SteuerSparbrief - Archiv

Der Online-SteuerSparbrief erscheint monatlich im Umfang von rund 16 Seiten und ist Teil des Abonnements von Steuerrat24. Die aktuelle Ausgabe steht jeweils ab Monatsbeginn zum Abruf in der Rubrik "SteuerSparbrief" bereit.

Falls Sie eine frühere Ausgabe versäumt haben, können Sie hier die letzten Ausgaben des SteuerSparbriefs aufrufen.

 

Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:

  • Fahrten zur Arbeit: Urteilsserie des BFH zur ersten Tätigkeitsstätte
  • Doppelter Haushalt: Mietkosten nach Beendigung weiter abziehbar
  • Arbeitslohn: Anspruch auf Urlaubsabgeltung voll zu besteuern 
  • Kindergeld: Wann ist eine Zweitausbildung noch begünstigt?

Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief (Hinweis: Die PDF-Datei zum Ausdruck finden Sie unterhalb des Inhaltsverzeichnisses):

Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum Ausdruck: SteuerSparbrief September 2019

Liebe Leserin, lieber Leser,

nun ist es also wieder da: das Gespenst der Vermögensteuer. Wenn es nach dem Willen von SPD und Linken geht, wird sie so schnell wie möglich wieder eingeführt. Wobei betont wird, dass die Vermögensteuer nur für Super-Reiche gelten soll. Dabei ist das Wort "Super-Reiche" mit äußerster Vorsicht zu genießen, denn schon oft sind hier Großkapitalisten und DAX-Vorstände als Beispiele genannt worden, um dann im endgültigen Gesetz doch wieder Arbeitnehmer zu schröpfen, die mit ihrem Einkommen irgendwo im Bereich zwischen 50.000 Euro und 150.000 Euro liegen und schon gar nicht über Millionenvermögen verfügen. 

Nun werden Sie sagen, dass man mit den genannten Einkommen kein Vermögen aufbauen kann, das der Vermögensteuer unterliegen wird. Das ist solange richtig wie die Altersvorsorge außen vor bleibt. Denn diese kann - wenn man sie kapitalisieren würde - ein hübsches Sümmchen ausmachen, wenn Sie 45 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt und zudem noch privat vorgesorgt haben. Natürlich können Sie auf Ihr "Rentenguthaben" nicht einfach zugreifen. Es gehört aber dennoch zu Ihrem "Vermögen." Und wird möglicherweise besteuert, sofern die Freibeträge nicht entsprechend hoch sind. 

Selbstverständlich vergessen die politischen Akteure nicht, darauf hinzuweisen, dass die Altersvorsorge - ebenso wie "Oma ihr klein Häusken" - unangetastet bleiben sollen. Nur: Was bedeutet denn eigentlich "Altersvorsorge?" Der eine verlässt sich auf die gesetzliche und private Rentenversicherung, der andere auf Immobilien, der Dritte auf Aktien und der Vierte auf seinen Betrieb, den er vor dem Ruhestand veräußern möchte.  

Es wäre verfassungsrechtlich nicht zulässig, den Aktienbesitz der Vermögensteuer zu unterwerfen, während das "Guthaben" der - gesetzlichen oder privaten - Rentenversicherung unangetastet bleibt. Daher muss entweder beides steuerfrei bleiben oder beides der Vermögensteuer unterworfen werfen. Würde hingegen differenziert werden, wären wir wieder genau bei der Ungleichheit, die letztlich zur Abschaffung - genauer gesagt zur Aussetzung - der Vermögensteuer geführt hat. Folglich ist also nicht ausgeschlossen, dass das Altersvorsorgekapital oder der kapitalisierte Rentenanspruch bei vielen Menschen der Vermögensteuer unterworfen werden. 

Werfen Sie mir nun Panikmache vor? Es ist gut möglich, dass ich Gefahren sehe wo keine lauern. Aber: Denken Sie an die Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung, für die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden müssen. Wer hätte vor dem Jahre 2004, also der gesetzlichen Einführung der Beitragspflicht, jemals gedacht, dass Betriebsrenten de facto zweimal mit Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung belegt werden können?  

Vielleicht erinnern Sie sich auch noch an die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent. Zitat Kanzlerin Merkel nur kurze Zeit zuvor: "Steuererhöhungen sind jetzt Gift, sie werden nicht kommen.“  

Um nicht missverstanden zu werden: Ich begrüße es durchaus, wenn Maßnahmen ergriffen werden, um die Schere zwischen Arm und Reich zu verringern. Es ist nur so, dass die Finanzminister - egal welcher Parteizugehörigkeit - letztlich doch immer wieder auf den Durchschnittsverdiener zugegriffen haben. So lässt die wirklich wirksame Abschaffung der kalten Progression bis heute auf sich warten. Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes werden in vielen Fällen nahezu mit dem Höchststeuersatz besteuert. Die Erbschaftsteuer verschont kleine Vermögen nicht. Und um auf die Vermögensteuer zurückzukommen: Ist sie erst einmal eingeführt, wird es für jeden Finanzminister ein Leichtes sein, Freibeträge zu senken und Steuersätze zu erhöhen. 

Übrigens, nur am Rande: Auf der Homepage der SPD findet sich der Hinweis, dass Altersvorsorgevermögen weitgehend freigestellt werden sollen. "Weitgehend" bedeutet aber halt nicht vollständig. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Christian Herold

Redaktion Steuerrat24

I. Beruflicher Bereich

1. Fahrten zur Arbeit:
Bei Flugpersonal Heimatflughafen als erste Tätigkeitsstätte

Piloten und Flugbegleiter üben ihre Berufstätigkeit bekanntlich "in einem Fahrzeug" aus. Somit liegt eigentlich eine Auswärtstätigkeit vor. Vor 2008 wurde dies als Fahrtätigkeit bezeichnet. Jedenfalls hatte das Flugpersonal nach alter Rechtslage bis 2013 keine "regelmäßige Arbeitsstätte". Das Flughafengebäude war es nicht, weil der Pilot dort nicht seine Tätigkeit ausübt, und das Flugzeug war es nicht, weil dies keine ortsfeste Einrichtung des Arbeitgebers ist. Somit konnten Piloten und Flugbegleiter ihre Fahrten zum und vom Flughafen mit der Dienstreisepauschale von 30 Cent je Fahrt-km und obendrein auch Verpflegungspauschbeträge für jeden Flug mit einer Abwesenheitsdauer ab 8 Stunden als Werbungskosten absetzen, und zwar unabhängig von einer Dreimonatsfrist (BFH-Urteile vom 26.2.2014, VI R 54/13 und VI R 68/12).

Aber das Reisekostenrecht hat sich zum 1.1.2014 geändert. Wie sind die Fahrten zwischen Wohnung und Einsatzflughafen (home base, Heimatbasis) jetzt steuerlich zu beurteilen?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof in zwei Urteilen für Piloten und Flugbegleiter zur neuen Rechtslage ab 2014 Folgendes entschieden: Wenn die Fluggesellschaft am Einsatzflughafen eigene Betriebsgebäude, d.h. ortsfeste betriebliche Einrichtungen, besitzt und der Mitarbeiter lt. Arbeitsvertrag oder Weisung dieser Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist, stellt der Einsatzflughafen grundsätzlich die "erste Tätigkeitsstätte" dar. Erforderlich ist aber, dass der Mitarbeiter an dieser Einrichtung zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich schuldet und die zu seinem Berufsbild gehören. Ist dies der Fall, sind die Fahrten zwischen Wohnort und Flughafen lediglich mit der Entfernungspauschale (30 Cent je Entfernungs-km) und nicht mit der Dienstreisepauschale (30 Cent je Fahrt-km) absetzbar. Verpflegungspauschbeträge für die An- und Abreisetage sind nicht abzugsfähig (BFH-Urteil vom 11.4.2019, VI R 40/16; BFH-Urteil vom 10.4.2019, VI R 17/17).

  • Zu den Tätigkeiten am Flughafen: Damit der Einsatzflughafen bzw. die dortige betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers als "erste Tätigkeitsstätte" gilt, müssen dort Tätigkeiten - wenngleich auch in geringem Umfang - ausgeübt werden. Es genügt nicht, dass die Piloten und Flugbegleiter dort ihren fliegerischen Dienst regelmäßig beginnen und beenden. Erforderlich sind vielmehr arbeitsvertraglich geschuldete, berufsbildbezogene Tätigkeiten, wie die Teilnahme an dem vor jedem Flug obligatorischen Briefing sowie die Vor- und Nachbereitung des Flugs, z.B. Überprüfen der Wettermeldungen, Beurteilung der Wetterlage, Einholen der notwendigen Unterlagen und Informationen zur Durchführung des Flugs, Überprüfen des Flugplans, Errechnen der Abflugdaten, Vergleichen der an Bord befindlichen Kraftstoffmenge mit der vorgeschriebenen Menge.
  • Der Umstand, dass die Crew ihre Tätigkeit schwerpunktmäßig in einem Flugzeug ausübt, das mangels Ortsfestigkeit seinerseits keine erste Tätigkeitsstätte ist, ist unerheblich. Denn auf den qualitativen Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit kommt es seit 2014 nicht mehr an.

STEUERRAT: Besteht am Flughafen eine "erste Tätigkeitsstätte", stellt anschließend der Flug eine "Auswärtstätigkeit" dar. Mit der Folge, dass ab einer Abwesenheitsdauer von 8 Stunden Verpflegungspauschbeträge absetzbar sind. Dies gilt für jeden einzelnen Flug und ist nicht auf nur drei Monate begrenzt. Falls Piloten und Flugbegleiter vor Antritt des Fluges oder danach am Dienstort im Bereich des Flughafens übernachten, sind die Übernachtungskosten als Werbungskosten absetzbar (so im BFH-Urteil vom 11.4.2019, VI R 40/16; so bereits BFH-Urteil vom 5.8.2004, VI R 40/03).

Die Frage, ob eine erste Tätigkeitsstätte oder eine Auswärtstätigkeit vorliegt, hat steuerlich erhebliche Auswirkungen: Sie entscheidet, ob Fahrten lediglich mit der Entfernungspauschale (30 Cent je Entfernungs-km) oder mit der Dienstreisepauschale (30 Cent je Fahrt-km) bzw. mit den tatsächlichen Kosten als Werbungskosten absetzbar sind, ob Verpflegungspauschbeträge berücksichtigt werden oder nicht, ob der Arbeitgeber nur pauschal versteuerte Fahrtkostenzuschüsse gewähren darf oder ob er die gesamten Reisekosten (das sind Fahrt-, Übernachtungs- und Reisenebenkosten sowie Verpflegungspauschbeträge) steuerfrei vergüten darf, ob bei Überlassung eines Firmenwagens für die Fahrten ein Nutzungswert versteuert werden muss oder nicht.

Weitere Informationen: Steuerrat für Piloten und Flugbegleiter

 

2. Fahrten zur Arbeit:
Bei Streifenpolizisten Dienststelle als erste Tätigkeitsstätte

Polizeibeamte im Einsatz- und Streifendienst fahren üblicherweise ihre Dienststelle an und nehmen von dort ihren Dienst im Streifenwagen auf. Zur alten Rechtslage bis 2013 hat der Bundesfinanzhof geklärt, dass die Polizeiwache für Streifenpolizisten keine "regelmäßige Arbeitsstätte" darstellt und diese folglich eine Auswärtstätigkeit ausüben. Sie sind schwerpunktmäßig überwiegend außerhalb der Dienststelle im Außendienst tätig. Der Außendienst bildet auch den qualitativen Schwerpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit. Deshalb können sie die Fahrten zur Dienststelle mit der Dienstreisepauschale von 30 Cent je Fahrt-km absetzen und Verpflegungspauschbeträge mit einer Abwesenheitsdauer von 8 Stunden ab Wohnung geltend machen (BFH-Urteil vom 29.11.2016, VI R 19/16; BFH-Urteil vom 19.10.2016, VI R 32/15).

Aber das Reisekostenrecht hat sich zum 1.1.2014 geändert. Wie sind die Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle (Polizeiinspektion) jetzt steuerlich zu beurteilen?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof zur neuen Rechtslage ab 2014 entschieden, dass bei Polizeibeamten im Streifendienst die Dienststelleihre "erste Tätigkeitsstätte" ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Polizist dieser Dienststelle arbeitsrechtlich zugeordnet ist und er dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu seinem Berufsbild gehören. Anders als bis 2013 kommt es seit 2014 nicht mehr auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit an. Der Streifendienst stellt eine "Auswärtstätigkeit" dar. Das bedeutet, dass Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle nur mit der Entfernungspauschale von 30 Cent je Entfernungs-km absetzbar sind. Verpflegungspauschbeträge werden nur berücksichtigt, wenn die Abwesenheit von der Dienststelle mindestens 8 Stunden beträgt (BFH-Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17).

Zu den Tätigkeiten in der Dienststelle: Damit die Dienststelle als "erste Tätigkeitsstätte" gilt, müssen dort Tätigkeiten - wenngleich auch in geringem Umfang - ausgeübt werden. Es genügt nicht, dass der Beamte dort seinen Einsatz- und Streifendienst beginnt und beendet. Als Polizist im Einsatz- und Streifendienst hat er in der Polizeiinspektion arbeitstäglich Tätigkeiten auszuführen, die ebenso zum Berufsbild eines Polizeivollzugsbeamten gehören wie der eigentliche Streifendienst, z.B. die Teilnahme an den Dienstantritts- oder allgemeinen Einsatzbesprechungen, Schichtübernahme oder -übergabe und insbesondere die Erledigung der Schreibarbeiten, wie das Verfassen von Protokollen, Streifen-, Einsatz- oder Unfallberichten.

Weitere Informationen: Das neue Reisekostenrecht ab 2014: Wann liegt eine Auswärtstätigkeit vor?

 

3. Fahrten zur Arbeit:
Gibt's bei befristetem Arbeitsverhältnis erste Tätigkeitsstätte?

Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind lediglich mit der Entfernungspauschale von 30 Cent pro Entfernungskilometer als Werbungskosten absetzbar, und Verpflegungspauschbeträge ab 8-stündiger Abwesenheit werden nicht anerkannt. Begründet wird dies damit, dass man der Arbeitsstätte dauerhaft zugeordnet ist, sich deshalb auf die immer gleichen Wege einstellen kann und so die Wegekosten reduzieren kann, z.B. durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder sogar durch Verlegung des Wohnsitzes an den Arbeitsort.

  • Nach alter Rechtslage bis 2013 war die Tätigkeit an einer dauerhaften Arbeitsstätte sowohl bei einem befristeten Arbeitsverhältnis als auch bei vereinbarter Probezeit nicht als "Auswärtstätigkeit" zu beurteilen. "Der Umstand, dass das Beschäftigungsverhältnis nur befristet oder mit einer Probezeit belegt war, steht der Dauerhaftigkeit der Zuordnung zum Betrieb des Arbeitgebers nicht entgegen" (BFH-Urteil vom 10.12.2015, VI R 7/15 und BFH-Urteil vom 16.12.2015, VI R 6/15).
  • Aber das Reisekostenrecht hat sich zum 1.1.2014 geändert. Wie sind jetzt die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle bei einem befristeten Arbeitsverhältnis zu beurteilen? Liegt in diesem Fall mangels Planungssicherheit überhaupt eine dauerhafte Arbeitsstätte vor? Oder ist dies nicht eher mit einer Auswärtstätigkeit vergleichbar?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) zu befristeten Arbeitsverhältnissen entschieden, dass eine "erste Tätigkeitsstätte" dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses an einer einzigen ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll und dort zugeordnet ist. Folglich können die Fahrten zur Arbeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale abgesetzt und Verpflegungspauschbeträge nicht beansprucht werden (BFH-Urteil vom 10.4.2019, VI R 6/17). Denn nach neuer Rechtslage seit 2014 ist im Gesetz eindeutig festgeschrieben (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG): "Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer

  • unbefristet,
  • für die Dauer des Dienstverhältnisses oder
  • über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll".

Damit kommen viele Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverhältnissen oftmals nicht in den Genuss der Reisekostensätze. Da auch die betriebliche Einrichtung eines Kunden eine erste Tätigkeitsstätte begründen kann, sind Leiharbeitnehmer gleichermaßen von der Entscheidung des BFH betroffen. Doch dem aktuellen Urteil lassen sich auch positive Aspekte entnehmen. Denn:

  • Wird der Arbeitnehmer im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses zunächst einer ersten Tätigkeitsstätte und im weiteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet, stellt zumindest die letztere keine "erste Tätigkeitsstätte" mehr dar.
  • Der Fall: Ein Leiharbeitnehmer war seit Mai 2012 bei einer Leiharbeitsfirma tätig. Sein Arbeitsverhältnis wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis 1. Mai 2015. Zunächst war der Arbeitnehmer im Werk einer AG in Y eingesetzt. Auf schriftliche Weisung des Leiharbeitgebers war er anschließend für die AG in X tätig, und zwar während des Bestehens seines Arbeitsvertrages.
  • Damit wurde der Arbeitnehmer nach Ansicht des BFH während seines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses nacheinander zwei verschiedenen Tätigkeitsstätten zugeordnet. Folglich konnte er der zweiten Tätigkeitsstätte in X nicht mehr für die "gesamte Dauer des Dienstverhältnisses" zugeordnet werden. Er war aber auch nicht "unbefristet" und auch nicht über einen "Zeitraum mehr als 48 Monaten" tätig. Mangels einer ersten Tätigkeitsstätte durfte der Arbeitnehmer die Fahrten von seiner Wohnung zu dem Werk der AG in X nach Reisekostengrundsätzen mit 30 Cent pro gefahrenem Kilometer geltend machen.

HINWEIS: Wird ein befristetes Beschäftigungsverhältnis, auch ein Leiharbeitsverhältnis, vor Ablauf der Befristung schriftlich durch bloßes Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts bei ansonsten unverändertem Vertragsinhalt verlängert, liegt ein einheitliches befristetes Beschäftigungsverhältnis vor. Für die Frage, ob eine Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses erfolgt, ist daher auf das einheitliche Beschäftigungsverhältnis und nicht lediglich auf den Zeitraum der Verlängerung abzustellen. Zugegeben: Das BFH-Urteil mit seinen Auswirkungen ist nicht gerade leicht zu verstehen.

Weitere Informationen: Das neue Reisekostenrecht ab 2014: Wann liegt eine Auswärtstätigkeit vor?

 

4. Auswärtstätigkeit:
Versicherungsbezirk ist kein weiträumiges Arbeitsgebiet

Manche üben ihre Berufstätigkeit ständig in einem flächenmäßig größeren Gebiet aus und sind dort immer an unterschiedlichen Stellen tätig, z.B. das Hafengelände bei Hafenarbeitern, das Waldgebiet bei Forstarbeitern und Förstern, der Zustellbezirk bei Postzustellern und Zeitungsausträgern, das Lotsrevier bei Lotsen. Die Frage ist, ob es sich bei dem weiträumigen Arbeitsgebiet insgesamt um die "erste Tätigkeitsstätte" handelt.

Aufgrund einer Neuregelung ab 2014 liegt ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet vor, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten begrenzten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder bei einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Unternehmen ausgeübt werden soll (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412, Tz. 41).

AKTUELL hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass bei einem Versicherungskaufmann der Versicherungsbezirk keine weiträumige Tätigkeitsstätte ist. Die Geschäftsstelle ist die "erste Tätigkeitsstätte", die Kundenbesuche stellen eine "Auswärtstätigkeit" dar. Der zugewiesene Versicherungsbezirk stellt kein weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 4 EStG dar, bei dessen Vorliegen die Fahrten von der Wohnung zum Tätigkeitsgebiet als Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte anzusehen wären (FG Berlin-Brandenburg vom 9.4.2019, 5 K 5269/17).

Für die Tätigkeit im weiträumigen Tätigkeitsgebiet gelten folgende Steuerregeln:

  • Die nächstgelegene Einsatzstelle des weiträumigen Arbeitsgebietes gilt als "erste Tätigkeitsstätte". Die Fahrten dorthin sind mit der Entfernungspauschale absetzbar.
  • Wird das weiträumige Tätigkeitsgebiet von verschiedenen Zugängen aus angefahren, ist für diese Fahrten die Entfernungspauschale aus Vereinfachungsgründen nur für die kürzeste Entfernung von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang anzuwenden.
  • Alle weiteren Fahrten innerhalb des weiträumigen Arbeitsgebietes sowie die zusätzlichen Kilometer bei Fahrten zu weiter entfernten Zugängen sind mit der Dienstreisepauschale oder mit den tatsächlichen Kosten absetzbar oder können vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412, Tz. 42).
  • Bei einer Abwesenheit ab 8 Stunden sind auch Verpflegungspauschbeträge absetzbar bzw. können vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden - und zwar zeitlich unbegrenzt. Hier gilt die Dreimonatsfrist nicht! (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412, Tz. 44 und 56).
  • Falls die Fahrten mit einem Firmenwagen unternommen werden, muss für die Fahrten zur nächstgelegenen Einsatzstelle ein Zuschlagswert als Arbeitslohn versteuert werden (monatlich 0,03 % des Listenpreises pro Entfernungskilometer). Für die übrigen Fahrten ist keine Versteuerung des Nutzungswertes erforderlich, aber auch kein Werbungskostenabzug möglich.

STEUERRAT: Wenngleich beim weiträumigen Tätigkeitsgebiet die Fahrten zur nächstgelegenen Einsatzstelle lediglich mit der Entfernungspauschale absetzbar sind, so können aber dennoch Verpflegungspauschbeträge und ggf. Übernachtungskosten als Werbungskosten abgezogen oder vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden. Denn Sie sind ja weiterhin außerhalb einer ersten Tätigkeitsstätte und somit auswärts beruflich tätig. Es wird hier keine erste Tätigkeitsstätte fingiert, sondern nur die Anwendung der Entfernungspauschale vorgeschrieben und der steuerfreie Arbeitgeberersatz ausgeschlossen (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl. 2014 I S. 1412, Tz. 44).

HINWEIS: Ein weiträumiges Tätigkeitsgebiet sind nicht das Werks-, Messe-, Kasernen-, Flughafen-, Werftgelände, Klinikareal, Bergwerk (denn dies sind ortsfeste betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers), die Wohnungen von Pflegebedürftigen, die von mobilen Pflegekräften betreut werden, der Kehrbezirk bei Schornsteinfegern. In dem zugrundeliegenden Fall verfügte der Versicherungskaufmann im Außendienst übrigens ausnahmsweise über keine erste Tätigkeitsstätte in der Geschäftsstelle, weil der Arbeitgeber ausdrücklich bestimmt hat, dass diese keine erste Tätigkeitsstätte sein soll. Damit konnte er die Verpflegungspauschalen entsprechend der Abwesenheit von seiner Wohnung beanspruchen und doch alle Fahrtkosten mit 30 Cent je gefahrenen Km geltend machen.

Weitere Informationen: Fahrten zur Arbeit: Besonderheiten bei mehreren Tätigkeitsstätten

 

5. Doppelter Haushalt:
Mietkosten nach Beendigung weiterhin absetzbar?

Manchmal kommt es vor, dass während der Zeit der doppelten Haushaltsführung der Beschäftigungsort gewechselt und sodann auch die Zweitwohnung an den neuen Beschäftigungsort verlegt wird. In diesem Fall gilt Folgendes: Bei Wechsel des auswärtigen Beschäftigungsorts wird die bestehende doppelte Haushaltsführung beendet und eine neue doppelte Haushaltsführung begründet. Steuerliche Auswirkung hat dieses Wechselspiel zunächst bei den Verpflegungspauschbeträgen, denn diese können nun erneut für drei Monate beansprucht werden.

  • Sofern Sie am auswärtigen Beschäftigungsort lediglich Ihren Arbeitgeber wechseln, ohne dass sich der Beschäftigungsort ändert, beginnt keine neue doppelte Haushaltsführung. Auch beginnt keine neue Dreimonatsfrist für den Abzug von Verpflegungspauschbeträgen.
  • Was aber gilt, wenn während der doppelten Haushaltsführung das Arbeitsverhältnis endet und der neue Arbeitsplatz erst nach einer bestimmten Frist angetreten wird? Kann in dieser Zwischenzeit die Miete weiterhin als Werbungskosten abgesetzt werden?

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass die Miete für die bisher genutzte Zweitwohnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zunächst bis zum Ende der mietvertraglichen Kündigungsfrist und darüber hinaus auch für die Dauer der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz als "vorweggenommene Werbungskosten" abgesetzt werden kann (FG Münster vom 12.6.2019, 7 K 57/18 E).

  • Der Fall: Der Kläger arbeitete in Berlin, hatte jedoch seinen Lebensmittelpunkt in Nordrhein-Westfalen. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber gekündigt zum 31.8.2015. Der Kläger behielt seine Wohnung in Berlin und bewarb sich bundesweit um eine neue Stelle. Er bewarb sich auch auf drei Stellen in Berlin. Er fand eine Stelle in Hessen zum 1.1.2016 und kündigte daraufhin die Wohnung in Berlin fristgerecht zum 29.2.2016. Das Finanzamt erkannte die Mietkosten nur bis zum Ende der mietvertraglichen Kündigungsfrist der Wohnung bis einschließlich November 2015 an. Der Kläger begehrte den Abzug jedoch auch für die Dezembermiete - und bekam vom Finanzgericht Recht.
  • Nach Auffassung der Richter ist die Miete für den Monat Dezember 2015 zwar nicht mehr durch die doppelte Haushaltsführung veranlasst. Bei den Aufwendungen handele es sich jedoch um "vorweggenommene Werbungskosten", denn es sei ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen erkennbar. Der Kläger habe sich weiterhin auf Arbeitsstellen in Berlin und Umgebung beworben und die Wohnung unmittelbar nach Zusage einer neuen Arbeitsstelle an einem anderen Ort gekündigt. Aus diesem Grund werde die mögliche private Nutzung der Wohnung, etwa für mögliche Wochenendbesuche, überlagert. Zu berücksichtigen sei auch, dass eine vorzeitige Kündigung und eine etwaige Neuanmietung einer anderen Wohnung für den Kläger teurer gewesen wären als die Beibehaltung der verhältnismäßig günstigen Wohnung.

Weitere Informationen: Doppelter Haushalt: Wann eine doppelte Haushaltsführung anerkannt wird

 

6. Arbeitszimmer:
Abzug auch bei Piloten und sogar bei Flugbegleitern möglich

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind bis zu 1.250 EUR als Werbungskosten absetzbar, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG). Sowohl Piloten als auch Flugbegleiter haben für büromäßige Arbeiten "keinen anderen Arbeitsplatz", sodass für sie ein Werbungskostenabzug in Betracht kommt. Die berufliche Nutzung muss allerdings glaubhaft dargelegt werden, z.B. zur Fortbildung, zur Vorbereitung von Flügen.

  • Piloten, die ein häusliches Arbeitszimmer nutzen, um Handbücher, Streckenunterlagen und technische Unterlagen, die ihnen vom Arbeitgeber ausgehändigt werden, durchzuarbeiten und auf dem neuesten Stand zu halten, können die Arbeitszimmerkosten steuerlich absetzen. Hierbei handelt es sich um konkrete Tätigkeiten, die sie nicht an ihrem Arbeitsplatz - dem Cockpit - erledigen können (FG Brandenburg vom 25.2.1999, EFG 1999 S. 601).
  • Wie aber sieht es bei Flugbegleitern aus? Das FG Düsseldorf hat die Anerkennung des Arbeitszimmers abgelehnt, weil der feststellbare zeitliche Umfang der Bürotätigkeiten so gering war, dass dafür ein Arbeitszimmer nicht "erforderlich" war. Die Richter gingen von einem zeitlichen Arbeitsumfang zu Hause von 51 Stunden im Jahr aus, was einem Anteil von 3,1 % der Gesamtarbeitszeit entsprach - zu wenig, um das Arbeitszimmer anzuerkennen (FG Düsseldorf vom 4.5.2017, 8 K 329/15 E). Auch in einem weiteren Urteil hat das FG Düsseldorf das Arbeitszimmer bei einer Flugbegleiterin abgelehnt, weil der Umfang ihrer Bürotätigkeiten den Richtern so gering erschien, dass das Arbeitszimmer dafür nicht "erforderlich" war (FG Düsseldorf vom 24.4.2017, 8 K 1262/15 E). Der Bundesfinanzhof hingegen hatte mit Urteil vom 8.3.2017 (IX R 52/14) wie folgt entschieden: "Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird. Unerheblich ist, ob ein häusliches Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist."

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof seine Sichtweise aus März 2017 bekräftigt. Danach kommt es auf die "Erforderlichkeit" des häuslichen Arbeitszimmers gar nicht an. Die "Erforderlichkeit" sei kein Merkmal des Abzugstatbestands. Daher kann ein Arbeitszimmer auch bei einer Flugbegleiterin wegen fehlenden Arbeitsplatzes absetzbar sein, sofern der Raum so gut wie ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird. Auf den zeitlichen Umfang ihrer Büroarbeiten kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 3.4.2019, VI R 46/17).

  • Der Gesetzgeber typisiert in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG die Abzugsvoraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer, indem er die Abzugsmöglichkeit auf die zwei im Gesetz genannten Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung) begrenzt.
  • Das Gesetz verwendet den Begriff der "Erforderlichkeit" oder "Notwendigkeit" nicht. Vielmehr typisiert es mit den beiden genannten Fallgruppen die Erforderlichkeit der beruflichen Nutzung des Arbeitszimmers, ohne den Begriff der Erforderlichkeit in Gestalt eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu einem Tatbestandsmerkmal zu erheben. "Ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit folgt daher weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung. Denn mit den beiden geregelten Fallgruppen sollen gerade Streitigkeiten über die Notwendigkeit eines Arbeitszimmers vermieden werden."
  • Der Fall: Die Flugbegleiterin beantragt den Abzug von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR. Sie benötige das Arbeitszimmer für die Nutzung des firmeninternen Intranets, das Abrufen der Dienstpläne, das Lesen interner Mitteilungen und Dienstanweisungen, Trainingsprogramme sowie allgemeine Flugvorbereitungen (z.B. Information über streckenspezifische Besonderheiten und Produktveränderungen, Studium der Arbeitsanweisungen), für Flugnachbereitungen (z.B. Erstellung von Feedback- und Ereignisprotokollen) sowie Fortbildungen (Erste-Hilfe-Auffrischungen, Emergency-Übungen). Zudem legt sie eine Bescheinigung der Fluggesellschaft vor, wonach ihr kein individueller Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

FAZIT: Wird also das häusliche Arbeitszimmer nur in einem sehr geringen Umfang für berufliche Zwecke genutzt, hat der BFH jetzt folgende Regeln vorgegeben:

  • Zunächst ist zu prüfen, in welchem Umfang das Arbeitszimmer beruflich genutzt wird und ob eine schädliche private (Mit-)Nutzung vorliegt.
  • Wird der Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt und sind die privaten Tätigkeiten (z.B. Erledigung privater Korrespondenz, Aufbewahrung privater Unterlagen) im Verhältnis zur steuerrelevanten Nutzung des Arbeitszimmers als untergeordnet einzustufen, ist das Arbeitszimmer steuerlich anzuerkennen.

Weitere Informationen: Arbeitszimmer: Wann steht kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung?

 

7. Arbeitszimmer:
Kosten für Modernisierung des Badezimmers nicht absetzbar

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind bis 1.250 EUR als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar, sofern "kein anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung steht, und in unbegrenzter Höhe, falls das Arbeitszimmer den "beruflichen Mittelpunkt" darstellt. Bei der Kostenermittlung werden Aufwendungen, die den Raum direkt betreffen, in voller Höhe erfasst und Aufwendungen, die das Gebäude betreffen, mit dem Arbeitszimmeranteil einbezogen.

Mit dem Arbeitszimmeranteil absetzbar sind auch Aufwendungen für die Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung des Hauses bzw. der Eigentumswohnung. Unstrittig gilt dies für Renovierungskosten, die das gesamte Haus betreffen, wie die Reparatur oder Erneuerung des Daches, der Haustür, der Außenfassade, der Heizung, der Fenster. Ebenfalls gilt dies für Allgemeinflächen, wie Flur, Diele und Treppenhaus. Wie aber sind die Kosten für eine Modernisierung des Badezimmers zu beurteilen? Das Finanzgericht Münster meinte vor vier Jahren, dass die Kosten mit dem Arbeitszimmeranteil absetzbar seien (FG Münster vom 18.3.2015, 11 K 829/14 E).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Aufwendungen für einen Umbau des Badezimmers nicht zu den abziehbaren Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gehören und folglich nicht mit dem Arbeitszimmeranteil als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar sind (BFH-Urteil vom 14.5.2019, VIII R 16/15).

  • Der Fall: Das Badezimmer wurde vollständig umgebaut und behindertengerecht gestaltet, so die Tür versetzt, verbreitert und erneuert, die Badewanne ersatzlos entfernt, Dusche, Waschtisch, Toilette und Bidet versetzt, Zu- und Abwasserleitungen sowie Stromleitungen und -anschlüsse erneuert, der Boden mitsamt der Fußbodenheizung erneuert und ein zusätzlicher Heizkörper installiert, das Bad komplett neu gefliest. Von den gesamten Umbaukosten des Badezimmers in Höhe von 38.822 EUR wurde ein Anteil von 8,43 % (= 3.272 EUR) als Arbeitszimmerkosten geltend gemacht.
  • Nach Auffassung des BFH sind Renovierungs- oder Reparaturaufwendungen, die wie z.B. Schuldzinsen, Gebäude-AfA oder Müllabfuhrgebühren für das gesamte Gebäude anfallen, zwar nach dem Flächenverhältnis aufzuteilen und damit anteilig zu berücksichtigen. Nicht anteilig abzugsfähig sind jedoch Kosten für einen Raum, der - wie das Badezimmer und der Flur - ausschließlich privaten Wohnzwecken dient. Erfolgen Baumaßnahmen in Bezug auf einen privat genutzten Raum, stellen sie auch keine "allgemeine Gebäudekosten" dar, die nach dem Flächenverhältnis aufzuteilen und anteilig abzugsfähig sind.

Weitere Informationen: Arbeitszimmer: Welche Kosten können Sie für das Arbeitszimmer absetzen?

 

8. Arbeitslohn:
Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist voll zu besteuern

Der Europäische Gerichtshof hat bereits in 2016 entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der von sich aus sein Arbeitsverhältnis beendet, Anspruch auf eine finanzielle Vergütung hat, wenn er seinen bezahlten Jahresurlaub ganz oder teilweise nicht verbrauchen konnte (EuGH-Urteil vom 20.7.2016, C-341/15). In 2018 hat er zusätzlich entschieden, dass der Anspruch auf bezahlten Urlaub auch nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis untergehen darf, ohne dass ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für diesen Urlaub besteht, der im Wege der Erbfolge auf die Erben überzugehen hat (EuGH-Urteil vom 6.11.2018, C-569/16 und C-570/16). Die Frage ist, ob ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung, der mehrere Jahre umfasst, ermäßigt besteuert werden darf.

AKTUELL hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch keinen Schadensersatzanspruch darstellt. Er gilt vielmehr als nachträgliche Lohnzahlung des Arbeitgebers. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch für mehrere Jahre stellt auch keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar und unterliegt damit nicht der Tarifermäßigung nach der so genannten Fünftel-Regelung (FG Hamburg 19.3.2019, 6 K 80/18).

  • Der Fall: Der inzwischen verstorbene Kläger war seit März 2015 arbeitsunfähig und später zu 100 % schwerbehindert. Im September 2016 ging er in Rente. Seinen Urlaubsanspruch für die Jahre 2015 und 2016 konnte er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht einlösen. Es handelte sich um 22 Tage für das Kalenderjahr 2015 und um 19 Tage für das Kalenderjahr 2016. Sein Arbeitgeber zahlte für diese 41 Tage im Jahre 2016 einen Urlaubsabgeltungsanspruch. Der Kläger war der Ansicht, dass dieser Anspruch reinen Schadensersatz darstelle, der steuerfrei bleiben müsse. Es habe kein Lohnzufluss vorgelegen. Zumindest sei der Betrag nach der so genannten Fünftel-Regelung ermäßigt zu besteuern. Das Finanzamt hingegen besteuerte den Anspruch in voller Höhe ohne jegliche Ermäßigung. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
  • Die Abgeltung des Urlaubanspruchs stelle sich als Frucht der Arbeitsleistung dar. Der Arbeitgeber habe die Zuwendung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erbracht. Es handelt sich bei der Entschädigung für nicht gewährten Urlaub um eine nachträgliche Lohnzahlung. Es liegen auch keine außerordentlichen Einkünfte vor. Weder sei eine Entschädigung (nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG) gegeben, noch handele es sich um eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten. Die Urlaubsabgeltungsansprüche 2015 und 2016 flossen zwar in einem Veranlagungszeitraum zu, beträfen jeweils für sich genommen aber nicht mehrere Jahre.

Weitere Informationen: Abfindung wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses

 

9. SFN-Zuschläge: Wann gilt eine Zulage als "neben dem Grundlohn" gezahlt?

Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit (SFN-Zuschläge) gezahlt werden, sind bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuer- und sozialversicherungsfrei (§ 3b EStG). Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein. Steuerfrei sind zudem nur Zeitzuschläge, also Zulagen, die ausschließlich eine arbeitszeitbedingte Erschwernis abgelten. Nicht begünstigt sind daher Mehrarbeitszuschläge, Schmutzzulagen, Gefahrenzulagen, Schichtzulagen während der normalen Arbeitszeit, Erschwerniszulagen u.Ä. (BFH-Urteil vom 15.9.2011, BStBl. 2012 II S. 144).

In der Praxis ist die Frage, ob SFN-Zuschläge gesondert neben dem Grundlohn geschuldet werden, nicht immer leicht zu beantworten. Der Fiskus sieht in den Zulagen oftmals pauschale Zahlungen, die nicht begünstigt sind. Derzeit befassen sich mehrere Finanzgerichte mit dem Thema. Speziell geht es um die so genannte Theaterbetriebszulage für Darsteller an Theatern und Bühnen. Der Ausgang der Verfahren dürfte aber auch für zahlreiche andere Berufe von erheblicher Bedeutung sein.

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass die Theaterbetriebszulage für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit selbst dann steuerfrei bleibt, wenn sie im Prinzip immer gezahlt wird (Urteil vom 26.2.2019, 5 K 864/17).

  • Der Fall: Nach dem maßgebenden "Manteltarifvertrag Cast" und dem "Entgelttarifvertrag" hat jedes Castmitglied Anspruch auf die Zahlung einer Theaterbetriebszulage (TBZ) in Höhe von 20 % des Arbeitsentgelts. Die TBZ wird als tariflicher Zuschlag für Nachtarbeit und für Sonn- und Feiertagsarbeit gezahlt. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die TBZ die besonderen Erschwernisse der gelegentlichen Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit pauschal abgelte, ohne dass es auf die tatsächlichen Dienstzeiten angekommen sei. Es sah die Zuschläge daher als steuerpflichtig an. Und tatsächlich erhielt die Klägerin, eine Darstellerin, offenbar immer Zulagen in Höhe von 20 % des Arbeitsentgelts. Dennoch kommen die Finanzrichter zu dem Ergebnis, dass die TBZ nach § 3b EStG steuerfrei bleiben muss.
  • Begründung: Entgegen der Auffassung des Finanzamts verlange § 3b EStG gerade nicht, dass der Arbeitgeber einen feststehenden Bruttolohn (Grundlohn) schuldet, der ggf. um die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlten Zuschläge erhöht werden muss.

STEUERRAT: In der Sache ist nun die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 16/19 anhängig, so dass Betroffene gegen ablehnende Bescheide Einspruch einlegen und ein Ruhen ihres Verfahrens beantragen sollten. Das FG Baden-Württemberg weist darauf hin, dass über den identischen Sachverhalt an unterschiedlichen Finanzgerichten Verfahren anhängig seien. Zudem gäbe es bereits divergierende Entscheidungen (zustimmend FG Berlin Brandenburg, Urteil vom 13.12.2018, 13 K 13174/17; entgegen Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 7.2.2019, 2 K 1434/17).

Weitere Informationen: Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit

 

10. Verdienst:
Übernahme von Steuerberatungskosten bei Nettolohnvereinbarung

Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Bruttolohn, auch wenn er seinerseits für ihn die Lohnsteuer sowie die Sozialversicherungsbeiträge unmittelbar abführt. Es kann aber auch eine so genannte Nettolohnvereinbarung getroffen werden. Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitgeber vertraglich, z.B. nach Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, verpflichtet ist, zzgl. zu dem vereinbarten Nettolohn die darauf entfallende Lohnsteuer, die Kirchensteuer, den Solidaritätszuschlag sowie Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zu tragen. Oftmals werden solche Vereinbarungen bei Mitarbeitern getroffen, die von ausländischen Abteilungen eines Konzerns nach Deutschland entsandt werden (und umgekehrt).

Im vergangenen Jahr hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Nordrhein-Westfalen eine umfassende Verfügung veröffentlicht, in der sie die Grundsätze und Zweifelsfragen zur steuerlichen Behandlung von Nettolohnvereinbarungen erörtert (Verfügung vom 18.8.2018, S 2367-2017/0004-St 213, S 1301-2017/0058-St 126/St 127). Sie finden die Verfügung in dem Beitrag "Nettolohnvereinbarungen: Steuerliche Fragen" unter der Rubrik "Verdienst." Wir empfehlen, die Anweisung zur Hand zu nehmen, wenn es um die steuerlichen Besonderheiten von Nettolohnvereinbarungen geht.

ABER: Die Verfügung ist zumindest in einem Punkt bereits überholt. Die OFD erläutert, wie Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung zu behandeln sind, wenn diese der Arbeitgeber trägt. Es soll gelten: Da die Nettolohnvereinbarung nicht im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers abgeschlossen wird, liegt in der Übernahme der Steuerberatungskosten eine Zuwendung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die als Arbeitslohn zu erfassen ist.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) aber entschieden, dass die Übernahme von Steuerberatungskosten des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nicht zu Arbeitslohn führt, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Nettolohnvereinbarung abgeschlossen haben und der Arbeitnehmer seine Steuererstattungsansprüche an den Arbeitgeber abgetreten hat. Der BFH hat damit seine bisherige, anders lautende Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (BFH-Urteil vom 9.5.2019, VI R 28/17; überholt: BFH-Urteil vom 21.1.2010, VI R 2/08).

  • Der Fall: Der Arbeitgeber, ein inländisches Tochterunternehmen eines weltweit tätigen Konzerns, hatte mit den nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern des Konzerns Nettolohnvereinbarungen abgeschlossen. Der Arbeitgeber übernahm die Kosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen der entsandten Arbeitnehmer durch eine vom Konzern beauftragte Steuerberatungsgesellschaft. Die Arbeitnehmer traten ihre Steuererstattungsansprüche an den Arbeitgeber ab. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Übernahme der Steuerberatungskosten zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führte und setzte gegenüber dem Arbeitgeber pauschale Lohnsteuer fest. Dem folgte der BFH nicht. Er entschied, dass der Arbeitgeber die Steuerberatungskosten nicht zur Entlohnung der Arbeitnehmer, sondern in seinem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse übernommen hatte.
  • Der Arbeitgeber war aufgrund der mit den Arbeitnehmern abgeschlossenen Nettolohnvereinbarungen verpflichtet, die Einkommensteuer der Arbeitnehmer wirtschaftlich zu tragen. Durch die Einschaltung der Steuerberatungsgesellschaft wollte der Arbeitgeber eine möglichst weitgehende Reduzierung der Einkommensteuern der Arbeitnehmer und damit seiner eigenen Lohnkosten erreichen. Die Arbeitnehmer hatten ihre Steuererstattungsansprüche an den Arbeitgeber abgetreten. Entscheidend war daher, dass nur der Arbeitgeber von dem wirtschaftlichen Ergebnis der Steuerberatung profitieren konnte. Bei einer derartigen Sachlage stellt die Übernahme der Kosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen keinen Arbeitslohn dar.

STEUERRAT: Nach Aussage des BFH ist es nicht von Bedeutung, dass in dem konkreten Streitfall die Arbeitnehmer aus dem Ausland entsandt wurden. Für einen reinen Inlandssachverhalt wäre ebenso zu entscheiden.

Weitere Informationen: Nettolohnvereinbarungen: Steuerliche Fragen

 

11. Elektrofahrzeuge:
Steuervergünstigung auch bei Überlassung von E-Scootern

Überlässt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ein Elektro- oder Hybridfahrzeug, so muss bei Anschaffung oder Leasing ab dem 1.1.2019 bei Anwendung der 1 %-Pauschalmethode der Listenpreis nur noch zur Hälfte angesetzt werden. Anders ausgedrückt: Die Versteuerung der Privatnutzung erfolgt nur zur Hälfte. Begünstigt sind in erster Linie reine Elektrofahrzeuge. Begünstigt sind aber auch extern aufladbare Hybridelektrofahrzeuge, die die Voraussetzungen des Elektromobilitätsgesetzes erfüllen.

Im Mai 2019 ist die "Elektro-Kleinstfahrzeuge-Verordnung" beschlossen worden, mit der sogenannten E-Scootern bzw. Elektro-Tretrollern die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr erlaubt worden ist. Nun stellte sich die Frage, ob auch diese Fahrzeuge den Arbeitnehmern steuerbegünstigt überlassen werden können. Antwort: Ja, können sie. Elektrische Tretroller, E-Scooter und auch Segways gelten als Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG. Für sie gelten daher die gleichen steuerlichen Maßgaben wie für die Überlassung von Elektro-Pkw.

HINWEIS: Theoretisch könnte die Versteuerung sogar noch weiter gemindert werden, wenn die Arbeitnehmer ein Fahrtenbuch für ihren E-Scooter führen, Denn bei Anwendung der Fahrtenbuchmethode sind die Anschaffungskosten oder vergleichbare Aufwendungen nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Ob das aber in der Praxis durchführbar und sinnvoll ist, dürfte doch eher fraglich sein.

Weitere Informationen: Firmenwagen: Elektro- und Hybridfahrzeuge

 

II. Privater Bereich

1. Wohn-Riester:
Ablösung eines Darlehens für einen Hausanbau ist schädlich

Wer im Alter in seinen eigenen vier Wänden miet- und schuldenfrei wohnen kann, hat auch etwas für seine Altersvorsorge getan. Um dieses Ziel zu unterstützen, ist die Bildung von Wohneigentum in die Riester-Förderung einbezogen worden - das so genannte Wohn-Riester. Wer also zum Beispiel in einen "riester-konformen" Bausparvertrag einzahlt, wird mit der Altersvorsorgezulage und gegebenenfalls einem ergänzenden Sonderausgabenabzug belohnt.

"Riester-konform" bedeutet, dass das Kapital zum Kauf, zum Bau oder zur Entschuldung eines Eigenheimes oder zum Erwerb von Anteilen an Wohnungsbaugenossenschaften eingesetzt wird. Auch Umbaumaßnahmen zur Reduzierung von Barrieren in und an einer Wohnung sind begünstigt. Wer bereits ein staatlich gefördertes Kapital angespart hat, kann dieses zum Erwerb, zur Herstellung oder Entschuldung einer Wohnimmobilie oder zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen entnehmen. Wer das angesparte und geförderte Kapital jedoch schädlich verwendet, muss den in das so genannte Wohnförderkonto eingestellten Betrag ("Auflösungsbetrag") in vollem Umfang ohne Abzüge versteuern.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Verwendung von Altersvorsorgekapital zur Tilgung eines Darlehens dann nicht begünstigt ist, wenn mit dem Darlehen lediglich die Erweiterung einer bereits bestehenden Wohnung finanziert worden ist (Urteil vom 20.3.2019, X R 4/18). Es liegt also keine "riester-konforme" Verwendung vor und es droht die sofortige Versteuerung des Auflösungsbetrages.

  • Der Fall: Eheleute erwarben bereits im Jahr 1977 ein Einfamilienhaus. Die Anschaffungskosten finanzierten sie fremd. Im Jahr 2009 errichteten die Ehegatten einen Wintergarten, der die Wohnfläche des Einfamilienhauses um ca. 30 qm vergrößerte. Hierzu hatten sie bereits im Juni 2008 einen weiteren Darlehensvertrag geschlossen ("Wintergarten-Darlehen"). Die Darlehenssumme belief sich auf 66.000 EUR und war bis zum 31.12.2016, spätestens bei Zuteilung eines Bausparvertrags zurückzuzahlen. Der Ehemann hatte einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag abgeschlossen ("Wohn-Riester"). In 2013 beantragte er bei der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) die Entnahme seines Kapitals für die "Tilgung noch bestehender Darlehensschulden für Wohnzwecke". Diese bezifferte er mit rund 60.000 EUR und führte hierbei insbesondere das "Wintergarten-Darlehen" an.
  • Die ZfA lehnte den Antrag ab. Die beabsichtigte Verwendung diene nicht dazu, ein zum Zwecke der Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung aufgenommenes Darlehen zu tilgen. Die Entnahme des Altersvorsorgekapitals für Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen an einer bereits bestehenden Wohnung stelle eine förderschädliche Verwendung i.S. von § 92a Abs. 1 EStG dar. Die Vorinstanz gab zwar der Klage statt, sah also keine förderschädliche Verwendung des Kapitals. Dem ist der BFH jedoch nicht gefolgt. Das Darlehen stehe im Zusammenhang mit der Erweiterung einer bereits bestehenden Wohnung. Diese Maßnahme führte zwar zu nachträglichen Herstellungskosten, stelle selbst aber keine "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" dar. Die Voraussetzungen des insoweit einschlägigen § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG seien nicht erfüllt.
  • "Herstellen einer Wohnung" bedeute die Schaffung einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung. Baumaßnahmen an einer bereits bestehenden Wohnung könnten nur dann als "Herstellen einer Wohnung" beurteilt werden, wenn diese Wohnung bautechnisch neu ist. Dazu müsse das Gebäude in seiner wesentlichen Bausubstanz verändert werden, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendete Altbausubstanz wertmäßig untergeordnet erscheint. Dagegen liege kein "Herstellen einer Wohnung", sondern lediglich deren Erweiterung vor, wenn nach Fertigstellung bisher nicht vorhandene Bestandteile in das Gebäude eingefügt werden bzw. die nutzbare Fläche vergrößert wird und dies eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes zur Folge hat.

STEUERRAT: Im Urteilsfall bestanden noch weitere Darlehen, die seinerzeit tatsächlich mit dem Erwerb der Immobilie im Zusammenhang standen. Die Kläger hätten daher mit dem Altersvorsorgekapital besser diese Kredite ablösen sollen. Betroffene Riester-Sparer sollten also in ähnlichen Fällen unbedingt prüfen, ob sie die "richtigen" Darlehen mit dem Kapital tilgen. Es droht sonst eine komplette Versteuerung des in das Wohnförderkonto eingestellten Betrags (sog. Auflösungsbetrag). Im Übrigen ist zu beachten, dass der Antrag auf Entnahme des Altersvorsorgekapitals spätestens zehn Monate vor Beginn der Auszahlungsphase bei der ZfA erfolgen muss. Dabei sind auch die notwendigen Nachweise zu erbringen (§ 92b EStG). Die Zehn-Monats-Frist wird in der Praxis oftmals nicht beachtet. Kommt eine begünstigte Investition des angesparten Kapitals nicht in Betracht, sollte geprüft werden, ob eine Verrentung möglich und sinnvoll ist, das heißt, dass die Auszahlung als Leibrente erfolgt.

Weitere Informationen: Eigenheimrente: Riester-Förderung für Wohneigentum

 

2. Scheidung:
Auffüllungszahlungen an Versorgungswerk nur beschränkt abziehbar

Bei der Ehescheidung werden im Rahmen des Versorgungsausgleichs die Rentenanwartschaften, die während der gemeinsamen Ehezeit erworben wurden, geteilt. Die Teilung erfolgt grundsätzlich intern, also innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems (interne Teilung), oder ausnahmsweise extern durch Übertragung von Anrechten auf einen anderen Versorgungsträger (externe Teilung). Auch können Anwartschaften im Rahmen des "schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs" ausgeglichen werden. Wer die interne Teilung "in Kauf nimmt", hat natürlich ein Interesse daran, sein Rentenkonto wieder aufzustocken und so nutzen viele Geschiedene die Möglichkeit, Wiederauffüllungszahlungen z.B. an ihr Versorgungswerk zu leisten. Die Frage ist dann, ob diese Zahlungen in voller Höhe als Werbungskosten oder nur beschränkt als Sonderausgaben abziehbar sind. Für die erste Variante spricht, dass die späteren Rentenzahlungen nach § 22 EStG - mit dem entsprechenden Besteuerungsanteil - der Einkommensteuer unterliegen.

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg jedoch entschieden, dass Zahlungen an ein berufsständisches Versorgungswerk zur Wiederauffüllung einer Rentenanwartschaft nicht als Werbungskosten abgezogen werden dürfen. Sie stellen nur Sonderausgaben dar und können daher nur beschränkt im Rahmen von Höchstbeträgen geltend gemacht werden (Urteil vom 11.2.2019, 9 K 376/18).

  • Der Fall: Der Kläger war angestellter Rechtsanwalt. Er hatte Versorgungsanwartschaften aus dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte erworben. Im Rahmen der Scheidung erfolgte im Wege des Versorgungsausgleichs eine Übertragung der hälftigen Versorgungsanwartschaft auf seine Frau ("interne Teilung"). Der Ehemann nahm die Möglichkeit wahr, seine durch den Versorgungsausgleich gekürzte Rentenanwartschaft durch eine zusätzliche Zahlung in Höhe von rund 76.000 EUR um die Hälfte wieder aufzufüllen. Er machte diesen Betrag als Werbungskosten geltend, und zwar zunächst bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und später (zu 88 %) bei den sonstigen Einkünften. Das Finanzamt hingegen berücksichtige die Zahlung nur als Sonderausgabe, konkret als Beitrag zur Altersvorsorge.
  • Das Finanzgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Zahlung habe zwar entscheidenden Einfluss auf die Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte des Klägers bei Rentenbeginn. Sie wurde außerdem aus besteuerten Einkünften geleistet. Damit stelle die Wiederauffüllungszahlung ihrer Rechtsnatur nach Erwerbsaufwendungen und damit vorweggenommene Werbungskosten dar. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sei die Wiederauffüllungszahlung jedoch - trotz ihrer Rechtsnatur - nur bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe Altersvorsorgeaufwendungen - ungeachtet der vollen Versteuerung der späteren Leistungen - bewusst den Sonderausgaben in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zugewiesen.

STEUERRAT: Aufgrund der Zuordnung zu den Sonderausgaben können Wiederauffüllungszahlungen nur im Rahmen der Höchstbeträge für Altersvorsorgeaufwendungen berücksichtigt werden. Im Jahre 2019 sind die Altersvorsorgebeiträge bei Ledigen insgesamt absetzbar bis zu 24.305 EUR. Diese Beiträge wirken sich mit 88 % steuermindernd aus, also mit höchstens 21.388 EUR. Der Höchstbetrag wird dabei zu einem großen Teil bereits durch die laufenden Zahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk aufgebraucht, so dass für den Abzug von freiwilligen Zahlungen nur noch ein beschränkter Spielraum verbleibt. Soweit rechtlich möglich und wirtschaftlich sinnvoll, sollten Wiederauffüllungszahlungen daher nicht in einer Summe, sondern gestreckt über mehrere Jahre erfolgen. Ungeachtet dessen sollten diejenigen, die bereits Zahlungen geleistet haben und diese ebenfalls nur als Sonderausgaben abziehen durften, Einspruch gegen ihre Steuerbescheide einlegen und ein Ruhen ihres Verfahrens beantragen, bis der Bundesfinanzhof in der Revision mit dem Az. X R 4/19 entschieden hat.

Weitere Informationen: Scheidung: Versorgungsausgleich - Private Ausgleichszahlungen

 

3. Haushaltsnahe Dienste:
Fahrtkosten an Kinder für Einkäufe nicht abziehbar

Für haushaltsnahe Dienstleistungen gibt es eine Steuervergünstigung in Höhe von 20 Prozent, höchstens 4.000 EUR im Jahr (§ 35a EStG). Zu den haushaltsnahen Dienstleistungen gehören vor allem hauswirtschaftliche Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt werden und für die ein selbstständiger Dienstleister beauftragt wird. Dienstleistungen von Partnern und Kindern können grundsätzlich nicht abgezogen werden, auch wenn diese für ihre Leistungen ein Entgelt erhalten, denn es handelt sich in der Regel um familiäre Verpflichtungen, die einem Vertrag nicht "zugänglich" sind. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn Sohn oder Tochter nicht in Ihrem Haushalt leben. Dann muss die Dienstleistung aber in einem zivilrechtlich einwandfreien Vertrag geregelt werden, zum Beispiel für Gartenarbeiten, und zwar so, wie es auch unter fremden Dritten üblich wäre. Zudem muss eine Rechnung vorliegen und der Betrag ist auf das Konto des "Leistenden" zu überweisen.

AKTUELL hat das FG des Saarlandes entschieden, dass die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nicht gewährt wird, wenn ein Kind die Wohnung eines Elternteils reinigt, ihm bei notwendigen Einkäufen behilflich ist und dafür nachweislich (nur) Fahrtkostenerstattungen erhält ((Urteil vom 15.2.2019, 1 K 1105/17).

  • Der Fall: Die verwitwete Mutter beantragte in ihrer Steuererklärung eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a Abs. 2 EStG). Sie begehrte den Abzug von Fahrtkostenerstattungen in Höhe von monatlich 180 EUR (2.160 EUR p.a.), welche sie an ihre Tochter überwies. Die Tochter reinigte wöchentlich die Wohnung der Mutter und war ihr bei den notwendigen Einkäufen behilflich. Eine Vergütung - neben den Fahrtkostenerstattungen - erhielt die Tochter nicht. Finanzamt und Finanzgericht verweigerten jedoch den Abzug der Kosten.
  • Begründung: Der Gesetzgeber wolle nur Dienstleistungen von gewerblichen Anbietern fördern, die entgeltliche Leistungen erbringen. Das Gericht schließe sich insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung an, die nur Leistungen von Dienstleistungsagenturen oder selbständigen Dienstleistern begünstigen will (BMF-Schreiben vom 9.11.2016 BStBl I 2016, S. 1213 Rz.11). Die alleinige Begünstigung von Fahrtkostenerstattungen an unentgeltlich Handelnde würde dem Gesetzeszweck nicht gerecht.
  • Leistungen, die auf Grund familienrechtlicher Verpflichtung zu erbringen sind, sowie solche aus Gefälligkeit im Familienverbund, sind nicht begünstigt. Allenfalls Leistungen, die nicht auf einer familienrechtlichen Grundlage erbracht werden, können abziehbar sein. Allerdings müsse auch eine solche Vereinbarung unter Angehörigen - wenn sie überhaupt anzuerkennen sei - inhaltlich dem entsprechen, was auch bei Vereinbarungen unter Fremden üblich ist.
  • Vorliegend halte die Vereinbarung zwischen der Mutter und ihrer Tochter einem Fremdvergleich nicht stand. Denn eine dauerhafte unentgeltliche Dienstleistung bei der Hilfe im Haushalt würde ein fremder Dritter nicht leisten. Für derartige Leistungen (z.B. Reinigung der Wohnung) ist ein Markt vorhanden, auf dem es zahlreiche Anbieter gibt, die regelmäßig ein Entgelt verlangen. An dieser Beurteilung ändere auch der Umstand nichts, dass der Tochter von der Klägerin monatlich ein Fahrtkostenersatz überwiesen wird. Der Fahrtkostenersatz stelle die Erstattung von Auslagen und nicht die Vergütung für die eigentliche Arbeitsleistung dar. Fahrtkostenersatz erhalte ein gewerblicher Anbieter (wie etwa auch ein Handwerker) in aller Regel obendrein.

STEUERRAT: Es kann seitens Sohn oder Tochter dennoch nicht schaden, die Fahrten aufzulisten, denn eventuell geht es später einmal um die Höhe der Erbschaftsteuer. Diese wiederum kann durch Pflegeleistungen bzw. durch den Pflegefreibetrag gemindert werden. Zu den Pflegeleistungen in diesem Sinne zählt auch die hauswirtschaftliche Versorgung (z.B. Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung). Eine aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht schließt die Gewährung des Pflegefreibetrags nicht aus (BFH-Urteil vom 10.5.2017, II R 37/15).

 

4. Sonderausgabe:
Wie ist die Erstattung von Kirchensteuer zu erfassen?

Die gezahlte Kirchensteuer ist steuerlich als Sonderausgabe abziehbar und mindert das zu versteuernde Einkommen. Erstattungen von Kirchensteuer, in der Regel aus der Steuererklärung des Vorjahres, werden mit der gezahlten Kirchensteuer im Jahr der Erstattung verrechnet. Eine Kirchensteuer-Erstattung für das Jahr 2017, die in 2018 ausgezahlt wird, mindert folglich die Kirchensteuer, die im Jahr 2018 als Sonderausgabe abziehbar ist.

Nun kann es Fälle geben, in denen der Erstattungsbetrag höher ist als die Zahlungen im betreffenden Jahr, z.B. weil Sie aus der Kirche ausgetreten sind, weil Kirchensteuer auf eine Abfindung oder auf den Gewinn aus Geschäftsveräußerung erlassen wurde, weil die Einkommensteuer aufgrund von Arbeitslosigkeit, Verlusten, Existenzgründung oder Rentenbeginn erheblich niedriger ist als im Vorjahr. Die Frage ist, wie ein Erstattungsüberhang steuerlich berücksichtigt wird.

  • Alte Rechtslage bis 2011: Früher wurde der Erstattungsüberhang verrechnet mit der gezahlten Kirchensteuer des Jahres, aus dem die Erstattung resultiert. Dazu wurde der Steuerbescheid dieses Jahres - auch wenn er schon bestandskräftig war - wegen eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert. Der Sonderausgabenabzug wurde also insoweit rückgängig gemacht.
  • Rechtslage seit 2012: Jetzt wird der Erstattungsüberhang nicht mehr umständlich in einem Vorjahr berücksichtigt, sondern ganz einfach im selben Jahr dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet. Das bedeutet: Für diesen Hinzurechnungsbetrag wird nun zusätzlich Einkommensteuer berechnet. Zweck der Neuregelung ist, die Wiederaufrollung der Steuerfestsetzungen der Vorjahre zu vermeiden, sodass keine Änderungen für zurückliegende Jahre mehr erforderlich sind (§ 10 Abs. 4b EStG).

Beispiel:
Herr Müller ist Ende 2017 aus der Kirche ausgetreten und erhält im Mai 2018 mit dem Steuerbescheid 2016 eine Kirchensteuererstattung von 600 EUR. In der Steuererklärung für 2018 ist also dieser Erstattungsbetrag anzugeben. Die gezahlte Kirchensteuer beträgt 0 EUR. In diesem Fall wird der negative Saldo von 600 EUR nicht in das Jahr 2016 zurückgetragen und dort der abzugsfähige Kirchensteuerbetrag um 600 EUR vermindert. Vielmehr wird der Erstattungsüberhang ganz einfach in der Steuerveranlagung 2018 dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet. Und für diesen Betrag ist Einkommensteuer nachzuzahlen.

Die Frage ist, ob durch die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs zum "Gesamtbetrag der Einkünfte" der so genannte Verlustausgleich beeinflusst wird. Das heißt: Wie ist zu verfahren, wenn Verluste aus Vorjahren existieren, die im Beispielsfall nach 2018 vorgetragen worden sind, weil sie in den Vorjahren nicht mit positiven Einkünften ausgeglichen werden konnten?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Erstattungsüberhang aus zurückgezahlter Kirchensteuer nicht mit Verlustvorträgen ausgeglichen werden kann. Der Überhang ist daher - trotz Verlusten der Vorjahre - als Einkommen zu versteuern (Urteil vom 12.3.2019, IX R 34/1).

  • Im Streitfall wurde den Klägern in 2012 Kirchensteuer erstattet, die die Vorjahre betraf. Die Kläger gingen davon aus, dass der Erstattungsüberhang aus Kirchensteuer in Höhe von 166.744 EUR mit einem Verlustvortrag aus den Vorjahren zu verrechnen sei. Der BFH lehnt dies jedoch ab. Die Richter begründen die Ablehnung einer Verlustverrechnung damit, dass der Erstattungsüberhang wie die ursprüngliche gezahlte Kirchensteuer als - negative - Sonderausgabe zu berücksichtigen ist.
  • Durch die Hinzurechnung kann es daher dazu kommen, dass Einkommensteuer gezahlt werden muss, obwohl hohe Verluste aus Vorjahren vorhanden sind. Es kommt dann zu einer Besteuerung allein des Vorteils aus der Erstattung von Kirchensteuer. Dies gilt auch dann, wenn sich die erstatteten Kirchensteuern im Zahlungsjahr letztlich nicht steuermindernd ausgewirkt haben - ein äußerst merkwürdiges Ergebnis.

 

III. Kinder

1. Kindergeld:
Vater muss an Mutter ausgezahltes Kindergeld zurückerstatten

Naturgemäß wird das Kindergeld auf ein Konto gezahlt, das der Familienkasse benannt wird. In guten Zeiten ist es den beiden Elternteilen regelmäßig gleichgültig, ob dieses Konto dem Vater oder der Mutter gehört oder ob beide darauf Zugriff haben. Denn das Kindergeld fließt ja letztendlich in die gemeinsame Kasse. Doch was geschieht, wenn die Familienkasse zu viel gezahltes Kindergeld zurückfordert und die Eltern zu diesem Zeitpunkt bereits getrennt leben? Darf Sie das Geld auch von demjenigen zurückfordern, der gar keinen Zugriff auf das Konto hatte?

AKTUELL hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass ein Vater zu Unrecht gezahltes Kindergeld auch dann an die Familienkasse zurückerstatten muss, wenn es nicht an ihn, sondern auf seine Anweisung auf ein Konto der Mutter ausgezahlt wurde, auf das er keinen Zugriff hat (Urteil vom 13.6.2019, 5 K 1182/19).

  • Der sehr tragische Fall: Die Familienkasse gewährte dem Vater für seinen Sohn Kindergeld und zahlte dieses auf das vom Vater im Kindergeldantrag angegebene Konto aus. Dieses gehörte der Mutter. Das Kindergeld wurde bis Januar 2018 gezahlt, obwohl der Sohn bereits im Juli 2017 verstorben war. Als die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes rückwirkend ab August 2017 aufhob, lebten die Eltern bereits getrennt. Das für die Zeit von August 2017 bis Januar 2018 bereits gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.154 EUR forderte die Familienkasse vom Vater zurück. Dagegen legte er Einspruch ein und machte geltend, das Kindergeld sei auf das Konto der von ihm getrennt lebenden Ehefrau ausgezahlt worden, auf das er keinen Zugriff habe. Einspruch und Klage blieben hingegen erfolglos.
  • Das Finanzgericht hielt den Einwand des Vaters für irrelevant. Die Familienkasse habe nur aufgrund der Zahlungsanweisung an dessen Ehefrau gezahlt mit dem Ziel, die Kindergeldforderung des Vaters zu erfüllen. Daher sei nicht die Ehefrau, sondern der Kläger Empfänger der Leistung gewesen und müsse nun das zu Unrecht gezahlte Kindergeld zurückerstatten.

 

2. Kindergeld: Wann ist eine Zweitausbildung noch begünstigt?

Auch für volljährige Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden, gibt es bis zum 25. Lebensjahr Kindergeld. Allerdings ist entscheidend, ob es sich um eine Erst- oder Zweitausbildung handelt. Denn für die Zweitausbildung besteht nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn nebenher keine Erwerbstätigkeit oder eine Tätigkeit von maximal 20 Wochenstunden ausgeübt wird. Eine so genannte mehraktige Berufsausbildung gilt indes als Teil einer einheitlichen Erstausbildung. Vereinfacht gesagt bedeutet dies: Wenn das Berufsziel des Kindes erst mit der zweiten "Ausbildung" erreicht wird, gilt diese noch als Teil der Erstausbildung und es gibt Kindergeld auch dann, wenn das Kind nebenher arbeitet. Dazu muss ein enger - sachlicher und zeitlicher - Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten vorliegen.

Kürzlich hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit einer ganzen Serie von Urteilen entschieden, dass immer dann, wenn ein weiterführendes Studium oder eine weiterführende Ausbildung "nur neben dem Beruf" ausgeübt werden, das Kindergeld versagt wird. Es reicht folglich nicht aus, wenn lediglich eine berufsbegleitende Weiterbildung vorliegt, da dann bereits die Berufstätigkeit im Vordergrund steht und der weitere Ausbildungsgang nur neben dieser durchgeführt wird. Die weiteren Ausbildungsmaßnahmen dienen dann regelmäßig nur der Weiterbildung oder dem Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Beruf (BFH-Urteile vom 11.12.2018, III R 22/18, III R 2/18, III R 32/17, III R 47/17; vgl. SteuerSparbrief Juni 2019).

AKTUELL hat der BFH zahlreiche weitere Fälle entschieden. Allein in drei Urteilen ging es um das Kindergeld für Töchter, die jeweils nach der Ausbildung zur Verwaltungsangestellten einen berufsbegleitenden Lehrgang zur Verwaltungsfachwirtin absolvierten (BFH-Urteil vom 20.2.2019, III R 42/18; BFH-Urteile vom 10.4.2019, III R 51/18 u. III R 33/18). In sogar sechs Fällen ging es um das Kindergeld für Kinder, die jeweils nach der Ausbildung zur Bankkauffrau/zum Bankkaufmann ein berufsbegleitendes Studium zum Bankfachwirt bzw. ein Finanz- oder Wirtschaftsstudium aufnahmen (BFH-Urteile vom 21.3.2019, III R 12/18, III R 16/18, III R 17/18, III R 40/18 u. III R 50/18; BFH-Urteil vom 10.4.2019, III R 19/18). Und das zehnte Urteil betraf das Kindergeld für einen Sohn, der nach der Ausbildung zum Industriemechaniker und der Meisterausbildung den Aufstieg zum "Geprüften Technischen Betriebswirt" absolvierte (BFH-Urteil vom 21.3.2019, III R 18/18).

Alle Fälle sind zwar an die Vorinstanzen zurückverwiesen worden, damit weitere Sachverhaltsaufklärungen erfolgen. Der BFH hat aber bereits durchblicken lassen, dass das Kindergeld zu versagen sein wird, wenn die Kinder jeweils nebenher in Vollzeit gearbeitet haben und die weiterführenden Ausbildungen gegenüber dem Beruf nicht im Vordergrund standen.

Doch den Urteilen sind auch drei positive Aussagen zu entnehmen, die in bestimmten Fällen hilfreich sein und das Kindergeld retten können:

  • Wie eingangs erwähnt muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten vorliegen. Die Familienkassen sind insofern sehr streng: Sie verlangen, dass sich das Kind innerhalb eines Monats nach Abschluss des ersten Ausbildungsabschnitts für die weiterführende Ausbildung oder das aufbauende Studium beworben haben muss. Zumindest muss den Familienkassen frühzeitig eine Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung vorgelegt werden, und zwar spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts. Dieser Sichtweise hat der BFH widersprochen. Es genüge, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind. Auf die genannte Monatsfrist komme es nicht an.
  • Zudem darf die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung nicht deshalb abgelehnt werden, weil diese neben öffentlich-rechtlich geordneten auch nicht öffentlich-rechtlich geordnete Ausbildungsmaßnahmen umfasst. Es dürfe nicht der Schluss gezogen werden, dass sämtliche Teilmaßnahmen einer einheitlichen Erstausbildung jeweils für sich genommen öffentlich-rechtlich geordnet sein müssen - so der BFH.
  • Nach Auffassung der Familienkasse lässt jede Berufstätigkeit, die von der Prüfungsordnung des zweiten Ausbildungsabschnitts als Prüfungsvoraussetzung gefordert wird, den notwendigen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten entfallen. Auch dieser Auffassung hat der BFH widersprochen. Er sieht es nicht als schädlich an, wenn der zweite Ausbildungsabschnitt eine Erwerbstätigkeit zur Abschlussvoraussetzung macht.

STEUERRAT: Das Kindergeldrecht zur mehraktigen Berufsausbildung ist extrem kompliziert geworden. Im Zweifelsfall sollten Sie das Prüfschema aus dem SteuerSparbrief Juni 2019 zur Hand nehmen, das Steuerrat24 für Sie entwickelt hat.

Weitere Informationen: Volljährige Kinder: Berücksichtigung ohne Einkommensprüfung

 

3. Kindergeld:
Ablehnung von Stundungsersuchen oftmals rechtswidrig

Die Rückforderung von Kindergeld ist für die Betroffenen schmerzlich und kommt zudem in aller Regel zu einem Zeitpunkt, in dem die Haushaltskasse leer ist. Dann bleibt nur noch ein Antrag auf Stundung oder gar Erlass der Rückforderungsansprüche. Seit März 2015 bearbeitet die Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen bundesweit alle Inkasso-Fälle, die Kindergeld betreffen. Die Behörde entscheidet auch über Stundungs- und Erlassanträge.

AKTUELL hat das Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass der Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen hierzu nicht berechtigt ist (Gerichtsbescheid vom 14.05.2019, 10 K 3317/18 AO). Zahlreiche Ablehnungsbescheide über Stundungs- und Erlassanträge dürften damit rechtswidrig sein.

Im entschiedenen Fall wurde der Kläger von seiner zuständigen Familienkasse aufgefordert, zu Unrecht ausgezahltes Kindergeld zurückzuzahlen. Sein Antrag auf Stundung des Rückzahlungsbetrags wurde durch den Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen abgelehnt. Das Finanzgericht hat dem Kläger teilweise Recht gegeben und den Ablehnungsbescheid des Inkasso-Services der Bundesagentur für Arbeit aufgehoben.

Das Gericht führt aus, dass diese Behörde für die Entscheidung über den Stundungsantrag nicht zuständig gewesen sei. Zwar könne der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit bestimmte Zuständigkeiten selber regeln. Eine Übertragung der Zuständigkeit für Entscheidungen im Erhebungsverfahren für den Familienleistungsausgleich auf die Behörde in Recklinghausen sei aber nicht erfolgt. Nach Auffassung des Gerichts hat über den Stundungsantrag des Klägers nun seine örtliche Familienkasse zu entscheiden.

STEUERRAT: Ob die Eltern im genannten Fall endgültig von der Rückforderung des Kindergeldes verschont bleiben, ist zwar fraglich, da zwischenzeitlich die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. III R 36/19 anhängig ist. Dennoch sollten sich Betroffene bis auf Weiteres auf das genannte Verfahren berufen und ablehnende Bescheide anfechten.

 

4. Aktion Tagwerk "Dein Tag für Afrika":
Spende von Arbeitslohn ohne Steuerabzug

"Dein Tag für Afrika" ist eine bundesweite Kampagne für Schülerinnen und Schüler jeden Alters und aller Schulformen, die seit 2003 jährlich von dem gemeinnützigen Verein Aktion Tagwerk e.V., Mainz, organisiert wird. Am 18. Juni 2019 fand der diesjährige Höhepunkt und bundesweite Aktionstag der Kampagne statt. In ganz Deutschland engagierten sich in diesem Kampagnenjahr bereits zum 17. Mal rund 170.000 Schülerinnen und Schüler von 547 Schulen und arbeiteten für den guten Zweck, leisteten Hilfsdienste im Freundes- oder Familienkreis oder veranstalteten gemeinsame Aktionen im Klassenverband. Die Aktion Tagwerk e.V. bittet die Arbeitgeber, den Lohn nicht bar an die Schüler auszuzahlen, sondern ihn auf das Spendenkonto des Vereins zu überweisen. In diesem Jahr wird der Erlös auf rund 1,3 Millionen Euro geschätzt und kommt Bildungsprojekten in den Ländern Ruanda, Uganda, Burundi, der Elfenbeinküste, Burkina Faso, Guinea und Äthiopien zugute.

Da wirklich (fast) alles im Leben eine steuerliche Relevanz hat, so ergeben sich auch bei dieser wohltätigen Aktion steuerliche Fragen. Was sollten die Schüler und die Betriebe in steuerlicher Hinsicht dazu wissen? Hier sagen wir es Ihnen (OFD Frankfurt vom 16.10.2012, S 2332 A-88-St 211):

  • Bei der in den Betrieben und Privathaushalten ausgeübten Arbeit geht die Finanzverwaltung von einem Arbeitsverhältnis aus. Die von den Arbeitgebern direkt auf das Spendenkonto überwiesenen Beträge stellen folglich Arbeitslohn dar. Wegen der Besonderheit des Projektes müssen davon jedoch weder Lohnsteuer noch Sozialabgaben einbehalten werden. Die Überweisung auf das Spendenkonto des gemeinnützigen Vereins müssen Betriebe im Lohnkonto vermerken. Hingegen müssen private Arbeitgeber kein Lohnkonto führen.
  • Betriebe können den überwiesenen Lohn als Betriebsausgaben absetzen. Die Ausgaben müssen nicht als Lohn verbucht werden, sondern können über das Kostenkonto "Aushilfe" oder als "sonstige Kosten" laufen. Als Beleg für die Buchhaltung ist der Durchschlag des Arbeitsvertrags anerkannt. Bei Privathaushalten ist ein Betriebsausgabenabzug nicht möglich.
  • Der Arbeitgeber kann die steuerfrei belassenen Vergütungen nicht als Spenden steuerlich absetzen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Spende, sondern um einen Lohn für die Arbeitsleistung des Schülers. Es ist der Schüler, der seinen Lohn an Aktion Tagwerk spendet. Der Verein Aktion Tagwerk e.V. darf über den gespendeten Lohn keine Zuwendungsbestätigungen ausstellen.

Weitere Informationen: Schulprojekt: Aktion Tagwerk "Dein Tag für Afrika"

 

5. Elterngeld:
Gehaltsnachzahlungen können das Elterngeld erhöhen

Bemessungsgrundlage für das Elterngeld ist das persönliche Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes. Nicht berücksichtigt werden dabei Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als "sonstige Bezüge" behandelt werden. Dies sind beispielsweise Einmalzahlungen, wie dreizehnte und vierzehnte Monatsgehälter, Gratifikationen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld (§ 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG). Auch eine Gehaltsnachzahlung für das vergangene Jahr stellt steuerlich einen "sonstigen Bezug" dar und darf daher seit 2015 nicht mehr für die Elterngeldberechnung berücksichtigt werden.

AKTUELL hat das Bundessozialgericht entschieden, dass Gehaltsnachzahlungen bei der Bemessung des Elterngelds berücksichtigt werden können. Und zwar dann, wenn das Gehalt in Zeiten vor dem Bemessungszeitraum (12 Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes) "erarbeitet" und im Bemessungszeitraum ausgezahlt wurde. Denn entscheidend sei, welches Einkommen der Elterngeldberechtigte "im Bemessungszeitraum hat". Nicht mehr entscheidend ist, wann der nachgezahlte laufende Arbeitslohn vom Elterngeldberechtigten erarbeitet worden ist (BSG-Urteil vom 27.6.2019, B 10 EG 1/18 R).

  • Der Fall: Die Klägerin erzielte vor der Geburt ihrer Tochter (25.8.2014) Gehalt aus einer abhängigen Beschäftigung. Der Beklagte bewilligte der Klägerin Elterngeld für den 1. bis 11. Lebensmonat, legte den Bemessungszeitraum auf die Zeit von Juli 2013 bis Juni 2014 fest und klammerte das im August 2013 nachgezahlte Gehalt für Juni 2013 bei der Berechnung aus. Das Landessozialgericht hatte dies für rechtens befunden. Gehaltsnachzahlungen im laufenden Jahr seien lohnsteuerrechtlich den Lohnzahlungszeiträumen zuzurechnen, für die sie geleistet wurden. Das nachgezahlte Gehalt für Juni 2013 sei deshalb wegen der Steuerakzessorietät des Elterngeldes außerhalb des Bemessungszeitraums erzielt.
  • Nach Auffassung des BSG ist nachgezahlter laufender Arbeitslohn, den der Elterngeldberechtigte außerhalb der für die Bemessung des Elterngelds maßgeblichen zwölf Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes (Bemessungszeitraum) "erarbeitet" hat, der Bemessung des Elterngeldes zugrunde zu legen, wenn er im Bemessungszeitraum zugeflossen ist. Denn entscheidend sei, welches Einkommen der Berechtigte "im Bemessungszeitraum hat". Dies folge aus der gesetzlichen Neuregelung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) vom 10.9.2012. Der Landkreis sei deshalb nicht berechtigt gewesen, die von der Klägerin im Juni 2013 vor dem Bemessungszeitraum (Juli 2013 bis Juni 2014) erarbeitete Gehaltsnachzahlung bei der Berechnung des Elterngelds auszuklammern. Maßgeblich sei vielmehr, dass ihr diese Gehaltsnachzahlung im August 2013 und damit im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossen war.

ACHTUNG: Etwas anderes gilt, wenn die Gehaltsnachzahlung steuerlich als "sonstiger Bezug" behandelt wird. Ein als sonstiger Bezug gezahlter Arbeitslohn kann unabhängig von der Frage seiner konkreten zeitlichen Zuordnung bei der Bemessung des Elterngelds von vornherein nicht herangezogen werden. Unerheblich ist daher, für welchen Zeitraum der Arbeitnehmer diese Gehaltsnachzahlung "erarbeitet" hat. Das hat das Bundessozialgericht ebenfalls entschieden (BSG-Urteil vom 27.6.2019, B 10 EG 2/18 R).

Weitere Informationen: Elterngeld: Wie das maßgebliche Einkommen ab 2013 ermittelt wird

 

IV. Nebentätigkeit

1. Betreuer:
Aufwandsentschädigung aus der Landeskasse nur begrenzt steuerfrei

Ehrenamtliche rechtliche Betreuer erhalten für ihre Tätigkeit eine jährliche Aufwandspauschale, die grundsätzlich steuerpflichtig ist. Seit 2011 gibt es für ehrenamtliche rechtliche Betreuer, Vormünder und Pfleger den sog. Betreuerfreibetrag, der seit 2013 auf 2.400 EUR angehoben wurde (§ 3 Nr. 26b EStG). Damit sind nunmehr bis zu 6 Betreuungsfälle à 399 EUR pro Jahr steuerfrei. Bei 7 Betreuungen muss ein Betrag von 393 EUR versteuert werden (399 EUR x 7 = 2.793 EUR ./. 2.400 EUR = 393 EUR). Und zwar als "Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit" gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung kommt die Steuerbefreiung für Zahlungen aus einer öffentlichen Kasse nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG nicht in Betracht, weil die Aufwandsentschädigung nicht in einem Haushaltsplan ausgewiesen wird. Auch die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG greift nicht, weil es sich bei der Betreuertätigkeit nicht um öffentliche Dienste handelt.

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg die Auffassung des Fiskus bestätigt und entschieden, dass Aufwandsentschädigungen an eine ehrenamtliche Betreuerin stets nur in Höhe des sog. Betreuerfreibetrags nach § 3 Nr. 26b EStG steuerfrei und darüber hinaus steuerpflichtig sind. Dies gilt auch dann, wenn die Aufwandsentschädigungen aus der Landeskasse gezahlt werden (FG Baden-Württemberg vom 6.3.2019, 2 K 317/17).

  • Der Fall: Die Klägerin ist für ein im Bereich der Behindertenhilfe tätiges gemeinnütziges Sozialunternehmen als Betreuerin mehrerer Personen selbstständig tätig. Ihr Aufwendungsersatz wird ausschließlich aus der Landeskasse aus dem Titel des Staatshaushalts Baden-Württemberg "Auslagen in Rechtssachen" bezahlt. Die Aufwandsentschädigung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und im Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz festgesetzt. Die Klägerin begehrte vollumfängliche Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 12 EStG. Das Finanzamt berücksichtigte lediglich den Freibetrag nach § 3 Nr. 26b EStG. Diese Norm sei ab 2011 anzuwenden und gehe als Spezialvorschrift der Steuerbefreiungsnorm § 3 Nr. 12 EStG vor.
  • Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamtes. Zum einen seien die Vergütungen an die Klägerin im Haushaltsplan nicht als Aufwandsentschädigung ausgewiesen. Dies sei jedoch nach dem historischen Willen des Gesetzgebers, der Systematik und dem Zweck der Norm § 3 Nr. 12 EStG erforderlich. Auf die insoweit geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs habe der Gesetzgeber umgehend reagiert und § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG neu gefasst. Zum anderen habe der Gesetzgeber mit § 3 Nr. 26b EStG ab 2011 eine neue Steuerbefreiungsvorschrift für ehrenamtliche Betreuer geschaffen. Diese Norm gelte ihrem Wortlaut nach sowohl für aus der Landeskasse als auch für vom Betreuten bezahlte ehrenamtliche Betreuer. Sie regle die Entschädigungen an ehrenamtliche Betreuer abschließend und gehe § 3 Nr. 12 EStG zur gleichmäßigen steuerlichen Behandlung aller ehrenamtlichen Betreuer vor.

Weitere Informationen: Nebentätigkeiten: Betreuerfreibetrag nach § 3 Nr. 26b EStG

 

2. Betreuer:
Höhere Vergütungen für berufsmäßige Betreuer und Vormünder

Für Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage sind, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln, bestellt das Amtsgericht einen rechtlichen Betreuer (§§ 1896 ff. BGB).

(1) Ehrenamtlicher Betreuer: Grundsätzlich wird die rechtliche Betreuung unentgeltlich wahrgenommen (§ 1836 Abs. 1 BGB). Wurde ein ehrenamtlicher Betreuer bestellt, so kann dieser zur Abgeltung seines Anspruchs auf Aufwendungsersatz für jede rechtliche Betreuung, für die ihm keine Vergütung zusteht, als Aufwandsentschädigung einen Geldbetrag verlangen (§ 1835a Abs. 1 BGB). Sie können ihre Auslagen entweder in Form der Einzelabrechnung geltend machen, oder sie erhalten gemäß § 1835a BGB eine jährliche Aufwandspauschale in Höhe von 399 EUR.

Die Aufwandsentschädigungen sind bis zu einem Höchstbetrag von 2.400 EUR steuer- und sozialversicherungsfrei (sog. Betreuerfreibetrag gemäß § 3 Nr. 26b EStG). Steuerfrei bleiben also bis zu 6 Betreuungen (399 EUR x 6 = 2.394 EUR). Bei mehr als 6 Betreuungsfällen muss ein übersteigender Betrag als "Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit" gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG versteuert werden.

(2) Berufsmäßiger Betreuer: Ein berufsmäßiger Betreuer wird nur dann bestellt, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Wahrnehmung der Betreuung bereit ist (§ 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB). Die Feststellung einer Berufsmäßigkeit der Betreuung hat das Familiengericht zu treffen. Hat das Familiengericht die Berufsmäßigkeit festgestellt, dann hat dieses dem Betreuer eine Vergütung zu bewilligen. Danach liegt eine Berufsmäßigkeit im Regelfall vor, wenn der Vormund mehr als zehn Vormundschaften führt oder die für die Wahrnehmung der Vormundschaft erforderliche Zeit mehr als 20 Wochenstunden erfordert.

Berufsbetreuer erzielen nach neuer BFH-Rechtsprechung seit 2010 "Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit" gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Damit kann die Gewinnermittlung unabhängig von der Höhe der Einkünfte mittels Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG erfolgen (BFH-Urteile vom 15.6.2010, BStBl. 2010 II S. 906 und 909). Der Betreuerfreibetrag von 2.400 EUR gemäß § 3 Nr. 26b EStG wird Berufsbetreuern nicht gewährt.

Bei Berufsbetreuern erfolgt eine Bezahlung gemäß Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (§ 1 Abs. 2 VBVG). Für die Kosten muss der Betreute einstehen, sofern er vermögend ist, ansonsten übernimmt der Staat die Kosten. Seit dem 1.7.2005 bis zum 27.7.2019 gelten folgende Vergütungssätze:

  • Für Berufsvormünder beträgt die Vergütung je nach beruflicher und akademischer Ausbildung pro Stunde 19,50 EUR, 25 EUR oder 33,50 EUR (§ 3 Abs. 1 VBVG).
  • Für Berufsbetreuer beträgt die Vergütung je nach Ausbildungsstand pro Stunde 27 EUR, 33,50 EUR oder 44 EUR (§§ 4 und 5 VBVG).

AKTUELL wird mit dem "Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung" vom 22.6.2019 nach nunmehr 14 Jahren die Vergütung ab dem 27. Juli 2019 verbessert.

  • Für Berufsvormünder soll es bei dem bisherigen Vergütungssystem bleiben, ihre Stundensätze werden aber angehoben - und zwar je nach Ausbildungsstand auf 23 EUR, 29,50 EUR oder 39 EUR (§ 3 VBVG).
  • Für Berufsbetreuer wird die bisherige Kombination aus Stundensatz und Stundenansätzen ersetzt durch ein System monatlicher Fallpauschalen. Zudem soll die Vergütung der Berufsbetreuer um durchschnittlich 17 Prozent steigen. Rechtstechnisch wird das Fallpauschalensystem durch drei Vergütungstabellen umgesetzt, die dem VBVG als Anlage beigefügt sind. Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach
  • Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
  • Vergütungstabelle B, wenn die Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
  • Vergütungstabelle C, wenn die Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

Hier geht es zur Lesefassung des Bundesgesetzblattes mit den Vergütungstabellen.

 

V. Eigenheim und Vermietung

1. Handwerkerleistungen:
Keine Anrechnung von Baukindergeld

Aufwendungen für Handwerkerleistungen sind mit 20 %, höchstens 1.200 EUR im Jahr, direkt von der Steuerschuld abziehbar (§ 35a Abs. 3 EStG). Nicht begünstigt sind allerdings Handwerkerleistungen im Rahmen von Baumaßnahmen, die mit irgendwelchen öffentlichen Mitteln in Form von zinsverbilligten Darlehen oder steuerfreien Zuschüssen gefördert werden. Die Frage ist, ob auch das Baukindergeld, das bekanntlich von der KfW-Bank ausgezahlt wird, eine solche öffentliche Förderung darstellt und deshalb auf Handwerkerleistungen anzurechnen ist.

Der Ausschluss der Doppelförderung erstreckt sich auf Förderprogramme, wie z.B. "Altersgerecht umbauen" oder zur Förderung energetischer Renovierung, Erhaltung und Modernisierung, sowie vergleichbare Förderprogramme der Länder, wie z.B. in Hamburg für Wärmeschutzmaßnahmen. Auch dafür werden zinsverbilligte Darlehen oder steuerfreie Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln gewährt. Die Vergünstigung ist allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn die Förderung tatsächlich genutzt wurde. Der bloße Anspruch darauf verhindert die Steuervergünstigung nicht.

AKTUELL hat das Finanzministerium Schleswig-Holstein darauf hingewiesen, dass die Gewährung von Baukindergeld die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG nicht ausschließt (FinMin. Schleswig-Holstein vom 18.6.2019, VI 3012-S 2296b-025).

Mit dem Baukindergeld werde ausschließlich der erstmalige Erwerb von Wohneigentum oder die Neuanschaffung von Wohnraum gefördert. Handwerkerleistungen seien hingegen nicht Inhalt der Förderung, die über 10 Jahre ausgezahlt wird. Im Unterschied zu anderen Förderprogrammen der KfW-Bank für investive Maßnahmen der Bestandssanierung schließt die Gewährung von Baukindergeld daher eine Inanspruchnahme der Steuermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG nicht aus.

Weitere Informationen: Steuervergünstigung für Handwerkerleistungen

 

2. Angehörigen-Mietvertrag:
Keine hälftige Vermietung der gemeinsamen Wohnung

Mietverträge zwischen Angehörigen sind steuerlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie wie unter fremden Dritten geschlossen und durchgeführt werden. Zudem können die Kosten voll abgezogen werden, wenn für die Wohnungsüberlassung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete gezahlt werden.

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg aber entschieden, dass ein Mietverhältnis steuerlich nicht anzuerkennen ist, wenn eine Lebensgefährtin die gemeinsam genutzte Wohnung hälftig an ihren Partner vermietet (Urteil vom 6.6.2019, 1 K 699/19).

  • Der Fall: Die Klägerin ist Eigentümerin einer Immobilie. Das Obergeschoss bewohnt sie mit ihrem Lebensgefährten. Dieser überwies ihr monatlich einen als Miete bezeichneten Betrag in Höhe von 350 EUR und ein Haushaltsgeld in Höhe von 150 EUR. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte haben ein als Mietvertrag bezeichnetes Dokument unterzeichnet. Danach vermietet die Klägerin die Wohnung im Obergeschoss zur Hälfte für 350 EUR inklusive Nebenkosten monatlich. In ihrer Einkommensteuererklärung erklärte sie Verluste aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzamt berücksichtigte den Verlust jedoch nicht. Die Klage hatte keinen Erfolg.
  • Die Begründung der Richter: Das Mietverhältnis halte keinem Fremdvergleich stand. Ein fremder Dritter lasse sich nicht auf eine bloße Berechtigung zur Mitnutzung einer Wohnung ohne Privatsphäre, ohne ihm individuell und abgrenzbar zugewiesene Wohnräume ein. Der Vortrag, jeder habe jeweils ein Schlafzimmer zur ausschließlichen individuellen Nutzung, könne nicht überprüft werden und widerspreche dem Mietvertrag. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft sei jedenfalls auch eine Wirtschaftsgemeinschaft, deren wesentlicher Bestandteil das gemeinsame Wohnen sei. Daher sei kein zivilrechtlicher Vertrag, sondern die persönliche Beziehung der Partner die Grundlage des gemeinsamen Wohnens. Beide Partner tragen nach ihren Kräften finanziell zur gemeinsamen Lebensführung bei, wozu auch das Wohnen gehöre. Die erklärten Mieteinnahmen seien steuerlich nicht berücksichtigungsfähige Beiträge zur gemeinsamen Haushaltsführung und Aufwendungen für diese Wohnung nicht abzugsfähig.

 

VI. Selbstständige

1. Umsatzsteuer:
Vorsteuerabzug aus Bewirtungskosten trotz Formfehlern

Der Abzug von Bewirtungskosten setzt bei der Einkommensteuer voraus, dass der Bewirtungsbeleg unter anderem Angaben zu den Teilnehmern und zum Anlass der Bewirtung erhält. In einem Fall vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg ging es nun um die Frage, ob die strengen einkommensteuerlichen Formerfordernisse auch für die Umsatzsteuer gelten. Interessanterweise haben die Finanzrichter den Vorsteuerabzug aus den Bewirtungskosten trotz Mängeln bei den einkommensteuerlich notwendigen Angaben gewährt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9.4.2019, 5 K 5119/18).

  • Der Fall: Der Kläger erzielte Einkünfte als selbständiger Unternehmensberater und Dozent. Er hatte unstreitig Aufwendungen aus der Bewirtung von Geschäftspartnern. Die entsprechenden Belege hierzu enthielten zunächst keine Eintragungen zum Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung. Das Finanzamt versagte daraufhin den Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Bewirtungskosten. Im Einspruchsverfahren holte der Unternehmer die Eintragungen zwar nach. Dies sah das Finanzamt aber als verspätet an und beließ es bei der Streichung des Vorsteuerabzugs. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg.
  • Die Begründung des Finanzgerichts: Ein Verstoß gegen die einkommensteuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten für Bewirtungsaufwendungen (z.B. ein fehlender Bewirtungsbeleg) führe nicht zugleich zur Versagung des Vorsteuerabzugs. Vielmehr sei allein entscheidend, ob die Bewirtungsaufwendungen nach allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen zu beurteilen seien. Eine Versagung des Vorsteuerabzugs allein auf Grundlage der Nichteinhaltung von Formvorschriften - unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nachweisen kann - stelle eine mit dem mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatz nicht vereinbare Belastung des Steuerpflichtigen dar.

STEUERRAT: Im Urteilsfall war unstreitig, dass tatsächlich geschäftliche Bewirtungen stattgefunden haben. Dies dürfte in anderen Fällen wohl weniger eindeutig sein, wenn Angaben auf bzw. zu den Bewirtungsbelegen fehlen. Insofern gilt natürlich die Empfehlung, zu den Bewirtungsbelegen stets Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung sowie die Höhe der Aufwendungen zu vermerken. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, aber wohl seitens des Finanzamts nicht eingelegt. Übrigens: Während Kosten für die Bewirtung von Geschäftspartnern einkommensteuerlich nur zu 70 Prozent als Betriebsausgabe abziehbar sind, bleibt der Vorsteuerabzug in voller Höhe erhalten. Eine 30-prozentige Kürzung der Aufwendungen erfolgt bei der Umsatzsteuer also nicht.

 

2. Bargeldgeschäfte:
Elektronische Kassensysteme bald melden

Ab dem 1.1.2020 müssen Kassen und Kassensysteme ("elektronische Aufzeichnungssysteme") zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen vorsehen. Das heißt: Ab dem kommenden Jahr müssen Kassen durch eine so genannte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) geschützt sein, die bestimmte Vorgänge in der Kasse manipulationssicher protokolliert. Das konkret eingesetzte TSE-Modell muss durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert sein. Wichtig: Die betroffenen Kassen müssen außerdem innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme an das zuständige Finanzamt gemeldet werden. Die erstmalige Mitteilung muss bis zum 31.1.2020 erfolgen.

Dem zuständigen Finanzamt sind u.a. mitzuteilen: die Art der TSI, die Art und die Anzahl sowie die Seriennummern des bzw. der verwendeten elektronischen Aufzeichnungssysteme, das Datum der Anschaffung des bzw. der Systeme. Die Meldung an das Finanzamt darf ausschließlich mittels eines amtlich vorgeschriebenen Vordrucks erfolgen.

ALTUELL weist das Bayerische Landesamt für Steuern auf seiner Homepage darauf hin, dass der Vordruck noch nicht zur Verfügung steht. Eine Meldung sei deshalb noch nicht möglich. Betroffene Unternehmen sollten daher abwarten, bis der Vordruck veröffentlicht wird.

STEUERRAT: Mit Schreiben vom 17.6.2019 hat das Bundesfinanzministerium äußerst umfassend zu den Anforderungen an die neuen Kassensysteme, zur Meldepflicht, aber auch zur Belegausgabepflicht Stellung genommen. Wer ein elektronisches Kassensystem nutzt, muss seinen Kunden ab 1.1.2020 ungefragt einen Beleg zur Verfügung stellen, auch wenn seitens des Kunden eine Pflicht zur Annahme sowie zur Aufbewahrung des Bons nicht besteht. Zwar besteht eine Ausnahme von der Belegausgabepflicht für den Fall, dass Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen verkauft werden. Wenn der Unternehmer diese Ausnahme nutzen möchte, muss er aber einen Antrag bei der Finanzbehörde stellen. Die Verwaltungsanweisung finden Sie hier: BMF-Schreiben vom 17.6.2019

HINWEIS: Die Praxis hofft nach wie vor darauf, dass die Frist zur Einführung einer TSE sowie die Meldefristen verlängert werden. Denn es wäre ein Unding, wenn sich Gastronomen und Einzelhändler ausgerechnet im hektischen Vorweihnachtsgeschäft mit den neuen Anforderungen befassen müssen.

 

3. Ehegatten-Arbeitsverhältnis:
Sind Zeitwertkonten für Ehegatten zulässig?

Ein schönes Modell, um später vorzeitig und abgesichert in den Ruhestand gehen zu können, ist das Zeitwertkonto. Auf ein solches Konto können Mitarbeiter Überstunden- und Urlaubsabgeltungen, Einmalzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Tantiemen), Teile des laufenden Arbeitslohns sowie freiwillige Leistungen des Arbeitgebers einbringen. Während der Ansparphase fallen für gutgeschriebene Beträge keine Steuern an. Weder die Vereinbarung noch die Wertgutschrift auf dem Zeitwertkonto führen steuerlich zum Zufluss von Arbeitslohn. Auch sind die Einzahlungen auf das Zeitwertkonto sozialversicherungsfrei. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge werden erst dann fällig, wenn das angesparte Wertguthaben später planmäßig für die Freistellung von der Arbeit oder Verringerung der Arbeitszeit verwendet wird (nachgelagerte Besteuerung). Doch kann ein solches Zeitwertkonto auch im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses eingerichtet werden?

Für bilanzierende Unternehmer wäre ein solches Modell steuerlich interessant, weil sie für ihre - künftigen - Aufwendungen schon heute eine steuermindernde Rückstellung bilden können, während ihr Ehepartner insoweit noch keinen Arbeitslohn versteuern muss. Unterm Strich ergibt sich also zunächst eine Steuerersparnis, die erst Jahre später wieder "zurückzuzahlen" ist. Da der Steuersatz zudem später oftmals niedriger ist als in der aktiven Phase des Erwerbslebens, bleibt ein hübsches Sümmchen über.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg ist der Auffassung, dass auch für den angestellten Ehegatten ein Zeitwertkonto anzuerkennen ist. Das gelte selbst dann, wenn rund 70 Prozent des Arbeitslohns in das Wertguthabenkonto eingezahlt und nur 30 Prozent an den Ehepartner ausgezahlt werden (Urteil vom 23.10.2018, 5 K 2061/16). Auch die Tatsache, dass den anderen Arbeitnehmern das Modell eines Zeitwertguthabens nicht angeboten wurde, war im Urteilsfall unerheblich, da die Ehefrau die einzige Bürokraft war. Das Angebot des Wertguthabenmodells beziehe sich damit auf einen abgegrenzten Unternehmensbereich. Maßgebend war nur, dass die vertraglichen Vereinbarungen des Arbeitsvertrages und des Zeitwertguthabens für sich genommen fremdüblich waren und auch ordnungsgemäß durchgeführt wurden.

Doch ob die Gestaltung Bestand haben wird, ist noch nicht endgültig entschieden, denn zwischenzeitlich liegt beim Bundesfinanzhof die Revision unter dem Az. X R 1/19 vor.

Weitere Informationen: Zeitwertkonten: Interessantes Modell zur Gestaltung der Lebensarbeitszeit

 

4. GmbH:
Zeitwertkonten für Minderheitsgesellschafter sind zulässig

Zeitwertkonten sind beliebt und gerne würden auch GmbH-Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften die Modelle in Anspruch nehmen. Denn mit Hilfe eines solchen Modells können Gehaltsbestandteile lohnsteuerfrei umgewandelt und in ein Wertguthaben eingestellt werden, um eine spätere Freistellung von der Arbeitspflicht bei unverändertem Bezug von Gehalt aus dem Wertguthaben zu ermöglichen. Doch sind Zeitwertkontenmodelle für "Organe" von Kapitalgesellschaften steuerlich zulässig?

Die Finanzverwaltung hat Zeitwertkonten für GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder jedenfalls lange Jahre abgelehnt (BMF-Schreiben vom 17.6.2009, BStBl 2009 I S. 1286). Und im Jahre 2015 hat auch der BFH das Arbeitszeitkonto für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH missbilligt. Mit dem Aufgabenbild eines GmbH-Geschäftsführers sei es nicht vereinbar, dass er durch die Führung eines Arbeitszeitkontos auf seine unmittelbare Entlohnung zu Gunsten später zu vergütender Freizeit verzichte (BFH-Urteil vom 11.11.2015, I R 26/15).

Doch dann die Kehrtwende: Im Jahre 2018 hat der BFH eine wichtige Differenzierung vorgenommen und entschieden, dass - anders als für Gesellschafter-Geschäftsführer - für Fremd-Geschäftsführer einer GmbH die Vorteile des Zeitwertkontos doch gelten. Für sie sind - wie bei "normalen" Arbeitnehmern - die Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto zur Finanzierung eines vorzeitigen Ruhestands nicht bereits bei Einzahlung, sondern erst bei Auszahlung als Arbeitslohn zu versteuern. Ebenfalls sind die Erträge aus dem Konto nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern, sondern bei Auszahlung als Arbeitslohn. Die bloße Organstellung als Geschäftsführer sei für den Zufluss von Arbeitslohn ohne Bedeutung (BFH v. 22.2.2018, VI R 17/16).

AKTUELL akzeptiert die Finanzverwaltung die Rechtsprechung, und zwar ab sofort in allen offenen Fällen. Und: Nicht nur bei Fremd-, sondern auch bei Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführern kann dem Grunde nach ein Zeitwertkonto anzuerkennen sein. Es ist bei nicht beherrschenden Gesellschaftern lediglich nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Liegt danach keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, sind Vereinbarungen über die Einrichtung von Zeitwertkonten lohn- bzw. einkommensteuerlich grundsätzlich anzuerkennen. Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern bleibt es aber dabei, dass die Einrichtung von Zeitwertkonten zu verdeckten Gewinnausschüttungen führt (BMF-Schreiben vom 8.8.2019, IV C 5-S 2332/07/0004:004).

Die gutgeschriebenen Zinsen auf dem Konto von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern gehören also zu den steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen und unterliegen der Abgeltungsteuer. Die spätere Auszahlung in der Freistellungsphase ist dann abgabenfrei.

STEUERRAT: Die Bestellung als Geschäftsführer oder Vorstand hat keinen Einfluss auf das bis zu diesem Zeitpunkt aufgebaute Guthaben eines Zeitwertkontos. Erst ab diesem Zeitpunkt führen (bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern oder Vorständen) alle weiteren Zuführungen zu dem Konto steuerlich zu Zufluss von Arbeitslohn. Nach Beendigung der Tätigkeit als Geschäftsführer oder Vorstand und Fortbestehen des Dienstverhältnisses kann der Arbeitnehmer das Guthaben entsprechend der allgemeinen Regeln weiter aufbauen oder das aufgebaute Guthaben für Zwecke der Freistellung verwenden.

Weitere Informationen: Zeitwertkonten: Interessantes Modell zur Gestaltung der Lebensarbeitszeit

 

5. Investitionsabzugsbetrag:
Bei einem Firmen-Pkw hilft nur das Fahrtenbuch

Wenn kleine und mittlere Betriebe in den kommenden drei Jahren Investitionen planen, können sie schon heute Steuern sparen: Sie dürfen einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) von 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten in der Gewinnermittlung abziehen (§ 7g EStG). Die vorgezogene Steuerersparnis soll die Finanzierung erleichtern. Eine Voraussetzung für die Bildung eines IAB ist u.a., dass das Wirtschaftsgut mindestens bis zum Ende des folgenden Jahres, das auf die Investition folgt, ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird. Und "´fast ausschließlich" bedeutet mindestens 90 %.

Für die geplante Anschaffung eines Firmen-Pkw ist das eine hohe Hürde. Der Fiskus verlangt nämlich, dass eine mindestens 90-prozentige Nutzung nachgewiesen werden muss, und zwar fast immer durch Führung eines Fahrtenbuchs. Dadurch ist es unmöglich, den IAB für einen Firmenwagen zu bilden, für den Sie zunächst die Ein-Prozent-Regelung anwenden werden. Genauer gesagt ist es unmöglich, den IAB zu "behalten", denn das Finanzamt wird diesen rückgängig machen, wenn sie erkennt, dass für das Kfz kein Fahrtenbuch geführt worden ist.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster die harte Haltung der Finanzverwaltung bestätigt und sogar noch - verschärfend - entschieden, dass die ausschließliche betriebliche Nutzung eines Pkw nicht durch nachträglich erstellte Unterlagen nachgewiesen werden kann (Urteil vom 20.7.2019, 7 K 2862/17 E).

  • Der Fall: Ein Rechtsanwalt bildete für die geplante Anschaffung von Pkw mehrere IAB. Tatsächlich schaffte er innerhalb der Reinvestitionsfristen jeweils gebrauchte Audi Q5 an. Da er keine Fahrtenbücher führte, ermittelte er die Privatnutzung nach der Ein-Prozent-Methode. Aus diesem Grund ging das Finanzamt nicht von einer fast ausschließlich betrieblichen Nutzung der Fahrzeuge aus und versagte die IAB. Der Rechtsanwalt reichte zum Nachweis der betrieblichen Fahrten für die Zeiträume ab Anschaffung der Fahrzeuge bis zum Schluss des jeweiligen Folgejahres Aufstellungen seiner betrieblichen Fahrten ein, die eine Mitarbeiterin anhand der Terminkalender nachträglich erstellt hatte. Die gesamten Laufleistungen der Fahrzeuge errechnete der Kläger anhand von Händler- bzw. Werkstattrechnungen sowie einem Foto des Tachostandes. Hiernach ergaben sich rechnerisch betriebliche Anteile von (knapp) über 90 %. Ferner hätten für Privatfahrten weitere Fahrzeuge zur Verfügung gestanden. Doch all das half nichts - das Finanzamt blieb bei seiner Meinung.
  • Die Finanzrichter wiesen die hiergegen gerichtete Klage mit der Begründung ab, dass der Rechtsanwalt eine fast ausschließlich betriebliche Nutzung der Fahrzeuge nicht nachgewiesen habe. Die eingereichten Aufstellungen genügten nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Selbst wenn man der Auffassung folge, dass dieser Nachweis auch durch andere Unterlagen erbracht werden könne, sei dieser nicht gelungen. Der Kläger habe bereits die Gesamtfahrleistungen für die maßgeblichen Zeiträume nicht nachgewiesen. Angesichts der nach den eigenen Berechnungen des Klägers nur geringfügigen Unterschreitung der 10 %-Grenze seien strenge Maßstäbe an den Nachweis anzulegen. Aus den eingereichten Auflistungen ergebe sich nicht zwingend der Umfang der betrieblichen Fahrten des Klägers. Da seine Mitarbeiterin diese nachträglich anhand der Terminkalender erstellt habe, sei nicht sichergestellt, dass der Kläger für alle im Kalender enthaltenen Termine den jeweils fraglichen Audi Q5, ein anderes Fahrzeug oder öffentliche Verkehrsmittel genutzt habe. Schließlich könne der Umstand, dass weitere Fahrzeuge für Privatfahrten zur Verfügung gestanden hätten, lediglich den für die Privatnutzung eines Fahrzeugs bestehenden Anscheinsbeweis erschüttern, nicht aber einen Nachweis für den Umfang betrieblicher Fahrten ersetzen.

STEUERRAT:  Auch wenn Unternehmer die Führung eines Fahrtenbuchs nicht mögen: Wer einen IAB für einen Firmen-Pkw abziehen und eine spätere Korrektur vermeiden will, muss ein solches führen - und zwar ordnungsgemäß. Wer nach der Anschaffung des Kfz kein Fahrtenbuch führt, muss davon ausgehen, dass der Steuerbescheid der IAB-Bildung geändert wird und es zu einer Verzinsung der Steuernachzahlung kommt. Unabhängig davon sollten diejenigen, bei denen das Finanzamt den IAB mangels Fahrtenbuchführung versagt hat, Einspruch einlegen und ein Ruhen ihres Verfahrens beantragen, denn zwischenzeitlich ist die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VIII R 24/19 anhängig.

Weitere Informationen: Der Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG

 

VII. Schenkung und Erbschaft

1. Familienheim:
Steuerbefreiung im Fall der Renovierung des geerbten Hauses

Die Vererbung des selbstgenutzten Familienheims an den Ehegatten bzw. Lebenspartner, an die Kinder, Stiefkinder oder Kinder verstorbener Kinder bleibt von der Erbschaftsteuer befreit - und zwar zusätzlich zu den persönlichen Steuerfreibeträgen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG). Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass der Erblasser das Familienheim vor dem Erbfall selbst bewohnt hat und die Erben die Immobilie nach der Erbschaft 10 Jahre lang selber zu Wohnzwecken nutzen.

Wichtig für die Steuerbefreiung: Das Familienheim muss "unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein". "Unverzüglich" heißt hier ohne schuldhafte Verzögerung. Dies bedeutet, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss. Die Frage ist, wie lange dieser Zeitraum sein darf.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Kinder eine von ihren Eltern bewohnte Immobilie steuerfrei erben können, wenn sie die Selbstnutzung als Wohnung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall aufnehmen. Ein späterer Einzug führt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb des Familienheims (BFH-Urteil vom 28.5.2019, II R 37/16).

  • Der Fall: Zwei Brüder beerbten zusammen ihren am 5. Januar 2014 verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 qm, das der Vater bis zu seinem Tod allein bewohnt hatte. Die Brüder schlossen am 20. Februar 2015 einen Vermächtniserfüllungsvertrag, nach dem ein Bruder das Alleineigentum an dem Haus erhalten sollte. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 2. September 2015. Renovierungsangebote holte der Erbe ab April 2016 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2016. Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest, ohne die Steuerbefreiung für Familienheime zu berücksichtigen.
  • Der Bundesfinanzhof bestätigte die Versagung der Steuerfreiheit. Der Kläger habe das Haus auch nach der Eintragung im Grundbuch nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt. Erst im April 2016, mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung im Grundbuch, habe der Kläger Angebote von Handwerkern eingeholt und damit überhaupt erst mit der Renovierung begonnen. Der Kläger habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten habe. Schließlich wies der BFH darauf hin, dass der Kläger noch nicht einmal bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG, mithin zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall, in das geerbte Haus eingezogen war.

FAZIT: Zu der Streitfrage, was "unverzüglich" bedeutet, stellt der Bundesfinanzhof zwei Grundsätze auf:

(1) "Unverzüglich" bedeutet regelmäßig einen Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Zieht der Erwerber innerhalb dieses Zeitraums in die Wohnung ein, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass eine "unverzügliche" Bestimmung der Wohnung zur Selbstnutzung als Familienheim vorliegt. Den Erben ist eine gewisse Zeit einzuräumen, damit sie prüfen können, ob sie in die Wohnung einziehen. Hat der Erbe nach der Bedenkzeit den Entschluss zum Einzug gefasst, benötigt er weitere Zeit für eine eventuelle Renovierung bzw. Gestaltung der Wohnung für eigene Wohnzwecke sowie für die notwendige Durchführung des Umzugs. Unter Berücksichtigung dieser gesamten Umstände erscheint ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten nach dem Erbfall als erforderlich.

(2) Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls noch eine "unverzügliche" Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Solche Gründe können z.B. vorliegen, wenn sich der Einzug wegen einer Erbauseinandersetzung zwischen Miterben oder wegen der Klärung von Fragen zum Erbanfall und zu den begünstigten Erwerbern über den Sechsmonatszeitraum hinaus um einige weitere Monate verzögert. Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers, die nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums zu einer längeren Verzögerung des Einzugs führen (wie z.B. eine Renovierung der Wohnung), sind nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich die Renovierung deshalb länger hinzieht, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem tatsächlichen Einzug des Erwerbers in die Wohnung ist, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegung des Erwerbers und seine Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke zu stellen.

Weitere Informationen: Erbschaft- und Schenkung: Steuervergünstigung für das Eigenheim

 

2. Erbschaft:
Kosten für Steuererklärungen des Erblassers sind abziehbar

Die Erbschaftsteuer kann mitunter einen beträchtlichen Teil des Erbes aufzehren. Von daher sind Erben gut beraten, alle übernommenen Verbindlichkeiten und Erbfallkosten in der Erbschaftsteuererklärung geltend zu machen, denn so lässt sich die Erbschaftsteuer zumindest ein Stück weit reduzieren. Fraglich ist, ob auch Kosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung des Erblassers abziehbar sind. Denn die Erben müssen dessen Einkommensteuererklärung zumindest für das Todesjahr - und falls vom Erblasser nicht mehr erledigt - auch für das Vorjahr oder mehrere Vorjahre abgeben. Hat der Erblasser Steuern hinterzogen, also etwa ein Konto in der Schweiz nicht angegeben, trifft die Erben sogar die Pflicht zur Berichtigung der Steuererklärungen des Erblassers. Das kann zehn Jahre und mehr umfassen.

AKTUELL hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass die vom Erben für die Erstellung berichtigter Steuererklärungen gezahlten Steuerberatungskosten die Erbschaftsteuer mindern. Es widerspricht damit der Auffassung der Finanzverwaltung (Urteil vom 15.5.2019, 7 K 2712/18).

  • Der Fall: Nach dem Tod ihres Vaters stellte die Tochter fest, dass dieser Kapitalerträge in der Schweiz erzielt hatte, die er bislang in seinen Einkommensteuererklärungen verschwiegen hatte. Die Tochter ließ daraufhin berichtigte Einkommensteuererklärungen 2002 bis 2012 erstellen und musste Steuerberatungskosten in Höhe von 9.856 EUR tragen. Diese machte sie in ihrer Erbschaftsteuererklärung mindernd gelten. Das Finanzamt setzte jedoch die Erbschaftsteuer fest, ohne die Aufwendungen für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen zu berücksichtigen.
  • Die Klage der Tochter war erfolgreich. Das Finanzgericht berücksichtigte die Steuerberatungskosten als Nachlassverbindlichkeiten. Die Verpflichtung, unvollständige Steuererklärungen zu berichtigen, sei auf die Erbin übergegangen. Komme diese ihrer Nacherklärungspflicht nach, erfülle sie eine bereits bestehende Verpflichtung des Erblassers. Für ein "Herrühren vom Erblasser" sei nicht maßgeblich, wer den Steuerberater beauftragt habe, sondern wer zur Abgabe vollständiger und richtiger Steuererklärungen ursprünglich verpflichtet gewesen sei. Dies sei der Verstorbene gewesen. Einem Abzug stehe nicht entgegen, dass die Erbin die Erklärungspflichten ohne Steuerberater hätte erfüllen können. Der Fiskus habe ihre Entscheidung, einen Berufsträger zu beauftragen, zu akzeptieren.

STEUERRAT: Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten den Steuerberater beauftragt haben muss, um die Kosten als Nachlassverbindlichkeit anzuerkennen (z.B. Bayerisches Landesamt für Steuern vom 11.1.2016, S 3810.2.1 - 21/5 St 34). Daher hat sie beim Bundesfinanzhof die Revision eingelegt (Az. II R 30/19). Es bleibt zwar abzuwarten, wie dieser entscheiden wird. Doch bis dahin sollten Steuerberatungskosten zunächst geltend gemacht werden.

 

3. Erbschaft:
Kosten für Wohnungsauflösung des Erblassers nicht abzugsfähig

Wie in der vorhergehenden Meldung ausgeführt, sollten Erben alle Kosten und Verbindlichkeiten zusammenstellen, die sie im Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers übernommen haben. So lässt sich die Erbschaftsteuer reduzieren. Nicht abziehbar sind aber leider die Kosten für die Wohnungsauflösung des Erblassers - zumindest dann, wenn keine Verpflichtung zur Räumung besteht, wie es bei einer Wohnung im Eigentum des Verstorbenen üblich ist. Die entsprechenden Kosten werden durch einen eigenständigen Entschluss des oder der Erben zur besseren Verwertung der Wohnung veranlasst. Sie sind damit nichtabzugsfähige Kosten der Verwaltung des Nachlasses - so das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 15.5.2019 (7 K 2712/18, Revision unter II R 30/19).

STEUERRAT: Nicht entschieden wurde, ob die Kosten der Räumung den erbschaftsteuerlichen Grundbesitzwert der Wohnung mindern können. Ein entsprechender Abzug dürfte aber - wenn überhaupt - nur zum Tragen kommen, wenn der Wert der geerbten Immobilie mittels Gutachten nachgewiesen wird.

 

VIII. Steuergrundlagen

1. Trennung:
Verweigerung der Zusammenveranlagung kann missbräuchlich sein

Eheleute, die getrennt leben, können letztmals für das Jahr der Trennung noch gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt werden und damit den Vorteil des günstigen Splittingtarifs nutzen. Dies ist immer dann vorteilhaft, wenn einer der beiden keine oder nur geringe Einkünfte hat. Doch in vielen Fällen sind die Ex-Partner so miteinander zerstritten, dass an eine Unterschrift zur Zusammenveranlagung nicht mehr zu denken ist. Und so zahlt einer der beiden möglicherweise eine zu hohe Einkommensteuer. Kann er in diesem Fall vom Noch-Ehegatten Schadensersatz beanspruchen? Antwort: Ja, kann er.

AKTUELL hat das Oberlandesgericht Celle wie folgt entschieden: Verletzt ein Ehegatte seine Verpflichtung, gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Ehegatten (§ 26 EStG) zuzustimmen, kann dem anderen Ehegatten ein Erstattungsanspruch aus § 816 Abs. 2 BGB bzw. ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zustehen (Beschluss vom 9.4.2019, 21 UF 119/18).

  • Der Fall: Eheleute lebten seit Mitte Februar 2014 voneinander dauerhaft getrennt. Für 2013 und 2014 hätten sie noch die Zusammenveranlagung beantragen können. Der Ehemann hat die dazu erforderliche Zustimmung allerdings verweigert. Die Beteiligten stritten vor Gericht einerseits um die Verpflichtung, der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung für die Jahre 2013 und 2014 zuzustimmen, und andererseits - bei andauernder Verweigerung - um hierauf beruhende Erstattungs- und Schadensersatzansprüche. Die klagende Ehefrau bekam überwiegend recht.
  • Der Ehemann war demnach verpflichtet, der gemeinsamen Veranlagung zuzustimmen, um die Steuerbelastung der Ehefrau zu reduzieren. Er durfte seine Zustimmung lediglich davon abhängig machen, dass die Ehefrau ihn von einer etwaigen Steuernachzahlung aufgrund der Zusammenveranlagung freistellt. Ein steuerlicher Nachteil entstand dem Ehemann in beiden Jahren aber nicht, weil er aufgrund seiner niedrigen Erwerbseinkünfte selbst keine Steuern zu tragen hatte. Aufgrund seiner Verweigerung steht der Ehefrau ein Erstattungs- bzw. ein Schadensersatzanspruch zu. Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass der in Anspruch genommene Ehegatte die Zustimmung trotz entsprechender Aufforderung ohne ausreichenden Grund verweigert hat.
  • Die Aufteilung einer erfolgten Steuererstattung oder der Ausgleich von Steuerschulden - und damit die Berechnung des Schadensersatzanspruchs - zwischen Ehegatten ist in der Weise vorzunehmen, dass auf das Verhältnis der Steuerbeträge abgestellt wird, die bei einer (fiktiven) Einzelveranlagung entstehenden würden (s.a. BGH-Urteil vom 31.5.2006, XII ZR 111/03).

STEUERRAT: Der aktuelle Beschluss liegt auf einer Linie mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2009 (XII ZR 173/06). Insofern gilt die Rechtsprechung als gesichert. Den Ex-Partnern kann daher nur geraten werden, die Zustimmung zur Zusammenveranlagung trotz aller persönlichen Empfindsamkeiten zu erteilen. Gleiches gilt übrigens später für den Abzug von eventuellen Unterhaltszahlungen im Rahmen des so genannten Realsplittings. Der Unterhaltsempfänger ist dazu verpflichtet, seine Zustimmung zum Realsplitting ("Anlage U") zu erteilen. Der Bundesgerichtshof hat geurteilt, dass ein geschiedener oder getrennt lebender Ehegatte, der seine Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting verweigert, sich gegenüber dem unterhaltspflichtigen Ehegatten schadensersatzpflichtig machen kann (BGH-Urteil vom 13.4.1988, IVb ZR 46/87, HFR 1989 S. 322). Um Missverständnisse zu vermeiden: Der Ex-Partner bzw. der Unterhaltsempfänger können ihre Zustimmung zur Zusammenveranlagung bzw. zum Realsplitting von einer Verpflichtung des Gebers abhängig machen, dass dieser ihm alle steuerlichen und außersteuerlichen Nachteile infolge der Versteuerung ausgleicht (BGH-Urteil vom 23.3.1983, NJW 1983 S. 1545). Sie müssen nicht "selbstlos" handeln.

Weitere Informationen: Steuerrat für Geschiedene und dauernd Getrenntlebende

 

2. Steuerzinsen:
Einspruch gegen Vorläufigkeit der Erstattungszinsen einlegen

Wer seinen Steuerbescheid später als 15 Monate nach dem Steuerjahr erhält, muss bei einer Steuernachzahlung zusätzlich Zinsen zahlen. Diese Nachzahlungszinsen betragen jeweils 0,5 Prozent je vollen Monat. Wer indes eine Steuererstattung erhält, bekommt entsprechende Erstattungszinsen (§§ 233a, 238 AO). Der Bundesfinanzhof hat bereits Zweifel an der Höhe der Zinsen geäußert. Zudem sind derzeit beim Bundesverfassungsgericht zwei Verfassungsbeschwerden zur Zinsproblematik anhängig (1 BvIR 2237/14, 1 BvIR 2422/17).

Wie im SteuerSparbrief Juni 2019 berichtet, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) die Finanzämter angewiesen, sämtliche erstmaligen Festsetzungen von Zinsen, in denen die Verzinsung mit 0,5 Prozent pro Monat erfolgt, insoweit vorläufig durchzuführen (BMF-Schreiben vom 2.5.2019 BStBl 2019 I S. 448,). Betroffen sind aber nicht nur Nachzahlungs-, sondern auch die Erstattungszinsen.

Derzeit verdichten sich die Anzeichen, dass der Fiskus bereits gezahlte Erstattungszinsen zurückfordern wird, wenn das Bundesverfassungsgericht die Zinsen tatsächlich als zu hoch betrachtet. Er wird sich auf die Vorläufigkeit der Festsetzung berufen. Ob eine Änderung der Zinsfestsetzung zulasten der Steuerzahler zulässig ist, dürfte zwar aufgrund des Prinzips des Vertrauensschutzes (§ 176 der Abgabenordnung) äußerst fragwürdig sein. Aber wenn es ums Geld geht, kann der Fiskus in der Auslegung des Verfahrensrechts sehr erfinderisch sein.

STEUERRAT: Falls Sie einen Steuerbescheid erhalten, mit dem zugleich Erstattungszinsen festgesetzt worden sind, sollten Sie gegen die Vorläufigkeit der Zinsfestsetzung Einspruch einlegen. Musterformulierung: "Hiermit lege ich gegen den Bescheid über die Festsetzung von Erstattungszinsen zur Einkommensteuer 20.. vom ............. Einspruch ein. Ich beantrage, den genannten Bescheid endgültig ergehen zu lassen. Ich bin durch die Vorläufigkeit in meinen Rechten verletzt, da die Finanzverwaltung ihrerseits die Höhe der Zinsen nach § 238 AO stets als angemessen betrachtet hat und aus heutiger Sicht keinerlei Grundlage für die vorläufige Festsetzung besteht." Ob die Finanzverwaltung dem Einspruch tatsächlich stattgibt und den Zinsbescheid endgültig ergehen lässt, ist zugegebenermaßen zwar zweifelhaft. Aber dennoch sollten Sie zumindest versuchen, Ihre Rechte zu wahren. Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der Zinsen wird übrigens noch in diesem Jahr gerechnet.

 

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