31.12., 24.00 Uhr, an der Gesellschaft beteiligt sind. Das ist eine Besonderheit des Gewerbesteuergesetzes und des § 35 EStG.

Beispiel:
Der Gesellschafter einer OHG scheidet Ende November aus der Gesellschaft aus; die OHG wird mit den beiden verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt. Dem Ausscheidenden werden 11/12 des Jahresgewinns zugewiesen; der entsprechende Gewinnanteil unterliegt bei ihm der Einkommensteuer. Er erhält allerdings keine Gewerbesteuer-Anrechnung, da er zum 31.12. nicht mehr an der OHG beteiligt war. Für Zwecke der Berechnung der Steuerermäßigung wird der Gewerbesteuermessbetrag nur auf die Gesellschafter aufgeteilt, die zum Ende des "gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums" noch an der Personengesellschaft beteiligt sind. Sinnvoller wäre daher ein Ausscheiden zum 1.1. des Folgejahres, 0.00 Uhr, gewesen.

Das Abstellen auf die Beteiligungsverhältnisse zum Jahresende ergibt sich aus dem BMF-Schreiben vom 3.11.2016 (BStBl 2016 I S. 1187). Zwar besteht eine Übergangsregelung, nach der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2017 die Zurechnung eines anteiligen Gewerbesteuermessbetrags auch an unterjährig ausgeschiedene Gesellschafter erfolgen kann. Allerdings ist dazu ein einheitlicher Antrag aller zum Ende des gewerbesteuerrechtlichen Erhebungszeitraums noch beteiligten Mitunternehmer erforderlich. Je nach Höhe des anzurechnenden Betrages und je nach Interessenlage könnte es schwierig sein, eine solche Einheitlichkeit herbeizuführen. Für den Erhebungszeitraum 2018 wäre ein Antrag ohnehin nicht von Erfolg gekrönt.

STEUERRAT: In Übergabeverträgen oder bei dem Ausscheiden von Gesellschaftern sollte frühzeitig geregelt werden, dass für die ausbleibende Gewerbesteuer-Anrechnung gemäß § 35 EStG ein Ausgleich zu zahlen ist. Gegebenenfalls sollte auch in aktuellen Gesellschaftsverträgen eine Regelung aufgenommen werden, die "Verwerfungen" bei der Gewerbesteuer-Anrechnung vorbeugt.

Doch nicht nur das unterjährige Ausscheiden oder ein Gesellschafterwechsel bringen Probleme mit sich. Der anteilige Gewerbesteuermessbetrag von Mitunternehmern, der wiederum für die Gewerbesteuer-Anrechnung maßgebend ist, wird nur nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels ermittelt. Auf die Verteilung im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte kommt es dabei nicht an. So bleiben Vorabgewinnanteile, Sondervergütungen sowie die Ergebnisse aus Sonder- und Ergänzungsbilanzen unberücksichtigt.

Beispiel:
Eine OHG erzielt einen gewerbesteuerlichen Gewinn von 100.000 EUR. Müller und Meier sind an der OHG zu je 50 Prozent beteiligt. Da Müller für die OHG in stärkeren Maß als Meier tätig ist, erhält er eine Sondervergütung von 50.000 EUR. Das heißt, Müller bekommt vom Gesamtgewinn 75.000 EUR und Meier 25.000 EUR. Diese Beträge unterliegen bei den beiden Gesellschaftern der Einkommensteuer. Dennoch wird der Teil der Gewerbesteuer-Anrechnung, der auf Müller entfällt, nur von 50.000 EUR ermittelt. Müller erhält also nicht die Anrechnung, die seinem tatsächlicheb Gewinnanteil entspricht.

STEUERRAT: Angesichts dessen kann es sinnvoll sein, im Gesellschaftsvertrag für einen Interessenausgleich zu sorgen, sofern es angesichts von Vorabgewinnen oder Sondervergütungen zu "gewerbesteuerlichen Ungerechtigkeiten" kommt. Hier eine Musterformulierung: "Die Gesellschafter sorgen für einen gerechten Interessenausgleich, sofern ein Gesellschafter eine ungerechtfertigt hohe Steuerermäßigung gemäß § 35 EStG erreicht, während der andere Gesellschafter von der Steuerermäßigung gemäß § 35 EStG nicht in einem Maße profitiert, das seinem Gesellschafterbeitrag entspricht. Der steuerliche Berater wird bei der Erstellung des Jahresabschlusses einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten." Bei dieser Formulierung handelt es sich nur um einen Vorschlag, der individuelle Besonderheiten natürlich nicht berücksichtigen kann. Im Einzelfall wäre daher ein versierter Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

 

IX. Soziales

1. Witwenrente:
Gewährung trotz nur kurzer Ehe

Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf eine Witwenrente, wenn es sich um eine so genannte Versorgungsehe handelt. Das heißt: Eine Rente wird verweigert, wenn die Vermutung besteht, dass die Ehe nur geschlossen worden ist, um dem überlebenden Partner eine Hinterbliebenenversorgung zu sichern (§ 65 Abs. 6 SGB VII).

AKTUELL hat das Sozialgericht Osnabrück aber zugunsten einer Witwe entschieden, dass ein Anspruch auf Witwenrente auch dann bestehen kann, wenn eine Ehe erst nach Feststellung einer Berufskrankheit geschlossen wurde und der erkrankte Ehemann innerhalb des ersten Ehejahres stirbt (Urteil vom 28.2.2019, S 8 U 90/16).

  • Der Fall: Die klagende Witwe lernte ihren späteren Ehemann im Jahr 2005 kennen. Im Jahr 2010 zogen sie in eine gemeinsame Wohnung. Beide erhielten zunächst Erwerbsunfähigkeitsrenten und seit 2014 jeweils eine eigene Altersrente. Im Dezember 2013 erkannte die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) bei dem Lebensgefährten das Bestehen einer Berufskrankheit (Lungenkrebs in Verbindung mit Asbestose) an. Am 4.5.2015 heirateten die Klägerin und ihr Lebensgefährte; am 30.8.2015 verstarb dieser an einer Lungenembolie.
  • Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente lehnte die BG unter Hinweis auf die Regelung des § 65 Abs. 6 SGB VII ab, da die Ehe erst nach dem sogenannten Versicherungsfall geschlossen worden war und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist. Die BG hielt die gesetzliche Vermutung, dass alleiniger Zweck der Heirat ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei, für nicht widerlegt.
  • Dieser Einschätzung hat sich das Sozialgericht Osnabrück nicht angeschlossen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Versorgungsgedanke nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war. Die klagende Witwe konnte eine feste Heiratsabsicht zwischen den späteren Eheleuten bereits vor dem Eintritt des Versicherungsfalls nachweisen. Zur Umsetzung der Heiratsabsicht sei es dann vorerst durch äußere Umstände, insbesondere den Tod der Schwester der Klägerin, nicht gekommen. Außerdem war die Ausstellung der erforderlichen Unterlagen für die Eheschließung beim zuständigen Standesamt bereits im März 2014 veranlasst worden. Ferner bauten die Klägerin und der Versicherte die Mietwohnung gemeinsam behindertengerecht um, was aus gerichtlicher Sicht für die Planung einer längeren gemeinsamen Zukunft spricht. Schließlich würdigte das Gericht, dass die Klägerin selbst über eine ausreichende Versorgung aus ihrer Altersrente und einer zusätzlichen Betriebsrente verfügt, so dass als zumindest gleichwertiges Motiv für die Eheschließung das Motiv der Klägerin festzustellen ist, den Versicherten als Ehefrau verantwortlich versorgen zu können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

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