Wer sich gegen einen Steuerbescheid zur Wehr setzen möchte, kann dies innerhalb eines Monats nach dessen Bekanntgabe per Einspruch tun. Eigentlich sind weder an die Bezeichnung des Einspruchs noch an dessen Begründung hohe Anforderungen zu stellen. Selbst eine unrichtige Bezeichnung des Einspruchs schadet nicht (§ 357 Abs. 1 AO). Und zumindest theoretisch ist die Finanzverwaltung gehalten, bei einem Einspruch stets den gesamten Steuerbescheid zu überprüfen, denn eine Begründung "soll", "muss" aber nicht beigefügt werden. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht.

AKTUELL hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass Einsprüche die einzelnen Bescheide, gegen die sich richten, genau benennen müssen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Zinsfestsetzungen (hier: Nachzahlungszinsen), die zwar äußerlich mit den Steuerbescheiden verbunden sind, letztlich aber eigenständige Verwaltungsakte darstellen und daher gesondert angefochten werden müssen (Beschluss vom 18.7.2019, 2 V 108/19).

  • Der Fall: Nach einer Prüfung der Steuerfahndung sind zunächst ein entsprechender Bericht und dann geänderte Steuerbescheide ergangen. Diese betrafen die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag. Damit "äußerlich verbunden" sind zudem Nachzahlungszinsen festgesetzt worden. Die Steuerpflichtigen legten Einspruch ein, und zwar gegen "die Änderungsbescheide für die Jahre 2007, 2009, 2010 und 2011 vom 30. November 2016". Zur Begründung wurde auf eine Stellungnahme der Verteidiger verwiesen, die das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren betraf. Gegen die Festsetzung der Nachzahlungszinsen wurde jedenfalls kein expliziter Einspruch eingelegt. Erst einige Monate später wurde der Einspruch um die Frage der Zinsen "erweitert". Doch das Finanzamt verwarf den Einspruch gegen die Zinsen wegen Fristablaufs als unzulässig. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.
  • Begründung: Die Zulässigkeit eines Einspruchs setze zwar keine konkrete und genaue Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts voraus. Es sei jedoch erforderlich, dass sich die Zielrichtung des Begehrens in der Weise ergibt, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt entweder aus dem Inhalt der Rechtsbehelfsschrift selbst ermitteln lässt oder dass Zweifel oder Unklarheiten am Gewollten durch Rückfragen beseitigt werden können. Fehle es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des tatsächlich Gewollten, ist der wirkliche Wille des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärungen zu ermitteln. Dabei sei grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen.
  • Im Streitfall ergäbe sich der Inhalt des Begehrens aus der Einspruchsschrift. Diese richte sich gegen die Änderungsbescheide infolge der Auswertung des Steuerfahndungsberichtes. Eine weitergehende Auslegung dieses Einspruchs auch als Rechtsbehelf gegen die Zinsbescheide dürfe nicht in Betracht kommen. Zwar war die Festsetzung der Zinsen mit der Steuerfestsetzung verbunden; diese (nur) äußerliche Verbindung ändere aber nichts daran, dass Zinsfestsetzung und Steuerfestsetzung eigenständige Bescheide bleiben.

STEUERRAT:  Der Fall zeigt, dass Einspruchsbegehren doch genau zu benennen sind. Demnach sollten "Nebensteuern und -abgaben" wie der Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer, aber eben auch die Festsetzung von Zinsen explizit bezeichnet werden. Derzeit ergehen die Bescheide über Nachzahlungszinsen zwar vorläufig, da eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Zulässigkeit des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat erwartet wird. Aber es geht in der Vorläufigkeit nur um die Höhe des Zinssatzes. Wer bereits die Festsetzung als solche anzweifelt, sollte unbedingt einen Einspruch einlegen. Dies betrifft andere Zinsarten wie etwas Stundungs-, Aussetzungs- oder Hinterziehungszinsen gleichermaßen.

Weitere Informationen: Nachzahlungszinsen: Mustereinspruch und -aussetzungsantrag