Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitnehmer vom Arbeitsort "wegziehen", ihren Wohnsitz also weg vom Arbeitsort verlegen. Der eine hat auf dem Lande ein Eigenheim gebaut oder erworben, der andere zieht in eine schönere Gegend mit hohem Freizeitwert. Wer dann am Arbeitsort die bisherige Wohnung als Zweitwohnung beibehält oder eine kleinere Wohnung anmietet, steht vor der Frage, ob er die Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten geltend machen kann.

1. Die Auffassung des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof hat im Jahre 2009 bahnbrechend entschieden: Eine doppelte Haushaltsführung ist auch dann beruflich veranlasst, wenn die Hauptwohnung aus privaten Gründen weg vom Arbeitsort verlegt wird und eine Wohnung am Arbeitsort als Zweithaushalt genutzt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob die bisherige Wohnung als Zweitwohnung beibehalten oder eine neue Wohnung angemietet wird (BFH-Urteile vom 5.3.2009, BStBl 2009 II S. S. 1012 und 1016).

Fazit: Der Haushalt in der Zweitwohnung ist beruflich veranlasst, wenn er dazu genutzt wird, um den Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können. Der so beruflich veranlasste Zweithaushalt führt dazu, dass auch die doppelte Haushaltsführung selbst als beruflich veranlasst gilt. Natürlich sind nur die Kosten dieser Zweitwohnung als Werbungskosten abziehbar, während die Aufwendungen der wegverlegten Hauptwohnung zu den nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten gehören.

STEUERRAT: Die Hauptwohnung, die vom Beschäftigungsort wegverlegt wurde, muss der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein. Dies prüfen die Finanzämter sehr genau und verlangen entsprechende Nachweise. Dazu später mehr.

2. Die Auffassung der Finanzverwaltung

Das Bundesfinanzministerium hat seinerzeit schnell auf die Urteile des BFH reagiert und gibt zu steuerlichen Fragen rund um die Wegverlegung der Hauptwohnung vom Beschäftigungsort einige Erläuterungen (BMF-Schreiben vom 10.12.2009, BStBl 2009 I S. 1599 sowie R 9.11 Abs. 2 LStR). Danach gilt unter anderem:

  • Eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung liegt auch dann vor, wenn ein Arbeitnehmer seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Ort der ersten Tätigkeitsstätte wegverlegt und er darauf in einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte einen Zweithaushalt begründet, um von dort seiner Beschäftigung weiter nachgehen zu können.
  • In den Fällen, in denen bereits zum Zeitpunkt der Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Ort der ersten Tätigkeitsstätte ein Rückumzug an den Ort der ersten Tätigkeitsstätte geplant ist oder feststeht, handelt es sich hingegen nicht um eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG.
  • Demzufolge liegt insbesondere in Fällen, in denen eine Familie über die Sommermonate oder während der Ferien ihren bisherigen Lebensmittelpunkt zum Beispiel in ein Ferienhaus oder Ähnliches verlegt und die Wohnung am Beschäftigungsort nur noch tageweise von einem der beruflich und/oder betrieblich tätigen Ehegatten genutzt wird, keine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung vor. Der Zeitraum zwischen Hin- und Rückumzug ist hierbei unerheblich.

3. AKTUELL: Urteil des Finanzgerichts Köln

Das Finanzgericht Köln hat die Grundsätze, die der BFH aufgestellt hat, in einem aktuellen Urteil bestätigt und präzisiert (FG Köln, Urteil vom 22.6.2023, 11 K 3123/18). Zwar sind die Kosten der doppelten Haushaltsführung im konkreten Urteilsfall nicht anerkannt worden, doch die Finanzrichter geben wichtige Hinweise, wann ein Kostenabzug möglich ist.

  • Der Fall: Die Eheleute wohnten mit ihren beiden Kindern in Y. Die Ehefrau arbeitete auch in Y, der Ehemann hatte eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung an seinem Beschäftigungsort in V. Später zogen die Eheleute nach H ins Elternhaus der Ehefrau. Der Hausstand in Y und auch die jeweiligen Arbeitsstellen wurden aber beibehalten. Offenbar waren die Eheleute durchaus in beiden Orten "verwurzelt" und die Kinder gingen auch in Y weiter in den Kindergarten. Das Elternhaus erhielt die Ehefrau im Rahmen der unentgeltlichen Erbfolge, wobei den Eltern ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt wurde. Da die Eheleute nun über insgesamt drei Wohnungen verfügten, nämlich in H, in Y und in V, machte auch die Ehefrau die Kosten einer doppelten Haushaltsführung geltend. Die Eheleute gaben an, dass sich das Familienleben in H abspielen würde und der weitere Haushalt in Y daher beruflich notwendig sei. Doch die Kosten wurden nicht anerkannt. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
  • Begründung: Die Urteilsgründe sind sehr komplex. Letztlich konnten die Eheleute nicht hinreichend nachweisen, dass der Lebensmittelpunkt tatsächlich in H gelegen hat. So sei nicht erkennbar und nachgewiesen, ob und gegebenenfalls auf welche Weise die Kläger am örtlichen Geschehen und Gemeindeleben in H teilgenommen hätten. Sie hätten auch nicht detailliert dargelegt und nachgewiesen, welche sozialen Kontakte sie und die Kinder in den Streitjahren in H und Umgebung mit wem, wann und in welchem Umfang unterhalten hätten. Sie hätten im Übrigen mit Blick auf das Wohnrecht der Eltern keinen Nachweis darüber erbracht, wie sich die konkrete Situation ihres Hausstandes im Einzelnen darstellte und auf welcher Grundlage ihnen die einzelnen Räume zur Nutzung überlassen worden sein sollen.
  • Fazit: Wer in einem so genannten Wegverlegungsfall die Kosten der doppelten Haushaltsführung erfolgreich geltend machen will, muss - salopp formuliert - nachweisen, dass sich tatsächlich an dem einen Ort "das volle Familienleben abspielt" und an dem anderen Ort "nur gearbeitet wird." Dabei reichen pauschale Behauptungen nicht aus. Vielmehr ist beispielsweise detailliert aufzulisten,
    • wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und in der anderen Wohnung aufhält,
    • wie beide Wohnungen ausgestattet sind und wie groß sie sind (die Wohnsituation am Heimatort sollte die Wohnung am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung übertreffen oder mindestens gleichwertig sein),
    • wie sich die Verbräuche für Wasser, Strom und Heizung aufteilen,
    • zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen,
    • wo sich Bezugspersonen des Arbeitnehmers überwiegend aufhalten,
    • wo die Kinder zur Schule oder in den Kindergarten gehen,
    • wo sich Ärzte und Zahnärzte befinden und wann diese konkret aufgesucht wurden,
    • welche Tageszeitung (Lokalzeitung) bezogen wird,
    • ob Vereinsmitgliedschaften bestehen und - falls ja - inwieweit tatsächlich aktiv am jeweiligen Vereinsgeschehen (z.B. durch Teilnahme an Spielen etc.) teilgenommen wurde,
    • inwieweit man sich aktiv am Gemeindeleben beteiligt (genaue Aufstellungen von Terminen),
    • welche Wohnung/Zimmer in einem Mehrgenerationenhaushalt tatsächlich genutzt werden und aus welchem Recht heraus (hier muss zusätzlich dargelegt werden, dass die Haushaltsführung bestimmt oder zumindest mitbestimmt wird),
    • dass der Standort des Arbeitgebers tatsächlich regelmäßig aufgesucht wurde und nicht überwiegend im Homeoffice gearbeitet wurde,
    • wie weit die beiden Wohnungen entfernt sind,
    • wie viele Heimfahrten unternommen wurden,
    • an welche Anschrift Rechnungen von Unternehmen, Ärzten, Zahnärzten usw. gesandt wurden.

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