Gesellschafter-Geschäftsführer von GmbHs gehen oftmals ohne Weiteres davon aus, dass sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Doch diese Annahme ist vielfach falsch und führt zu hohen Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung, die obendrein noch "saftig" verzinst" werden. Aktuell betroffen sind Minderheitsgesellschafter, und zwar auch solche, die zum Beispiel durch die Übertragung von Anteilen auf ihre Kinder erst zu Minderheitsgesellschaftern werden bzw. geworden sind. In diesen Fällen ist höchste Vorsicht angebracht, denn auch eine vertragliche Stimmbindungsklausel, die in der Vergangenheit häufiger verwendet worden ist, hilft nur bedingt weiter. Nachfolgend wird kurz vorgestellt, welche Möglichkeit Minderheitsgesellschafter haben, um der Sozialversicherungspflicht trotz dreier aktueller Urteile des Bundessozialgerichts zu entgehen.

In drei Entscheidungen hatte das Bundessozialgericht (BSG) in 2015 zu der Frage genommen, unter welchen Voraussetzungen sich Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer von der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht befreien lassen können. Die Entscheidungen waren „erforderlich“, nachdem mehrere Landessozialgerichte jeweils eine vertragliche Stimmbindung als ausreichend gesehen hatten, um eine unternehmerische Stellung eines Minderheitsgesellschafters zu begründen. Nach Ansicht der Landessozialgerichte konnten Minderheitsgesellschafter über eine vertragliche Stimmbindungsvereinbarung demnach der Sozialversicherungspflicht „entgehen“ (siehe z.B. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.11.2014, L 4 R 556/13).

In der Gestaltungspraxis sind die besagten Stimmbindungsklauseln daher oft verwendet worden. Sie hatten den "netten Nebeneffekt", dass sie nur bei einer Prüfung der Sozialversicherung "aus dem Hute gezaubert werden mussten", ansonsten aber zumeist keine Bewandtnis hatten. Sie sind daher oftmals auch als "Schönwetterklauseln" bezeichnet worden.

Das BSG hat rein vertraglichen Vereinbarungen dann jedoch eine Absage erteilt (BSG, Urteile vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, B 12 R 2/14 R, B 12 KR 10/14 R; siehe aktuell auch LSG Baden-Württemberg  v. 23.11.2016 - L 5 R 50/16  und LSG Hessen  v. 06.07.2017 - L 8 KR 61/16). Das BSG bejahte zwar die Zulässigkeit einer Stimmrechtsvereinbarung. Allerdings seien solche Abreden nach Ansicht des BSG nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, da der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter zumindest aus wichtigem Grund gekündigt werden kann (zu Einzelheiten vgl. Bosse in NWB Nr. 5 vom 1.2.2016 Seite 352).

Ferner urteilte das BSG, dass es bei der Frage der Sozialversicherungspflicht weder auf familiäre Bindungen noch auf Fachkenntnisse und die Bedeutung des jeweiligen Mitarbeiters für das Unternehmen ankomme, sondern nur auf die gesellschaftsrechtlich verfestigten Machtverhältnisse in der GmbH. Eine Regelung im Anstellungsvertrag, wonach dem Geschäftsführer ein Vetorecht bei der Bestellung weiterer Geschäftsführer und bei grundsätzlichen Entscheidungen betreffend die Geschäftsführung der GmbH zusteht, reiche nicht aus, um die Sozialversicherungspflicht zu vermeiden.

Maßgeblich sei damit alleine eine weisungsfreie Ausgestaltung der Tätigkeit des Geschäftsführers in sämtlichen Geschäftsführungsfragen, die durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag abgesichert sein muss. Die Fachliteratur hat zum Erhalt der Sozialversicherungsfreiheit u.a. empfohlen, im Gesellschaftsvertrag (also ganz formal in der GmbH-Satzung) Weisungen an den Geschäftsführer (Minderheitsgesellschafter) auszuschließen und seine Abberufung an einen wichtigen Grund zu knüpfen (vgl. Bosse, a.a.O.). Alternativ könnten dem Geschäftsführer auch Vetorechte bei Weisungen und seiner Abberufung zugebilligt werden, allerdings ebenfalls nur als Sonderrecht im Gesellschaftsvertrag.

Die Praxis zeigt nun, dass Bosse mit seinen Empfehlungen in dem oben zitierten Aufsatz der Zeitschrift "NWB" richtig lag, denn offenbar scheint die Deutsche Rentenversicherung die Vereinbarung entsprechender Klauseln in der GmbH-Satzung (und eventuell korrespondierend im Anstellungsvertrag des Gesellschafter-Geschäftsführers) zu „akzeptieren.“

Das heißt: In betroffenen Fällen wäre gegebenenfalls zu empfehlen, in den Gesellschaftsvertrag eine Stimmbindungsvereinbarung aufzunehmen, um die Sozialversicherungsfreiheit für den Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer zu erlangen. Gleichzeitig sollte der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers eine möglichst hohe Weisungsungebundenheit aufweisen. Das bedeutet, dass Formulierungen, die auf eine Arbeitnehmereigenschaft hinweisen, möglichst vermieden werden sollten.

Aber die Betroffenen sollten sich natürlich über die Konsequenzen im Klaren sein: Mit der Stimmbindung wird die Rechtstellung des Mehrheitsgesellschafters erheblich eingeschränkt. Zudem kann die Regelung an anderer Stelle zu (negativen) steuerlichen Konsequenzen führen. Es ist daher auch stets zu empfehlen, einen auf das Sozialversicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen und/oder im Übrigen das Statusfeststellungsverfahren zu durchlaufen.