Bundestag und Bundesrat haben das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz verabschiedet. Es sieht unter anderem zum 1. Juli 2023 neue Beitragssätze zur sozialen Pflegeversicherung vor. Bei kinderlosen Mitgliedern gilt seit dem 1. Juli 2023 ein Beitragssatz in Höhe von 4 Prozent. Bei Mitgliedern mit einem Kind gilt demgegenüber ein "allgemeiner" Beitragssatz von 3,4 Prozent. Ab zwei Kindern wird der Beitrag während der Erziehungsphase bis zum 25. Lebensjahr um 0,25 Beitragssatzpunkte je Kind bis zum fünften Kind weiter abgesenkt. Lesen Sie nachfolgend die Einzelheiten zu den neuen Beitragssätzen.

Der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung war zuletzt 2019 angehoben worden. Bis zum 30. Juni 2023 beträgt er 3,05 Prozent. Zum 1.1.2022 wurde der Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte auf 0,35 Prozent erhöht; bis zum 30. Juni 2023 beträgt der Beitrag für Kinderlose dementsprechend 3,40 Prozent.

Zum 1. Juli 2023 wird der Beitragssatz zur Pflegeversicherung in dreifacher Hinsicht geändert (§ 55 SGB XI, geändert durch das "Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz"):

  • (1) Beitragssatz: Der gesetzliche Beitragssatz steigt um 0,35 Prozentpunkte auf 3,40 Prozent - zu zahlen bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Dieser Beitrag gilt für Eltern mit einem Kind und auch dann, wenn das Kind bzw. die Kinder älter als 25 Jahre ist/sind.
  • (2) Beitragszuschlag: Der Beitragszuschlag für Kinderlose ab dem 23. Lebensjahr wird um 0,25 Prozentpunkte auf 0,60 Prozent angehoben. Damit ergibt sich ein Beitragssatz von 4,0 Prozent.
  • (3) Beitragsabschlag: Eltern mit mehr als einem Kind sollen entlastet werden: Der Beitragssatz wird ab dem zweiten Kind um 0,25 Prozentpunkte pro Kind gesenkt - begrenzt auf maximal 1,0 Prozent. Ab dem fünften Kind bleibt es bei einer Entlastung in Höhe eines Abschlags von 1,0 Prozent.

Neu ist der Beitragsabschlag: Eltern mit mehr als einem Kind sollen weniger belastet werden. Der Beitrag soll ab dem zweiten Kind um 0,25 Prozentpunkte pro Kind gesenkt werden. Die Entlastung wird auf maximal 1,0 Prozent begrenzt (§ 55 Abs. 3 SGB XI).

  • Der Abschlag gilt für jedes Kind ab dem zweiten Kind bis zum Ende des Monats, in dem das Kind sein 25. Lebensjahr vollendet hat. Danach entfällt der Abschlag für dieses Kind. Kinder, die das 25. Lebensjahr bereits überschritten haben, können für die Ermittlung des Abschlags nicht berücksichtigt werden. Sobald bei Mitgliedern mit mehr als zwei Kindern eines der Kinder das 25. Lebensjahr vollendet hat, führt dies demnach dazu, dass die Reduzierung der Beiträge ab dem zweiten Kind nur noch für die jeweilige Anzahl der Kinder unter 25 Jahren berücksichtigt wird.
  • Der Abschlag gilt auch für Kinder bis zum 25. Lebensjahr, wenn diese vorher versterben.
  • Nach der Erziehungszeit entfällt der Abschlag wieder. Sind alle Kinder aus der Erziehungszeit, gilt dauerhaft der reguläre Beitragssatz für Eltern in Höhe von 3,4 Prozent (Ein-Kind-Beitrag), auch wenn man in Rente ist.
  • Die Ermäßigung gilt auch für Eltern, die das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Wie können berücksichtigungsfähige Kinder nachgewiesen werden?

Für die Berücksichtigung der Abschläge muss die Anzahl der Kinder unter 25 Jahren gegenüber der beitragsabführenden Stelle (zum Beispiel dem Arbeitgeber oder der Rentenversicherung) nachgewiesen sein, es sei denn, diesen sind die Angaben bereits bekannt. Bei Selbstzahlern ist der Nachweis gegenüber der Pflegekasse zu führen (§ 55 Abs. 3a ff. SGB XI).

  • Um sowohl die Mitglieder als auch die beitragsabführenden Stellen und die Pflegekassen von Verwaltungsaufwand zu entlasten, sieht das Gesetz vor, dass bis zum 31. März 2025 ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt wird. Damit sollen den beitragsabführenden Stellen sowie den Pflegekassen die Daten zu den berücksichtigungsfähigen Kindern bis spätestens zu diesem Zeitpunkt in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden.
  • Vom 1. Juli 2023 bis zum 30. Juni 2025 (Übergangszeitraum) ist ein vereinfachtes Nachweisverfahren vorgesehen. In diesem Zeitraum ist es ausreichend, wenn Mitglieder ihre unter 25-jährigen Kinder der beitragsabführenden Stelle oder der Pflegekasse mitteilen, sofern sie von dieser dazu aufgefordert werden. Auf die Vorlage und Prüfung konkreter Nachweise kann in diesem Fall verzichtet werden. Spätestens nach dem Übergangszeitraum müssen die beitragsabführenden Stellen und die Pflegekassen die angegebenen Kinder überprüfen.
  • Wenn der beitragsabführenden Stelle oder der Pflegekasse die Berücksichtigung der Abschläge ab dem 1. Juli 2023 nicht möglich ist, weil sie beispielsweise auf die Einführung eines digitalen Verfahrens wartet, muss sie die Abschläge rückwirkend bis spätestens zum 30. Juni 2025 erstatten. Der Erstattungsbetrag ist für den gesamten Zeitraum zu verzinsen.

Bei Arbeitnehmern zahlt die Hälfte des Beitrags der Arbeitgeber, aber ohne den Kinderlosenzuschlag. Also beträgt ab dem 1.7.2023 der Arbeitnehmeranteil im "Grundfall" 1,7 Prozent (für Kinderlose 2,3 Prozent) und der Arbeitgeberanteil 1,7 Prozent. Rentenbezieher müssen die Pflegeversicherungsbeiträge komplett alleine aufbringen.

Eine Sonderregelung besteht in Sachsen: Hier tragen die Beiträge zur Pflegeversicherung nicht Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte, sondern der Arbeitnehmer übernimmt einen Anteil von 1 Prozent plus die Hälfte des übersteigenden Anteils (§ 58 Abs. 3 SGB XI). Also beträgt der Arbeitnehmeranteil im "Grundfall" 2,2 Prozent (für Kinderlose 2,8 Prozent) und der Arbeitgeberanteil 1,2 Prozent. Das hat folgenden Grund: Bei Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahre 1995 wurde zum Ausgleich für die Belastung des Arbeitgebers ein gesetzlicher Feiertag, nämlich der Buß- und Bettag, abgeschafft. Nur in Sachsen wurde dieser Feiertag nicht gestrichen. Dafür mussten die Beschäftigten dort den Pflegebeitrag von damals 1 Prozent in voller Höhe tragen. Vom übersteigenden Beitragsanteil übernehmen die Arbeitgeber die Hälfte.

So hoch ist der Beitragssatz zur Pflegeversicherung (ab 1.7.2023)

 

 

Versicherte

 

 

Beitragssatz

allgemein

in Sachsen

AN-Anteil 

AG-Anteil 

AN-Anteil 

AG-Anteil 

- ohne Kinder

- mit 1 Kind

- mit 2 Kindern

- mit 3 Kindern

- mit 4 Kindern

- mit 5 und mehr Kindern

4,00 %

3,40 %

3,15 %

2,90 %

2,65 %

2,40 %

2,30%

1,70 %

1,45 %

1,20 %

0,95 %

0,70 %

1,70 %

1,70 %

1,70 %

1,70 %

1,70 % 

1,70 %

2,80 %

2,20 %

1,95 %

1,70 %

1,45 % 

1,20 %

1,20 %

1,20 %

1,20 %

1,20 %

1,20 % 

1,20 %

Zum Hintergrund des Beitragsabschlags

Eltern tragen mit ihrer Kindererziehungsleistung dazu bei, dass die Umlagesysteme der Sozialversicherung erhalten bleiben und ihre Kinder später die Rente, Pflege und medizinische Versorgung auch der Kinderlosen bezahlen. Dennoch müssen sie - genau wie Kinderlose - Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung in voller Höhe zahlen.

  • Im Jahre 2001 hatte das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz, dass "Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbetrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden" (BVerfG-Urteil vom 3.4.2001, 1 BvR 1629/94). Aufgrund dieses Urteils mussten Kinderlose ab 2005 in der gesetzlichen Pflegeversicherung einen Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten zahlen, seit dem 1.1.2022 sind es 0,35 Prozentpunkte. Diesen Zusatzbeitrag zahlen die Kinderlosen alleine ohne Beteiligung des Arbeitgebers.
  • Im Jahre 2022 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die gesetzliche Regelung zu den Pflegeversicherungsbeiträgen verfassungswidrig ist, weil Eltern unabhängig von der Zahl der betreuten und erzogenen Kinder mit gleichen Beiträgen belastet werden. Eltern mit zwei und mehr Kindern sollen weniger zahlen müssen als Eltern mit einem Kind (BVerfG-Urteile vom 7.4.2022, 1 BvL 3/18, 1 BvR 2824/17, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 717/16). Bis zum 31.7.2023 muss der Gesetzgeber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen und eine entsprechende Neuregelung schaffen.

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