SteuerSparbrief - Archiv

Der Online-SteuerSparbrief erscheint monatlich im Umfang von rund 16 Seiten und ist Teil des Abonnements von Steuerrat24. Die aktuelle Ausgabe steht jeweils ab Monatsbeginn zum Abruf in der Rubrik "SteuerSparbrief" bereit.

Falls Sie eine frühere Ausgabe versäumt haben, können Sie hier die letzten Ausgaben des SteuerSparbriefs aufrufen.

 

 Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:

  • Verdienst: Kreditkartenmodell senkt Steuern auf Boni
  • Mindestlohn: Neue Werte für drei Branchen
  • Schulgeld: Studiengebühren für private Fachhochschulen sind absetzbar
  • Minijob: Firmenwagen für Lebensgefährtin steuerlich nicht zulässig?

Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief: 

Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum Ausdruck: SteuerSparbrief April 2018

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Jahre 1982 begann ich meine Ausbildung beim Finanzamt Marl in Nordrhein-Westfalen. Meine erste Ausbildungsstation führte mich in die Bewertungsstelle. Folgende Aussage eines damaligen Sachbearbeiters ist mir in den Ohren geblieben: "Herr Herold, derzeit sind wir in der Bewertungsstelle personell gut besetzt. Die Mitarbeiter werden aber benötigt, weil sicherlich in Kürze alle Grundstücke für Zwecke der Grundsteuer neu bewertet werden müssen, denn die Einheitswerte sind letztmalig auf den 1. Januar 1964 festgestellt worden."

Nun: Bis heute hat sich an den Einheitswerten nichts getan; das Personal ist zwischenzeitlich allerdings abgebaut worden. In den neuen Bundesländern sprechen wir aufgrund der letztmaligen Feststellung auf den 1. Januar 1935 sogar von mehr als 80 Jahre alten Einheitswerten. Dass das Bundesverfassungsgericht die Bewertung für Grundsteuerzwecke kippen wird, ist also nur eine Frage der Zeit. Die Entscheidung der Verfassungshüter in den Verfahren BvL 11/14 und 1 BvL 1/15 wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Lediglich der dem Gesetzgeber einzuräumende Zeitraum für die Verabschiedung einer Neuregelung dürfte noch spannend werden.

Derzeit werden verschiedene Modelle für eine Neubewertung der Grundstücke diskutiert. Allen Modellen ist gemein, dass sie nicht auf einer einzelnen Bewertung basieren, denn dafür fehlen Personal und Zeit in den Finanzämtern. Vielmehr soll es pauschale Modelle geben, die zum Beispiel auf den Baukosten oder den Grundstücksgrößen basieren können. Dabei wird es - je nach Modell - Gewinner und Verlierer geben. Einmal sind es die Mieter, die aufgrund der Umlagefähigkeit der Grundsteuer höhere Mieten befürchten müssen, ein anderes Mal sind es die Besitzer von brachliegenden Grundstücken, die Mehrbelastungen in Kauf zu nehmen haben.

Wie es auch kommt: Die pauschalen Modelle werden ungerecht sein. Ein Blick auf die so genannte Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer lässt zumindest nichts Gutes erahnen. Schon seit einigen Jahren werden für Immobilien, die vererbt oder verschenkt werden, von den Finanzämtern aktuelle Werte ermittelt. Dazu bedienen sie sich bei Mietwohnimmobilien des so genannten Ertragswertverfahrens. Wesentlicher Wertfaktor ist hier die "Jahresmiete". Das heißt, gut vermietete oder vermietbare Immobilien haben einen hohen Wert. Allerdings werden bei diesem Verfahren wertmindernde Umstände wie zum Beispiel ein hoher Renovierungsstau oder Schräglagen nicht berücksichtigt. Das führt tendenziell dazu, dass Altobjekte viel zu hoch bewertet werden. Zwar besteht die Möglichkeit, die realistischen Werte durch ein Sachverständigengutachten nachzuweisen. Das ist aber mit hohen Kosten verbunden und die Gutachten werden durch die Finanzverwaltung oft angezweifelt.

Der Gesetzgeber steckt in einem Dilemma: Er wird weder ein einfaches noch ein gerechtes Verfahren für die Neubewertung der 35 Millionen Grundstückseinheiten finden. Heute ist nicht einmal die IT-Infrastruktur vorhanden, wie die Vertreter der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Berlin einräumen. Einflussreiche Verbände und Kommunen werden der Regierung - je nach Interessenlage - die "Hölle heiß machen." Verlierer der Grundsteuerreform werden wieder vor das Verfassungsgericht ziehen und für weitere Unsicherheit sorgen.

Seine jahrzehntelange Untätigkeit fällt dem Gesetzgeber auf die Füße. Die Bundesregierung plädiert daher für eine Fortgeltungsdauer des alten Rechts von zehn Jahren. Das heißt aber nichts anderes, als dass Grundstückseigentümer über weitere zehn Jahre eine verfassungswidrige Steuer zahlen müssten. Auch diese Aussicht bereitet Unbehagen, zumal viele Gemeinden in den letzten Jahren die Hebesätze für die Grundsteuer erhöht haben und diese daher einen erheblichen Kostenfaktor darstellt. Und Hand aufs Herz: Glaubt irgendjemand, der aktuelle Gesetzgeber würde handeln, wenn er weitere zehn Jahre Zeit hätte? Nein, man würde das Problem aussitzen und es einer späteren Generation von Abgeordneten überlassen? Die Rentenfrage lässt grüßen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Christian Herold

Redaktion Steuerrat24

 

I. Beruflicher Bereich

 

1. Firmenwagen:
Wie selbst gezahlte Kfz-Kosten berücksichtigt werden

Wer einen Firmenwagen auch privat nutzen darf, muss den privaten Nutzungswert entweder nach der 1 %-Pauschalmethode oder nach der Fahrtenbuchmethode als geldwerten Vorteil versteuern. In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Mitarbeiter bestimmte laufendeBetriebskosten des Firmenwagens selber tragen, so insbesondere Treibstoffkosten, Wagenpflege, Garagenkosten. Manchmal sind auch weitere Kosten zu übernehmen: Wartungs- und Reparaturkosten, Kfz-Steuer, Versicherungsbeiträge, Stellplatzmiete, Ausgaben für Anwohnerparkberechtigungen, Ladestrom.

Seit 2017 hat sich aufgrund eines neuen BFH-Urteils die Rechtslage für Arbeitnehmer erheblich verbessert: Anders als bisher können nun die selbst getragenen Kfz-Kosten auf den privaten Nutzungswert angerechnet werden und so den steuerpflichtigen geldwerten Vorteil vermindern (BFH-Urteil vom 30.11.2016, VI R 2/15). Die Finanzverwaltung akzeptiert die neue Regelung zugunsten der Steuerzahler (BMF-Schreiben vom 21.9.2017, IV C 5-S 2334/11/10004-02, Tz. 4). Nun kann es vorkommen, dass die Eigenleistungen sogar höher sind als der private Nutzungswert. Ist der negative Betrag dann als Werbungskosten absetzbar?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof bestätigt, dass der steuerpflichtige "geldwerte Vorteil" für die private Nutzung des Firmenwagens durch Eigenleistungen des Arbeitnehmers lediglich bis zu einem Betrag von 0 EUR gemindert werden kann. Ein "geldwerter Nachteil" kann nicht entstehen, und zwar auch dann nicht, wenn die Eigenleistungen des Arbeitnehmers den privaten Nutzungswert übersteigen. Ein verbleibender "Restbetrag" bleibt daher ohne steuerliche Auswirkungen. Er kann nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abgezogen werden, und er stellt auch keinen negativen Arbeitslohn dar. Dies gilt sowohl bei der 1 %-Pauschalmethode als auch bei der Fahrtenbuchmethode (BFH-Beschluss vom 15.1.2018, VI B 77/17; so ebenfalls BFH-Urteil vom 30.11.2016, VI R 49/14).

Beispiel:

Herr Steuerle zahlt für die Privatnutzung seines Firmenwagens die laufenden Betriebskosten selber und kommt auf einen Betrag von 7 200 EUR im Jahr.

Der private Nutzungswert beträgt angenommen

Die selber getragenen Kfz-Kosten betragen

6 000 EUR

 ./. 7 200 EUR

Als Nutzungswert zu versteuern

Als Werbungskosten absetzbar

= 0 EUR

0 EUR

STEUERRAT: Falls Sie für Ihren Firmenwagen die Benzinkosten und andere Kosten selber zahlen müssen, nehmen Sie eine Korrektur des vom Arbeitgeber versteuerten Nutzungswerts vor. Doch aufgepasst: Das Finanzamt lässt eine Minderung des Nutzungswerts nur dann zu, wenn Sie die selbst getragenen Kosten im Einzelnen darlegen und auch nachweisen! Mehr dazu: Firmenwagen: Korrektur des versteuerten Nutzungswerts.

Weitere Informationen: Steuern sparen mit dem Firmenwagen (Punkt 5).

 

2. Bahncard:
Steuerliche Behandlung bei Beschaffung durch den Arbeitgeber

Mit der Bahncard 25 oder 50 können Fahrausweise der Deutschen Bahn AG zu einem ermäßigten Preis erworben werden. Inhaber der BahnCard 100 können sogar ein ganzes Jahr lang in Deutschland mit der Deutschen Bahn fahren - wohin sie wollen, wann sie wollen, so oft sie wollen -, ohne dafür Fahrkarten zu lösen.

Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt/M. hat zur lohnsteuerlichen Behandlung bei Beschaffung der Bahncard durch den Arbeitgeber Stellung genommen, wenn diese zur dienstlichen sowie auch zur privaten Nutzung an den Arbeitnehmer weitergeben wird (OFD Frankfurt vom 31.7.2017, S 2334 A - 80 - St 222).

Prognose einer Vollamortisation

Unabhängig von der privaten Nutzungsmöglichkeit kann aus Vereinfachungsgründen ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Überlassung angenommen werden, wenn nach der Prognose zum Zeitpunkt der Hingabe der Bahncard die ersparten Kosten für Einzelfahrscheine, die im Rahmen der Auswärtstätigkeit (z.B. nach Reiserichtlinie) ohne Nutzung der BahnCard während deren Gültigkeitsdauer anfallen würden, die Kosten der BahnCard erreichen oder übersteigen (prognostizierte Vollamortisation). Folge: In diesem Fall stellt die Überlassung der BahnCard an den Arbeitnehmer keinen Arbeitslohn dar. Tritt die prognostizierte Vollamortisation aus unvorhersehbaren Gründen (z.B. Krankheit) nicht ein, ist keine Nachversteuerung vorzunehmen; das überwiegend eigenbetriebliche Interesse bei Hingabe der BahnCard wird hierdurch nicht berührt.

Prognose einer Teilarmotisation

Erreichen die durch die Nutzung der überlassenen BahnCard ersparten Fahrtkosten, die im Rahmen der Auswärtstätigkeit ohne Nutzung der BahnCard während deren Gültigkeitsdauer anfallen würden, nach der Prognose zum Zeitpunkt der Hingabe der BahnCard deren Kosten voraussichtlich nicht vollständig (Prognose der Teilamortisation), liegt die Überlassung der BahnCard nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Folge: Der Wert der BahnCard ist als geldwerter Vorteil zu erfassen. Die Überlassung der BahnCard stellt in diesem Fall zunächst in voller Höhe steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

Die während der Gültigkeitsdauer der BahnCard durch deren Nutzung für dienstliche Fahrten ersparten Fahrtkosten können dann ggf. monatsweise oder auch am Ende des Gültigkeitszeitraumes als Korrekturbetrag den steuerpflichtigen Arbeitslohn mindern (als Verrechnung des dann feststehenden steuerfreien Reisekostenerstattungsanspruchs des Arbeitnehmers mit der zunächst steuerpflichtigen Vorauszahlung auf mögliche Reisekosten in Form der BahnCard). Für die Höhe des Korrekturbetrags können aus Vereinfachungsgründen - anstelle einer quotalen Aufteilung (Nutzung zu dienstlichen Zwecken im Verhältnis zur Gesamtnutzung) - auch die ersparten Reisekosten für Einzelfahrscheine, die im Rahmen der Auswärtstätigkeit ohne Nutzung der BahnCard während deren Gültigkeitsdauer angefallen wären, begrenzt auf die Höhe der tatsächlichen Kosten der BahnCard, zugrunde gelegt werden.

STEUERRAT: Dürfen Sie die BahnCard auch für private Fahrten mitbenutzen, so ist dies steuerlich also unschädlich. Die Gestellung einer BahnCard durch den Arbeitgeber führt jedenfalls dann nicht zu einem geldwerten Vorteil, wenn die Kosten der BahnCard durch die Ersparnis der BahnCard mindestens kompensiert werden. Auf jeden Fall sollte bei Ausgabe der Bahncard eine "schriftliche" Jahresprognose der voraussichtlichen dienstlichen Fahrten mit der Bahn erfolgen. Diese Prognose sollten Arbeitgeber zum Lohnkonto nehmen.

Weitere Informationen: Berufliche Fahrten: Wie Sie die BahnCard steuergünstig nutzen können

 

3. Verdienst:
Kreditkartenmodell senkt Steuern auf Boni

Bald ist es wieder soweit: Arbeitgeber und - leitende - Angestellte verhandeln über ihren Bonus. Vielleicht könnte das nachfolgend geschilderte Gestaltungsmodell dazu führen, dass der Bonus des einen oder anderen Angestellten im Jahre 2018 etwas höher als sonst ausfällt. Angestellten könnte anstelle eines Bonus in bar nämlich eine Kreditkarte hingegeben werden, auf dem sich bereits bis zu 10.000 EUR befinden. Der Arbeitgeber hat nun die Möglichkeit, diesen Betrag gemäß § 37b EStG mit 30 Prozent Einkommensteuer pauschal zu besteuern. Dadurch könnte sich "unterm Strich" ein Steuervorteil von 1.266 EUR oder " je nach Berechnung" für den Arbeitgeber sogar ein Vorteil von 4.800 EUR ergeben.

Beispiel:
Max Müller soll in 2018 einen Bonus für 2017 in Höhe von 10.000 EUR erhalten, der zusätzlich zu seinem vertraglich vereinbarten Gehalt fällig wird. Müller unterliegt mit seinem Gehalt einem Steuersatz von 42 Prozent. Die Einkommensteuer auf den Bonus beträgt mithin 4.200 EUR zzgl. 231 EUR Solidaritätszuschlag (und ggf. Kirchensteuer). Erhält er nun eine "Prepaid-Kreditkarte" mit einem Guthaben von 10.000 EUR, kann der Arbeitgeber den Betrag pauschal gemäß § 37b EStG versteuern, so dass sich eine Steuer von 3.000 EUR zzgl. 165 EUR = 3.165 EUR ergibt.

Das Modell wird - soweit ersichtlich - von der Finanzverwaltung akzeptiert. Zugebenermaßen muss natürlich auch berücksichtigt werden, welche Belastung sich bei Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Einzelnen ergeben, da im ersten Fall der Arbeitnehmer mit der Lohnsteuer belastet ist, während im Fall der Pauschalsteuer üblicherweise der Arbeitgeber die Steuer übernimmt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen also "aushandeln", wie hoch der Bonus letztlich sein soll, damit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung beide zufrieden sind.

Doch letztlich ließe sich auch anders rechnen: Herr Müller soll in 2018 einen Bonus von 10.000 EUR netto erhalten. Wie viel muss der Arbeitgeber aufwenden, um den Betrag zu zahlen?

Fall 1: Es wird das Kreditkartemodell angewandt. Der Arbeitgeber muss hier insgesamt 13.165 EUR (ggf. zzgl. Kirchensteuer aufwenden). Berechnung: Bonus 10.000 EUR zzgl. 30 Prozent pauschaler Einkommensteuer zzgl. 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag.
Fall 2: Der Bonus soll "normal" besteuert werden. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall schon rund 18.000 EUR aufwenden. Berechnung: Bonus brutto 18.000 EUR abzgl. Lohnsteuer rund 7.560 EUR abzgl. Solidaritätszuschlag 416 EUR = 10.022 EUR.
Der Arbeitgeber müsste also rund 4.800 EUR mehr aufwenden, um Herrn Müller einen Nettobonus von rund 10.000 EUR zu zahlen.

Doch gibt es einen Haken bei dem Modell? Keinen Haken, aber doch zwei Punkte, die beachtet werden müssen:

  • Die Kreditkarten müssen Barabhebungen, Überziehungen, den Kauf von Fremdwährungen und Geldüberweisungen ausschließen.
  • Die Leistungen müssen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.

Die erste Voraussetzung dürfte kein allzu großes Problem darstellen, denn immerhin kann der Arbeitnehmer an Tankstellen bezahlen, Waren erwerben und Reisen bezahlen. Übrigens kann der Betrag auch direkt zu Jahresbeginn eingezahlt werden, muss also nicht auf zwölf Monate verteilt werden.

STEUERRAT: Eine Warnung sei an dieser Stelle aber bezüglich des zweiten Punktes angebracht: Allzu häufig ist zu erleben, dass versucht wird, den ohnehin geschuldeten Arbeitslohn über "wildeste" Konstruktionen in einen Zuschuss umzufunktionieren. Danach verzichten Arbeitnehmer zum Beispiel zeitweise auf Arbeitslohn, sichern sich aber über Nebenverträge ab, damit ihnen im "Fall der Fälle" nichts verloren geht. Doch hier sind die Finanzämter mittlerweile sehr misstrauisch geworden. Die Praxis der Lohnsteueraußenprüfungen zeigt, dass die Modelle oftmals scheitern. Und nicht selten sind es dann die Arbeitgeber, die per Haftungsbescheid zur Kasse gebeten werden. Also: Übertreiben Sie es nicht.

Letztlich kommt es natürlich auf den persönlichen Steuersatz des jeweiligen Angestellten an. Gerade im Bereich der leitenden Angestellten, die sich oftmals im Bereich des Spitzensteuersatzes befinden, kann das Modell aber - zumal es relativ leicht durchführbar ist - zu einer nennenswerten Steuerersparnis führen.

Noch ein Wort zur Sozialversicherung: Der Arbeitgeberzuschuss an die eigenen Mitarbeiter, der nach § 37b EstG versteuert wird, ist nicht sozialversicherungsfrei. Doch in der Praxis führt das Kreditkartenmodell normalerweise nicht zu einer Belastung mit Sozialversicherung, da die leitenden Angestellten, um die es hier geht, sicherlich einen laufenden Arbeitslohn oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze beziehen. Hier die aktuellen Zahlen für 2018: Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung liegt im Westen bei 6.500 EUR/Monat und in den neuen Bundesländern bei 5.800 EUR. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind es bundeseinheitlich 4.425 EUR/Monat.

Weitere Informationen: Steuerbegünstigte Leistungen: Wohltaten vom Arbeitgeber mit Steuervorteil

 

4. Lohnversteuerung:
Papier hatte bis 2016 mehr Gewicht als digitale Daten

Die digitale Übermittlung der Lohndaten durch den Arbeitgeber an die Finanzverwaltung funktioniert heute zwar weitestgehend reibungslos. In der Vergangenheit kam es aber hin und wieder zu fehlerhaften, unterlassenen oder verspäteten elektronischen Meldungen. Sind dann in den Steuererklärungen der Arbeitnehmer fehlerhafte Werte automatisiert übernommen worden, stellte sich zumindest bis einschließlich 2016 die Frage, ob und inwieweit die Steuerbescheide anschließend geändert werden konnten.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass das Finanzamt einen Steuerbescheid nicht zuungunsten des Arbeitnehmers ändern darf, wenn dieser seinen Arbeitslohn in der (Papier-)Steuererklärung ordnungsgemäß angegeben, das Finanzamt aber die elektronisch übermittelten Lohndaten übernommen hat und dadurch die Einkommensteuer zu niedrig festgesetzt worden ist (Urteil vom 16.1.2018, VI R 41/16).

  • Der Fall: Die Klägerin war im Jahre 2011 zunächst bei der X-GmbH und später bei der Y-GmbH beschäftigt. Ihren aus diesen beiden Arbeitsverhältnissen bezogenen Arbeitslohn erklärte sie gegenüber dem Finanzamt zutreffend. Die Erklärung wurde in Papierform eingereicht. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid lediglich den Arbeitslohn aus dem Arbeitsverhältnis mit der Y-GmbH. Später stellte das Finanzamt fest, dass die X-GmbH erst im Nachhinein die richtigen Lohndaten für die Klägerin übermittelt hatte und diese deshalb im Bescheid nicht enthalten waren. Das FA erließ daher einen Änderungsbescheid. Das Finanzamt sah sich als nach § 129 Satz 1 AO änderungsbefugt an. Nach dieser Vorschrift kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.
  • Der BFH hat der Finanzverwaltung jedoch widersprochen. Nach seinem Urteil liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor. Entscheidend war hierfür, dass die Klägerin ihren Arbeitslohn zutreffend erklärt, das Finanzamt diese Angaben aber ignoriert hatte, weil es darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten zutreffend waren. Kommt es bei dieser Vorgehensweise zu einer fehlerhaften Erfassung des Arbeitslohns, liegt nach dem BFH kein mechanisches Versehen, sondern vielmehr ein Ermittlungsfehler des Finanzamts vor. Eine spätere Berichtigung nach § 129 AO ist dann nicht möglich.

Die Kehrseite des Urteils: Wird infolge einer fehlerhaften Meldung des Arbeitgebers zu viel Arbeitslohn erfasst, kann sich der Steuerbürger in vergleichbaren Fällen ebenfalls nicht im Nachhinein auf § 129 AO berufen, wenn er den Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bemerkt.

STEUERRAT: Seit dem 1. Januar 2017 gilt die Neuregelung des § 175b AO. Danach ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.

 

5. Transferkurzarbeitergeld:
Finanzverwaltung will das Jahr 2016 nicht ruhen lassen

Für die Mitarbeiter des Bochumer Werks der Adam Opel AG (OPEL) gab es eine Rahmenvereinbarung zum sozialverträglichen Abbau von Stellen. Dazu wurde auf Veranlassung von OPEL mit Arbeitnehmern und der Firma TÜV NORD Transfer GmbH ein Vertrag geschlossen. In diesem Vertrag wurde das Arbeitsverhältnis zwischen OPEL und dem Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung aufgehoben und beendet. Zudem begründeten der Arbeitnehmer und die TÜV NORD Transfer im Anschluss ein auf zwölf Kalendermonate befristetes Arbeitsverhältnis. Das gesetzliche Transferkurzarbeitergeld wurde von der TÜV NORD Transfer durch einen Zuschuss aufgestockt.

Das Finanzgericht Münster hat bereits entschieden, dass die Aufstockungsbeträge des Jahres 2015 dem ermäßigten Steuertarif nach der Fünftelregelung unterliegen (FG Münster vom 15.11.2017, 7 K 2635/16 E; vgl. SteuerSparbrief Januar 2018; andere Auffassung: FG Köln vom 6.12.2017, 14 K 1918/17). Aufgrund der Revision des Finanzamts wird demnächst der Bundesfinanzhof entscheiden müssen, so dass entsprechende Einspruchsverfahren bis dahin ruhen (Az. IX R 44/17).

AKTUELL haben viele Arbeitnehmer auch gegen ihre Steuerbescheide 2016 Einspruch eingelegt und beantragt, die Zuschüsse zum Transferkurzarbeitergeld dieses Jahres ebenfalls ermäßigt zu besteuern. Das FG Münster hat zwar entschieden, dass es für die ermäßigte Besteuerung der Hauptleistung im Veranlagungszeitraum 2015 unschädlich sein kann, wenn neben der Hauptentschädigungsleistung in späteren Jahren aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungsleistungen gewährt werden. Dies führt nach Ansicht des Fiskus jedoch nicht dazu, dass auch die Zuschüsse zum Transferkurzarbeitergeld im Veranlagungszeitraum 2016 der Fünftelregelung unterliegen. Zwar war beim Finanzgericht Düsseldorf ein Verfahren anhängig (Az. 15 K 2217/17 E), bei dem es um Jahr 2016 ging; allerdings wurde die Klage zurückgenommen und das Verfahren eingestellt. Die Finanzverwaltung wird daher die Bearbeitung der bisher zurückgestellten Einsprüche und Anträge auf Ruhen des Verfahrens für den Veranlagungszeitraum 2016 wieder aufnehmen.

STEUERRAT: Nicht nur die OPEL-Mitarbeiter sind betroffen. Vielmehr müssen auch andere Arbeitnehmer, die in Transfergesellschaften tätig sind, mit einer vollen Versteuerung der Zuschüsse zum Transferkurzarbeitergeld im Zweitjahr rechnen. Im Nordrhein-Westfalen sind das zum Beispiel die Mitarbeiter der Fujitsu Technology Solutions GmbH in Paderborn.

Weitere Informationen: Abfindung wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses

 

6. Polizeibeamte:
Regelmäßig keine Verpflegungspauschale bei Streifendienst

Polizeibeamte im Streifendienst sind üblicherweise einer festen Dienststelle zugeordnet. Diese gilt als so genannte erste Tätigkeitsstätte. Für die Zeit, in der die Beamten im Streifendienst, also außerhalb der Wache tätig sind, steht ihnen nur dann eine steuerliche Verpflegungspauschale zu, wenn die Abwesenheit von der Wache mehr als acht Stunden beträgt. Das ist jedoch eher selten der Fall. Auch können die Fahrtkosten zur Polizeiinspektion nur mit der Entfernungspauschale von 30 Cent je Entfernungs-Km geltend gemacht werden. Das Niedersächsische Finanzgericht hat diese Auffassung der Finanzverwaltung mit Urteil von 24.4.2017 (2 K 168/16) bestätigt; die Revision ist allerdings noch beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen VI R 27/17 anhängig.

AKTUELL hat eine Beispielsrechnung auf einem Internetportal für Polizisten für zahlreiche Anfragen bei Lohnsteuerhilfevereinen und Steuerberatern gesorgt. Den Polizeibeamten im Streifendienst ist in dem Beispiel nämlich vorgerechnet worden, dass sie quasi für jeden Arbeitstag die Verpflegungspauschale von 12 EUR geltend machen könnten. Die Beispielsrechnung widerspricht jedoch dem Urteil des Finanzgerichts. Daher sollte aus heutiger Sicht nicht mit einer Anerkennung der Kosten gerechnet werden.

STEUERRAT: Auch wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass der BFH der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts wiederspricht, sollten Verpflegungskosten und auch Fahrtkosten nach Reisegrundsätzen geltend gemacht werden. Gegen ablehnende Steuerbescheide sollten Sie Einspruch eingelegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen. Musterformulierung: "Hiermit lege ich Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid des Jahres ..... vom ..... ein. Begründung:Sie haben den Abzug der geltend gemachten Verpflegungspauschalen abgelehnt. Die Fahrtkosten zur Dienststelle haben Sie nur mit der Entfernungspauschale berücksichtigt. Derzeit entscheidet jedoch der BFH über die Frage, ob im Streifendienst tätige Polizeibeamte an ihrer Dienststelle eine erste Tätigkeitsstätte begründen. Falls er diese verneint, wäre die Folge, dass Fahrtkosten vom Wohnort zur Dienststelle nach Reisekostengrundsätzen und zudem Mehraufwendungen für Verpflegung bei dienstbedingter Auswärtstätigkeit anzuerkennen sind (Az. des BFH: VI R 27/17). Unter Bezugnahme auf das genannte BFH-Verfahren beantrage ich, das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruhen zu lassen."

 

7. Bereitschaftsdienst:
Bereitschaftszeit ist als Arbeitszeit anzusehen

Immer wieder gibt es sowohl steuerliche als auch sozial- und arbeitsrechtliche Fragen rund um die Ableistung von Bereitschaftsdiensten.

AKTUELL hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb kurzer Zeit Folge zu leisten, als "Arbeitszeit" anzusehen ist. Die Verpflichtung, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Vorgabe, sich innerhalb kurzer Zeit am Arbeitsplatz einzufinden, schränken die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers erheblich ein, sich anderen Tätigkeiten zu widmen (EuGH-Urteil vom 21.2.2018, C-518/15).

  • Der Fall: Die freiwilligen Feuerwehrleute von Nivelles in Belgien nehmen an den Einsätzen teil und nehmen auch Wach- und Bereitschaftsdienste wahr. Herr Rudy Matzak wurde 1981 freiwilliger Feuerwehrmann. Außerdem ist er Angestellter eines Privatunternehmens. Im Jahr 2009 klagte er gegen die Stadt Nivelles, um u.a. eine Entschädigung für seine zu Hause geleisteten Bereitschaftsdienste zu erhalten, die seiner Ansicht nach als Arbeitszeit einzuordnen sind. Herr Matzak war verpflichtet, einem Ruf seines Arbeitgebers zum Einsatzort innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten. Zum anderen musste er an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort persönlich anwesend sein.
  • In seinem Urteil weist der EuGH zunächst darauf hin, dass die EU-Mitgliedstaaten in bestimmtem Umfang an die EU-Richtlinie 2003/88/EG über Aspekte der Arbeitszeitgestaltung gebunden sind, so hinsichtlich der Begriffe "Arbeitszeit" und "Ruhezeit2. Zwar steht es den Mitgliedstaaten frei, in ihrem jeweiligen nationalen Recht Regelungen zu treffen, die günstigere Arbeits- und Ruhezeiten für Arbeitnehmer vorsehen als die in der Richtlinie festgelegten, der reine Begriff der "Arbeitszeit" darf aber nicht anders ausgelegt werden.
  • Schließlich stellt der EuGH klar, dass die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringen muss und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten "was die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, erheblich einschränkt", als "Arbeitszeit" anzusehen ist. Angesichts dieser Einschränkungen unterscheidet sich die Situation von Herrn Matzak von der eines Arbeitnehmers, der während seines Bereitschaftsdienstes einfach nur für seinen Arbeitgeber erreichbar sein muss.

STEUERRAT: Sicherlich werden viele Arbeitnehmer, die Bereitschaftsdienste leisten, mit ihren Einnahmen oberhalb des Mindestlohns liegen. Sofern dies aber ausnahmsweise nicht der Fall ist, sollte das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 29.6.2016 (5 AZR 716/15) beachtet werden. Der gesetzliche Mindestlohn ist danach für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen. Zur vergütungspflichtigen Arbeit rechnen auch Bereitschaftszeiten, während derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort - innerhalb oder außerhalb des Betriebs - bereithalten muss, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. In steuerlicher Hinsicht gilt im Übrigen: Werden Bereitschaftsdienste pauschal zusätzlich zum Grundlohn ohne Rücksicht darauf vergütet, ob die Tätigkeit an einem Samstag oder Sonntag erbracht wird, handelt es sich dabei nicht um steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit (BFH-Urteil vom 29.11.2016, BStBl. 2017 II S. 718).

 

8. Mindestlohn:
Neue Werte für drei Branchen

Im Baugewerbe, dem Dachdeckerhandwerk und der Gebäudereinigung gelten seit dem 1. Januar 2018 neue tarifliche Mindestlöhne. Die Tarifparteien haben sie Ende 2017 ausgehandelt. Das Bundeskabinett billigte nun die Mindestlohnverordnungen für Dachdecker und Gebäudereiniger. Damit müssen die Branchenmindestlöhne auch in Betrieben gezahlt werden, die nicht tariflich gebunden sind. Sie gelten auch für Beschäftigte, die von ausländischen Unternehmen nach Deutschland entsandt werden, um hier zu arbeiten. Die drei Verordnungen sind zum 1. März 2018 in Kraft getreten.

Dachdeckerhandwerk

Dem Dachdeckerhandwerk gehören in Deutschland rund 64.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an. Etwa 80 Prozent haben einen Facharbeiterabschluss. Beim Mindestlohn unterscheiden die Tarifpartner erstmalig nach dem Qualifikationsniveau. Ob der Betrieb in Ost- oder Westdeutschland angesiedelt ist, spielt hingegen keine Rolle. Gelernte Dachdecker erhalten statt 12,25 EUR nun mindestens 12,90 EUR. Ungelernte mindestens 12,20 EUR.

Gilt ab  

Mindestlohn für Ungelernte 

Mindestlohn für Fachkräfte 

1.März 2018

12,20 Euro

12,90 Euro

1.Januar 2019

12,20 Euro

13,20 Euro

Die Laufzeit der Mindestlohnverordnung im Dachdeckerhandwerk endet am 31.12.2019.

Gebäudereinigung

In der Gebäudereinigung arbeiten rund eine Million Menschen. Mit der Verordnung steigt nun für alle Gebäudereiniger der Mindestlohn - egal, ob in einem Tarifbetrieb beschäftigt oder nicht. In den alten Bundesländern (inklusive Berlin) müssen Reinigungskräfte in der Innenreinigung (Lohngruppe 1) mindestens 10,30 EUR pro Zeitstunde bekommen. In den neuen Bundesländern haben sie Anspruch auf 9,55 EUR. Glas- und Fassadenreiniger (Lohngruppe 6) steht ein Stundenlohn von mindestens 13,55 EUR in den alten und 12,18 EUR in den neuen Bundesländern zu. In den Folgejahren werden die Lohnuntergrenzen schrittweise angehoben, wodurch sich Ost und West weiter angleichen. Ab 1. Dezember 2020 zieht die Lohnuntergrenze in Ost und West gleich: Sie liegt dann bundeseinheitlich bei 10,80 EUR in der Lohngruppe 1 und 14,10 EUR in der Lohngruppe 6.

Gilt ab

   

West

 (mit Berlin) 

Ost

 

 

Lohngruppe 1

Lohngruppe 6

Lohngruppe 1

Lohngruppe 6

1. März 2018

10,30 Euro

13,55 Euro

9,55 Euro

12,18 Euro

1. Januar 2019

10,56 Euro

13,82 Euro

10,05 Euro

12,83 Euro

1. Januar 2020

10,80 Euro

14,10 Euro

10,55 Euro

13,50 Euro

 

bundeseinheitlich 

 

Lohngruppe 1

Lohngruppe 6

1.Dezember 2020

10,80 Euro

14,10 Euro

Die Mindestlohnverordnung in der Gebäudereinigung tritt am 31.12.2020 außer Kraft.

Baugewerbe

Gut 500.000 Menschen arbeiten in der Baubranche. Mit der neuen Verordnung gelten im Baugewerbe flächendeckend höhere Mindestlöhne. Ungelernte nach Lohngruppe 1 - dazu zählen Werker oder Maschinenwerker - erhalten einen Stundenlohn von mindestens 11,75 EUR. Das gilt bundesweit. Ab 1. März 2019 stehen ihnen dann 12,20 EUR zu. Beim Mindestlohn für Facharbeiter (Lohngruppe 2) wird regional unterschieden: In Ostdeutschland entspricht er der Lohngruppe 1. In Westdeutschland liegt er zunächst bei 14,95 EUR pro Zeitstunde und steigt ab 1. März 2019 auf 15,20 EUR. Fachkräften in Berlin steht ein Mindestlohn von 14,80 EUR zu. Er erhöht sich ab 1. März 2019 auf 15,05 EUR.

Region 

Gilt ab 

Lohngruppe1 

(Werker, Maschinenwerker)

Lohngruppe 2 

(Fachwerker, Maschinisten, Kraftfahrer)

West 

1. März 2018

11,75 Euro

14,95 Euro

  

1. März 2019

12,20 Euro

15,20 Euro

Berlin 

1. März 2018

11,75 Euro

14,80 Euro

  

1. März 2019

12,20 Euro

15,05 Euro

Ost 

 

Einheitlicher Mindestlohn

 

1. März 2018

11,75 Euro

 

1. März 2019

12,20 Euro

Die Mindestlohnverordnung im Baugewerbe gilt bis 31.12.2019.

Weitere Informationen: Gesetzlicher Mindestlohn: Ausnahmen und Übergangsregelungen

 

II. Privater Bereich

 

1. Krankenversicherung:
Doppelt versichert in gesetzlicher und privater Versicherung

Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind - nach Kürzung um vier Prozent für den Krankengeldanspruch - in tatsächlicher Höhe und unbegrenzt als Sonderausgaben absetzbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Ebenfalls in voller Höhe absetzbar sind Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung, soweit diese der Basisabsicherung dienen.

Nun die spannende Frage: Was ist steuerlich absetzbar, wenn ein pflichtversichertes Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse zusätzlich Basisversicherungsbeiträge zu einer privaten Krankenversicherung leistet? Für die Finanzverwaltung ist der Fall klar: "Bei einer bestehenden Basisabsicherung durch die GKV ist eine zeitgleiche zusätzliche private Krankheitskostenvollversicherung zur Basisabsicherung nicht erforderlich. In diesen Fällen sind bei Pflichtversicherten ausschließlich die Beiträge zur GKV und bei freiwillig Versicherten die höheren Beiträge als Beiträge für eine Basisabsicherung anzusetzen" (BMF-Schreiben vom 24.2.2017, IV C 3 - S 2221/16/10001, Tz. 83).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof die Auffassung des FIskus bestätigt: Im Fall der Doppelversicherung sind nur die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unbegrenzt als Sonderausgaben absetzbar. Ein weitergehender Abzug der Beiträge zur privaten Basis-Krankenversicherung (PKV) als Sonderausgaben ist nicht möglich (BFH-Urteil vom 29.11.2017, X R 5/17).

  • Der Fall: Die Kläger waren in der GKV pflichtversicherte Rentner mit Anspruch auf steuerfreie Zuschüsse zur GKV. Neben den Beiträgen zur GKV und gesetzlichen Pflegeversicherung machten sie Beiträge zur privaten Basis-Krankenversicherung sowie Beiträge zu über die Basisabsicherung hinausgehenden privaten Krankenversicherungen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte nur die Beiträge zur GKV als Beiträge zur Basisabsicherung, da bei einer Pflichtversicherung in der GKV zusätzliche Beiträge zu einer PKV zwecks Basisabsicherung nicht notwendig seien.
  • Nach Auffassung des BFH sind nur die in die gesetzliche Krankenkasse gezahlten Beiträge unbegrenzt als Sonderausgaben absetzbar (gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG).
  • Beiträge für eine weitere Basisabsicherung durch eine private Krankenversicherung können lediglich als "weitere Versicherungsbeiträge" berücksichtigt werden, soweit der Vorsorgehöchstbetrag noch nicht mit GKV-Beiträgen ausgeschöpft ist (gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG).
  • Die Beiträge zur zusätzlichen privaten Krankenversicherung können auch nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden. Zum einen ist dies deswegen ausgeschlossen, weil es sich vorrangig um Sonderausgaben handelt, zum anderen sind die Beiträge nicht zwangsläufig.

STEUERRAT: Etwas anderes gilt für den Fall, dass der Ehegatte im Rahmen der Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei mitversichert ist und zusätzlich noch eine private Basis-Krankenversicherung abgeschlossen hat. Hier ist der Fiskus großzügig und akzeptiert "aus verwaltungsökonomischen Gründen den Sonderausgabenabzug für die Beiträge an eine PKV als Basisabsicherung" (BMF-Schreiben vom 24.2.2017, IV C 3 - S 2221/16/10001, Tz. 83).
Falls neben einer bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge zu einer Anwartschaftsversicherung in der PKV geleistet werden, sind sowohl die Beiträge zur GKV als auch die Beiträge zur Anwartschaftsversicherung abziehbar.

Weitere Informationen: Vorsorge: Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

 

2. Bedrohung von Leib und Leben:
Kosten für privaten Sicherheitsdienst absetzbar

Wie ein Psychothriller liest sich folgender Fall: Eine wohlhabende ältere Dame (Klägerin) nimmt eine erwachsene und sich als Ärztin ausgebende Frau im Wege der Adoption als Kind an, erteilte ihr General- und Vorsorgevollmacht und setzte sie als Erbin ein. Die Klägerin wurde von ihrer Adoptivtochter mit Medikamenten "ruhig gestellt" und in einen körperlichen Dämmerzustand versetzt, der nur dann durch weitere Medikamente unterbrochen wurde, wenn die Klägerin wichtige Termine wie Notartermine, u.a. für die Erbeinsetzung der Adoptivtochter, wahrnehmen musste. Nachdem sie sich befreien konnte, widerrief die Klägerin die Vollmachten und die Erbeinsetzung und zog in eine Seniorenresidenz, in der sie sich 24 Stunden am Tag durch einen privaten Sicherheitsdienst bewachen ließ, weil ihre Adoptivtochter und von dieser beauftragte Personen mehrfach versucht hatten, die Klägerin dort aufzusuchen. Die Kosten für den Sicherheitsdienst in Höhe von 210.000 EUR wollte das Finanzamt nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd anerkennen.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass die Kosten in Höhe von sage und schreibe 210.000 EUR für die Beauftragung eines privaten Sicherheitsdienstes als außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 33 EStG - unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung - absetzbar sind. Vorausgesetzt, die Aufwendungen sind notwendig und angemessen, um eine Gefahr für Leib und Leben abzuwehren (FG Münster vom 11.12.2017, 13 K 1045/15 E).

Nach Auffassung der Finanzrichter sind die Aufwendungen für den privaten Sicherheitsdienst der Klägerin "aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig" erwachsen. Sie sei aufgrund der Behandlung durch ihre Adoptivtochter einer schweren gesundheitlichen Bedrohung ausgesetzt gewesen und in ihrer persönlichen Freiheit unzumutbar eingeschränkt worden. Es habe auch die Gefahr einer Entführung und damit einer Wiederholung der körperlichen Übergriffe bestanden. Die Klägerin sei gezwungen gewesen, sich vor weiteren möglichen Angriffen gegen Leib und Leben zu schützen. Da es sich bei der Seniorenresidenz nicht um eine geschlossene Anlage gehandelt habe, seien die Aufwendungen für den Sicherheitsdienst auch den Umständen nach notwendig und angemessen gewesen.


Die Richter meinen, dass die Höhe der Aufwendungen für den Sicherheitsdienst nicht gegen deren "Angemessenheit" spricht. Es handele sich nämlich um eine 24-Stunden-Bewachung, die durch mehrere Personen gewährleistet wurde. Aus den vorliegenden Rechnungen sei nicht erkennbar, dass die ausgeführten Leistungen überhöht abgerechnet worden sind.

STEUERRAT: Aufwendungen zur Abwehr von Gefahren gegen Leib und Leben erwachsen grundsätzlich "aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig". So sind beispielsweise Aufwendungen für die Abwehr von massiven Angriffen eines unbekannten Täters in Form von tätlichen Angriffen und Telefonterror als "zwangsläufig" beurteilt und die Kosten für einen Detektiv als außergewöhnliche Belastungen anerkannt worden (FG Hessen vom 22.5.1989, 8 K 3370/88). Ebenfalls anerkannt wurde ein Schaden infolge einer Straftat (FG Saarland vom 25.11.1987, 1 K 128/86). Gleiches gilt für gezahlte Erpressungs- und Lösegelder, wenn jemand Opfer einer Erpressung wird und dabei keine Handlungsalternativen hat, z.B. bei einer Entführung oder bei Bedrohung mit dem Tod oder einem anderen empfindlichen Übel (BFH-Urteil vom 18.3.2004, III R 31/02; BFH-Urteil vom 6.5.1994, III R 27/92).

 

3. Berufsständisches Versorgungswerk:
Beitragserstattung kann steuerfrei sein

Berufsständische Versorgungseinrichtungen sind öffentlich-rechtliche Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen für Beschäftigte und selbstständig tätige Angehörige der kammerfähigen freien Berufe, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen. Solche Versorgungswerke gibt es beispielsweise für Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Notare, Architekten, Ingenieure. Die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung tritt aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung bei Aufnahme der betreffenden Berufstätigkeit ein.

Scheidet ein Mitglied aus dem berufsständischen Versorgungswerk aus, z.B. wegen Eintritt in ein Beamtenverhältnis oder bei Aufnahme einer berufsfremden Tätigkeit, besteht unter bestimmten Bedingungen ein Anspruch auf Erstattung der geleisteten Pflichtbeiträge abzüglich der steuerfreien Arbeitgeberbeiträge. Nach geltender Rechtslage seit 2007 ist eine Beitragserstattung steuerfrei, sofern Beiträge für nicht mehr als 59 Beitragsmonate nominal erstattet werden. Werden bis zu 60 % der geleisteten Beiträge vom berufsständischen Versorgungswerk erstattet, handelt es sich aus Vereinfachungsgründen insgesamt um eine steuerfreie Beitragserstattung (gemäß § 3 Nr. 3c EStG).

ABER die Finanzverwaltung hat doch eine Hürde aufgebaut: Die Beitragserstattung soll erst dann steuerfrei sein, wenn nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht mindestens 24 Monate vergangen sind (BMF-Schreiben vom 19.8.2013, BStBl. 2013 I S. 1087, Tz. 205).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Beitragserstattung aus einem berufsständischen Versorgungswerk auch dann gemäß § 3 Nr. 3c EStG steuerfrei bleibt, wenn die Beantragung vor Ablauf von 24 Monaten nach dem Ausscheiden erfolgt. Denn für eine Wartezeit von 24 Monaten fehle eine gesetzliche Grundlage. Da im Urteilsfall eine solche Frist auch nicht in der Satzung des Versorgungswerks enthalten war, sei die Beitragserstattung bereits bei einer Auszahlung nach nur sechs Monaten nach dem Ausscheiden steuerfrei (BFH-Urteil vom 10.10.2017, X R 3/17, veröffentlicht am 21.2.2018).

STEUERRAT: Betroffene Steuerzahler sollten gegen ihre Steuerbescheide Einspruch einlegen. Das Finanzamt wird nun sicherlich versuchen, die Bescheide der Vorjahre zu ändern - also der Jahre, in denen die Beiträge geltend gemacht worden sind. Auch gegen diese Änderungen sollten Sie sich zur Wehr setzen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen. Denn mit Sicherheit wird es früher oder später ein Musterverfahren geben, in dem es um das Problem der rückwirkenden Änderung gehen wird.

Weitere Informationen: Berufsständische Versorgungswerke: Steuerregeln für Beiträge und Renten

 

III. Kinder

 

1. Schulgeld:
Studiengebühren für private Fachhochschule nicht absetzbar

Besucht Ihr Kind, für das Sie Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag haben, eine kostenpflichtige Privatschule, können Sie das Schulgeld teilweise als Sonderausgaben absetzen: Absetzbar sind 30 Prozent, höchstens 5 000 EUR. Begünstigt sind Schulen und Einrichtungen, die zu einem anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führen (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Die Frage ist, ob auch staatlich anerkannte private Hochschulen und Fachhochschulen begünstigt sind.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Studiengebühren für eine private Fachhochschule nicht als Schulgeld im Rahmen der Sonderausgaben absetzbar sind. Hochschulen einschließlich der Fachhochschulen und die ihnen im EU-/EWR-Ausland gleichstehenden Einrichtungen fallen nicht unter den Begriff der "Schule" im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG (BFH-Urteil vom 10.10.2017, X R 32/15).

Der Ausschluss des Schulgeldabzugs gilt auch nach der gesetzlichen Neuregelung im Jahre 2009. Seitdem ist nicht mehr die landesrechtliche Anerkennung einer bestimmten Privatschule, sondern der durch die Schule vermittelte Abschluss für die Frage der Abziehbarkeit des Schuldgelds entscheidend. Folglich ist die Frage, ob einer inländischen Schule eine staatliche Genehmigung als Ersatzschule oder die Anerkennung als allgemein bildende Ergänzungsschule erteilt worden ist, für Jahre ab 2009 ohne Bedeutung.

Weitere Informationen: Steuervergünstigung für Schulgeld.

 

2. BEA-Freibetrag:
Bei Übertragung ist ein Widerspruch des Vaters möglich

Der Familienleistungsausgleich ist schon kompliziert genug. Bei geschiedenen, getrennt lebenden sowie nicht miteinander verheirateten Eltern aber wird er noch schwieriger. Im Gegensatz zum Kindergeld, das immer nur einer Person gezahlt wird, stehen die steuerlichen Freibeträge für Kinder, nämlich Kinderfreibetrag und BEA-Freibetrag (für Betreuung, Erziehung und Ausbildung), grundsätzlich beiden Elternteilen jeweils zur Hälfte zu. Die Frage ist: Ist eine Übertragung des hälftigen Betrages möglich?

  • Kinderfreibetrag: Die Übertragung des halben Kinderfreibetrages von einem Elternteil auf den anderen Elternteil ist ohne weiteres nicht möglich - auch nicht aufgrund eines einvernehmlichen Antrags. Vielmehr ist eine Übertragung nur dann zulässig, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seine Unterhaltsverpflichtungnicht zu mindestens 75 % erfüllt. Eine Zustimmung des anderen Elternteils ist dann nicht erforderlich. In diesem Fall geht automatisch auch der halbe BEA-Freibetrag mit über. Seit 2012 ist eine Übertragung des halben Kinderfreibetrages auf den betreuenden Elternteil ebenfalls möglich, wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist und deshalb auch keinen Unterhalt zahlen muss. Erforderlich ist dann allerdings ein Antrag des betreuenden Elternteils (§ 32 Abs. 6 Satz 6-7 EStG).
  • BEA-Freibetrag: Der Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildungsbedarf kann für minderjährige Kinder unabhängig und abweichend vom Kinderfreibetrag von einem Elternteil auf den anderen Elternteil übertragen werden. Dazu genügt ein einseitiger Antrag des betreuenden Elternteils, ohne dass weitere Nachweise oder Begründungen vorgelegt werden müssen. Voraussetzung ist jedoch, dass das Kind beim barunterhaltspflichtigen Elternteil an keinem Tag im Jahr gemeldet ist. Seit 2012 ist es aber zulässig, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der Übertragung des BEA-Freibetrages widersprechen kann, wenn er Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind (1.) regelmäßig (2.) "in einem nicht unwesentlichen Umfang" betreut. In diesem Fall ist eine Übertragung des BEA-Freibetrages auf einseitigen Antrag des betreuenden Elternteils nicht mehr möglich (§ 32 Abs. 6 Satz 8-9 EStG).

Die Frage beim BEA-Freibetrag also ist: Wann liegt eine Betreuung "in nicht unwesentlichem Umfang" vor?

  • Im Gesetz ist das Merkmal der regelmäßigen Betreuung "in einem nicht unwesentlichen Umfang" nicht näher erläutert. Auch der Bundesfinanzhof hat dazu bislang noch nicht Stellung genommen.
  • Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein nicht nur gelegentlicher Umgang mit dem Kind maßgebend, der erkennen lässt, dass der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen Nachhaltigkeit wahrnimmt, d.h. fortdauernd und immer wieder in Kontakt zu dem Kind steht. Bei lediglich kurzzeitigem, anlassbezogenem Kontakt (z.B. zum Geburtstag, zu Weihnachten und zu Ostern) liegt eine Betreuung "in unwesentlichem Umfang" vor. Von einem "nicht unwesentlichen Umfang" der Betreuung eines Kindes ist typischerweise auszugehen, wenn eine gerichtliche oder außergerichtliche Vereinbarung über einen regelmäßigen Umgang an Wochenenden und in den Ferien vorgelegt wird (BMF-Schreiben vom 28.6.2013, BStBl. 2013 I S. 845, Tz. 9).
  • Im Fachschrifttum wird eine Betreuung "in einem nicht unwesentlichen Umfang" angenommen, wenn der Betreuungsanteil ungefähr 25 % oder durchschnittlich zwei von sieben Tagen in der Woche beträgt. Ausreichend sei jedenfalls regelmäßig die Wahrnehmung des Umgangsrechts oder eine darüber hinausgehende Betreuung.

AKTUELL hat jetzt der Bundesfinanzhof geklärt, was unter einer Betreuung "in nicht unwesentlichem Umfang" zu verstehen ist: Dies ist der Fall, wenn der zeitliche Betreuungsanteil des barunterhaltspflichtigen Elternteils jährlich durchschnittlich 10 % beträgt, wobei weitere Indizien in diesem Fall regelmäßig vernachlässigt werden können. Anders als im Schrifttum vorgeschlagen, ist insoweit nicht erst ab einem Betreuungsanteil von ungefähr 25 % oder einer Betreuung an durchschnittlich zwei von sieben Tagen in der Woche von einer Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang auszugehen (BFH-Urteil vom 8.11.2017, III R 2/16).

  • Nach Auffassung des BFH erfordert der Betreuungsumfang eine Gesamtschau unter Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls. Die Beurteilung kann hierbei von einer Vielzahl nach Lage des Falles naturgemäß auch unterschiedlich zu gewichtenden Faktoren abhängen. Diese sind insbesondere die Häufigkeit und Länge der Kontakte zwischen dem widersprechenden Elternteil und dem Kind, die ihrerseits durch das Alter des Kindes und die Distanz zwischen den Wohnorten des Elternpaares beeinflusst werden. Aus Gründen der Vereinfachung kommt der BFH zu der o.g. Grenze des zeitlichen Betreuungsanteils von 10 Prozent.
  • Das Merkmal einer "regelmäßigen" Betreuung ist insbesondere dann als erfüllt anzusehen, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines - üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten - weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält.

STEUERRAT: Für einen wirksamen Widerspruch des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist es ausreichend, wenn dieser der Übertragung des hälftigen BEA-Freibetrages durch Einspruch gegen seinen eigenen Steuerbescheid widerspricht und beantragt, dass bei ihm der Freibetrag neu oder wieder angesetzt wird. Ist diese widersprechende Einrede sachlich gerechtfertigt, wird das Finanzamt den Steuerbescheid des betreuenden Elternteils, auf dessen Antrag zunächst der Freibetrag übertragen wurde, nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ändern (so BFH-Urteil vom 8.11.2017, III R 2/16).

Weitere Informationen: Geschiedene oder nicht verheiratete Eltern: Kindervergünstigungen.

 

3. Auslandssemester und -praktika:
Sind Miete und Verpflegung absetzbar?

Studierende an einer deutschen Hochschule leisten oftmals Studienabschnitte und Praktika im Ausland. So können beispielsweise in der Studienordnung Auslandssemester und Auslandspraxissemester vorgesehen sein. Die Frage ist, ob Miete und Verpflegungspauschbeträge während der Auslandsaufenthalte als Werbungskosten absetzbar sind.

Studienkosten sind dann in unbegrenzter Höhe als Werbungskosten abziehbar, wenn das Studium nach einer abgeschlossenen Erstausbildung, als Zweitstudium oder im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, z.B. als duales Studium, absolviert wird.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass Miete und Verpflegungskosten während der Auslandsaufenthalte nicht als Werbungskosten absetzbar sind, wenn der oder die Studierende keinen doppelten Haushalt unterhält (FG Münster vom 24.1.2018, 7 K 1007/17 E, F; Revision).

  • Während der Auslandssemester stellt der jeweilige Auslandsort - und nicht der Studienort in Deutschland - die "erste Tätigkeitsstätte" dar. Bei Studierenden gilt nämlich als "erste Tätigkeitsstätte" auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird (§ 9 Abs. 4 Satz 8 EStG). Hieran ändert der Umstand, dass der/die Studierende weiterhin an der Hochschule in Deutschland eingeschrieben ist, nichts. Diese Hochschule kann während der Auslandssemester nicht als "erste Tätigkeitsstätte" angesehen werden, weil sie tatsächlich nicht aufgesucht wird.
  • Anders liegt der Fall bei Auslandspraktika, bei denen der/die Studierende gegen Entgelt in einem Unternehmen beschäftigt ist: In diesem Fall ist der/die Studierende als Arbeitnehmer anzusehen, sodass sich die "erste Tätigkeitsstätte" in dem Unternehmen befindet (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG). Die o.g. Vorschrift des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG findet auf das Auslandspraktikum keine Anwendung, da während dieser Zeit keine Bildungseinrichtung für Zwecke eines Vollzeitstudiums tatsächlich aufgesucht wird. Daran ändert auch die weiter bestehende Einschreibung an der Hochschule in Deutschland nichts.
  • FAZIT: Es handelt sich bei den Auslandsaufenthalten somit nicht um "Auswärtstätigkeiten". Folglich kommt ein Werbungskostenabzug nur nach den Regeln der doppelten Haushaltsführung in Betracht. Das bedeutet: Falls der/die Studierende in Deutschland keinen eigenen Hausstand mit eigener finanzieller Beteiligung unterhält, also noch bei den Eltern wohnt, sind Mietkosten und Verpflegungspauschbeträge nicht als Werbungskosten absetzbar. Dass die/die Studierende im Heimatort weiterhin den Lebensmittelpunkt hat, genügt für die Annahme eines eigenen Hausstandes nicht. Sofern der/die Studierende jedoch in Deutschland einen eigenen Hausstand, d.h. eine eigene Wohnung, unterhält, können Aufwendungen wie bei doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten abgesetzt werden.

STEUERRAT: Da es zu dieser Frage nach neuem Reisekostenrecht ab 2014 noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, bekommt der BFH nun die Gelegenheit dazu. Die Klärung ist bedeutsam für eine große Zahl von Studierenden. Falls das Finanzamt Ihre Mietkosten und Verpflegungspauschbeträge für den Auslandsaufenthalt nicht anerkennen will, legen Sie Einspruch gegen den Steuerbescheid ein und beantragen das Ruhenlassen des Verfahrens.

Weitere Informationen: Aus- und Fortbildung: Welche Aufwendungen steuerlich absetzbar sind

 

4. Kindergeld:
Anspruch trotz krankheitsbedingter Ausbildungsunterbrechung

In bestimmten Fällen erhalten Eltern für Ihre Kinder auch über das 18. Lebensjahr hinaus Kindergeld. So werden Kinder bis zum vollendeten 25. Lebensjahr berücksichtigt, die für einen Beruf ausgebildet werden. Kindergeld gibt es aber z.B. auch während einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten sowie während der Überbrückung von Wartezeit überbrücken, in der die Kinder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können.

AKTUELL hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld fortbesteht, wenn ein Kind zwar seine Ausbildung wegen einer dauerhaften Erkrankung unterbrechen muss, aber weiterhin ausbildungswillig ist (Urteil vom 20.2.2018, 2 K 2487/16).

  • Der Klägerin wurde für die Zeit von März 2014 bis November 2016 für ihre Tochter (geb. am 26. Januar 1994) Kindergeld bewilligt. In dieser Zeit sollte sie eine Ausbildung bei einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Mode absolvieren. Im April 2015 teilte die Klägerin der Familienkasse mit, dass ihre Tochter die Ausbildung zum 31. März 2015 krankheitsbedingt abbrechen müsse. Sie legte ein Attest einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vor, in dem ausgeführt wird, dass die Tochter aus Krankheitsgründen nicht am Schulbesuch teilnehmen könne und nicht absehbar sei, wann die Wiederaufnahme der Ausbildung möglich sei. Seit Juli 2015 befand sich die Tochter in ärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Kindergeldzahlung eingestellt. Dagegen wehrte sich die Klägerin und ließ ihre Tochter - wie von der Familienkasse gefordert - amtsärztlich untersuchen. Mit Bescheinigung vom 12. Oktober 2016 teilte die Amtsärztin mit, dass bei der Tochter der Klägerin eine Erkrankung aus dem psychosomatischen Formenkreis mit notwendiger fachärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung vorliege. Aus amtsärztlicher Sicht sei nachvollziehbar, dass sie aus diesen Gründen die Ausbildung habe unterbrechen müssen. Eine Nachuntersuchung in einem Jahr werde empfohlen. Die Klägerin und ihre Tochter teilten der Beklagten anschließend (im Oktober 2016) mit, dass eine Ausbildung oder ein Studium voraussichtlich im Jahr 2017 aufgenommen bzw. fortgesetzt werde.
  • Die Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld dennoch mit der Begründung ab, die Tochter habe die Ausbildung abgebrochen. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage allerdings statt, weil nur eine Unterbrechung der Ausbildung vorliege. Es fehle an Anhaltspunkten für die Annahme, die Tochter der Klägerin habe wegen ihrer Erkrankung die Absicht aufgegeben, ihre Ausbildung nach der Genesung fortzusetzen. Dass die Dauer der Unterbrechung noch nicht absehbar sei, sei unschädlich. Maßgeblich sei nur, dass die Ausbildung aus krankheitsbedingten und damit objektiven Gründen unterbrochen worden sei. Solche Gründe seien auch in anderen Fällen unschädlich, z.B. (kraft Gesetzes) bei einer Schwangerschaft bzw. während der Mutterschutzzeiten oder (nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes) bei einer unberechtigten Untersuchungshaft.

Weitere Informationen: Wissenswertes zum Kindergeld

 

IV. Nebentätigkeit

 

1. Ehrenamt:
Kein Freibetrag für ehrenamtliche Versichertenberater

Für Nebentätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer, Pfleger und Künstler bleiben Vergütungen bis zum sog. Übungsleiterfreibetrag von 2.400 EUR steuer- und sozialversicherungsfrei. Geregelt ist dies in § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Leider legen die Finanzgerichte die Vorschrift sehr eng aus.

AKTUELL hat das Finanzgericht (FG) Nürnberg entschieden, dass für die Tätigkeit als ehrenamtlicher Versichertenberater der Freibetrag von 2.400 EUR nicht gewährt wird. Vielmehr muss der Rentenberater "Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit" versteuern (Urteil vom 6.10.2017, 4 K 858/16).

  • Der Fall: Der Kläger war ehrenamtlich als Versichertenberater einer Rentenversicherung tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit beriet und unterstützte er Versicherte bei Antragstellungen, wobei Beratungs- und Hilfeleistungen zum Teil in der Privatwohnung durchgeführt wurden. Für diese Tätigkeit erhielt er von der Rentenversicherung eine Wohnungspauschale für die Nutzung seiner Privatwohnung durch fremde Personen (Besuche zur Antragstellung und für Beratungen), eine Erstattung der baren Auslagen für Büromaterial und für Portokosten sowie eine "Zeitaufwands- und Antragspauschale". Letztgenannte betrug im Streitjahr 2.502 EUR und wurde auf § 41 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) gestützt. Das Finanzamt setzte unter Berücksichtigung einer 25%-igen Betriebsausgabenpauschale Einkünfte aus der ehrenamtlichen Tätigkeit Höhe von 1.888 EUR an. Den Abzug eines Freibetrages von 2.400 EUR lehnte es ab.
  • Die Finanzrichter halten diese Auffassung für korrekt. Zwar sei die Tätigkeit ehrenamtlich, allerdings habe der Rentenberater aufgrund der Kostenerstattung auch eine gewisse Gewinnerzielungsabsicht gehabt. Es komme auch kein Freibetrag nach § 3 Nr. 26 EstG in Betracht, da von dieser Vorschrift nur Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbare nebenberufliche Tätigkeiten begünstigt sind. Es gehe also um pädagogische Tätigkeiten; ein Rentenberater erbringe aber eher eine beratende Tätigkeit für die rechtlichen und finanziellen Interessen der Versicherten.
  • Im Übrigen sind die Einnahmen auch nicht nach § 3 Nr. 12 Satz 2 steuerfrei. Danach sind Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, steuerfrei, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Bei der gewährten Entschädigung sei nach Ansicht des FG aber gerade davon auszugehen, dass diese sowohl hinsichtlich der Zeitpauschale als auch der Antragspauschale für Zeitaufwand geleistet wurde.

STEUERRAT: Gegen das Urteil wurde beim Bundesfinanzhof Nichtzulassungsbeschwerde erhoben (VIII B 121/17). Daher sollte in ähnlich gelagerten Fällen Einspruch gegen ablehnende Steuerbescheide eingelegt und ein Ruhen des Verfahrens beantragt werden.

Weitere Informationen: Nebentätigkeiten: Übungsleiterfreibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG

 

2. Schiedsrichter im internationalen Einsatz:
Gewerbliche Tätigkeit mit Gewerbesteuer

Ist ein Fußballschiedsrichter sowohl bei nationalen (u.a. Fußball-Bundesliga) als auch bei internationalen (u.a. Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, Champions League) Wettbewerben eingesetzt, sind die Vergütungen als "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" zu qualifizieren (OFD Frankfurt vom 24.4.2012, S 2257 A-19-St 218). Die Frage ist, ob für diese Einkünfte auch Gewerbsteuer zu zahlen ist.

Das FG Rheinland-Pfalz hatte die Auffassung vertreten, dass ein Fußballschiedsrichter selbst dann, wenn er international (und nicht nur national) tätig ist, keine gewerbesteuerpflichtige Tätigkeit ausübt und daher nicht der Gewerbesteuer unterliegt (FG Rheinland-Pfalz vom 18.7.2014, 1 K 2525/11).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass national und international tätige Schiedsrichter eine gewerbliche Tätigkeit ausüben und die erzielten Gewinne der Gewerbesteuer unterliegen. Die Tätigkeit begründet steuerrechtlich einen Gewerbebetrieb, weil eine selbstständige nachhaltige Betätigung vorliegt, die in Gewinnerzielungsabsicht und unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unternommen wird. Daher wird bei internationalen Einsätzen nicht am jeweiligen Spielort eine Betriebsstätte begründet, sodass die deutsche Gewerbesteuer auch für die im Ausland erzielten Einkünfte festgesetzt werden kann (BFH-Urteil vom 20.12.2017, I R 98/15).

  • Der Fall: Der Kläger war in den Streitjahren (2001 bis 2003) als Fußballschiedsrichter sowohl im Inland als auch im Ausland tätig. Er leitete neben Spielen der Fußball-Bundesliga u.a. Spiele im Rahmen einer von der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) veranstalteten Weltmeisterschaft sowie - jeweils von der Union of European Football Associations (UEFA) durchgeführt - der Qualifikation zu einer Europameisterschaft, der UEFA Champions-League und des UEFA Cup. Das Finanzamt setzte Gewerbesteuer fest - das Finanzgericht sah dafür keinen Grund.
  • ABER nach Auffassung des BFH folgt aus der Selbstständigkeit, dass ein Schiedsrichter bei der Einkünfteerzielung auf eigene Rechnung und Gefahr tätig ist und Unternehmerinitiative entfalten kann. Ein "Anstellungsverhältnis" liegt nicht vor, auch wenn - nach der Zusage, die Spielleitung zu übernehmen - die Tätigkeit hinsichtlich des Ortes und der Zeit im Rahmen der Ansetzung zu den einzelnen Spielen durch die Fußball-Verbände bestimmt wird. Jedenfalls besteht während des Fußballspiels - als Schwerpunkt der Tätigkeit - keine Weisungsbefugnis eines Verbands. Nicht zuletzt entspricht die Tätigkeit des Klägers ihrer Art und ihrem Umfang nach dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme. Die Anzahl der Vertragspartner ist hierbei unerheblich. Deshalb kann sich aus Sicht des BFH bereits die Schiedsrichtertätigkeit für einen (einzigen) Landes- oder Nationalverband (wie etwa den Deutschen Fußball-Bund e.V.) bei der gebotenen Gesamtbetrachtung als unternehmerische Marktteilnahme darstellen.
  • Auch die Gewinne, die aufgrund der im Ausland geleiteten Spiele erzielt werden, unterliegen der deutschen Gewerbesteuer. Denn der Schiedsrichter hat nur eine einzige Betriebsstätte, nämlich in seiner inländischen Wohnung als Ort der "Geschäftsleitung". An den Spielorten unterhält er hingegen keine "feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient" und damit auch keine Betriebsstätte. Das deutsche Besteuerungsrecht ist auch nicht nach den Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen.
  • Auch wenn sich der Fußballschiedsrichter - im Gegensatz zu Schiedsrichtern mancher anderer Sportarten - bei der Berufsausübung körperlich betätigt, übt er keine Tätigkeit "als Sportler" aus. Zwar wird seine Tätigkeit von den Zuschauern des Fußballspiels wahrgenommen, sie ermöglicht aber lediglich anderen Personen, diesen sportlichen Wettkampf zu bestreiten. Damit ist die Besteuerung nach DBA nicht dem ausländischen Tätigkeitsstaat vorbehalten.

HINWEIS: Die Schiedsrichtertätigkeit ist keineselbstständige Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 EStG, insbesondere keine freiberufliche Tätigkeit. Da sie die Merkmale der nachhaltigen Betätigung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr mit Gewinnerzielungsabsicht gemäß § 15 Abs. 2 EStG erfüllt, liegen auch keine "Einkünfte aus sonstigen Leistungen" gemäß § 22 Nr. 3 EStG vor.

Weitere Informationen: Nebentätigkeit: Vergütungen an Schiedsrichter .

 

V. Kapitalerträge

 

1. Bausparvertrag:
Steuerpflichtige Erträge bei Kündigung durch Bausparkasse

Bausparverträge, die bereits zuteilungsreif sind, werden von den Bausparern häufig als Kapitalanlage genutzt, da ein vergleichsweise hoher Guthabenzinssatz gezahlt wird. Das ist den Bausparkassen natürlich ein Dorn im Auge, so dass zuletzt viele Verträge durch die Anbieter gekündigt worden sind. Der Bundesgerichtshof hat diese Praxis mit Urteilen vom 21.2.2017 bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen genehmigt (XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16).

AKTUELL hat die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen zu der Frage Stellung bezogen, wie eventuelle Entschädigungen steuerlich zu behandeln sind (OFD NRW Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 34/2017 vom 20.11.2017). Es gilt:

  • Zahlungen von Bausparkassen, die aufgrund von gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen für den Zeitraum ab der Beendigung des Bausparvertrages gezahlt werden, sind widerlegbar als Zahlungen für entgehende Zinsen zu behandeln. Fließen neben Guthaben und Zinsen also auch Vergleichszahlungen, dann gelten diese als Entschädigungen für sonstige Kapitalforderungen und sind steuerpflichtig nach §§ 24 Nr. 1 Buchst. a, 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
  • Die Bausparkassen sind zum Einbehalt von Kapitalertragsteuer verpflichtet. Ist ein Kapitalertragsteuerabzug nicht erfolgt, sind die o.g. Erträge zwingend in der Steuererklärung anzugeben.
  • Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass mit einer Inanspruchnahme des Bauspardarlehens nicht mehr zu rechnen sei. Die Bausparkassen versuchten vermehrt, diese Verträge durch Kündigung zu beenden. Komme es durch die Kündigung zu einer Vergleichszahlung, die zusätzlich zum Bausparguthaben und den bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstandenen Zinsen gezahlt wird, sei davon auszugehen, dass es sich bei dieser Zahlung um einen Ausgleich für die aufgrund der Kündigung des Bausparvertrages entgehenden Zinsen handelt. Die Vergleichszahlung stelle daher eine steuerpflichtige Entschädigung dar.

STEUERRAT: Die Verfügung ist bundeseinheitlich abgestimmt, so dass alle betroffenen Bausparer davon ausgehen können, ihre Entschädigungzahlungen versteuern zu müssen. Ob die Auffassung haltbar ist, steht aber auf einem anderen Blatt. Steuerpflichtig sind nur Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen. Die - anteilige - Rückzahlung von Bausparguthaben oder Vermittlungsprovisionen wäre hingegen nicht steuerbar. Insofern wäre jeder Vergleich daraufhin zu untersuchen, welcher "Schaden" tatsächlich ausgeglichen wird. Die Finanzverwaltung macht es sich mit ihrer "widerlegbaren Vermutung" hier sehr leicht.

Weitere Informationen: Abgeltungsteuer: Wie Verluste aus Kapitalanlagen verrechnet werden

 

2. Lebensversicherung:
Sensationell - Steuererlass bei nur geringem Einkommen!

Bei Auszahlung einer Kapitallebensversicherung, die nach 2005 abgeschlossen wurde, ist im Erlebensfall oder bei Rückkauf ein Teil der Versicherungsleistung als Kapitalertrag steuerpflichtig. Der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der eingezahlten Versicherungsbeiträge unterliegt der 25 %-igen Abgeltungsteuer. Wird die Versicherungsleistung erst nach dem 60. Lebensjahr (bei Vertragsabschluss ab 2012: 62 Lebensjahr) und nach einer Vertragslaufzeit von mindestens 12 Jahren ausgezahlt, ist nur die Hälfte des Unterschiedsbetrages steuerpflichtig (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG), dann jedoch mit dem persönlichen Steuersatz.

AKTUELL hat das Niedersächsische Finanzgericht ein sensationelles Urteil zu Gunsten der Steuerzahler gesprochen: "Es kann geboten sein, einem Steuerpflichtigen die Kapitalertragsteuer auf Kapitalerträge aus einer Kapitallebensversicherung nach § 227 AO zu erlassen, wenn dies zur Sicherung der Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen im Alter erforderlich ist". Als erlassbedürftig gilt, wer dauerhaft weniger als den monatlich unpfändbaren Betrag gemäß § 850c ZPO zur Verfügung hat, derzeit 1.133,80 EUR monatlich (FG Niedersachsen vom 13.06.2017, 8 K 167/16).

  • Der Fall: Eine schwerbehinderte erwerbsunfähige 60-jährige Frau erhielt im Jahre 2012 eine Kapitallebensversicherung ausgezahlt (rund 100.000 EUR). Einbehalten wurden Kapitalertragsteuer und Soli in Höhe von rund 30.000 EUR. Die Rentnerin beantragte beim Finanzamt den Erlass der Steuer und begründete dies damit, dass die ausgezahlte Lebensversicherung als Grundlage für ihre Rente bestimmt sei. Sie berief sich darauf, dass sie keine gesetzliche Rente bekommen könne und lediglich über geringe Einkünfte aus einer Zusatzrente in Höhe von 390 EUR verfüge. Das Finanzamt lehnte den Erlass der Steuer ab.
  • Sensation: Nach Auffassung der Finanzrichter ist die Ablehnung des Erlassantrages durch das Finanzamt rechtswidrig. Nach dem Gesetz kann ein Steuererlass gemäß § 227 AO aus sachlichen oder aus persönlichen Billigkeitsgründen gewährt werden. Ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen setzt die Erlassbedürftigkeit und die Erlasswürdigkeit des Antragstellers voraus.
  • Erlassbedürftigkeit besteht, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerbürgers vernichten oder ernstlich gefährden würde. Das ist der Fall, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann. Zum notwendigen Lebensunterhalt gehören die Mittel für Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Behandlung und für die sonst erforderlichen Ausgaben des täglichen Lebens, wie etwa zum Erwerb des notwendigen Hausrats und der sonst erforderlichen Gegenstände des täglichen Bedarfs. Der notwendige Lebensunterhalt ist nicht gleichzusetzen mit dem bloßen Existenzminimum, sondern bezeichnet darüber hinaus auch diejenigen Mittel, die eine angemessene, d.h. zwar bescheidene, nicht aber ärmliche Lebensführung ermöglichen. Für die Erlassbedürftigkeit ist zum einen das Einkommen und zum anderen das Vermögen zu prüfen:
  • (1) Einkommen: Der Steuerbürger ist erlassbedürftig, wenn ihm ohne Billigkeitsmaßnahme dauerhaft weniger als der monatliche Betrag zur Verfügung stehen würde, der einem Arbeitnehmer oder Rentner von seinem Einkommen nach den Pfändungsschutzvorschriften der Zivilprozessordnung als unpfändbarer Betrag verbleiben würde. Da der unpfändbare Betrag vom Nettoeinkommen ausgeht, sind Steuern und Beiträge für die Krankenversicherung hierin noch nicht enthalten. Der nach § 850c ZPO unpfändbare Betrag liegt seit dem 1.7.2017 bei 1.133,80 EUR monatlich.
  • (2) Vermögen: Grundsätzlich ist der Steuerbürger gehalten, zur Zahlung seiner Steuerschulden alle verfügbaren Mittel einzusetzen und auch seine Vermögenssubstanz anzugreifen. Davon ausgenommen sind allerdings die Fälle, in denen die Verwertung der Vermögenssubstanz den Ruin des Steuerbürgers bedeuten würde. Daher ist im Rahmen der Billigkeitsprüfung alten, nicht mehr erwerbsfähigen Steuerbürgern wenigstens so viel von ihrem Vermögen zu belassen, dass sie damit für den Rest ihres Lebens eine bescheidene Lebensführung bestreiten können. Konkret: Sie sollen von ihrem Vermögen soviel behalten können, um eine Versicherung über sofort fällige Leibrentenbezüge gegen eine Einmalprämie abzuschließen, und zwar in einer Höhe, die ihnen die Möglichkeit einer bescheidenen Lebensführung gestattet.
  • Tatsächlich ist die Klägerin erlassbedürftig: Die Klägerin würde bei Einzahlung des Betrags, den sie nach Abzug der Kapitalertragsteuer aus der Kapitallebensversicherung erhalten hat (100.000 EUR), eine monatliche Rente von rd. 330 EUR erhalten können. Stünde ihr stattdessen - nach einem Erlass - ein Betrag von 130.000 EUR zur Einzahlung in eine Leibrente gegen Einmalzahlung zur Verfügung, könnte sie eine monatliche Rente von rd. 430 EUR erzielen. Mitsamt der Zusatzrente von 390 EUR und nach Abzug der Krankenversicherung (154 EUR) stünden der Klägerin ohne Erlass rund 6.800 EUR und nach Erlass rund 8.000 EUR zur Verfügung. Somit liegt das zur Verfügung stehende Einkommen immer noch deutlich unter dem Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO - und damit deutlich unterhalb dessen, was für eine nicht ärmliche, aber bescheidene Lebensführung erforderlich ist.
  • Die Richter des FG Niedersachsen sprechen eine "Verpflichtung des Finanzamts zum Erlass nach § 227 AO aus persönlichen Billigkeitsgründen aus". Denn aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Umstände der Klägerin ergibt sich ein Anspruch auf Erlass der Einkommensteuer. Und ganz deutlich: "Das Entschließungsermessen des Finanzamtes ist auf null reduziert. Die Ablehnung des Erlasses kommt nicht in Betracht, weil sowohl die Erlassbedürftigkeit als auch die Erlasswürdigkeit feststehen."

Weitere Informationen: Abgeltungsteuer: Wie Lebensversicherungen besteuert werden.

 

VI. Eigenheim und Vermietung

 

1. Handwerkerleistungen:
Anbringen des Außenputzes mit Steuerermäßigung?

Wird der Außenputz am Eigenheim erneuert oder angestrichen, handelt es sich zweifelsfrei um Handwerkerleistungen, die steuerbegünstigt sind. Der Arbeitslohn kann mit 20 Prozent, höchstens 1 200 EUR, direkt von der Steuerschuld abgezogen werden (gemäß § 35a Abs. 3 EStG). Die Frage ist nun: Gibt's den Steuerbonus auch für das erstmalige Anbringen des Außenputzes im Rahmen eines Neubaus?

  • Steuerbegünstigt sind handwerkliche Tätigkeiten unabhängig davon, ob es sich steuerlich um Erhaltungsaufwand oder Herstellungsaufwand handelt. Begünstigt sind seit 2014 auch Maßnahmen im Zusammenhang mit neuer Wohn- bzw. Nutzflächenbeschaffung. Nicht begünstigt sind hingegen Handwerkerleistungen im Rahmen einer Neubaumaßnahme.
  • Als Neubaumaßnahmen gelten "alle Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Errichtung eines Haushalts bis zu dessen Fertigstellung anfallen" (BMF-Schreiben vom 9.11.2016, BStBl. 2016 I S. 1213, Tz. 21).
  • Was heißt "Fertigstellung"? Das Bundesfinanzministerium zeigt hier auf H 7.4 der Einkommensteuerrichtlinien. Danach ist ein Gebäude fertig gestellt, wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und der Bau so weit errichtet ist, dass der Bezug der Wohnungen zumutbar ist oder das Gebäude für den Betrieb in all seinen wesentlichen Bereichen nutzbar ist. Erforderlich ist, dass Türen, Böden und der Innenputz vorhanden sind. Alle Arbeiten danach sind begünstigt. Also profitieren davon auch Bauherren, die in ihren Neubau zuerst einziehen und danach noch restliche Arbeiten ausführen lassen.

AKTUELL hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hierzu eine gegensätzliche, sehr fragwürdige Entscheidung getroffen: Die Handwerkerkosten für das Anbringen des Außenputzes wurden nicht anerkannt, obwohl das neu errichtete Einfamilienhaus steuerrechtlich "fertig gestellt" war und der Bauherr bereits eingezogen war. Entgegen der geltenden Rechtsauffassung sei eine Neubaumaßnahme nicht dadurch abgeschlossen, dass der Bauherr die Nutzung aufnimmt (hier: Einzug in das Haus) und dadurch einen Haushalt begründet. Eine Neubaumaßnahme könne insbesondere nicht dadurch beendet bzw. abgeschlossen werden, dass der Bauherr in einen Roh- beziehungsweise teilfertigen Bau einzieht und einzelne Bauleistungen erst nach (teilweiser) Nutzungsaufnahme vornimmt. Vielmehr sei in wertender Betrachtung zu prüfen, ob die jeweilige Maßnahme noch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Neuerrichtung des Gebäudes steht oder nicht (FG Berlin-Brandenburg vom 7.11.2017, 6 K 6199/16, Revision VI R 53/17).

Der Fall: Der Bauherr hat mit dem Bauunternehmen einen Werkvertrag zur Errichtung eines Einfamilienhauses abgeschlossen. Am 27. März erfolgte eine Teilabnahme "außer Fassadenputz". Am 28. März zog der Bauherr in das Haus ein, und im Juni brachte die Firma den Außenputz an. Nach Auffassung der Richter gehören die Putzarbeiten noch zur Neubaumaßnahme, denn hierbei handele es sich um eine Teilleistung des Werkvertrags zur Errichtung des Einfamilienhauses.

ACHTUNG: Noch eine weitere Entscheidung des Finanzgerichts widerspricht unserer Auffassung: Die Richter lehnen auch die Berücksichtigung der Lohnkosten für die Außenanlage (Pflastern der Einfahrt, Errichtung eines Zaunes, Verlegen des Rollrasens) ab, die nach dem Einzug im Juni vorgenommen wurde. Auch diese Arbeiten würden noch der Errichtung des Haushalts dienen. Die Richter lehnen trotzig die gängige Rechtsauffassung ab, wonach es nicht darauf ankomme, ob die handwerkliche Maßnahme der Erhaltung eines vorhandenen Gegenstands diene, oder einen neuen Gegenstand herstelle, indem sie etwas Neues schaffe. Sie nehmen also erstmals eine Unterscheidung zwischen Erhaltungs- und Herstellungsaufwand vor.

STEUERRAT: Die genaue Abgrenzung von nicht begünstigten Neubaumaßnahmen und steuerbegünstigten Folgemaßnahmen betrifft so gut wie alle Bauherren. Daher wurde gegen diese fragwürdige FG-Entscheidung Revision beim BFH eingelegt (Aktenzeichen: VI R 53/17). Somit besteht durchaus Hoffnung auf ein günstiges Urteil im Sinne der Bauherren. Betroffene sollten Einspruch gegen den ablehnenden Steuerbescheid einlegen und mit Hinweis auf das Revisionsverfahren das Ruhenlassen beantragen.

Weitere Informationen: Steuervergünstigung für Handwerkerleistungen.

 

2. Schäden am Eigenheim:
Biberschaden im Garten steuerlich nicht absetzbar

Aufwendungen für das Wohnen im eigenen Haus sind steuerrechtlich grundsätzlich irrelevant. Doch bei Schäden, die durch ein "unabwendbares Ereignis" eingetreten sind, kann eine steuerliche Berücksichtigung in Betracht kommen. Dabei muss das außergewöhnliche Schadensereignis mit einer Naturkatastrophe (z. B. Hochwasser oder Unwetter) oder einer "privaten Katastrophe" (z. B. Wohnungsbrand oder rückgestautes Wasser) vergleichbar sein (BFH-Urteil vom 6.5.1994, BStBl. 1995 II S. 104).

  • Ein unabwendbares Ereignis bzw. eine "private Katastrophe" stellt auch der Befall mit echtem Hausschwamm dar. Daher sind die Aufwendungen zur Schadensbeseitigung als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzbar (BFH-Urteil vom 29.3.2012, VI R 70/10; Niedersächsisches FG vom 17.8.2010, EFG 2011 S. 134).
  • Ein unabwendbares Ereignis bzw. eine "private Katastrophe" ist ferner die Beseitigung von unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit, die von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs (Wohnung) ausgehen. Die Nutzbarkeit kann beeinträchtigt sein durch sinnlich nicht wahrnehmbare Schadstoffe, z. B. Asbest oder Formaldehyd. Aufwendungen zur Schadensbeseitigung sind als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzbar (BFH-Urteil vom 29.3.2012, VI R 21/11).

AKTUELL hat das Finanzgericht Köln entschieden, dass Aufwendungen für die Errichtung einer Bibersperre und zur Beseitigung von Biberschäden im Garten nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd absetzbar sind (FG Köln vom 1.12.2017, 3 K 625/17, Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH: VI B 14/18).

  • Der Fall: Ein Hauseigentümer hat Schäden in seinem Garten, die durch Biber verursacht worden sind, beseitigen lassen. Da der Biber unter Naturschutz steht, darf er nicht bejagt werden. Es sei zum einen eine Bibersperre als Prävention gegen weitere Biberschäden errichtet und zum anderen der durch die Biber verursachte Schaden an der Terrasse beseitigt worden. Das Finanzamt erkannte diese Kosten in Höhe von 4 000 Euro jedoch nicht an. In ihrer Klage beriefen sich die Kläger darauf, dass nur wenige Steuerzahler von solchen Schäden betroffen seien und sie sich den Kosten aus tatsächlichen Gründen nicht hätten entziehen können.
  • Nach Auffassung der Finanzrichter sind die Schäden zwar außergewöhnlich, aber nicht von existenziell wichtiger Bedeutung. Die Biberschäden im Garten führten weder zur Unbewohnbarkeit des Hauses noch verursachten sie konkrete Gesundheitsgefährdungen. Dadurch hätten sie nicht den Schweregrad erreicht, der zur steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen erforderlich wäre.

 Weitere Informationen: Schäden am Eigenheim

 

3. Vermietung:
Abzug von Schuldzinsen nach Grundstücksverkauf

Wird eine Immobilie verkauft, wird ein mit ihr zusammenhängendes Darlehen nicht immer getilgt. Statt den Kredit abzulösen, wird der Verkaufserlös zum Beispiel in ein neues Vermietungsobjekt investiert und das Darlehen fortgeführt. Grundsätzlich sind die Schuldzinsen aus dem Darlehen dann weiterhin als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung absetzbar.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) aber entschieden, dass der Abzug der Werbungskosten für ein "umgewidmetes" Darlehen strengen Voraussetzungen unterliegt oder - genauer gesagt - die Umwidmung auch tatsächlich vollzogen werden muss und eine rein gedankliche Aufteilung nicht ausreichend ist.

Der Fall: Eine Dame war Eigentümerin von zwei Miethäusern, von denen sie eines im Jahre 2007 verkauft hatte. Die Kaufpreise beider Grundstücke waren mit insgesamt fünf Krediten finanziert worden. Den Verkaufserlös nutzte die Steuerzahlerin nur teilweise zur Tilgung der Darlehen des Verkaufsobjekts. Einen Teil der Darlehen widmete sie auf das noch vorhandene Objekt um, im Übrigen aber wurden die Darlehen zunächst stehen gelassen. Der Verkaufserlös wurde zum Teil vielmehr in festverzinsliche Wertpapiere angelegt. Im Jahre 2009 erfolgte dann die Anschaffung zweiter weiterer Vermietungsobjekte. Statt die Darlehen aber nun "offiziell" umzuwidmen, erfolgte die Finanzierung über neu aufgenommene Darlehen. Der BFH hat wie folgt geurteilt:

  • Schafft der Steuerpflichtige mit dem Veräußerungserlös eine neue Einkunftsquelle - etwa ein zur Vermietung bestimmtes Immobilienobjekt - an, besteht der Zusammenhang des Darlehens am neuen Objekt fort.
  • Wird kein neues Objekt und auch keine anderweitige Einkunftsquelle angeschafft, kommt es darauf an, ob der Verkaufserlös ausreicht, um das Darlehen abzulösen. Ist dies der Fall, reicht der Veräußerungserlös also aus, endet der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, und zwar unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige tatsächlich das Darlehen ablöst, oder ob er den Veräußerungserlös anderweitig (privat) verwendet und das Darlehen bestehen lässt.
  • Veräußert der Steuerpflichtige demgegenüber die vermietete Immobilie, reicht der Verkaufserlös aber nicht aus, um ein hierfür aufgenommenes Darlehen abzulösen, besteht für den nicht ablösbaren Teil des (fortgeführten) Anschaffungsdarlehens der Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung fort.
  • Für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten kommt es auf den wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem konkreten Vermietungsobjekt im Zeitpunkt ihres jeweiligen Entstehens an. Eine bloße gedankliche Zuweisung eines Darlehens durch den Steuerpflichtigen genügt nicht; die Darlehensmittel müssen vielmehr - tatsächlich - einem bestimmten Wirtschaftsgut zugeordnet werden können. Es steht nach der erstmaligen - objektbezogenen - Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjekts auch nach dessen späterer Veräußerung nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, lediglich aufgrund einer bloßen Willensentscheidung diese Fremdmittel einem anderen Vermietungsobjekt zuzuordnen.
  • Im Urteilsfall ist mit dem Veräußerungserlös nicht unmittelbar eine neue Einkunftsquelle angeschafft worden. Vielmehr hätte der Veräußerungserlös ausgereicht, um die Darlehen abzulösen. Dadurch endete der wirtschaftliche Zusammenhang der stehen gelassenen Darlehen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bereits im Jahr 2007.

STEUERRAT: Die Voraussetzungen für den Abzug einer Vorfälligkeitsentschädigung im Zusammenhang mit einem Hauverkauf sind noch strenger. Es gilt: Wird ein Darlehen vorzeitig gekündigt, um die Immobilie lastenfrei verkaufen zu können, ist der wirtschaftliche Zusammenhang mit der bisherigen Vermietungstätigkeit überlagert durch die Veräußerung des Grundstücks. Deshalb ist die Entschädigung nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften absetzbar (BFH-Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13). Falls die vermietete Immobilie verkauft wird und mit dem Verkaufserlös ein neues Mietobjekt finanziert wird, konnte früher die Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften abgesetzt werden. Dies gilt allerdings letztmals für Verkäufe vor dem 27.7.2015 (BMF-Schreiben vom 27.7.2015, IV C 1-S 2211/11/10001).

Zu Einzelheiten bezüglich des Abzugs von "nachlaufenden" Schuldzinsen und zum Abzug einer Vorfälligkeitsentschädigung sollte folgender Beitrag zur Hand genommen werden: Vermietung: Finanzierungskosten

 

VII. Renten und Pensionen

 

1. Altersdiskriminierung:
Altersabstandsklausel kann zulässig sein

Dass ältere Männer eine wesentliche jüngere Partnerin heiraten, ist durchaus häufig anzutreffen. Und auch der umgekehrte Fall, dass Frauen einen erheblich jüngeren Mann heiraten, ist keine Seltenheit mehr. Bestimmte Versorgungsverordnungen oder auch vertragliche Bestimmungen im Rahmen von Pensionszusagen möchten dem jüngeren Partner dennoch keine lebenslange Versorgung nach dem Tode des älteren Ehegatten zubilligen. Salopp gesagt wird befürchtet, dass die Ehe nur des Geldes wegen - besser gesagt der guten Pension wegen - eingegangen wird. Betroffene wehren sich verständlicherweise gegen diese Unterstellung und ihre negativen Folgen, nämlich dem Wegfall von Pension oder Rente. Als Argument dient ihnen dabei das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das eine Altersdiskriminierung verhindern soll.

AKTUELL hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) allerdings eine so genannte Altersabstandsklausel für zulässig erachtet. Danach gilt: Sieht eine Regelung in einer Versorgungsordnung vor, dass Ehegatten nur dann eine Hinterbliebenenversorgung erhalten, wenn sie nicht mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind, liegt darin keine gegen das AGG verstoßende Diskriminierung wegen des Alters (Urteil vom 20.2.2018, 3 AZR 43/17).

  • Der Sachverhalt: Die Klägerin ist 1968 geboren. Sie hat ihren 1950 geborenen und 2011 verstorbenen Ehemann im Jahr 1995 geheiratet. Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin war von seinem Arbeitgeber u.a. eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt worden. Nach der Versorgungsordnung setzt der Anspruch auf Leistungen an die Ehegatten voraus, dass sie nicht mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind.
  • Nach Ansicht des BAG ist die Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt. Der Arbeitgeber, der eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, habe ein legitimes Interesse, das hiermit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen. Die Altersabstandsklausel sei auch erforderlich und angemessen. Sie führe nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, die von der Klausel betroffen sind. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren sei der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringe. Zudem würden wegen des Altersabstands von mehr als 15 Jahren nur solche Ehegatten von dem Ausschluss erfasst, deren Altersabstand zum Ehepartner den üblichen Abstand erheblich übersteige.

STEUERRAT: Das Urteil ist überraschend, denn erst im Jahre 2015 hatte das BAG eine so genannte Spätehenklausel für unzulässig erachtet (BAG-Urteil vom 4.8.2015, 3 AZR 137/13). Durch solche Bestimmungen soll dem jüngeren Partner die Pension verweigert werden, wenn die Ehe erst jenseits des 60. Lebensjahres des Pensionsberechtigten eingegangen worden ist. Offenbar befinden sich diese Spätehenklauseln in zahlreichen Versorgungszusagen. Jedenfalls sollten Betroffene die Altersabstands- und Spätehenklauseln daraufhin überprüfen, ob sie mir der Rechtsprechung des BAG in Einklang stehen und "je nach Interessenlage" anpassen. Es ist im Übrigen nicht auszuschließen, dass das Finanzamt die Klauseln auch auf steuerliche Konformität hin prüft bzw. einwendet, dass eine Pensionszusage nicht rechtssicher vereinbart worden ist. Im Extremfall könnte die Pensionsvereinbarung insgesamt gekippt werden.

Weitere Informationen: Verbesserungen bei der Betriebsrente und bei anderen Renten

 

2. Steuerbescheide:
Wenn das Finanzamt Renteneinkünfte vergisst

Einige Rentner durften sich in den vergangenen Jahren über ein schönes Steuergeschenk freuen: Wohl aufgrund eines technischen Versehens oder aufgrund eines Fehlers im "Betriebsablauf" der Finanzverwaltung sind bei ihnen Renteneinkünfte nicht versteuert worden, und zwar trotz ordnungsgemäßer Erklärung. Natürlich versuchen die Finanzämter jetzt, die Einkommensteuer auf die Renten nachträglich doch noch festzusetzen. Dazu ändern sie die Steuerbescheide nach § 129 AO. Diese Vorschrift erlaubt ihnen eine Berichtigung von bestandskräftigen Steuerbescheiden bei so genannten offenbaren Unrichtigkeiten wie etwa Schreib- und Rechenfehlern. Im Falle der unterbliebenen Rentenbesteuerung hat der Fiskus nun aber eine empfindliche Niederlage erlitten.

AKTUELL hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden, dass eine Korrektur nicht erfolgen darf, wenn das Finanzamt im ursprünglichen Steuerbescheid erklärte Renteneinkünfte deshalb außer Acht gelassen hat, weil der Rentenversicherungsträger sie noch nicht elektronisch mitgeteilt hatte (Urteil vom 19.10.2017, 6 K 1358/16 E).

  • Der Fall: Der Kläger bezog in 2011 und 2012 eine gesetzliche und eine private Rente. In seinen mittels ELSTER angefertigten und elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärungen gab er jeweils beide Renten sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in der zutreffenden Höhe an. Zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Erklärungen lag dem Finanzamt nur die elektronische Rentenbezugsmitteilung der privaten, nicht aber der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Der Bearbeiter ließ die gesetzlichen Renteneinkünfte außer Betracht, berücksichtigte aber die erklärten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben. Diesbezüglich elektronisch generierte Risikohinweise hakte er ab. Nachdem das Finanzamt die elektronischen Rentenbezugsmitteilungen von der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten hatte, änderte es die Einkommensteuerbescheide für beide Jahre unter Ansatz der nunmehr zutreffenden Renteneinkünfte und berief sich dabei auf § 129 AO.
  • Die Nichtberücksichtigung in den ursprünglichen Bescheiden beruhe allein auf einem mechanischen Versehen. Der Sachbearbeiter habe vermutlich die vom Kläger eingetragenen Daten gar nicht eingesehen und lediglich die Prüf- und Risikohinweise abgearbeitet.
  • Der Kläger berief sich demgegenüber auf die eingetretene Bestandskraft der ursprünglichen Bescheide. Das Gericht gab der Klage statt. Die Tatsache, dass das Finanzamt bei Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide die erklärten Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung außer Acht gelassen hat, stelle keine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO dar. Zunächst sei nicht auszuschließen, dass der Sachbearbeiter den Fehler bewusst in Kauf genommen habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er ohne Rücksicht auf die erklärten Werte nur die elektronisch übermittelten Daten übernehmen wollte. Darüber hinaus könne auch ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden. Die Renteneinkünfte und die darauf entfallenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge hätten ihrer Höhe nach in einem krassen Missverhältnis gestanden und der Sachbearbeiter habe die entsprechenden Risikohinweise gleichwohl abgehakt.

STEUERRAT: Sollten auch Sie zu den Glücklichen gehören, bei denen die Renten seitens des Finanzamts irrtümlich außen vor gelassen wurden, so haben Sie keine Pflicht, den Fehler beim Finanzamt anzuzeigen. Der Fiskus ist für seine Fehler selbst verantwortlich. Hat das Finanzamt Ihren Steuerbescheid aber nach § 129 AO berichtigt, so sollten Sie die Änderung nicht ohne Weiteres hinnehmen und Einspruch einlegen. Fragen Sie beim Finanzamt unbedingt nach, ob es einen Prüfhinweis gegeben hat und lassen sich eine Kopie des Hinweises geben. Befindet sich auf dem Prüfhinweis ein Namenskürzel, so kann davon ausgegangen werden, dass der Bearbeiter den Fall hinreichend geprüft hat. Eine anschließende Korrektur nach § 129 AO könnte dann ausscheiden.

 

VIII. Selbstständige

 

1. Kassen-Nachschau:
Vorsicht vor Trickbetrügern

Seit dem 1. Januar 2018 sind die so genannten Kassen-Nachschauen zulässig. Danach können Finanzbeamte ohne vorherige Ankündigung, aber während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten, Geschäftsräume von Unternehmern betreten und prüfen, ob Kasseneinnahmen und -ausgaben richtig aufgezeichnet worden sind. In erster Linie werden Gastronomen, Einzelhändler, Friseur- und Taxibetriebe betroffen sein. Aber auch andere Betriebe, die eine Kasse für ihre baren Einnahmen und Ausgaben führen, können unangekündigten Besuch erhalten.

AKTUELL fehlen zwar noch nähere Bestimmungen der Finanzverwaltung zum Ablauf der Kassen-Nachschauen. Jüngst hat das Bundesfinanzministerium (BMF) aber den Entwurf eines Erlasses gefertigt, zu dem betroffene Verbände nun Stellung nehmen können. Von Interesse ist dabei u.a., dass an die Ausweispflicht des Prüfers seitens des BMF nur geringe Anforderungen gestellt werden. Die Dienstausweise der Prüfer sind allerdings nicht fälschungssicher und für einen Unternehmer ist nicht leicht zu erkennen, ob es sich um einen "echten" Prüfer mit einem "echten" Dienstausweis handelt. Von daher besteht die Befürchtung, dass sich die Trickbetrüger als Finanzbeamte ausweisen könnten, um Zugriff auf die Kasse zu erlangen.

STEUERRAT: Lassen Sie sich neben dem Dienstausweis auch einen schriftlichen Prüfungsauftrag zeigen. Kann dieser nicht vorgelegt werden und ist Ihnen der Prüfer nicht bekannt, so sollten Sie gegebenenfalls beim Finanzamt anrufen und sich erkundigen, ob die Person dort tatsächlich beschäftigt ist.

Einige weitere Punkte sollten in Bezug auf die Kassen-Nachschauen beachtet werden:

  • Weisen Sie Ihre Mitarbeiter darauf hin, wie Sie sich zu verhalten haben, wenn Sie bei einer Kassen-Nachschau nicht anwesend sind. Grundsätzlich sollten Sie von Ihren Mitarbeitern herbeigerufen werden. Ist dies jedoch nicht möglich, so bestimmen Sie im Vorfeld eine Auskunftsperson Ihres Vertrauens, die dem Prüfer Zugriff auf die Kasse gewährt. Zwar gibt es Stimmen, die der Auffassung sind, bei Abwesenheit des Inhabers müsse die Kassen-Nachschau abgebrochen werden. Der Amtsträger wird dazu aber wohl eher einen Mitarbeiter auffordern, ihm den Zugriff auf die Kasse zu ermöglichen. Im Übrigen schürt eine Verweigerungshaltung eher das Misstrauen des Prüfers.
  • Im Zuge der Kassen-Nachschau müssen Sie dem Prüfer auf Verlangen "Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Kassenführung erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen vorzulegen". Damit müssen Unternehmer ab dem 1. Januar 2018 so genannte Verfahrensdokumentationen zum Einsatz der (Registrier-)Kassen jederzeit griffbereit haben. Die Verfahrensdokumentationen müssen insbesondere umfassen: genaue Beschreibung der eingesetzten Kassen und Kassensysteme, Bedienungsanleitung/Benutzerhandbuch, Programmieranleitungen, Einrichtungsprotokolle, Arbeitsanweisungen, Beschreibung der Kontrollmechanismen, Beschreibung der Archivierungsfunktionen, Protokolle über Einsatzorte und -zeiträume der Registrierkassen. Checklisten zur Erstellung der Verfahrensdokumentation finden Sie hier: GoBD: Sieben Regeln zur Umsetzung der digitalen Buchführung
  • Prüfer können im Vorfeld einer Kassen-Nachschau "Material" sammeln. Beispielsweise können und werden sie Testkäufe tätigen. Dabei schauen sie sich in den Geschäftsräumen um und beobachten vermeintliche Auffälligkeiten, zum Beispiel die Herausgabe von Bons erst auf Verlangen. Von daher kann allen Unternehmern nur geraten werden: Geben Sie einen Bon immer ohne Verlangen heraus - gesetzliche Verpflichtung hin oder her.

Weitere Informationen: Steuertipp der Woche Nr. 5: Gewappnet für die Kassennachschau

 

2. Lebensgefährtin im Minijob:
Firmenwagen steuerlich nicht zulässig?

Ein vermeintlich schönes Steuersparmodell: Ein Selbstständiger stellt seine Lebenspartnerin auf 400 Euro-Basis (Minijob) an und überlässt ihr auf Firmenkosten einen Firmenwagen. Der bei der Partnerin zu versteuernde Nutzungswert für die Privatnutzung nach der 1-Prozent-Regelung soll mit dem geringen Lohn verrechnet werden, wodurch sich der Zahlbetrag dann Richtung 0 Euro bewegt. Den Firmenwagen soll die Partnerin im Rahmen ihrer Beschäftigung für Botenfahrten nutzen, die allerdings nur in ganz geringem Umfang anfallen. Wird das Finanzamt dieses Modell akzeptieren?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass das beschriebene Steuersparmodell der "Barlohnumwandlung" nicht anerkannt wird, weil der Arbeitsvertrag mit der vereinbarten Fahrzeugüberlassung einem Fremdvergleich nicht standhält. Die Überlassung eines Pkw im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit nahestehenden Personen könne nur anerkannt werden, wenn die Konditionen der eingeräumten Pkw-Nutzung fremdüblich seien - und dies sei hier nicht der Fall. Da ein Arbeitgeber einem familienfremden Minijobber unter diesen Konditionen kein Fahrzeug überlassen würde, können die Fahrzeugkosten beim Arbeitgeber nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden (BFH-Beschluss vom 21.12.2017, III B 27/17).

ACHTUNG: Wenige Monate vor diesem BFH-Beschluss hat das Finanzgericht Köln zu einem ähnlichen Fall entschieden, dass die Kosten für die Fahrzeugüberlassung als Betriebsausgaben absetzbar sind und die Gestaltung anerkannt. Im Urteilsfall ging es um die Überlassung eines Pkw an die minijobbende Ehefrau. "Zwar sei die Gestaltung bei einem Minijob ungewöhnlich, doch entsprächen Inhalt und Durchführung des Vertrages noch dem, was auch fremde Dritte vereinbaren würden" (FG Köln vom 27.9.2017, 3 K 2547/16).

STEUERRAT: Gegen das Urteil ist die Revision beim BFH anhängig (Aktenzeichen: X R 44/17), sodass sich die BFH-Richter erneut mit der Frage des sog. Drittvergleichs bei der Firmenwagenüberlassung und Barlohnumwandlung beschäftigen müssen. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.

Weitere Informationen: Firmenwagen: Nutzungswert nach der Pauschalmethode.

 

3. Firmenwagen:
Schätzung des Listenpreises bei Importfahrzeug

Nutzen Sie Ihren Firmenwagen auch zu privaten Zwecken, so müssen Sie den Privatanteil nach der so genannten Ein-Prozent-Regelung versteuern, wenn Sie kein Fahrtenbuch führen. Voraussetzung ist allerdings, dass das Kfz auch tatsächlich zum Betriebsvermögen gehört. Bemessungsgrundlage für die Ein-Prozent-Regelung ist der inländische Bruttolistenpreis des Fahrzeuges im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung. Nun gibt es aber reine Import-Kfz, für die kein inländischer Listenpreis existiert und für die auch keine Vergleichbarkeit mit einem bau- und typengleichen inländischen Fahrzeug besteht. Welcher Wert ist in diesen Fällen zugrunde zu legen?

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Bruttolistenpreis in diesen Fällen zu schätzen ist. Die Schätzung muss sich an den typischen Bruttoabgabepreisen orientieren, die Importfahrzeughändler, die das betreffende Fahrzeug selbst importieren, von ihren Endkunden verlangen (BFH-Urteil  vom   III R 20/16).

  • Der Fall: Ein Gewerbetreibender erwarb im Jahre 2013 in einem Autohaus einen Ford Mustang Shelby GT 500 Coupé zu einem Bruttopreis von 78.900 EUR. Das Fahrzeug verfügte über einige Sonderausstattungen. Das Autohaus hatte seinerseits das Fahrzeug zum Bruttopreis von 75.999 EUR von einem Importeur erworben. Die private Nutzung des Fahrzeugs ermittelte der Unternehmer mittels der Ein-Prozent-Regelung. Als Bemessungsgrundlage zog er mangels inländischen Listenpreises den amerikanischen Listenpreis in Höhe von umgerechnet 53.977 EUR heran.
  • Das Finanzgericht und BFH hingegen sind der Auffassung, dass ein geschätzter inländischer Bruttolistenpreis des Fahrzeugs in Höhe von 75.999 EUR zugrunde zu legen ist. Gäbe es keinen inländischen Bruttolistenpreis und mithin keine einheitliche Preisempfehlung des Herstellers gegenüber den inländischen Neuwagenhändlern, so müsse sich die Schätzung an Kenngrößen orientieren, die einem inländischen Bruttolistenpreis in seiner Zusammensetzung möglichst nahe kommen. Insoweit begegne es keinen Bedenken, den geschätzten Bruttolistenpreis des Importfahrzeugs auf der Grundlage verschiedener inländischer Endverkaufspreise freier Importeure zu ermitteln. Dabei müsse nicht der Wert angesetzt werden, den ein deutscher Kunde aufzubringen hätte, wenn er ohne Berücksichtigung verschiedener Handelsstufen das Fahrzeug zum amerikanischen Listenpreis importiert hätte.

STEUERRAT: Gerade aus den USA importierte Fahrzeuge sind auf dem Heimatmarkt üblicherweise wesentlich preiswerter als in Deutschland. Letztlich hilft nur die Führung eines Fahrtenbuchs, wenn die Versteuerung der Privatnutzung als zu hoch erachtet wird. Für so genannte Reimporte gilt übrigens auch, dass für die Ein-Prozent-Regelung der inländische Listenpreis des Kfz anzusetzen ist.

Weitere Informationen: Betriebs-Pkw: Steuerliche Behandlung von Kosten, Privatnutzung, Fahrten

 

IX. Steuergrundlagen

 

1. Ausländische Bürger:
Keine Wiedereinsetzung bei mangelnder Sprachkenntnis

Wohl alle Steuerzahler - ja selbst Steuerberater - tun sich mit dem Behördendeutsch schwer. Umso komplizierter wird es für ausländische Mitbürger, die die deutsche Sprache nicht perfekt beherrschen. Doch wenn diese aufgrund mangelnder Sprachkenntnis eine Frist versäumen, kennt der Staat keine Gnade. Die Sorgfaltspflicht verlange von einem der Amtssprache Unkundigen, sich in angemessener Zeit eine Übersetzung der ihm zugehenden amtlichen Schriftstücke zu verschaffen und dann entsprechend zu reagieren.

AKTUELL hat das Finanzgericht (FG) Bremen entschieden, dass die mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache für sich genommen die Versäumung der Einspruchsfrist nicht entschuldigen könne und auch keinen Wiedereinsetzungsgrund darstelle (Urteil vom 28.11.2016, 3 K 52/16 / 1).

Der Fall: Ein türkischer Mitbürger hatte gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und gegen die Rückforderung von gezahltem Kindergeld verspätet Einspruch eingelegt. Der Einspruch wurde daraufhin als unzulässig verworfen; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt.

STEUERRAT: Der Antragsteller hätte nachweisen müssen, dass er sich unverzüglich um eine Übersetzung bemüht hat. Nur dann hätte er eine Chance gehabt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erreichen, d.h. die verspätete Antragstellung entschuldigen zu können. Im Übrigen ist zu empfehlen, im Zweifel lieber einen Einspruch zur Fristwahrung einzulegen und diesen später zu begründen.

Weitere Informationen: Musterschreiben Einspruch zur Fristwahrung

 

2. Steuerzinsen:
Höhe der Nachzahlungszinsen im Jahre 2013 verfassungsgemäß

Bei Steuernachforderungen, Steuerstundung, Steuerhinterziehung und Aussetzung der Vollziehung berechnet das Finanzamt immer noch zu Lasten der Bürger einen Zinssatz von 6 Prozent pro Jahr, d.h. für jeden vollen Monat des Verzinsungszeitraumes 0,5 % des fälligen Steuerbetrages. Dies ist so im Gesetz festgelegt (§ 238 AO).

  • Ein Zinssatz von 6 % p.a. ist heutzutage außerordentlich hoch, wo doch die Marktzinsen nahe dem Nullpunkt dahindümpeln. Die Rendite für Staatsanleihen bewegt sich teilweise sogar im Minusbereich. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt derzeit bei 0,0 %, der Strafzins für Einlagen der Banken bei der EZB bei minus 0,4 %. Im Vergleich dazu stellt der Zinssatz des Fiskus von 6 % ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung dar und erfüllt damit den Tatbestand des Wuchers (§ 138 BGB). Zinswucher liegt vor, wenn der verlangte Zinssatz doppelt so hoch ist wie der vergleichbare Marktzins.
  • Der Bundesfinanzhof hatte im Juli 2014 entschieden, dass der gesetzliche Zinssatz von 6,0 % pro Jahr in den Jahren 2004 bis März 2011 (noch) nicht verfassungswidrig sei (BFH-Urteil vom 1.7.2014, IX R 31/13). Ebenfalls als verfassungsgemäß hat der BFH den Zinssatz von 6 % beurteilt für die Zeit vom 3.6.2008 bis 5.12.2011 (BFH-Urteil vom 14.4.2015, IX R 5/14) und vom 17.8.2006 bis 19.1.2012 (BFH-Beschluss vom 21.10.2015, V B 36/15).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof im November 2017 entschieden, dass der horrende Zinssatz von 6 Prozent p.a. auch im Jahre 2013 noch verfassungsgemäß ist. Er verstoße weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen das Übermaßverbot. Der BFH hält den Zinssatz von 0,5 % für jeden Monat (6 % pro Jahr) auch unter Berücksichtigung der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus im Jahr 2013 für verfassungsmäßig in Ordnung (BFH-Urteil vom 9.11.2017, III R 10/16).

Nach - unverständlicher - Auffassung des BFH ist die Zinshöhe auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungswidrig. Da mit den Nachzahlungszinsen potentielle Liquiditätsvorteile abgeschöpft werden sollen, hält der BFH eine umfassende Betrachtung der Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten für erforderlich. Auf der Grundlage von Daten der Deutschen Bundesbank untersuchte der BFH die Zinssätze für verschiedene kurz- und langfristige Einlagen und Kredite. Hierbei ergaben sich für 2013 Zinssätze, die sich in einer Bandbreite von 0,15 % bis 14,70 % bewegten. Obwohl der Leitzins der Europäischen Zentralbank bereits seit 2011 auf unter 1 % gefallen war, konnte somit nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche Zinssatz die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte verlassen hat.

ACHTUNG: Noch weiter als jetzt der Bundesfinanzhof gehen die Finanzgerichte Köln und Münster: Das FG Köln meint, dass der Zinsssatz von 6 Prozent bis September 2014 verfassungsgemäß ist. Das FG Münster entschied, dass der Zinssatz von 6 Prozent sogar bis Dezember 2015 noch verfassungsgemäß ist (FG Köln vom 27.4.2017, 1 K 3648/14; FG Münster vom 17.8.2017, 10 K 2472/16, Revision III R 25/17). Auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs darf man gespannt sein.

STEUERRAT: Im o.g. BFH-Urteil vom 1.7.2014 haben die BFH-Richter darauf hingewiesen, dass ab 2012 die Rechtslage anders sein könnte. Das Marktzinsniveau habe sich wohl dauerhaft auf niedrigem Niveau stabilisiert. Die wirtschaftlichen Verhältnisse könnten sich im Vergleich zum Jahr 1990, als die Vollverzinsung eingeführt wurde, tatsächlich grundlegend verändert haben, sodass ein Zinssatz von 6 % neu auf Verfassungsmäßigkeit zu prüfen wäre. Falls schon heute besondere Härten auftreten, weist der BFH auf Billigkeitsmaßnahmen hin: Das Gesetz erlaube Finanzämtern, auf die Zinsen ganz oder teilweise zu verzichten.

TIPP: Falls das Finanzamt Ihnen auf Steuernachforderungen den hohen Zinssatz von 6 % p.a. berechnet, sollten Sie gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen, auf die Revisionsverfahren vor dem BFH hinweisen (I R 77/15, III R 10/16, III R 16/16, III R 25/17) und das Ruhenlassen beantragen. Wegen der Wucherzinsen ist ebenfalls eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig (1 BvR 2237/14). Im Übrigen sind Verfassungsbeschwerden wegen der unterschiedlichen Besteuerung von Erstattungs- und Nachforderungszinsen anhängig (2 BvR 1711/15 und 2 BvR 2671/14).

Dass der horrende Zinssatz von 6 % p.a. mittlerweile nicht mehr in Ordnung ist, empfindet auch der hessische Finanzminister Dr. Schäfer. Bereits im April 2016 schlug er in einem Brief an Bundesfinanzminister Schäuble vor, baldmöglichst gemeinsam für eine realistische Verzinsung von Steuerforderungen zu sorgen: "Die heutige realitätsferne Zinshöhe empfinden die Steuerzahler als willkürliche Gängelung des Staates bei Nachzahlungszinsen." Er meint: "Wer dem Finanzamt Geld schuldet, sollte dafür in Zukunft nicht mehr mit unverhältnismäßig hohen Zinsen belastet werden. Der Bürger bekommt kaum noch Zinsen, der Staat langt mit 6 % kräftig zu. Das passt in Zeiten der Niedrigzinsen nicht mehr zusammen. Wer sich darüber ärgert, tut dies zu Recht. Deshalb sollten wir handeln und die Zinsen für Nachzahlungen und Erstattungen an das gegenwärtige Kapitalmarktniveau anpassen" (FinMin. Hessen, Pressemitteilung vom 25.4.2016).

MEINUNG:Das neue Urteil des Bundesfinanzhofs enttäuscht auf ganzer Linie! Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die BFH-Richter nicht "Recht sprechen" wollen. Sie schrecken hier wieder einmal vor einer steuerzahler-freundlichen Entscheidung zurück, weil es um sehr viel Geld für den Staat geht. Allgemein bekannt ist, dass es schon im Jahr 2013 so gut wie keine Zinsen mehr gab. Die Richter verkriechen sich hinter einer Zinswuchergrenze von angeblich 14,7 Prozent - nach dem Motto: Solange der Staat nicht unverschämter ist als die unverschämtesten Geldverleiher, ist alles ok. Schon lange hat das Steuerrecht jeden Bezug zu den aktuellen Marktzinsen verloren.

Weitere Informationen: Abgeltungsteuer: Zinsen vom Finanzamt auf Steuererstattungen.

 

3. Steuerhinterziehung:
Lange Festsetzungsfrist bei Hinterziehung durch Miterben

Erkennt das Finanzamt einen Fehler in einem Steuerbescheid, so kann es diesen Fehler nur berichtigen, wenn noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Voraussetzung ist natürlich weiterhin, dass der Fiskus auch tatsächlich zur Berichtigung befugt ist, z.B. weil der Steuerzahler bestimmte Angaben in seiner Erklärung vergessen oder verschwiegen hat. Die Festsetzungsfrist beträgt üblicherweise vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem Sie die Steuererklärung beim Finanzamt abgegeben haben. Ist also die Steuererklärung 2013 in 2014 abgegeben worden, so ist eine Änderung des Steuerbescheides grundsätzlich nur bis Ende 2018 zulässig.

Im Falle einer Steuerhinterziehung verlängert sich die Festsetzungsfrist allerdings auf zehn Jahre. Eine Steuerhinterziehung durch den Erblasser ist den Erben zwar nicht strafrechtlich anzulasten, es sei denn, sie verschweigen z.B. Kapitalerträge weiterhin. Allerdings "leiden" sie unter der zehnjährigen Festsetzungsfrist, wenn das Finanzamt von der Steuerhinterziehung erfährt.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass sich die Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung bei einem Erbfall auch dann verlängert, wenn der demenzerkrankte Erblasser ausländische Kapitaleinkünfte nicht erklärt, jedoch ein Miterbe von der Verkürzung der Einkommensteuer wusste und selbst eine Steuerhinterziehung begeht. Wie der BFH mit Urteil vom 29.8.2017 (VIII R 31/15) entschieden hat, wirkt die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre dabei auch zu Lasten des Miterben, der von der Steuerhinterziehung gar keine Kenntnis hatte.

  • Der Fall: Die Klägerin war gemeinsam mit ihrer Schwester Erbin ihrer verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte in den Jahren 1993 bis 1999 Kapitaleinkünfte im Ausland erzielt, die sie nicht in ihren Einkommensteuererklärungen angegeben hatte. Seit 1995 war sie aufgrund einer Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage, wirksame Einkommensteuererklärungen abzugeben. Die Steuererklärungen der Erblasserin waren unter Beteiligung der Schwester der Klägerin (Miterbin) erstellt worden. Dieser war spätestens ab Eintritt des Erbfalls bekannt, dass die Mutter (Erblasserin) ihre Kapitaleinkünfte in den Einkommensteuererklärungen zu niedrig angegeben hatte. Das Finanzamt erließ gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die Steuer für die nicht erklärten Zinsen nachforderte.
  • Der BFH hat klargestellt, dass die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auch dessen Steuerschulden "erben"; denn gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Dies gilt nach der steuerlichen Abgabenordnung (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO) auch für die Steuerschulden. Auf die Kenntnis von der objektiven Steuerverkürzung des Erblassers kommt es nicht an, sondern nur auf die Höhe der entstandenen Steuerschuld. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass das Finanzamt im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens jeden Erben für die gesamte Steuerschuld des Erblassers in Anspruch nehmen kann.

War der Erblasser zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung aufgrund einer Demenzerkrankung geschäftsunfähig i.S. des § 104 Nr. 2 BGB, ist seine Steuererklärung zwar unwirksam. Dies hat auf die Höhe der gesetzlich entstandenen Steuer jedoch keine Auswirkung. Erfährt ein Erbe vor oder nach dem Erbfall, dass die Steuern des Erblassers zu niedrig festgesetzt wurden, ist er auch in diesem Fall verpflichtet, die (unwirksame) Einkommensteuererklärung des Erblassers zu berichtigen. Unterlässt er dies, begeht er eine Steuerhinterziehung.

Diese Steuerhinterziehung führt dazu, dass sich bei allen Miterben die Festsetzungsfrist für die verkürzte Steuer nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert. Wie der BFH hervorhebt, trifft dies auch den Miterben, der weder selbst eine Steuerhinterziehung begangen hat noch von dieser wusste.

STEUERRAT: Bei der Verkürzung von Steuern auf Kapitalerträge durch den Erblasser wiegen sich die Erben oft in Sicherheit. Doch das ist ein Trugschluss, wie das aktuelle BFH-Urteil zeigt. Auch in schenkung- bzw. erbschaftsteuerlicher Hinsicht wird oftmals eine (lange) Festsetzungsfrist nicht erkannt. Der Lauf der Festsetzungsfrist beginnt nämlich erst, wenn das Finanzamt von der Schenkung Kenntnis erlangt hat. Genau heißt es in § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO: "Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist ... bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat." Im Prinzip bedeutet das, dass hinsichtlich der in der Vergangenheit nicht angezeigten Schenkungen niemals Sicherheit vor einer späteren Steuerfestsetzung herrscht.

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