Der Online-Handel nimmt zu - und damit auch die Anzahl der Pakete, die durch DHL, UPS, Hermes usw. Tag für Tag zugestellt werden. Um die Pakete abzuliefern, ist zur Gewährleistung eines reibungslosen Betriebsablaufs im Interesse der Kunden oftmals ein kurzfristiges Halten der Auslieferungsfahrzeuge in Halteverbots- und Fußgängerzonen notwendig. Falls es dann zu "Knöllchen" kommt, übernehmen häufig die Unternehmen deren Begleichung. Die Frage ist, ob die vom Chef übernommenen Verwarnungsgelder beim Arbeitnehmer steuerfrei oder steuerpflichtig sind.

Im Jahre 2004 hatte der BFH noch die Auffassung vertreten, dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern, die dem Arbeitnehmer eines Paketzustelldienstes ersetzt werden, kein steuerpflichtiger Arbeitslohn seien, wenn ohne den Verstoß gegen ordnungsrechtliche Bestimmungen letztlich ein reibungsloser Betriebsablauf nicht gewährleistet werden könne (BFH-Urteil vom 7.7.2004, VI R 29/00).

Aber im Jahre 2013 hatte der BFH die Übernahme von Bußgeldern durch den Arbeitgeber als steuerpflichtigen Arbeitslohn der Fahrer beurteilt, für den Lohnsteuer abzuführen sei. Verstöße gegen die Rechtsordnung, die mit Bußgeldern belegt sind, würden nicht zu den "notwendigen Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen" zählen (BFH-Urteil vom 14.11.2013, VI R 36/12).

AKTUELL musste der Bundesfinanzhof erneut entscheiden, und zwar speziell über den Fall, dass die "Knöllchen" direkt vom Arbeitgeber als Halter der Fahrzeuge erhoben werden. Sein Urteil: Der Arbeitgeber als Halter eines Kfz leistet die Zahlung eines Verwarnungsgeldes wegen einer ihm gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 OWiG erteilten Verwarnung auf eine eigene Schuld. Die Zahlung führt daher grundsätzlich nicht zu Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer, der die Ordnungswidrigkeit (Parkverstoß) begangen hat (BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 1/17).

  • Der Fall: Die Klägerin betrieb einen Paketzustelldienst im gesamten Bundesgebiet. Soweit sie in Innenstädten bei den zuständigen Behörden keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO erhalten konnte, die ein kurzfristiges Halten zum Be- und Entladen in ansonsten nicht freigegebenen Bereichen (z.B. Halteverbots- oder Fußgängerzonen) unter bestimmten Auflagen ermöglicht hätte, nahm sie es hin, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge auch in Halteverbotsbereichen oder Fußgängerzonen kurzfristig anhielten. Wenn für diese Ordnungswidrigkeit Verwarnungsgelder erhoben wurden, zahlte die Klägerin diese als Halterin der Fahrzeuge. Das Finanzamt meinte, es handele sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn, das Finanzgericht hingegen befand, dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Falschparkens durch einen Paketzustelldienst nicht zu Arbeitslohn bei den angestellten Fahrern führt und daher nicht der Lohnsteuer unterliegt.
  • (1) Der BFH bestätigt zunächst, dass die Zahlung der Verwarnungsgelder auf eine eigene Schuld des Arbeitgebers erfolgt ist und daher nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer führen kann, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat. Der Arbeitgeber als Betroffener hat die Verwarnung durch Zahlung des Verwarnungsgeldes sich gegenüber wirksam werden lassen. Unerheblich ist daher in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber durch die Zahlung des Verwarnungsgeldes und die Nichtbenennung des Fahrzeugführers die Erteilung einer Verwarnung verbunden mit der Erhebung eines Verwarnungsgeldes bzw. die Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen den Fahrzeugführer vermieden hat.
  • (2) Aber die Steuerfreiheit für den Fahrer gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber gegen die Fahrer wegen der Parkverstöße keinen (vertraglichen oder gesetzlichen) Regressanspruch hat. Sofern dem Arbeitgeber ein realisierbarer Schadensersatzanspruch zusteht und er dem Fahrer seine Forderung erlässt, liegt ein geldwerter Vorteil vor, der steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellt. Der Arbeitslohn fließt in einem solchen Fall in dem Zeitpunkt zu, in dem der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er keinen Rückgriff nehmen wird und sich der Arbeitnehmer hiermit einverstanden erklärt.

FAZIT: Warum geht es nicht einfach? Hier erfolgt wieder einmal eine Verkomplizierung für die Praxis! Das Finanzgericht muss nun in einem zweiten Rechtsgang prüfen, ob und wenn ja in welcher Höhe dem Arbeitgeber wegen der von seinen Fahrern begangenen Parkverstöße ein Regressanspruch gegen den jeweiligen Verursacher zusteht. Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht nicht um den Fall, dass ein Bußgeld gegen einen Fahrer selbst festgesetzt wird, etwa bei Geschwindigkeitsverstößen. Hier bleibt es dabei, dass ein Ersatz des Bußgeldes zu Arbeitslohn führt.

Sozialversicherung: Soweit die vom Arbeitgeber übernommenen Verwarnungs- und Bußgelder als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu werten sind, führt auch in der Sozialversicherung zur Beitragspflicht (Besprechung der Sozialversicherungsträger vom 9.4.2014, TOP 4).

ÜBRIGENS: Die Bezahlung des Knöllchens ist weder beim Arbeitgeber als Betriebsausgaben noch beim Arbeitnehmer als Werbungskosten absetzbar. Der Ausschluss ist ausdrücklich im Gesetz geregelt und gilt für "von einem Gericht oder einer Behörde festgesetzte Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder" (§ 4 Abs. 5 Nr. 8 i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG)