Viele Rentner beziehen neben ihrer gesetzlichen Rente noch eine Betriebsrente (aus Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung) oder andere Versorgungsbezüge. Für solche Bezüge müssen Rentner die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit dem vollen Beitragssatz alleine zahlen. Die jeweilige Zahlstelle der Betriebsrente behält die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge monatlich ein und führt sie direkt an die Krankenkasse ab. Die Frage ist, ob KV-Beiträge auch dann gezahlt werden müssen, wenn die Prämien nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vollständig aus eigenen Mitteln aufgebracht werden.Das Bundesverfassungsgericht hat nun eine erfreuliche Entscheidung gefällt, die betroffenen Rentnern bares Geld bringen kann.

Hintergrund:

  • Bezüglich Renten und Kapitalleistungen aus einer Direktversicherung hatte das Bundesverfassungsgericht im September 2010 klargestellt: Wird nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb der Versicherungsvertrag auf den Arbeitnehmer umgeschrieben, der Arbeitnehmer also neuer Versicherungsnehmer, entfällt die KV-Beitragspflicht für den Teil der Kapitalleistung, der auf die selber gezahlten Prämien nach dem Ausscheiden beruht (BVerfG-Urteil vom 28.9.2010, 1 BvR 1660/08).
  • Bezüglich Pensionskassen hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die Leistungen auch dann der KV-Beitragspflicht unterliegen, wenn die Prämien nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb vom Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis weitergezahlt worden sind. Die Regelung bei freiwilliger Fortführung einer Direktversicherung sei auf die Pensionskasse nicht übertragbar (BSG-Urteil vom 23.7.2014, B 12 KR 28/12 R).

AKTUELL hat das Bundesverfassungsgericht gegen das Bundessozialgericht und zugunsten der Rentner entschieden, dass Rentenzahlungen von Pensionskassen in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht beitragspflichtig sind, soweit diese auf selbst finanzierten Beiträgen des Arbeitnehmers nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses beruhen. Die Renten sind ebenso wie Leistungen aus privaten Lebensversicherungen bei pflichtversicherten Rentnern beitragsfrei (BVerfG-Urteil vom 27.6.2018, 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15).

  • Der Fall: Ein Arbeitnehmer war über seinen Arbeitgeber bei einer Pensionskasse versichert. Die Satzung der Pensionskasse sah vor, dass die Versicherung bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis freiwillig fortgesetzt werden konnte und in diesem Fall der ehemalige Arbeitnehmer Einzelmitglied in der Pensionskasse und alleiniger Versicherungsnehmer wurde. So zahlte der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis 18 Jahre aus eigenen Mitteln die Beiträge an die Pensionskasse.
  • Als der Arbeitnehmer Rentner wurde, führte die Pensionskasse von den Rentenzahlungen monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Krankenkasse ab. Und zwar auch auf den Rententeil, der auf den Einzahlungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruht. Nach Auffassung der Pensionskasse handele es sich insgesamt um "Versorgungsbezüge". Eine Unterscheidung zwischen Einzahlungen vor und nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses müsse nicht getroffen werden. Vor dem Sozialgericht und Bundessozialgericht bekam die Pensionskasse Recht. Der Rentner aber legte Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein - und kam nun dort zu seinem Recht.
  • Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verstößt es gegen das Gleichheitsgebot, wenn für die Berechnung der Beiträge von Rentnern zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung solche Zahlungen berücksichtigt werden, die auf einem nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen einer Pensionskasse und dem früheren Arbeitnehmer beruhen, während Erträge aus privaten Lebensversicherungen von pflichtversicherten Rentnern nicht zur Berechnung herangezogen werden. Voraussetzung sei aber, dass der frühere Arbeitgeber an dem Versicherungsvertrag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr beteiligt sei und nur der versicherte Arbeitnehmer die Beiträge eingezahlt habe. Die Differenzierung zwischen betrieblicher und privater Altersversorgung und einer daraus resultierenden Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sei nicht allein nach der auszahlenden Institution vorzunehmen. Es sei vielmehr nach der Vertragsgestaltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu differenzieren.

HINWEIS: Mit der erfreulichen Entscheidung der Verfassungshüter gilt nun bei Pensionskassen gleiches Recht wie bei Direktversicherungen. Wieder einmal haben die Richter des Bundessozialgerichts, die eine "institutionelle" Abgrenzung vertreten und nur den Zusammenhang zwischen dem Versorgungssystem und dem Erwerbsleben betrachten, eine schallende Ohrfeige bekommen - wie schon bei der Direktversicherung im Jahre 2010. Auch damals hatten sie die Leistungen unterschiedslos in voller Höhe in die KV-Beitragspflicht einbezogen - was dann bekanntlich vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurde. Jedenfalls nehmen die Verfassungshüter hier die "finanzielle" Abgrenzung vor und beachten stärker den Zusammenhang zwischen früherer Prämienzahlung und späterer KV-Beitragspflicht. Betroffen von dem neuen erfreulichen Urteil sind rund 1,2 Millionen Rentner.

STEUERRAT: Wer schon eine Rente aus einer Pensionskasse bezieht, kann eine Erstattung der zu Unrecht gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge beantragen (§ 26 Abs. 2 und 3 SGB IV). Bis zu vier Jahre rückwirkend können Sie zu viel bezahlte Sozialabgaben zurückfordern. Die Frist beginnt nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind (§ 27 Abs. 2 SGB IV). Daher können Sie noch bis zum 31.12.2018 einen Antrag auf Erstattung von Beiträgen stellen, die im Jahr 2014 zu Unrecht gezahlt wurden. Wenden Sie sich schriftlich an Ihre Pensionskasse und informieren Sie auch die Krankenkasse. Weisen Sie dabei auf das neue Urteil des Bundesverfassungsgerichts hin. Der GKV-Spitzenverband weist aktuell darauf hin, in welcher Form das Urteil umzusetzen ist.

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