SteuerSparbrief - Archiv

Der Online-SteuerSparbrief erscheint monatlich im Umfang von rund 16 Seiten und ist Teil des Abonnements von Steuerrat24. Die aktuelle Ausgabe steht jeweils ab Monatsbeginn zum Abruf in der Rubrik "SteuerSparbrief" bereit.

Falls Sie eine frühere Ausgabe versäumt haben, können Sie hier die letzten Ausgaben des SteuerSparbriefs aufrufen.

 

Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:

  • Fitnessstudio: 44 EUR-Grenze auch bei Jahresvertrag
  • Zeitwertkonto: Interessantes Modell für den vorzeitigen Ruhestand
  • Steuerbescheide: Keine Änderung bei Ermittlungsfehlern des Finanzamts 
  • Nachzahlungszinsen: Ab sofort Aussetzung der Vollziehung möglich

Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief (Hinweis: Die PDF-Datei zum Ausdruck finden Sie unterhalb des Inhaltsverzeichnisses):

Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum Ausdruck: SteuerSparbrief Juli-August 2018

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor einigen Wochen habe ich in der ARD die Dokumentation "Ungleichland" verfolgt. Die Serie hat veranschaulicht, wie Reiche immer reicher werden, Arme in der Armutsfalle feststecken und selbst gutverdienende Angestellte stets Angst haben müssen, ihre Arbeitsstelle zu verlieren oder plötzlich umziehen zu müssen. In der anschließenden Diskussion bei "Hart aber fair" ging es unter anderem um das Steuerrecht und die Frage, ob dieses wirklich gerecht ist.

Auch ich werde immer wieder gefragt, ob ich das deutsche Steuerrecht für gerecht halte. Meine Antwort: Nein, ich halte es nicht für gerecht. Meine Kritik richtet sich insbesondere gegen das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Denn nach wie vor gehen Milliardenvermögen nahezu steuerfrei auf die nächste Generation über. Es gibt ein Gestaltungsmodell, das dem Gesetzgeber bei den Beratungen zur Erbschaftsteuerreform in 2016 wohl bekannt war, er es aber dennoch genehmigt hat. Dieses funktioniert vereinfacht wie folgt:

Angenommen, der Vater verfügt über einen Betrieb im Wert von 1 Mrd. Euro; die Tochter soll den Betrieb erhalten, ist aber bereits selbst äußerst vermögend. Betriebsvermögen ist bei einer Übertragung "nur "bis zu einer Höhe von 26 Mio. Euro begünstigt. Was tun? Man gründet eine unternehmerische Familienstiftung, und zwar ohne Gründungskapital. Anschließend wird das Betriebsvermögen in die Stiftung eingebracht. Nun kommt der Clou: Nach § 28a des Erbschaftsteuergesetzes wird die Schenkungsteuer erlassen, soweit sie 50 Prozent des Vermögens des Beschenkten übersteigt. Beschenkt ist nicht die Tochter, sondern die Stiftung. Und diese wiederum hat ja bislang gar kein Vermögen. Fazit: Null Euro Schenkungsteuer für 1 Mrd. Euro Betriebsvermögen. Der Rest wird nach § 28a ErbStG erlassen! Nur zum Verständnis: Anders als viele glauben, muss eine Stiftung nicht gemeinnützig sein.

Nun möchte ich Ihnen kurz einen Fall schildern, den ich selbst erleben durfte: Eine Frau erbte nach dem plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten zwei vermietete Immobilien. Die Immobilien wurden durch das Finanzamt mit 500.000 Euro bewertet; die Erbschaftsteuer betrug rund 100.000 Euro. Um diese zahlen zu können, musste die Lebensgefährtin eine der beiden Immobilien verkaufen. Da die Zehn-Jahres-Frist noch nicht verstrichen war, unterlag zum allen Übel der Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer. Hier hat das Finanzamt nicht einmal die zinslose Stundung bis zum Verkauf des Hauses genehmigt.

Mich wundert die Ungleichbehandlung aber nicht. Rico Grimm von der "Krautreportern" hat in einem sehr lesenswerten Artikel herausgearbeitet, wie der Mittelstand - etwa die "Stiftung Familienunternehmen" - Lobbyarbeit zu seinen Gunsten betrieben hat, als es um das neue Erbschaftsteuerrecht ging (siehe https://krautreporter.de/2101-wie-reiche-familien-die-erbschaftsdebatte-manipulieren). So wurde immer wieder das Argument vorgebracht, bei einer Erhöhung der Erbschaftsteuer müssten Angestellte entlassen werden. Nur, so Grimm: "Ich hatte die Stiftung Familienunternehmen gebeten, mir ein Beispiel zu geben, das ihr Argument unterfüttert. Sie konnte es nicht, und 15 andere Verbände können es auch nicht belegen. Die Stiftung kann nicht einen Fall nennen, seit Gründung der BRD, in dem ein Unternehmer Angestellte entlassen musste, um die Erbschaftssteuer zu bezahlen - und trotzdem warnt sie überall vor genau diesem Fall."

Der Mittelstand ist der Motor unseres Erfolges. Keinesfalls soll er über eine zu hohe Steuerlast erdrückt werden. Es darf jedoch nicht sein, dass das Aufkommen der Erbschaftsteuer über diejenigen finanziert wird, die ihren bescheidenen Wohlstand nur dadurch schaffen können, dass sie im Laufe ihres Berufslebens ein oder zwei Häuser erworben haben. Es ist ungerecht, wenn für die Übertragung eines kleinen Miethauses eine höhere Steuerlast anfällt als für die Übertragung eines Betriebsvermögens in Milliardenhöhe.

Übrigens, nur am Rande: Mich würde sehr interessieren, wer eigentlich in den Beiräten derjenigen Stiftungen sitzt, die von dem Steuermodell profitiert haben. Das wäre vielleicht eine Aufgabe für einen investigativen Reporter.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Christian Herold

Redaktion Steuerrat24

 

I. Beruflicher Bereich 

1. Abfindung:
Steuerfreier Schadenersatz statt steuerpflichtige Einnahme

Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes sind zwar zu versteuern, unter bestimmten Voraussetzungen kommt aber die so genannte Fünftel-Regelung zur Anwendung. So wird zumindest eine kleine Steuerminderung erreicht. In Einzelfällen können Bestandteile der Abfindung aber ganz steuerfrei bleiben - wenn es sich nämlich um echten Schadenersatz handelt und die Zahlung nicht nur für den Ausgleich entgangener Einnahmen geleistet wird.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) ein interessantes Urteil zur Abgrenzung zwischen steuerfreiem Schadenersatz und steuerpflichtigen Einnahmen gefällt (Urteil vom 9.1.2018, IX R 34/16). Der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde lag, kann durchaus als dramatisch bezeichnet werden.

  • Es ging um einen Arbeitnehmer, der überfallen worden und seitdem schwerbehindert ist. Zunächst sah es so aus, als sei er zufällig Opfer eines Angriffs geworden. Aber nach längerer Recherche seinerseits war wohl doch davon auszugehen, dass er aufgrund seiner Tätigkeit gezielt ausgesucht worden ist. Letztlich beweisen konnte er es indes nicht. Er schloss mit seinem Arbeitgeber einen "Aufhebungsvertrag und Vergleich". Die Parteien verständigten sich auf mehrere Vertragsbestandteile bzw. Zahlungen. Neben einer Abfindung für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses sowie für mögliche Verdienstausfälle wurde ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Schadenersatz geleistet. Dazu heißt es in der Präambel des Vertrags, der Arbeitgeber bestreite den Anspruch. Es sei nicht mit Sicherheit nachweisbar, dass der Überfall auf die dienstliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Man sei aber bereit, sich über möglicherweise bestehende und in Zukunft entstehende Schadenersatzansprüche zu vergleichen, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden und um beiderseitige Risiken zu begrenzen.
  • In seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Steuerzahler, den Vergleichsbetrag für sonstigen Schadenersatz steuerfrei zu belassen. Das Finanzamt lehnte dies ab. Der Betrag sei als steuerpflichtige Abfindung zu berücksichtigen, denn es handele sich um einen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Auch das Finanzgericht lehnte die Steuerfreiheit ab, unter anderem wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Entschädigung. Es komme also keine Aufteilung in die einzelnen Bestandteile in Betracht.
  • Der BFH hingegen hat der Revision entsprochen, die Vorentscheidung aufgehoben und den Fall an das Finanzgericht zurückverwiesen. Er ist folgender Ansicht: Ist neben einer Entschädigung für entgangene Einnahmen, die sich ihrer Höhe nach im Rahmen des Üblichen bewegt, eine weitere Zahlung vereinbart, die bei zusammenfassender Betrachtung den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreiten würde, spricht dies indiziell dafür, dass es sich insoweit nicht um eine Entschädigung für entgangene Einnahmen handelt. Von einer Überschreitung in besonderem Maß ist auszugehen, wenn durch die zweite Teilzahlung die Höhe der Gesamtzahlung verdoppelt wird. Das heißt also: Der Schadenersatz kann steuerfrei sein.

STEUERRAT: Das Urteil liegt auf einer Linie mit den Entscheidungen des BFH vom 11.7.2017 (IX R 28/16) und vom 20.9.1996 (VI R 57/95). Es fehlt beispielsweise an einem steuerpflichtigen Ersatz für entgangene Einnahmen aus dem Anstellungsverhältnis, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Schaden ersetzt, den dieser infolge einer Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten oder einer unerlaubten Handlung des Arbeitgebers erlitten hat. Es lohnt sich also durchaus, in besonderen Fällen zu prüfen, ob ein Teil einer Abfindung steuerfrei sein kann.

 

2. Nutzung eines Fitnessstudios:
44 EUR-Freigrenze auch bei Jahresvertrag

Sachbezüge, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer gewährt, bleiben steuerfrei, wenn deren Wert insgesamt 44 EUR im Kalendermonat nicht übersteigt. Bei so genannten Jobtickets ist eine Besonderheit zu beachten: Bekommen Sie ein Jahresticket für Bus oder Bahn, kann der Arbeitgeberbeitrag nicht auf 12 Monate verteilt werden, sondern muss insgesamt im Zeitpunkt der Überlassung - sofern er denn mehr als 44 EUR beträgt - versteuert werden. Der Vorteil aus der Überlassung des Tickets bleibt nur dann bis 44 EUR steuerfrei, wenn die Fahrkarte monatlich gewährt wird, aber für einen längeren Zeitraum als einen Monat gilt (R 8.1 Abs. 3 LStR). Nun hat sich die Frage gestellt, inwiefern dieser Grundsatz auch bei anderen Vorteilen gilt, die sozusagen für einen längeren Zeitraum gewährt werden.

AKTUELL hat das Niedersächsische Finanzgericht (FG) entschieden, dass einem Arbeitnehmer der geldwerte Vorteil aus der vergünstigten Nutzung eines Fitnessstudios auch dann monatlich zufließt, wenn der Arbeitgeber seinerseits einen Jahresvertrag abgeschlossen hat. Folglich bleibt der Vorteil aus der vergünstigten Nutzung der Einrichtungen steuerfrei, wenn der Wert 44 EUR nicht übersteigt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Anspruch zur Nutzung des Studios wieder monatlich entzogen werden kann (Urteil vom 13.3.2018, 14 K 204/16).

  • Der Fall: Ein Arbeitgeber schloss mit einem Anbieter von mehreren Fitnessstudios einen Rahmenvertrag. Den Beschäftigten wurde danach die Möglichkeit geboten, die Einrichtungen des Studiobetreibers zu nutzen. Die Laufzeit des Vertrages betrug zunächst 12 Monate. Die vom Arbeitgeber zu leistende Zahlung betrug auf der Basis von 100 Mitarbeitern monatlich insgesamt 1.000 EUR, also 10 EUR je Mitarbeiter. Die Teilnehmer erhielten gegen Zahlung einer kleinen Gebühr einen Mitgliedsausweis, der zum Ende der Trainingsberechtigung zurückzugeben war.
  • Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die monatliche Freigrenze von 44 EUR überschritten sei, weil den Arbeitnehmern der geldwerte Vorteil - bedingt durch die Vertragsbindung - im Zeitpunkt der Überlassung der Teilnahmeberechtigung für das gesamte Jahr zufließe. Das wären also 120 EUR. Ein monatlicher Zufluss des geldwerten Vorteils könne nur dann angenommen werden, wenn die Dauer des Teilnahmeverhältnisses bei den Arbeitnehmern von vornherein auf einen Monat beschränkt gewesen wäre. Dieses sei nicht der Fall gewesen, so dass den Arbeitnehmern nicht der Monatswert, sondern der Jahreswert als geldwerter Vorteil bei Beginn der Teilnahme zufließe und als Arbeitslohn nachzuversteuern sei.
  • Das Niedersächsische FG ist dem entgegengetreten. Entgegen der Auffassung des Finanzamts fließe den Beschäftigten mit Aushändigung der Teilnahmebestätigung nicht der geldwerte Vorteil für den Zeitraum eines Jahres, sondern vielmehr während der Dauer ihrer Teilnahme fortlaufend monatlich zu. Die Teilnehmer hätten allein durch den Erhalt der Trainingsberechtigung keinen unmittelbaren Anspruch gegen das Fitnessstudio oder gegen den Arbeitgeber zur Nutzung der Einrichtungen für die Dauer eines Jahres erworben.
  • Der Sachverhalt unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von dem Jobticket-Fall: Werde den Arbeitnehmern eine verbilligte Jahreskarte für Bus oder Bahn gewährt, geht mit dem Erwerb der Fahrkarte ein für die Dauer eines Jahres unentziehbarerAnspruch auf Beförderung einher. So war es zumindest in dem Fall, den der BFH am 14.11.2012 (VI R 56/11) entschieden hat. Im Gegensatz zum vergünstigten Erwerb einer Jahresfahrkarte verschaffe die Aushändigung des Mitgliedsausweises, an dem die Teilnehmer zudem kein Eigentum erwerben, den Beschäftigten keinen unentziehbaren Anspruch, sondern lediglich das (durchaus entziehbare) Recht zur Nutzung der Einrichtungen für die Dauer der Teilnahme bzw. der aktivierten Karte. Weder der Abschluss des Vertrages des Arbeitgebers mit dem Fitnessstudio noch die vertragliche Bindung der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber begründeten ein eigentumsähnliches Recht.

STEUERRAT: Gegen das Urteil ist die Revision zugelassen worden, so dass noch eine gewisse Unsicherheit besteht (Az VI R 14/18). In aktuellen Fällen sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegebenenfalls eine - schriftliche - vertragliche Regelung oder eine Rahmenvereinbarung dergestalt treffen, dass die Möglichkeit zur vergünstigten Nutzung des Fitnessstudios monatlich gekündigt werden kann (vgl. hierzu OFD Nordrhein-Westfalen vom 24.11.2014, Kurzinfo LSt 7/2014 zur Überlassung von Jobtickets). Unabhängig davon sollten Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) stets beachten, dass die 44 EUR-Grenze nur insgesamt für alle Steuervorteile gilt. Es sind beispielsweise Fälle bekannt, in denen ein Arbeitgeber die 44 EUR-Grenze bis zum letzten Cent ausgeschöpft hat, das Finanzamt dann aber die Möglichkeit, die im Büro ausliegende Tageszeitung zu lesen, mit 5 Cent bewertet hat. Folge: Die 44 EUR-Grenze wurde überschritten und der geldwerte Vorteil war insgesamt zu versteuern. Von daher sollte stets ein gewisser Puffer für Betriebsprüfungen verbleiben.

Neben der Ausnutzung der 44 EUR-Grenze besteht im Zusammenhang mit Gesundheitsleistungen eine weitere Steuervergünstigung: Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung sind steuerfrei, soweit sie 500 EUR im Kalenderjahr nicht übersteigen. Die Leistungen müssen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Unter die Steuerbefreiung fallen insbesondere die Leistungen, die im Leitfaden Prävention der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen aufgeführt sind. Grundsätzlich können auch Leistungen begünstigt sein, die durch Fitnessstudios angeboten werden. Aber auch diese müssen den fachlichen Anforderungen des Leitfadens Prävention gerecht werden. Die reine Übernahme oder Bezuschussung von Mitgliedsbeiträgen an ein Fitnessstudio oder einen Sportverein fällt nicht darunter.

Weitere Informationen: Steuerbegünstigte Leistungen: Wohltaten vom Arbeitgeber mit Steuervorteil

 

3. Arbeitszimmer:
Keine anteilige Spekulationsteuer bei Verkauf des Eigenheims

Verkaufen Sie ein selbst genutztes Haus oder eine Eigentumswohnung innerhalb von 10 Jahren nach Anschaffung oder Fertigstellung, ist ein eventueller Veräußerungsgewinn steuerfrei, sofern die Immobilie im Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung und Veräußerung ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde oder die Immobilie im Jahr des Verkaufs und in den beiden Vorjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Falls Sie aber im Eigenheim einen Raum als Arbeitszimmer genutzt haben, soll nach Auffassung des Fiskus ein Veräußerungsgewinnanteilig mit dem Arbeitszimmeranteil steuerpflichtig sein - und zwar als "sonstige Einkünfte" gemäß § 22 Nr. 2 EStG. Der Veräußerungsgewinn muss nach Auffassung der Finanzverwaltung - man glaubt es kaum - auch dann mit dem Arbeitszimmeranteil als Spekulationsgewinn versteuert werden, wenn das Arbeitszimmer gar nicht oder lediglich begrenzt bis zu 1.250 EUR anerkannt wurde (BMF-Schreiben vom 5.10.2000, BStBl. 2000 I S. 1383, Tz. 16 und 21). Diese Auffassung hat das Finanzgericht Münster bestätigt (FG Münster vom 28.8.2003, 11 K 6243/01 E).

AKTUELL hat das Finanzgericht Köln gegen den Fiskus entschieden, dass der auf das häusliche Arbeitszimmer entfallende Gewinn aus dem Verkauf des Eigenheims nicht der Spekulationsbesteuerung unterliegt. Der Veräußerungsgewinn ist auch dann in vollem Umfang steuerfrei, wenn zuvor Werbungskosten für das Arbeitszimmer abgesetzt wurden (FG Köln vom 20.3.2018, 8 K 1160/15, Revision IX R 11/18).

  • Nach Auffassung der Richter ist es zwar zutreffend, dass ein häusliches Arbeitszimmer gerade nicht eigenen Wohnzwecken dient. Allerdings stellt das Arbeitszimmer bei Arbeitnehmern kein selbstständiges Wirtschaftsgut dar, weil es nicht unabhängig von den anderen Teilen der Wohnung veräußerbar ist. Gilt deswegen als Wirtschaftsgut die gesamte Wohnung, lässt sich dem Gesetzeswortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht das Erfordernis entnehmen, dass sämtliche Wohnungsteile der Gesamtwohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden müssten, um die Ausnahme von der Besteuerung annehmen zu können.
  • Zwar sieht das Gesetz eine ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung vor (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Dieses Ausschließlichkeitskriterium sei jedoch nicht im Sinne von "räumlich ausschließlich", sondern als "zeitlich ausschließlich" zu verstehen.
  • -Ist bei der Beurteilung der Eigennutzung einer in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Eigentumswohnung eine räumlich ausschließliche Eigennutzung somit nicht Voraussetzung für die Steuerbefreiung, ist es unschädlich, wenn Teile der Wohnung tatsächlich nicht eigengenutzt, sondern zur Erledigung beruflicher Arbeiten eingesetzt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine weit überwiegende Eigennutzung der Wohnung vorliegt (hier: Arbeitszimmeranteil nur 19 %).
  • Die Richter halten es nicht für gerechtfertigt, das häusliche Arbeitszimmer bei der Spekulationsbesteuerung gemäß § 23 EStG wie ein eigenes Wirtschaftsgut zu behandeln und entsprechend den darauf entfallenden Veräußerungsgewinn zu besteuern. Denn bei der Einkommensbesteuerung sind die Arbeitszimmerkosten grundsätzlich nicht absetzbar (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG). Nach Auffassung der Richter müssen entweder die Aufwendungen für das Arbeitszimmer grundsätzlich steuerlich absetzbar und dann auch der anteilige Veräußerungsgewinn steuerpflichtig sein, oder aber das häusliche Arbeitszimmer bleibt in jedweder steuerlicher Hinsicht unberücksichtigt!! Dass die Kosten des Arbeitszimmers in Ausnahmefällen begrenzt bis 1.250 EUR und in besonderen Ausnahmefällen voll abziehbar sein können, ändert hieran nichts. Denn dies lässt den Grundsatz unberührt, dass das häusliche Arbeitszimmer Teil des privaten Wohnbereichs ist und damit zur Sphäre der Eigennutzung gehört.

STEUERRAT: Das neue FG-Urteil ist sehr erfreulich, aber noch ist die Revision beim BFH anhängig (Aktenzeichen: IX R 11/18). Bis zur höchstrichterlichen Klärung gilt: Für Arbeitnehmer gibt es eine Möglichkeit, wie Sie die Versteuerung des Arbeitszimmers bei Verkauf des Eigenheims vermeiden können: Beenden Sie die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers und nutzen Sie es im Jahr des Verkaufs und in den beiden Vorjahren für private Zwecke. Dabei ist nicht erforderlich, dass dieser Zeitraum drei volle Kalenderjahre umfasst, denn auf den zeitlichen Umfang der Eigennutzung im ersten und dritten Jahr vor dem Verkauf kommt es nicht an. Ein häusliches Arbeitszimmer lässt sich jederzeit in privaten Wohnraum umwandeln, indem ein Fernseher, Bett, Videorecorder, private Bücher, Kleidung oder ähnliche Gegenstände hineingestellt werden.

Weitere Informationen: Wenn das Arbeitszimmer anerkannt wird: Tipps und Kniffe

 

4. Arbeitszimmer:
Wie Sie ein Klimagerät steuerlich richtig absetzen

Bei hohen Sommertemperaturen sorgen mobile Klimageräte oder Ventilatoren für die nötige Abkühlung im häuslichen Arbeitszimmer, damit das Arbeiten leichter fällt. Doch wie werden die Ausgaben dafür in der Steuererklärung geltend gemacht?

Grundsätzlich gilt:

  • Klimageräte gehören zur Ausstattung des Arbeitszimmers, und nach dem Gesetz teilen die Kosten der Ausstattung das Schicksal der Arbeitszimmerkosten (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG). Das bedeutet: Die Kosten der Ausstattung sind - wie die Kosten des Arbeitszimmers - entweder im Rahmen des Höchstbetrages von 1.250 EUR, in unbegrenzter Höhe oder gar nicht absetzbar. Diese Gegenstände dienen der funktionsgerechten Nutzbarmachung des Arbeitszimmers.
  • Klimageräte stellen keine beruflichen Einrichtungsgegenstände dar, wie etwa Schreibtisch, Schreibtischstuhl, Bücherregal, Bücherschrank, Beistelltisch, Computertisch, Schreibtischlampe. Beruflich genutzte Einrichtungsgegenstände sind "Arbeitsmittel" und deshalb immer in voller Höhe zusätzlich zum Höchstbetrag von 1.250 EUR absetzbar, ggf. im Wege der Abschreibung. Die Kosten sind auch dann abziehbar, wenn das Arbeitszimmer selbst nicht anerkannt wird.

Falls das Arbeitszimmer - und damit auch das Klimagerät - absetzbar ist:

  • Betragen die Anschaffungskosten nicht mehr als 800 EUR netto bzw. 952 EUR (einschl. 19 % MwSt.), können Sie die Kosten einschließlich der Mehrwertsteuer sofort in voller Höhe als Werbungskosten absetzen. Dies gilt bei Anschaffung ab dem 1.1.2018. Bei Anschaffung vor 2018 liegt die Grenze bei 410 EUR netto bzw. 487,90 EUR (einschl. 19 % MwSt.).
  • Betragen die Anschaffungskosten mehr als 800 EUR bzw. bei Anschaffung vor 2018 mehr als 410 EUR, müssen Sie die Kosten über eine Nutzungsdauer von 11 Jahren verteilen, d.h. "abschreiben". In jedem Jahr ist die sog. "Absetzung für Abnutzung" (AfA) in Höhe von 9,09 Prozent als Werbungskosten absetzbar. Im Jahr der Anschaffung ist die ermittelte Jahres-AfA nur zeitanteilig absetzbar, und zwar für jeden Monat exakt mit einem Zwölftel. Den verbleibenden Rest aus dem Anschaffungsjahr setzen Sie im Anschluss an die Abschreibungsdauer ab (§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG).

STEUERRAT: Die Sofortabschreibung ist eine "Kann-Regelung". Das bedeutet, dass Sie auch Anschaffungskosten unter 800 EUR auf die voraussichtliche Nutzungsdauer verteilen und in jedem Jahr mit der jeweiligen Jahres-Abschreibung absetzen können (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG). Dies empfiehlt sich, wenn Werbungskosten sich nicht oder kaum auf Ihre Steuerschuld auswirken, beispielsweise weil Ihre Einkünfte nur sehr niedrig oder gar negativ sind. Wenn Sie dann lediglich eine Jahres-Abschreibung statt der Gesamtabschreibung ansetzen, können Sie den restlichen Betrag in den kommenden Jahren steuerwirksam nutzen.

HINWEIS: Für Selbstständige, Freiberufler, Gewerbetreibende gibt es eine weitere Regelung für Anschaffungskosten zwischen 250 EUR und 1 000 EUR: Sie können für die Wirtschaftsgüter einen Sammelposten bilden und diesen über 5 Jahre mit jeweils 20 % gewinnmindernd auflösen, sog. Poolabschreibung (§ 6 Abs. 2a Satz 1 und 4 EStG).

Weitere Informationen: Arbeitszimmer: Was ist an Einrichtung erlaubt und absetzbar?

 

5. Fahrt zur Arbeit:
Wie ein Unfall auf dem Umweg zum Arztbesuch beurteilt wird

Die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gilt als berufliche Fahrt mit der Folge, dass ein Unfall auf dieser Fahrt als versicherter Wegeunfall bzw. Arbeitsunfall von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt wird und ein verbleibender Schaden steuerlich als Werbungskosten absetzbar ist. Nun kommt es häufig vor, dass bei einer solchen Fahrt vor Arbeitsbeginn oder nach Arbeitssende ein Abstecher zum Arztbesuch gemacht wird. Was gilt, wenn sich auf der Umwegfahrt ein Verkehrsunfall ereignet?

AKTUELL hat das Sozialgericht Dortmund entschieden, dass ein Verkehrsunfall, der sich nach einem knapp einstündigen Arztbesuch auf dem Rückweg zum Betrieb noch auf der Umwegstrecke ereignet, kein Arbeitsunfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ist und somit nicht von der Berufsgenossenschaft entschädigt wird. Der Mitarbeiter ist nur so lange gesetzlich unfallversichert, wie er seinen gewöhnlichen Weg zur Arbeitsstätte benutzt. Mit Verlassen dieses Weges wird der Versicherungsschutz unterbrochen und lebt nach dem Arztbesuch mit dem Wiedererreichen des unmittelbaren Weges erneut auf (SG Dortmund vom 28.2.2018, S 36 U 131/17).

Bereits vor zwei Jahren hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass der Weg von der Arztpraxis zur Arbeitsstätte und umgekehrt im Regelfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Denn dieser Weg liegt nicht im unmittelbaren betrieblichen, sondern im eigenwirtschaftlichen Interesse. Versichert ist nur der dierekte Weg nach und von der versicherten Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Eine geringfügige Unterbrechung, die auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, berührt den Versicherungsschutz nicht. Wird der direkte Weg jedoch mehr als geringfügig unterbrochen, besteht kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Versicherungsschutz endet, sobald der direkte Weg verlassen und der Umweg (Abweg) begonnen wird. Er lebt erst wieder auf, sobald sich der Versicherte wieder auf dem direkten Weg zur Arbeitsstätte bzw. umgekehrt zur Wohnung befindet und damit der Umweg beendet ist (BSG-Urteil vom 5.7.2016, B 2 U 16/14 R).

STEUERRAT: Etwas sonderbar mutet hier eine Ausnahmeregelung an: Falls der Arztbesuch mindestens zwei Stunden dauert bzw. dauern soll, wäre der Weg zwischen Wohnung und Arztpraxis bzw. zwischen Arztpraxis und Arbeitsstätte - und umgekehrt - von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt. Denn bei einer längeren Unterbrechung des Weges durch einen längeren Aufenthalt an einem dritten Ort (z.B. Arztpraxis) ist davon auszugehen, dass kein zusammenhängender einheitlicher Weg nach oder von der Arbeitsstätte zurückgelegt wird, sondern vielmehr zwei getrennte Wege vorliegen, von denen nur einer dem versicherten Weg zur Arbeitsstätte dient. "Das Kriterium der Aufenthaltsdauer grenzt damit versicherte von unversicherten Wegen praktikabel ab und schafft Rechtssicherheit" (BSG-Urteil vom 5.7.2016).

Steuerlich gilt Folgendes: Wird die normale Fahrtroute einer beruflich veranlassten Fahrt verlassen, kommt es darauf an, ob der Umweg beruflich veranlasst ist. Dies ist denkbar, wenn der Arztbesuch der Behandlung einer Verletzung aus einem Arbeits- oder Wegeunfall dient. Ist dies nicht der Fall, wird die zunächst berufliche Veranlassung vorübergehend aufgehoben mit der Folge, dass weder die Fahrtkosten noch die Unfallkosten auf dem Umweg steuerlich anerkannt werden. Befinden Sie sich nach dem privat veranlassten Umweg wieder auf Ihrer gewöhnlichen Wegstrecke und ereignet sich dann ein Unfall, ist der Schaden wiederum beruflich veranlasst und steuermindernd absetzbar (Hessisches FG vom 14.4.1988, EFG 1988 S. 556).

Weitere Informationen: Unfall, Beschädigung, Diebstahl des Pkw: Wann der Schaden absetzbar ist

 

6. Zeitwertkonto:
Interessantes Modell für den vorzeitigen gesicherten Ruhestand

Ein sehr interessantes Modell, um später vorzeitig und abgesichert in den Ruhestand gehen zu können, ist das sog. Wertguthabenkonto oder Zeitwertkonto. Auf ein solches Konto können Mitarbeiter Überstunden- und Urlaubsabgeltungen, Einmalzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Tantiemen), Teile des laufenden Arbeitslohns sowie freiwillige Leistungen des Arbeitgebers einbringen (§ 7d SGB IV). Der besondere Vorteil von Zeitwertkonten besteht darin, dass die eingezahlten Beträge nicht mit Steuern und Sozialabgaben belastet sind und auch der eingesparte Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung zusätzlich zugunsten des Arbeitnehmers angelegt wird. Damit entsteht ein Wertguthaben, bei dem am Ende durch Zins- und Zinseszinseffekt ein beachtlicher Betrag angewachsen ist.

Das sind die Vorteile: Während der Ansparphase fallen für gutgeschriebene Beträge keine Steuern an. Weder die Vereinbarung noch die Wertgutschrift auf dem Zeitwertkonto führen steuerlich zum Zufluss von Arbeitslohn. Ebenfalls sind die Einzahlungen auf das Zeitwertkonto sozialversicherungsfrei (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Steuern und Sozialversicherungsbeiträge werden erst dann fällig, wenn das angesparte Wertguthaben später planmäßig für die Freistellung von der Arbeit oder Verringerung der Arbeitszeit verwendet wird (nachgelagerte Besteuerung). Die Erträge aus dem Wertguthaben sind nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig und unterliegen nicht der Abgeltungsteuer. Sie werden erst in der Freistellungsphase versteuert, und dann ebenfalls als Arbeitslohn.

Eine Ausnahme gilt für GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer AG: Für sie sollen die beschriebenen Vorteile eines Zeitwertkontos nicht gelten. Wird dennoch ein Zeitwertkonto eingerichtet, führt bereits die Gutschrift des eingezahlten Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn und ist zu versteuern. Die gutgeschriebenen Zinsen auf dem Konto gehören zu den steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen und unterliegen der Abgeltungsteuer. Die spätere Auszahlung in der Freistellungsphase ist dann abgabenfrei(BMF-Schreiben vom 17.6.2009, BStBl. 2009 I S. 1286, Tz. A.IV.2.b).

Im Jahre 2015 hat der Bundesfinanzhof das Zeitwertkonto für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH missbilligt und die strenge Auffassung des Fiskus bestätigt. Mit dem Aufgabenbild eines GmbH-Geschäftsführers sei es nicht vereinbar, dass er durch die Führung eines Arbeitszeitkontos auf seine unmittelbare Entlohnung zu Gunsten später zu vergütender Freizeit verzichte (BFH-Urteil vom 11.11.2015, I R 26/15).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof eine Differenzierung vorgenommen und gegen den Fiskus entschieden, dass - anders als für Gesellschafter-Geschäftsführer - für Fremd-Geschäftsführer einer GmbH die Vorteile des Zeitwertkontos doch gelten: Für sie sind - wie bei Arbeitnehmern - die Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto zur Finanzierung eines vorzeitigen Ruhestands nicht bereits bei Einzahlung, sondern erst bei Auszahlung als Arbeitslohn zu versteuern. Ebenfalls sind die Erträge aus dem Konto nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern, sondern bei Auszahlung als Arbeitslohn. Die bloße Organstellung als Geschäftsführer sei für den Zufluss von Arbeitslohn ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 22.2.2018, VI R 17/16).

Weitere Informationen: Zeitwertkonten: Interessantes Modell zur Gestaltung der Lebensarbeitszeit

 

II. Privater Bereich

1. Außergewöhnliche Belastung:
Kosten für Sanierung einer Familiengrabstätte

Früher waren aufwendig gestaltete Grabstätten keine Seltenheit, während Gräber heutzutage eher schlicht gehalten werden. Entsprechend den gemeindlichen Friedhofsordnungen werden sie auch oftmals bereits nach Ablauf einer Frist von 25 Jahren bzw. 30 Jahren eingeebnet. Nun sind die Kosten für die laufende Grabpflege anerkanntermaßen steuerlich nicht abziehbar. Was ist aber, wenn eine sehr alte Familiengrabstätte saniert wird?

AKTUELL hat das Finanzgericht Hessen entschieden, dass die Kosten für die Sanierung einer seit 100 Jahren bestehenden Familiengruft als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abziehbar sind, wenn der Instandsetzung eine Anordnung der Gemeindeverwaltung zugrunde liegt (Urteil vom 4.4.2017, 2 K 1964/15).

  • Der Fall: Die Familie A besitzt eine 102 Jahre alte Familiengrabstätte. Im Sommer 2013 wandte sich die Gemeinde an ein Familienmitglied und verlangte wegen der fehlenden Standsicherheit der Aufbauten auf dem Familiengrab die fachgerechte Behebung der bestehenden Sicherheitsmängel. Das Familienmitglied kam dieser Aufforderung nach und beauftragte einen Steinbildhauer und Steinmetzmeister mit der Sanierung des Grabes. Anschließend begehrte es beim Finanzamt den Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastung. Offenbar waren die Aufwendungen so hoch, dass sie auch die zumutbare Eigenbelastung überstiegen.
  • Während das Finanzamt einen Abzug verneinte, hat das Finanzgericht die Zwangsläufigkeit, Notwendigkeit und Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen bejaht und einen Abzug als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zugelassen. Zwangsläufig seien die Kosten nicht nur, weil die Gemeinde die Sanierung der Grabstätte angeordnet habe, sondern insbesondere auch, weil die Klägerin der 100-jährigen Tradition ihres familiären Toten- und Ahnengedenkens aus sittlichen Gründen heraus verpflichtet gewesen sei. Dies gelte bereits in Hinsicht auf die christliche Glaubens- und Traditionspflege der Familie, spiegele sich aber auch in allgemeiner kultureller Pflege der Grabstätte im Sinne eines historischen Kulturdenkmals wieder.

STEUERRAT: Der Fall ist zwischenzeitlich beim Bundesfinanzhof anhängig, so dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist (Az. VI R 48/17). Bis dahin sollten Sie aber ähnliche Kosten in Ihrer Steuererklärung angeben und bei einer ablehnenden Entscheidung des Finanzamts Einspruch einlegen sowie ein Ruhen des Verfahrens beantragen. Beachten Sie aber, dass sich die Kosten selbst bei einer Anerkennung durch das Finanzamt nur auswirken, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten ist.

Weitere Informationen: Überblick: Was sind außergewöhnliche Belastungen?

 

2. Vorsorge:
Wie Versicherungsbeiträge steuerlich berücksichtigt werden

Seit 2010 sind Beiträge zur Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung unbegrenzt als Sonderausgaben absetzbar. Nur wenn diese Beiträge niedriger sind als 1.900 EUR bei Arbeitnehmern und Rentnern bzw. 2.800 EUR bei Selbstständigen, bleibt noch "Spielraum" zur steuerlichen Berücksichtigung von anderen Versicherungen - und zwar gerade mal in Höhe des Differenzbetrages.

  • Zu den "anderen Versicherungen", die dem Grunde nach abzugsfähig sind, gehören Arbeitslosen-, Berufsunfähigkeits-, Haftpflicht-, Unfall- und Risikolebensversicherungen, außerdem private Krankenzusatz- und Pflegezusatzversicherungen.
  • Kapitallebensversicherungen sowie private Rentenversicherungen mit und ohne Kapitalwahlrecht werden nur noch berücksichtigt, wenn sie vor 2005 abgeschlossen wurden. Bei den beiden erstgenannten Versicherungen sind die Beiträge lediglich mit 88 % abziehbar.
  • Berufsunfähigkeits- und Unfallzusatzversicherung zu einer Kapitallebens- oder Rentenversicherung, die ab 2005 abgeschlossen wurde, werden ebenfalls berücksichtigt, weil sie am Ende der Vertragslaufzeit bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Ertrags nicht abgezogen und somit bei Auszahlung der Ablaufleistung mit versteuert werden (BMF-Schreiben vom 19.8.2013, BStBl. 2013 I S. 1087, Tz. 95).

Was sich hier möglicherweise großzügig anhört, ist in Wirklichkeit ein großer Bluff. Tatsächlich fallen nämlich die Beiträge zurArbeitslosenversicherung und zu anderen Versicherungen meistens "unter den Tisch", weil die abzugsfähigen Höchstbeträge von 1.900 EUR bzw. 2.800 EUR bereits mit Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ausgeschöpft sind. Die Frage ist, ob die faktische Nichtabsetzbarkeit von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und anderen Versicherungen verfassungswidrig ist.

  • Der Bundesfinanzhof hatte entschieden, es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in voller Höhe als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Die Beiträge seien zwar zwangsweise zu leisten, doch sie stellten keine existenznotwendigen Ausgaben dar. Sie dienten nicht der Absicherung des Existenzminimums, sondern der Erlangung einer Lohnersatzleistung in Form von Arbeitslosengeld I, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld usw. (BFH-Urteil vom 16.11.2011, X R 15/09).
  • Hinsichtlich der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurde noch ein weiterer Ansatz verfolgt: Wenn die Beiträge schon nicht als Sonderausgaben absetzbar sind, so sollten sie doch wenigstens zu einer Verringerung des Steuersatzes führen. Da mit den Beiträgen - so der BFH - Ansprüche auf Lohnersatzleistungen, z. B. Arbeitslosengeld I, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld usw., erworben werden, unterliegen diese dem Progressionsvorbehalt und führen zu einer Erhöhung des Steuersatzes. Folglich müssten die dafür gezahlten Beiträge doch im negativen Progressionsvorbehalt berücksichtigt werden und zu einer Absenkung des Steuersatzes führen. Aber der BFH hat den negativen Progressionsvorbehalt abgelehnt (BFH-Urteil vom 16.11.2011, X R 15/09). Eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 27.9.2017, 2 BvR 598/12).
  • Der BFH hat ebenfalls geklärt, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, Beiträge zur Risiko- und Kapitallebensversicherung sowie zur Unfallversicherung in vollem Umfang zum steuerlichen Abzug zuzulassen. Diese Versicherungen gehören nicht zum Existenzminimum auf Sozialhilfeniveau, denn sie dienen nicht der Sicherung der bloßen Existenz, sondern primär dem Schutz und dem Erhalt des Vermögens und Lebensstandards. Ob derartige Privatausgaben unvermeidbar sind oder zwangsläufig entstehen, sei unerheblich (BFH-Urteil vom 9.9.2015, X R 5/13). Eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 21.9.2017, 2 BvR 2445/15).

AKTUELL weist die Finanzverwaltung alle bisher eingelegten Einsprüche wegen der begrenzten Abziehbarkeit von "Arbeitslosen- und anderen Versicherungsbeiträgen" als Sonderausgaben mittels Allgemeinverfügung zurück. Damit bekommen Sie als betroffener Steuerzahler keine negative Einspruchsentscheidung mehr vom Amt. Ihre Steuerbescheide werden nun bezüglich dieser Position automatisch bestandskräftig. Diese Möglichkeit ist per Gesetz zulässig (§ 367 Abs. 2b AO) und erspart den Finanzämtern eine Menge Arbeit (Koordinierter Ländererlass vom 18.6.2018).

Außerdem ergehen ab sofort alle Steuerbescheide ohne einen Vorläufigkeitsvermerk bezüglich der Nichtberücksichtigung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung im negativen Progressionsvorbehalt (BMF-Schreiben vom 18.6.2018, IV A 3-S 0338/17/10007).

STEUERRAT: Sollten Sie mit diesem Vorgehen nicht einverstanden sein, können Sie beim Finanzgericht Klage erheben. Ein weiterer Einspruch ist nicht mehr möglich. Die Frist für die Klage beträgt ausnahmsweise ein Jahr. Ob aber außer Kosten auch Erfolgsaussichten bestehen, ist fraglich.

Weitere Informationen: Vorsorge: Beiträge zu anderen Versicherungen

 

3. Unwetterschäden im Mai/Juni 2018:
Steuererleichterungen für Geschädigte

Durch die massiven Regenfälle im Mai und Juni 2018 und die damit verbundenen Überschwemmungen (Hochwasser) sind in weiten Teilen von Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes beträchtliche Schäden entstanden. Viele Menschen stehen vor dem Nichts, haben Hab und Gut verloren, sehen nur noch die Trümmer ihrer Existenz. Die Beseitigung der Schäden wird zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.

AKTUELL haben die Finanzministerien der betroffenen Länder beschlossen, den Geschädigten durch steuerliche Maßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten entgegenzukommen. Dazu wurde der sog. Katastrophenerlass in Kraft gesetzt, der Steuerentlastungen und Steuererleichterungen gewährt.

Insbesondere können die Geschädigten Aufwendungen zur Wiederbeschaffung von Möbel, Haushaltsgegenständen und Kleidung sowie für die Beseitigung von Schäden am selbst genutzten Haus als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzen.

STEUERRAT: Da der steuerliche Abzug von Hausrat, Kleidung und Gebäudeschäden bei Naturkatastrophen im Katastrophenerlass vorgesehen ist und dieser Erlass eine Billigkeitsregelung nach § 163 AO darstellt, soll die Voraussetzung der üblichen Versicherungsmöglichkeit hier ausnahmsweise außer Betracht bleiben. Im Erlass heißt es: "Das Fehlen einer sog. Elementarversicherung ist unschädlich, denn diese stellt keine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit im Sinne der R 33.2 Nr. 7 EStR dar" (z.B. Erlass des Saarlandes vom 7.6.2018, Tz. 4.5). Deshalb sind die Finanzämter angewiesen, die Anerkennung von Schadenskosten infolge von Hochwasser und Überschwemmungen nicht wegen einer fehlenden Elementarversicherung zu verweigern.

Hier einige wichtige Steuertipps:

  • Auf Ihre Aufwendungen zur Wiederbeschaffung von Möbel, Haushaltsgegenständen und Kleidung sowie für die Beseitigung von Schäden am selbst genutzten Haus rechnet das Finanzamt eine zumutbare elastung an, die abhängig ist von der Höhe Ihres Einkommens, der Anzahl der Kinder und Ihrem Familienstand. Sie beträgt zwischen 1 und 7 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. Ist diese zumutbare Belastung überschritten, wirkt sich jeder weitere Euro steuermindernd aus. Deshalb lohnt es sich jetzt besonders, sämtliche Belege zu Krankheitskosten, für Arzt und Apotheke usw. penibel zu sammeln!
  • Bei der Schadensbeseitigung am Eigenheim können Sie für den Teil der Aufwendungen, der durch den Ansatz der zumutbaren Belastung nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wird, den Direktabzug für Handwerkerleistungen nach § 35a EStG in Anspruch nehmen. Das heißt: Kosten bis zu 6.000 EUR werden mit 20 %, höchstens 1.200 EUR, direkt von der Steuerschuld abgezogen. Berücksichtigt werden hier allerdings nur Arbeitskosten sowie ggf. in Rechnung gestellte Maschinen- und Fahrtkosten zuzüglich die darauf entfallende Mehrwertsteuer. ACHTUNG: Hier wird zu Ihren Gunsten unterstellt, dass der Teilbetrag der zumutbaren Belastung vorrangig auf Arbeitslohn entfällt (BMF-Schreiben vom 9.11.2016, BStBl. 2016 I S. 1213, Tz. 32). Lassen Sie sich unbedingt eine Rechnung geben und begleichen diese nur durch Banküberweisung!
  • Setzen Sie Ihre Aufwendungen immerim Jahr der Verausgabung inder Steuererklärung an. Und zwar auch dann, wenn Sie zur Bezahlung ein Darlehen aufgenommen haben. Die laufenden Zinsen für das Darlehen - nicht jedoch die Tilgungsraten - können Sie in den Folgejahren ebenfalls als außergewöhnliche Belastungen absetzen.
  • Falls Sie die Schadenskosten mit Mitteln finanzieren, die Sie geschenkt erhielten, können Sie Ihre Ausgaben dennoch als außergewöhnliche Belastungen absetzen und brauchen die geschenkten Mittel darauf nicht anzurechnen (BFH-Urteil vom 22.10.1971, BStBl 1972 II S. 177).
  • Ohne die Steuererklärung abzuwarten, können sich Arbeitnehmer die als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Aufwendungen bereits frühzeitig beim Finanzamt als Freibetrag für den monatlichen Lohnsteuerabzug eintragen lassen. Der Eintrag erfolgt bei Ihren elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen. So verringert sich jeden Monat die Lohnsteuer und erhöht sich entsprechend das Nettoeinkommen. Verwenden Sie dazu das Formular Antrag auf Lohnsteuerermäßigung 2018.

Mehr dazu:

- Erlass des FinMin Saarland vom 7.6.2018

Erlass des FinMin. Nordrhein-Westfalen vom 8.6.2018

- Erlass des FinMin. Hessen vom 13.6.2018

- Erlass des FinMin. Rheinland-Pfalz vom 13.6.2018

Weitere Informationen: Unwetterschäden: Steuererleichterungen aufgrund des Katastrophenerlasses

 

III. Kinder

1. Kindergeld:
Schweizer Kinderrente schließt deutsches Kindergeld aus

Für Kinder wird Kindergeld nicht gezahlt, wenn "Leistungen für Kinder im Ausland gewährt werden, die dem Kindergeld vergleichbar sind" (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Gleiches gilt für Leistungen, die vergleichbar sind mit der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

  • Diese "vergleichbaren Leistungen" werden wie das Kindergeld in die Günstigerprüfung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung einbezogen und - falls Kinder- und Betreuungsfreibetrag abgezogen wurden - der Einkommensteuer hinzugerechnet. Falls das im Ausland gezahlte Kindergeld höher ist als das deutsche Kindergeld, beschränkt sich die Verrechnung auf die Höhe des deutschen Kindergeldes (§ 31 Satz 6 EStG).
  • Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte im Jahre 2016 die Auffassung vertreten, dass eine dem Kindesvater gezahlte SchweizerKinderrente nicht dazu führt, dass die in Deutschland lebende Kindesmutter keinen Anspruch auf Kindergeld hat. Die Kinderrente werde zusätzlich gewährt und nicht auf das deutsche Kindergeld angerechnet (FG Baden-Württemberg vom 13.12.2016, 11 K 387/15).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof das Urteil des FG Baden-Württemberg aufgehoben und entschieden, dass die als Ergänzung zur Invalidenrente gezahlte Schweizer Kinderrente eine dem Kinderzuschuss "vergleichbare Leistung" ist, sodass insoweit der Anspruch auf Kindergeld ausgeschlossen ist (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Sofern die Kinderrente niedriger ist als das Kindergeld, wird in Höhe des Differenzbetrages Kindergeld gezahlt. Oder anders herum: Die Schweizer Kinderrente ist auf das deutsche Kindergeld anzurechnen (BFH-Urteil vom 21.2.2018, III R 3/17).

Der Fall: Die Mutter einer 1994 geborenen Tochter lebt in Deutschland und erhält vom Mai 2010 bis März 2012 Kindergeld. Im gleichen Zeitraum bezieht der Vater und geschiedene Ehemann für seine Tochter eine "ordentliche Kinderrente" i.H.v. 659 CHF zu seiner Invalidenrente. Die Familienkasse geht davon aus, dass die Schweizer Kinderrente eine dem deutschen Kindergeld vorrangige Familienleistung ist und der Mutter daher kein Kindergeld zusteht. Dies hat der BFH jetzt bestätigt.

Eine aktuelle und ausführliche Übersichtüber vergleichbare Kindergeldleistungen in den wichtigsten Staaten können Sie hier aufrufen:

- Übersicht über vergleichbare Leistungen nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG (BZSt vom 16.1.2017).

 

IV. Nebentätigkeit

1. Aushilfsjob:
Verbesserung bei der kurzfristigen Beschäftigung

Beliebt sind Aushilfstätigkeiten, wie Ferienjob, Saisonarbeit, Erntehilfe, Urlaubs- oder Krankheitsvertretung. Der große Vorteil liegt darin, dass in dieser kurzen Zeit beliebig viel Geld verdient werden darf, ohne Sozialabgaben bezahlen zu müssen. Zudem kann der Verdienst pauschal versteuert werden. Auch muss der Arbeitgeber hier - anders als bei einem Minijob - keine Pauschalbeiträge an die Minijobzentrale entrichten. Eine solche kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn die Tätigkeit

  • von vornherein begrenzt ist, und zwar auf längstens 3 Monate oder 70 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres (dies gilt noch bis 31.12.2018) und
  • nicht berufsmäßig ausgeübt wird, falls das Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV).

Die Frage der Berufsmäßigkeit spielt keine Rolle, wenn der Monatsverdienst weniger als 450 EUR beträgt. Eine kurzfristige Beschäftigung von mehr als 450 EUR wird berufsmäßig ausgeübt, wenn die Beschäftigung für die Aushilfskraft nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. In diesem Fall besteht Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und die Beiträge sind vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils zur Hälfte zu tragen.

Die Frage ist: Gilt die Grenze von 450 EUR auch dann, wenn die Tätigkeit auf einen kürzeren Zeitraum als einen Monat befristet ist? Nach Auffassung der Sozialversicherungsträger ist bei Befristung der Beschäftigung auf weniger als einen Zeitmonat die Verdienstgrenze von 450 EUR anteilig anzusetzen. Diese anteilige Grenze wird wie folgt ermittelt: 450 EUR : 30 x Beschäftigungstage = anteiliger Monatswert (Geringfügigkeits-Richtlinien vom 12.11.2014, Tz. 2.3.3).

AKTUELL hat das Bundessozialgericht die Auffassung der Sozialversicherungsträger verworfen und entschieden, dass bei befristeten Beschäftigungen von weniger als einem Monat trotzdem die Monats-Verdienstgrenze von 450 EUR gilt und diese nicht bloß anteilig anzusetzen ist. Die monatliche Verdienstgrenze von 450 EUR gilt unabhängig von der Dauer des Arbeitseinsatzes, sodass eine Umrechnung auf Tage nicht vorzunehmen ist (BSG-Urteil vom 5.12.2017, B 12 R 10/15 R).

Falls der Arbeitslohn für die Beschäftigung von wenigen Tagen in einem Monat unter 450 EUR bleibt, ist stets eine Berufsmäßigkeit zu verneinen. Das bedeutet, dass der Verdienst immer sozialversicherungsfrei bleibt. Bei der Prüfung der Verdienstgrenze ist das im jeweiligen Monat insgesamt erzielte Entgelt dem jeweiligen monatlichen Grenzbetrag von 450 EUR gegenüberzustellen, ohne dass eine Umrechnung auf die einzelnen Tage der Arbeitsleistung vorzunehmen ist. Dies ergibt sich - so das Bundessozialgericht - aus Sinn und Zweck der Regelung zur Versicherungsfreiheit, dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV und der Systematik der Verteilung der Beitragslast.

Beispiel:
Zwischen Abitur und dualem Studium übt Sohn Waldemar einen Aushilfsjob für lediglich 10 Tage innerhalb eines Monats aus und verdient dabei 300 EUR. Nach alter Regelung bis 2017 war damit die anteilige Verdienstgrenze von 150 EUR (450 EUR : 30 x 10 Tage) überschritten, sodass Berufsmäßigkeit vorlag und folglich Sozialabgaben zu zahlen waren. Nach neuer Regelung ab 2018 bleibt der Arbeitslohn unter der Monats-Verdienstgrenze von 450 EUR mit der Folge, dass keine Sozialabgaben zu zahlen sind.

STEUERRAT: Der große Vorteil dieses neuen Urteils ist, dass der Arbeitgeber einer Aushilfe auch für wenige Tage bis zu 450 EUR sozialversicherungsfrei zahlen und einen Kurzfrist-Job an die Minijobzentrale melden kann. Er muss also deswegen nicht einen Minijob melden und dafür Pauschalabgaben von 30 % an die Minjobzentrale abführen.

Weitere Informationen: Aushilfsjob: Kurzfristige Beschäftigung.

 

2. Ticketverkauf:
Gewinne aus dem Verkauf von Finaltickets sind steuerfrei

Noch läuft die Fußball-WM, und der eine oder andere - zunächst - Glückliche konnte Tickets ergattern. Doch manch enttäuschte Fußballfreunde können wohl spätestens seit dem Ausscheiden des deutschen Teams der Versuchung nicht widerstehen, ihre Tickets - legal oder gegen die FIFA-Statuten - weiterzuverkaufen. Und hier stellt sich die Frage, ob der Verkauf der Ticktes durch Privatpersonen der Einkommensteuer unterliegt. Natürlich besteht das gleiche Problem beim Verkauf von Karten anderer Sportveranstaltungen oder von Konzertkarten.

AKTUELL hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg entschieden, dass ein Gewinn aus dem Verkauf von Champions-League-Finalkarten steuerfrei ist (Urteil vom 2.3.2018, 5 K 2508/17).

  • Der Fall: In ihrer Einkommensteuer-Erklärung für das Jahr 2015 haben die Kläger die Anschaffung und Veräußerung von zwei Eintrittskarten für das Champions-League-Finale 2015 in Berlin angegeben. Diese hatten sie über die offizielle UEFA-Webseite zugelost bekommen. Die Anschaffungskosten betrugen 330 EUR. Ursprünglich hatte der Kläger geplant, das Finale zusammen mit seinem Sohn zu besuchen. Nachdem jedoch feststand, dass das Finale ohne deutsche Beteiligung stattfinden würde, entschloss sich der Kläger zum Verkauf der Karten über eine Ticketplattform. Der ausbezahlte Veräußerungserlös abzüglich Gebühren betrug sage und schreibe 2.907 EUR. Das Finanzamt sah hierin sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ("Spekulationsgewinn") und versteuerte 2.577 EUR.
  • Das FG beurteilt die Sache anders. Zwar haben die Kläger mit dem Verkauf der Finalkarten innerhalb eines Jahres ein Wirtschaftsgut veräußert. Bei verfassungskonformer Auslegung handele es sich jedoch um Wertpapiere, die nicht dem Anwendungsbereich des § 23 EStG ("Spekulationsgeschäft") unterfallen und deren Veräußerung damit keinen steuerbaren Vorgang darstellt. Der Gewinn könne aber auch nicht bei den Kapitaleinkünften (§ 20 EStG) erfasst werden, da es keinen entsprechenden gesetzlichen Tatbestand gäbe. Auch zur Umsatzsteuer habe der BFH entschieden, dass es sich bei Eintrittskarten um Wertpapiere handelt (BFH-Urteil vom 3.6.2009, XI R 34/08). Das Gesagte gelte jedenfalls seit einer Gesetzesänderung durch das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008.

STEUERRAT: Das FG hat die Revision wegen der "grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache" zugelassen (Az. IX R 10/18). Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Wer Gewinne aus dem Verkauf von Veranstaltungstickets erzielt hat, sollte sie daher zunächst in seiner Steuererklärung angeben und gegen die Besteuerung Einspruch einlegen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Selbstverständlich sieht die steuerliche Behandlung anders aus, wenn jemand durch häufigen An- und Verkauf von Tickets quasi wie ein Händler auftritt.

 

V. Kapitalerträge

1. Kontenspionage:
Heimliche Kontenabrufe im Jahre 2017 auf neuem Rekordstand

Mit Hilfe der automatisierten Kontenschnüffelei können die Behörden heimlich, still und leise feststellen, wer wo wie viele Konten und Depots hat, wann die Konten eröffnet und geschlossen wurden. Davon erfahren die betroffenen Bürger und Banken nichts. Nicht ersichtlich sind jedoch Kontenstände und Kontenbewegungen. Dafür muss gezielt bei den betreffenden Banken nachgefragt werden. Bei den Kontenabrufen sind zwei Formen und Wege zu unterscheiden:

  • Steuerliche Kontenabrufe: Finanz- und Sozialbehörden können Kontenanfragen über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) starten (§ 93 Abs. 7 und 8 AO). Seit 2013 dürfen ebenfalls Gerichtsvollzieher und seit dem 1.7.2013 auch Jugendämter diesen Weg nutzen. Und seit dem 6.7.2017 ist dies auch den Vollstreckungsbehörden von Bund und Ländern erlaubt.
  • Strafrechtliche Kontenabrufe: Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften dürfen ebenfalls Konten und ihre Besitzer aufspüren und nutzen dazu den Weg über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Auch die Steuerfahndungsstellen der Finanzämter sowie die Zollfahndungsstellen gehen über die BaFin (§ 24c KWG).

AKTUELL ist - wie bereits in allen Vorjahren - erneut von einem zweifelhaften Rekord bei den Kontenabfragen für das Jahr 2017 zu berichten: Finanzämter und Sozialbehörden einschließlich Gerichtsvollzieher und Jugendämter haben im vergangenen Jahr so viele heimliche Kontenabfragen gestartet wie noch nie zuvor - insgesamt 692.166 (Vorjahr: 358.228). Dies ist nahezu eine Verdoppelung! Doch selbst dieser unrühmliche Rekord ist noch nicht die ganze Wahrheit: Zusätzlich zu den Kontenabfragen der Finanz- und Sozialbehörden haben Polizei, Staatsanwaltschaften, Zoll- und Steuerfahndung weitere 136.845 Kontenabrufe vorgenommen. Insgesamt sind dies 829.011 Kontenabfragen (Vorjahr: 495.412). Das heißt: Jeden Arbeitstag wurden durchschnittlich rund 3.800 Bürger ausgeforscht!

Das automatisierte Kontenabrufverfahren ist ein hervorragendes Beispiel für das sog. Honigtopfprinzip: Wenn erst einmal ein Verfahren technisch installiert ist und die hoheitlichen Zugriffsbefugnisse zunächst schamhaft eng begrenzt sind, dauert es nicht lange, bis der Kreis der Zugriffsberechtigten immer weiter und schamloser ausgedehnt wird. Gleichzeitig entfernt sich oftmals auch die Verwendung der abgefragten Daten immer weiter von dem eigentlichen Zweck, für den der Zugriff originär eingerichtet wurde.

  • Das Kontenabrufverfahren wurde unter dem Einfluss der Terroranschläge in den USA (11.9.2001) zum 1. April 2003 eingeführt, um die Finanzierung des Terrors auszutrocknen und um die Geldwäsche zu bekämpfen. Die Banken wurden verpflichtet, Dateien mit allen Konten und Depots ihrer Kunden einzurichten, auf die nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Zugriff haben sollte. Und die BaFin sollte damals die Daten ausschließlich an gesetzlich genau bestimmte Stellen weitergeben dürfen, und zwar an Aufsichtsbehörden, Strafverfolgungsbehörden und Gerichte. Jedenfalls gehörten die Finanzbehörden explizit nicht zu den Auskunftsberechtigten - nicht einmal im Steuerstrafverfahren! (BT-Drucksache 14/8017 vom 18.1.2002, S. 123).
  • Aber kaum war das Datenabrufsystem mit rund 500 Millionen Konten installiert und funktionierte, machte sich ab April 2005 auch der Fiskus dieses Instrument zunutze! Dazu bedurfte es nur einer klitzekleinen Gesetzesänderung - und schon war den Finanzämtern der Datenzugriff über das Bundeszentralamt für Steuern für Steuerzwecke und über die BaFin für Strafverfahren erlaubt (§ 93b Abs. 1 AO). Seitdem steigt die Zahl der Zugriffe Jahr für Jahr in zunehmendem Maße.

Weitere Informationen: Kontenabruf: Wie der Fiskus heimlich Konten ausspäht.

 

VI. Eigenheim und Vermietung

1. Handwerkerleistungen:
BFH muss zu Arbeiten außerhalb des Haushalts urteilen

Aufwendungen für Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen in der selbst genutzten Wohnung sind - zusätzlich zu haushaltsnahen Dienstleistungen - direkt von der Steuerschuld abziehbar, und zwar mit 20 %, höchstens 1.200 EUR im Jahr (§ 35a Abs. 3 EStG). Bereits seit einiger Zeit beschäftigt die Finanzgerichte die Frage, inwieweit auch Arbeiten begünstigt sind, die in der Werkstatt des Handwerksbetriebes ausgeführt werden.

So hat das Finanzgericht (FG) München den Austausch einer renovierungsbedürftigen Haustür, die in der Schreinerwerkstatt hergestellt, zum Haushalt geliefert und dort montiert wurde, insgesamt als begünstigte Renovierungsmaßnahme anerkannt. Es handele sich um eine Leistung, die in unmittelbarem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt wurde und der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung dient. Die Kosten der Haustür betrugen 2.200 EUR, wovon der Lohnanteil für Herstellung und Montage 467 EUR ausmachte. Und dieser Lohnanteil wurde anerkannt (FG München vom 23.2.2015, 7 K 1242/13). Das FG Rheinland-Pfalz hat hingegen entschieden, dass das Beziehen von Polstermöbeln in einer nahe gelegenen Werkstatt des Handwerkers nicht "im Haushalt" des Steuerpflichtigen erfolgt, so dass die Kosten dafür nicht gemäß § 35a EStG begünstigt sind (FG Rheinland-Pfalz vom 7.7.2016, 1 K 1252/16).

AKTUELL haben das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 27.7.2017 (12 K 12040/17) und das FG des Landes Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 26.2.2018 (Az. 1 K 1200/17) die Auffassung der Münchner Kollegen bestätigt und einen Abzug des Lohnanteils zugelassen. Gegen beide Entscheidungen liegt allerdings zwischenzeitlich die Revision vor, so dass nun der Bundesfinanzhof das letzte Wort hat (Az. VI R 4/18 und VI R 7/18). Im Fall des FG Berlin-Brandenburg ging es um die Reparatur des Hoftores in der Werkstatt eines Schreiners, im Fall des FG Sachsen-Anhalt um die Anfertigung, Verzinkung, Lieferung und Montage einer Tür.

STEUERRAT: Machen Sie in der Steuererklärung auf jeden Fall auch die Handwerkerkosten für die Leistungen in der Werkstatt geltend und legen Sie gegen einen ablehnenden Steuerbescheid Einspruch ein. Beantragen Sie unter Berufung auf die Revisionen beim BFH ein Ruhen des Verfahrens. Ungeachtet dessen gilt: Die Lohnkosten für die Arbeiten in der Werkstatt und für die Montage vor Ort sollten in der Rechnung nach Möglichkeit jeweils gesondert ausgewiesen werden. Denn wenn der BFH zuungunsten der Steuerzahler entscheiden sollte, kann so zumindest der Anteil für die Montage im Haushalt geltend gemacht werden. Falls der gesonderte Ausweis nicht erfolgt, will das FG Nürnberg die Aufwendungen für Herstellung und Montage einer Haustür insgesamt nicht berücksichtigen. Mangels geeigneter Anhaltspunkte für eine Aufteilung der gesamten Lohnkosten auf die in der Schreinerei durchgeführten Arbeiten und auf die im Haushalt erfolgte Montage der Tür komme eine Schätzung - und damit eine anteilige Berücksichtigung der auf die Montage entfallenden Lohnkosten - nicht in Betracht (Urteil vom 4.8.2017, 4 K 16/17).

Weitere Informationen: Steuervergünstigung für Handwerkerleistungen

 

2. Elterndarlehen:
Keine Anerkennung bei verschleierter Schenkung

Angehörigen steht es frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander so zu gestalten, dass sie für sie steuerlich möglichst günstig sind. Daher werden auch Darlehensverträge grundsätzlich anerkannt. Gewähren also die Eltern dem Sohn oder der Tochter einen verzinslichen Kredit für den Kauf einer vermieteten Wohnung oder eines Mietwohngebäudes, so kann das Kind die Darlehenszinsen, die es an die Eltern zahlt, als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften geltend machen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Vertrag einem Fremdvergleich standhält. Zwar dürfen keine überzogenen Anforderungen an diesen Fremdvergleich gestellt werden und auch Abweichungen vom Üblichen führen nicht immer zur Streichung des Werbungskostenabzugs. Allerdings muss doch ein gewisses Mindestmaß eingehalten werden.

AKTUELL hat das Finanzgericht (FG) Hamburg entschieden, dass einem Darlehen die steuerliche Anerkennung zu versagen ist, wenn es sich um eine verschleierte Schenkung handelt. Dies ist der Fall, wenn die vereinbarte feste Laufzeit eines tilgungsfreien Darlehens die durchschnittliche Lebenserwartung des Darlehensgebers deutlich übersteigt (Urteil vom 3.11.2017, 6 K 20/17).

  • Im Urteilsfall hatte die Tochter von ihren Eltern ein Darlehen über 400.000 EUR zum Kauf eines Mehrfamilienhauses erhalten. Die Laufzeit des Darlehens betrug sage und schreibe 30 Jahre. Es wurde ein Zinssatz von 4 % pro Jahr vereinbart; auf Sicherheiten wurde verzichtet. Das Darlehen war im Übrigen endfällig, laufende Tilgungen waren also nicht vorgesehen. Die Tochter hatte allerdings jederzeit die Möglichkeit, Sonderzahlungen zu leisten oder das Darlehen durch eine Einmalzahlung vollständig zu tilgen. Die Mutter war bei Abschluss des Vertrages 62 und der Vater 65 Jahre alt.
  • Das FG hat dem Darlehensvertrag die Anerkennung verweigert. Insgesamt seien die Chancen und Risiken in dem Darlehensvertrag sehr ungleich verteilt: Da eine annuitätische Tilgung des Darlehens nicht vorgesehen, sondern eine Endfälligkeit vereinbart sei, würden die Darlehensgeber über die Dauer von 30 Jahren das volle und unabgesicherte Ausfallrisiko bezüglich der gesamten Darlehenssumme tragen. Ferner entspreche die Vereinbarung des Zinssatzes von 4 % für die gesamte Dauer der Laufzeit nicht dem zwischen fremden Dritten Üblichen. Für ein vollständig unbesichertes Darlehen über 400.000 EUR sei dieser Zinssatz bereits bei dem derzeitig sehr niedrigen Zinsniveau unverhältnismäßig niedrig, erst recht aber, wenn das Zinsniveau während der Laufzeit steigen sollte, womit zu rechnen sei. Letztlich sei der Darlehensvertrag nicht mit hinreichender Sicherheit von einer verschleierten Schenkung abzugrenzen. Eine verschleierte Schenkung sei beispielsweise anzunehmen, wenn die feste Laufzeit eines tilgungsfreien Darlehens die durchschnittliche statistische Lebenserwartung des Darlehensgebers deutlich übersteige, was hier der Fall sei.

STEUERRAT: Fälle wie in dem Urteilsfall sind in der Praxis häufig anzutreffen. Die Darlehensvereinbarungen sind letztlich darauf angelegt, dass keiner der Beteiligten von einer Rückzahlung ausgeht. Es ist jedoch davor zu warnen: Zum einen werden die Zinsen nicht als Werbungskosten anerkannt, zum anderen kann eine verschleierte Schenkung - bei Übersteigen der persönlichen Freibeträge - Schenkungsteuer auslösen. Zudem können sich später erbrechtliche Streitigkeiten ergeben, wenn Miterben vorhanden sind. Von daher bietet es sich an, von vornherein eine kürzere Laufzeit, einen angemessenen Zinssatz und im Zweifelsfall eine Besicherung zu vereinbaren.

Weitere Informationen: Verträge zwischen Angehörigen: Darlehensverträge

 

3. Vermietung:
Renovierungskosten nach Versterben eines Mieters

Werden innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb eines Gebäudes oder einer Eigentumswohnung umfassende Renovierungsmaßnahmen durchgeführt, so stellt sich die Frage, ob die Kosten als Erhaltungsaufwand sofort abziehbar sind oder zu den so genannten anschaffungsnahen Herstellungskosten gehören. Im zweiten Fall können die Kosten nicht sofort in einer Summe geltend gemacht werden, sondern sind gemeinsam mit dem Gebäude abzuschreiben. In der Regel wirken sie sich damit nur über einen Zeitraum von 50 Jahren verteilt aus - das ist wenig attraktiv.

Vordergründig zur Vereinfachung, tatsächlich aber aus fiskalischen Gründen hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren folgende Regelung erlassen: Aufwendungen für Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen nach Anschaffung eines Gebäudes gehören zwingend zu den Anschaffungskosten, wenn der Rechnungsbetrag (ohne Umsatzsteuer) innerhalb von drei Jahren höher ist als 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes. Dann müssen die Aufwendungen den Anschaffungskosten des Gebäudes hinzugerechnet und damit zusammen abgeschrieben werden. Nur Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen, können sofort abgezogen werden. Der Bundesfinanzhof hatte in 2016 entschieden, dass die 15 %-Grenze sehr eng auszulegen ist und es daher nur wenig Ausnahmemöglichkeiten gibt. So sind selbst reine Schönheitsreparaturen in die Prüfung der 15 %-Grenze einzubeziehen (Urteile vom 14.6.2016, IX R 25/14, IX R 15/15 und IX R 22/15). In einem Fall ist er aber zurückgerudert: Wird ein größerer Schaden, der nach Anschaffung einer vermieteten Immobilie durch den Mieter (schuldhaft) verursacht worden ist, beseitigt, können entsprechende Aufwendungen als Werbungskosten sofort abziehbar sein. In diesen Fällen handelt es sich nicht um anschaffungsnahe Herstellungskosten (Urteil vom 9.5.2017, IX R 6/16).

AKTUELL hat das Niedersächsische Finanzgericht entschieden, dass Erhaltungsaufwendungen auch dann nicht sofort abziehbar sind, wenn kurz nach dem Erwerb einer Immobilie ein Mieter plötzlich verstirbt und die Wohnung zur erneuten Vermietung umfassend renoviert werden muss (Urteil vom 26.9.2017, 12 K 113/16).

  • Der Fall: Eheleute sind seit 2012 Eigentümer einer vermieteten Eigentumswohnung. Die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten betrugen rund 40.000 EUR. Bereits wenige Monate nach dem Erwerb der Wohnung ist die Mieterin verstorben. Daraufhin ließen die Eigentümer die Wohnung für rund 12.000 EUR renovieren. Ohne die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen habe die Wohnung nicht erneut vermietet werden können. Das Badezimmer sei 40 Jahre alt gewesen und habe sich in einem verwohnten Zustand befunden, die Fenster hätten defekte Holzrahmen gehabt und seien noch einfach verglast gewesen. Die Elektroinstallation habe nicht mehr dem aktuellen VDE-Standard entsprochen. Auch die Fußböden seien zum größten Teil schadhaft gewesen.
  • Das Finanzamt sah in den Kosten aufgrund des Überschreitens der 15 %-Grenze anschaffungsnahe Herstellungskosten und ließ diese nur mit der AfA von 2 % zum Abzug zu. Die Finanzrichter haben diese Auffassung bestätigt. Es sei unerheblich, ob die angefallenen Aufwendungen für die Eigentümer vorhersehbar waren, ob die zugrundeliegenden Maßnahmen (ganz oder teilweise) ein übliches Vorgehen im Rahmen der Neuvermietung darstellen oder ob diese im Zuge eines Mieterwechsels (und damit nicht unmittelbar im Anschluss an den Gebäudeerwerb) angefallen sind. Die 15 %-Grenze sei starr auszulegen. Lediglich Kosten für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen, seien von der Grenze ausgenommen. Ein solcher Fall habe hier aber nicht vorlegen.

STEUERRAT: Zwischenzeitlich ist beim Bundesfinanzhof die Revision unter dem Az. IX R 41/17 anhängig. Betroffene Vermieter sollten daher gegen negative Bescheide Einspruch einlegen und unter Berufung auf das Verfahren ein Ruhen ihres eigenen Falles beantragen. Auf einen Punkt ist aber ungeachtet dessen hinzuweisen: Die oben genannte BFH-Rechtsprechung aus dem Jahre 2016 hat zu einer Verschlechterung geführt. Zuvor sind nämlich wenigstens die Aufwendungen für Schönheitsreparaturen aus der 15 %-Grenze ausgenommen worden. Die Finanzverwaltung gewährt daher Vertrauensschutz. Es wird auf Antrag zugelassen, Kosten für Schönheitsreparaturen aus der Prüfung auszunehmen, wenn der Kaufvertrag für die Immobile vor dem 1. Januar 2017 abgeschlossen wurde (BMF-Schreiben vom 20.10.2017, BStBl 2017 I S. 1447). Beispiel:

Anschaffungskosten Gebäude 2015: 100.000 EUR
Schönheitsreparaturen 2015:                5.000 EUR (voll abgezogen)
Kosten für Sanierung 2016:                  5.000 EUR (zunächst voll abgezogen)
Kosten für Sanierung 2017:                  5.100 EUR

Die Steuerbescheide 2015 und 2016 sind unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen.

Hier wäre die 15-% -Grenze um 100 Euro überschritten. Das würde dazu führen, dass die Bescheide 2015 und 2016 geändert würden und die Kosten nur noch im Wege der AfA zu berücksichtigen wären. Dabei konnte der Vermieter in 2015 noch guten Gewissens davon ausgehen, dass die Aufwendungen für Schönheitsreparaturen voll abziehbar waren. Auf Antrag können die Kosten für Schönheitsreparaturen aber weiter sofort abgezogen und aus der Prüfung der 15% -Grenze ausgenommen werden. Dann wären auch die restlichen 10.100 EUR sofort abziehbar.

Weitere Informationen: Vermietung: Renovierungs- und Modernisierungskosten

 

4. Erbbaurecht:
Hausverkauf in der Spekulationsfrist kann steuerfrei sein

Werden Immobilien innerhalb von zehn Jahren an- und wieder verkauft, so liegt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vor (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Früher sprach man insoweit von Spekulationsgeschäften. Die Gewin-ne aus Veräußerungen innerhalb der Zehn-Jahres-Frist unterliegen der Einkommensteuer. Auch der Verkauf eines Gebäudes auf einem Erbbaugrundstück ("Bebautes" Erbbaurecht) ist ein privates Veräußerungsgeschäft, wenn der Zeitraum noch keine zehn Jahre beträgt zwischen Abschluss des Erbbaurechtsvertrags und der Veräußerung des "bebauten" Erbbaurechts oder zwischen Anschaffung und Veräußerung des "bebauten" Erbbaurechts (BMF-Schreiben vom 5.10.2000, BStBl. 2000 I S. 1383, Tz. 14). Aber es gibt eine interessante Ausnahme, die in einzelnen Fällen durchaus zur Steuergestaltung genutzt werden kann.

  • AKTUELL hat der Bundesfinanzhof (BFH) nämlich entschieden, dass in folgendem Fall kein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt und folglich ein Veräußerungsgewinn nicht zu versteuern ist: Der Grundstückseigentümer bestellt dem künftigen Häuslebauer ein Erbbaurecht; dieser errichtet auf dem Grund und Boden anschließend ein Gebäude und veräußert es wieder innerhalb der Zehn-Jahres-Frist (Urteil vom 8.11.2017, IX R 25/15).
  • Die Richter begeben sich in ihrer Begründung in die Tiefen des Zivilrechts. Sie gehen davon aus, dass die Bestellung eines Erbbaurechts für sich genommen keine "Anschaffung" darstellt, die aber ein Tatbestandsmerkmal des § 23 EStG ist. Wenn für das Erbbaurecht ein Erbbauzins gezahlt wird, ist das sozusagen einer Miete vergleichbar, nicht aber einem Erwerb. Erbbauzinsen sind mithin, auch wenn sie in einem Einmalbetrag geleistet werden, keine Anschaffungskosten für den Erwerb eines Wirtschaftsguts "Erbbaurecht?, sondern allein Entgelt für die Nutzung des Grundstücks. Nur wenn ein gesondertes Entgelt für den Erwerb des Erbbaurechts geleistet würde, wäre von einer Anschaffung auszugehen. Wenn also erst gar kein Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG vorliegt, kann später beim Verkauf des Gebäudes auch kein Veräußerungsgewinn zu versteuern sein.

STEUERRAT: Das BFH-Urteil ermöglicht folgende Gestaltung unter Ehegatten: Der Ehemann verfügt über ein Grundstück; er räumt seiner Ehefrau daran ein Erbbaurecht ein. Die Ehefrau errichtet auf dem Grundstück ein Mietshaus. Nach acht Jahren verkauft einerseits die Ehefrau das Gebäude und anderseits der Ehemann den Grund und Boden mit dem Erbbaurecht an einen gemeinsamen Erwerber. Folge: Die Wertsteigerung des Gebäudes wäre nicht nach § 23 EStG zu versteuern. Lediglich die Wertsteigerung des Grund und Bodens wäre steuerpflichtig, wenn die Zehn-Jahres-Frist zwischen Anschaffung und Verkauf noch nicht verstrichen ist. Nach unserer Auffassung kann darin kein Gestaltungsmissbrauch zu sehen sein. Ob die Finanzverwaltung das allerdings ähnlich sieht, ist nicht sicher.

 

5. Handwerkerleistung:
Kein Steuerbonus für neue öffentliche Abwasserentsorgung

Aufwendungen für Handwerkerleistungen sind mit 20 %, höchstens 1.200 EUR im Jahr, direkt von der Steuerschuld abziehbar (§ 35a Abs. 3 EStG). Begünstigt sind aber nur Arbeiten, die "im Haushalt" erbracht werden. Dies umfasst Arbeiten, die im räumlichen Bereich eines vorhandenen Haushalts erbracht werden, wozu auch der zugehörige Grund und Boden gehört. Was aber gilt, wenn Arbeiten über die Grundstücksgrenze hinausgehen, wie es beispielsweise bei Erschließungsmaßnahmen der Fall ist?

  • Im Jahre 2014 hatte der BFH gegen den Fiskus entschieden, dass die Steuervergünstigung nach § 35a EStG nicht auf Leistungen beschränkt ist, die genau innerhalb der Grundstücksgrenzen erbracht werden. Vielmehr ist die erforderliche Verbindung zum Haushalt auch dann noch gegeben, wenn es sich um eine Maßnahme handelt, die die Grundstücksgrenze überschreitet und exklusiv dem Grundstück dient. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird (BFH-Urteil vom 20.3.2014, VI R 56/12).
  • -Infolgedessen hatte das Finanzgericht Sachsen auch einen Baukostenzuschuss für den Anschluss des Hauses an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage als begünstigte Handwerkerleistung anerkannt und dabei den Arbeitskostenanteil mit 60 % angenommen (FG Sachsen vom 12.11.2015, 8 K 194/15).

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof das steuerzahlerfreundliche Urteil des FG Sachsen aufgehoben und Folgendes klargestellt: Der Baukostenzuschuss wurde im Urteilsfall nicht erhoben für den Anschluss des Hauses an die Abwasserentsorgung, sondern für die Neuverlegung der öffentlichen Abwasserentsorgungsleitung bzw. Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes. Und dafür kann keine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen gewährt werden. Hier handelt es sich nicht um den eigentlichen Anschluss des Hauses an das öffentliche Ver- oder Entsorgungsnetz, welcher nach § 35a EStG steuerbegünstigt wäre (BFH-Urteil vom 21.2.2018, VI R 18/16).

  • Der Fall: Das Eigenheim wurde im Jahr 2011 an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage (zentrale Kläranlage) angeschlossen. Zuvor wurde das Abwasser über eine Sickergrube auf dem Grundstück entsorgt. Für die Herstellung der hierfür erforderlichen Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes erhob der Abwasserzweckverband im Folgejahr einen als Baukostenzuschuss bezeichneten Betrag in Höhe von 3.896 EUR, von dem die Kläger einen geschätzten Lohnanteil in Höhe von 2.338 EUR als Handwerkerleistung geltend machten.
  • Nach Ansicht der BFH-Richter ist - anders im o.g. Urteil vom 20.3.2014, VI R 56/12 - der erforderliche räumlich-funktionale Zusammenhang zum Haushalt des Steuerpflichtigen nicht gegeben, wenn für die Neuverlegung einer öffentlichen Mischwasserleitung als Teil des öffentlichen Sammelnetzes ein Baukostenzuschuss erhoben wird. Denn im Unterschied zum Hausanschluss kommt der Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes nicht nur einzelnen Grundstückseigentümern, sondern vielmehr allen Nutzern des Versorgungsnetzes zugute. Er wird damit nicht "im Haushalt" erbracht. Insoweit fehlt es an einem räumlich-funktionalen Zusammenhang der Leistung mit dem Haushalt des einzelnen Grundstückseigentümers, da die Zahlung für den Ausbau des allgemeinen Versorgungsnetzes erfolgt.

STEUERRAT: Zu unterscheiden ist also, ob das öffentliche Ver- oder Entsorgungsnetz erstmals geschaffen oder erneuert wird (= nicht steuerbegünstigt) oder ob das Eigenheim an das öffentliche Sammelnetz angeschlossen wird (= steuerbegünstigt). Der eigentliche Grundstücksanschluss an das öffentliche Sammelnetz beginnt an der Abzweigstelle von der jeweiligen Sammelleitung und endet mit dem Grundstücksanschlussschacht an der Grundstücksgrenze. Anders als der Haus- oder Grundstücksanschluss ist das öffentliche Ver- oder Entsorgungsnetz nicht mehr zum Haushalt i.S. des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG zu zählen.

Weitere Informationen: Steuervergünstigung für Handwerkerleistungen

 

6. Prozesskosten:
Kein Abzug bei Baumängeln oder mangelhaften Werkleistungen

Nach früherer BFH-Rechtsprechung und auch nach neuer Gesetzeslage ab 2013 sind Kosten eines Zivilprozesses nur dann als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd absetzbar, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt und "wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Aufwendungen für einen Prozess wegen mangelhafter Werkleistungen nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzbar sind (BFH-Urteil vom 10.3.2016, VI R 72/14). Dies gilt ebenfalls für einen Prozess wegen Baumängeln (BFH-Urteil vom 20.1.2016, VI R 19/14; BFH-Urteil vom 10.3.2016, VI R 80/14).

  • Nach Auffassung des BFH ist die mangelhafte Ausführung von Werkleistungen keineswegs unüblich und insbesondere nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen vergleichbar. Ebenso wie die gleichfalls nicht unüblichen Baumängel, die grundsätzlich nicht die Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 33 EStG erlauben, können Prozesskosten, die im Zusammenhang mit mangelhaften Werkleistungen entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden.
  • Der Fall: Ein Hausbesitzer beauftragte eine Firma mit der Verlegung von Parkett. Diese verlegte im Herbst das Parkett am Boden ohne Fuge bzw. Zwischenraum direkt bis an die bodentiefen Fenster mit der Folge, dass im Sommer durch die feuchtigkeitsbedingte Ausdehnung des Parketts die Fenster nach außen gedrückt und beschädigt wurden. Die Firma kürzte daraufhin das Parkett an den Fensterfronten, allerdings so stark, dass es im Randbereich nun nicht mehr den gesamten Boden bedeckte. In der Folge war eine Neuverlegung des Parketts im Randbereich der Räume erforderlich. Nachdem der Häuslebesitzer nicht den gesamten Rechnungsbetrag bezahlte, machte die Firma den restlichen Werklohn vor Gericht geltend. Gegen diesen Anspruch verteidigte sich der Kläger mit Zurückbehaltungsrechten und Schadensersatzansprüchen wegen der mangelhaften Werkleistung. Darüber hinaus machte er Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend. Die Prozesskosten wurden nicht steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.

Weitere Informationen: Anwalts- und Gerichtskosten im privaten Bereich

 

7. Jetzt neu im Steuerrat24:
Vergleich von Forward-Darlehen

Nach wie vor befinden sich die Darlehenszinsen auf einem Rekord-Tief. Da liegt es nahe, wenn Immobilienbesitzer gerne die Sicherheit hätten, dass die Zinsen für sie auf dem heutigen Stand bleiben. Steht bei Ihnen in den nächsten 6 bis 60 Monaten die Anschlussfinanzierung an? Dann sollten Sie prüfen, ob ein so genanntes Forward-Darlehen sinnvoll ist. Ein Forward-Darlehen schützt Immobilienbesitzer vor steigenden Hypothekenzinsen. Gegen einen - mehr oder weniger - geringen Aufschlag können sie sich den Zins von heute sichern. Im Steuerrat24 finden Sie jetzt ganz neu den Forward-Zinsrechner der renommierten und unabhängigen FMH-Finanzberatung. Der Forward-Darlehen Vergleich hilft Ihnen, die günstigsten Zinsen für Ihre Anschlussfinanzierung zu finden. Sie können den Rechner im Steuerrat24 aufrufen unter: Steuerservice - Finanzen und Kapital

 

VII. Renten und Pensionen

1. Frührentner:
Erstmalige Überprüfung des Hinzuverdienstes zum 1. Juli 2018

Wer vor der Regelaltersgrenze (65 Jahre plus x Monate) eine gesetzliche Rente bezieht (vorzeitige Altersrente oder Erwerbsminderungsrente) und noch einer Beschäftigung nachgeht, muss eine Hinzuverdienstgrenze einhalten, damit die Rente nicht gekürzt wird. Aufgrund des "Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand (Flexirentengesetz)" vom 8.12.2016 gilt seit dem 1.7.2017 folgende Regelung:

  • Anrechnungsfrei bleibt ein Hinzuverdienst bis zu 6.300 EUR im Jahr (das sind 14 x 450 EUR). Wie sich der Verdienst auf die Monate verteilt, ist unerheblich. Diese Grenze gilt auch dann, wenn der Verdienst nicht während des ganzen Jahres erzielt wird.
  • Bei höherem Verdienst werden 40 Prozent des übersteigenden Betrages zu einem Zwölftel auf die Rente angerechnet, und es wird eine Teilrente gezahlt.
  • Übersteigt die Summe der gekürzten Rente (Teilrente) und 1/12 des Zuverdienstes einen bestimmten, individuell berechneten Hinzuverdienstdeckel, wird der übersteigende Betrag voll auf die Rente angerechnet. Zur Berechnung des Hinzuverdienstdeckels wird die monatliche Bezugsgröße (2018: 3.045 EUR) multipliziert mit den Entgeltpunkten des Jahres in den letzten 15 Jahren vor Beginn der Rente, in dem die höchsten Entgeltpunkte erreicht wurden.

AKTUELL wird zum 1. Juli 2018 die Deutsche Rentenversicherung erstmals die neue Hinzuverdienstgrenze überprüfen. War die Rente im vergangenen Jahr zu niedrig, gibt es eine Nachzahlung. War sie zu hoch, muss der Rentner den überzahlten Betrag zurückzahlen.

  • Die Deutsche Rentenversicherung prognostiziert auf Basis von Angaben des Versicherten zum Rentenbeginn und anschließend zum 1. Juli jedes Jahres, wie hoch der persönliche Nebenverdienst im laufenden Kalenderjahr ausfallen wird. Liegt der prognostizierte Verdienst über 6.300 EUR, wird die Rente wie beschrieben gekürzt.
  • Zum 1. Juli des Folgejahres - wenn der tatsächliche Verdienst bekannt ist - wird das betreffende Kalenderjahr dann nochmals genau abgerechnet ("Spitzabrechnung"). Ergibt sich nun eine Überzahlung, muss der Rentner diese zurückzahlen. War die Rente bisher zu niedrig festgesetzt, gibt's eine Nachzahlung.
  • Zu diesem Zeitpunkt wird für die kommenden zwölf Monate eine neue Prognose gestellt. Ändert sich der erwartete Jahreshinzuverdienst um mindestens zehn Prozent - zum Beispiel, weil Sie Ihren Job überraschend aufgegeben haben -, passt die Rentenversicherung die Rente auf Antrag für die nächsten Monate an die neue Jahresprognose an.

STEUERRAT: Die Deutsche Rentenversicherung betrachtet seit Juli 2017 den Hinzuverdienst eines Rentners innerhalb eines Kalenderjahres und gibt die bisherige Monatsbetrachtung auf. Das hat für Rentner den Vorteil, dass sie in einzelnen Monaten mehr als die bisher erlaubten 450 Euro verdienen dürfen. Besonders vorteilhaft ist die Neuregelung im Erstjahr des Rentenbeginns: Die anrechnungsfreie Hinzuverdienstgrenze von 6.300 EUR gilt ab Rentenbeginn, und zwar auch dann, wenn die Rente erst im September beginnt. Das Einkommen in den Monaten vorher wird nicht erfasst.

Hier geht's zum "Hinzuverdienstrechner" der Deutschen Rentenversicherung.

Weitere Informationen: Hinzuverdienstgrenzen bei Renten

 

2. Riester-Rente:
Nachversteuerung von Zinserträgen

Im Rahmen der privaten Altersvorsorge über "Riester" ist auch eine so genannte wohnungswirtschaftliche Verwendung der gezahlten Mittel begünstigt. Das heißt: Sie können während der Ansparphase eines Riester-Vertrages ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims aufnehmen und bis zur vorgesehenen Rentenphase tilgen. Dann werden Ihre laufenden Tilgungsbeiträge als Altersvorsorgebeiträge gewertet und mittels Zulage und ggf. ergänzendem Sonderausgabenabzug gefördert (§ 82 Abs. 1 EStG). Voraussetzung für die Förderung von Tilgungsleistungen ist, dass das Darlehen unmittelbar für eine Wohnimmobilie eingesetzt wird. Werden die Voraussetzungen der wohnungswirtschaftlichen Verwendung nicht fristgerecht erfüllt, wird der Riester-Vertrag rückwirkend wie ein nicht zertifizierter Vertrag behandelt. Die Erträge, die auf Sparleistungen beruhen, werden dann - auch nachträglich - der Abgeltungsteuer unterworfen. Einzelheiten ergeben sich aus dem BMF-Schreiben vom 21.12.2017, BStBl 2018 I S. 93.

AKTUELL sind wohl bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall vermehrt Fälle aufgetreten, in denen die unmittelbare Selbstnutzung einer Immobilie gar nicht oder verspätet nachgewiesen werden konnte, aber dennoch keine Abgeltungsteuer einbehalten worden ist. Das lag wohl daran, dass Schwäbisch Hall aufgrund vorzeitig abgelöster Darlehensverträge auf diese keinen Zugriff mehr hatte und die Abgeltungsteuer - rein technisch - gar nicht nacherheben konnte. Die Bausparkasse hat daraufhin Kontrollmitteilungen an ihr Betriebsstätten-Finanzamt gesandt, die diese nun an die jeweiligen Wohnsitz-Finanzämter der Sparer weiterleitet. Die Betroffenen müssen also davon ausgehen, dass sie einer Nachversteuerung nicht "entkommen" können.

Wichtig: Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen weist in ihrer - internen - Kurzinformation 6/18 vom 8.5.2018 darauf hin, dass der Wortlaut der Kontrollmitteilungen offenbar nicht korrekt ist. So seien die Zinserträge in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen ihrer Entstehung nachzuversteuern und die Einkommensteuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.

STEUERRAT: Nicht immer ist die Versteuerung oder Nachversteuerung mit dem Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent die bessere Variante. Beantragen Sie ggf. eine Besteuerung mit Ihrem persönlichen Steuersatz. Dazu ist die Anlage KAP auszufüllen und die so genannte Günstigerprüfung zu beantragen. Im Rahmen der Günstigerprüfung werden die (Kapital-)Einkünfte lediglich mit dem persönlichen Steuersatz belastet. Und Rentner profitieren eventuell sogar noch vom Altersentlastungsbetrag.

Weitere Informationen:

 

VIII. Selbstständige

1. GmbH-Geschäftsführer:
Anwendung der 1 %-Regelung trotz Nutzungsverbots

Für die Nutzung eines Firmenwagens, der sich im Betriebsvermögen befindet, will die Finanzverwaltung stets die 1 %-Regelung zur Versteuerung der - angeblichen - Privatnutzung anwenden, wenn kein Fahrtenbuch geführt worden ist. Dabei beruft sie sich auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 13.12.2011 (VIII B 82/11), wonach der "Beweis des ersten Anscheins" für eine Privatnutzung eines Fahrzeugs spreche. Wird einem Arbeitnehmer, also auch einem Geschäftsführer, aber ein Kfz mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt, es künftig nicht für Privatfahrten oder Fahrten zur Arbeit zu nutzen, ist von der Besteuerung abzusehen, wenn das Nutzungsverbot durch entsprechende Unterlagen (z.B. eine arbeitsvertragliche oder andere arbeits- oder dienstrechtliche Rechtsgrundlage) nachgewiesen wird (vgl. Tz. 2.8 des BMF-Schreibens vom 4.4.2018, BStBl 2018 I S. 592).

Erst kürzlich hatte das Finanzgericht (FG) Münster zudem entschieden, dass der Anscheinsbeweis hinsichtlich der Pkw im Betriebsvermögen durch weitere Fahrzeuge im Privatvermögen der Gesellschafter erschüttert werden kann (Urteil vom 21.3.2018, 7 K 388/17 G,U,F).

AKTUELL hat sich das FG Hamburg mit der 1 %-Regelung und dem Anscheinsbeweis bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH befasst (Urteil vom 6.2.2018, 6 K 172/17) Danach gilt: Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer ist die auf den Beweis des ersten Anscheins gestützte Annahme, er habe einen ihm zur Verfügung stehenden Dienst-Pkw privat genutzt, auch dann möglich, wenn formal ein Nutzungsverbot vereinbart worden ist. Das heißt: Ein vertragliches Nutzungsverbot spielt bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer (so gut wie) keine Rolle - so zumindest das FG Hamburg. Die 1 %-Regelung sei grundsätzlich nur dann nicht anwendbar, wenn nachgewiesen werde, dass eine Privatnutzung des Pkw ausscheidet. An den Nachweis fehlender Privatnutzung seien strenge Anforderungen zu stellen. Anderenfalls hätte es der Geschäftsführer in der Hand, ob er den Eigenverbrauch versteuert. Das Gericht war davon überzeugt, dass im zugrundeliegenden Sachverhalt das private Nutzungsverbot nur aus steuerrechtlichen Gründen vereinbart worden sei und eine private Nutzung stattgefunden habe.

Im Urteilsfall haben sich die Beteiligten nicht gerade "unverdächtig" verhalten haben. Erstmalig mit Schreiben vom 13.6.2016 teilte die Geschäftsführerin nämlich mit, dass die Privatnutzung des betroffenen Pkw durch Vereinbarung vom 11.12.2013 ausgeschlossen worden sei. In ihrer am 30.12.2015 eingereichten Steuererklärung für 2014 erklärte sie aber einen Eigenverbrauch für das in 2013 angeschaffte Kfz. Hier sind das Finanzamt und auch das FG misstrauisch geworden und haben das Verbot der Privatnutzung und seine Einhaltung für nicht glaubhaft gehalten.

STEUERRAT: Wer ein Verbot der Privatnutzung eines Firmenwagens durch den Geschäftsführer vereinbart hat, sollte dieses auch kontrollieren und dem Finanzamt gegenüber erläutern, warum es auch glaubhaft ist, dass ein Kfz tatsächlich nicht privat oder für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb genutzt worden ist. Das kann z.B. durch folgende Maßnahmen geschehen: a) Dem Finanzamt gegenüber wird dargelegt, dass dem Geschäftsführer mindestens ein weiteres, gleichwertiges Fahrzeug gehört. b) Der Firmenwagen wird nachts auf dem - verschlossenen - Firmengelände geparkt. c) Es gibt im Betrieb einen Schlüsselkasten, der seinerseits abschließbar ist und in dem die Schlüssel der Firmenwagen aufbewahrt werden. Übrigens sollten natürlich die Tankbelege des Firmenwagens mit den Reisen des Geschäftsführers übereinstimmen. Nicht gerade förderlich wäre es, wenn angeblich ein Nutzungsverbot besteht, sich aber ein Tankbeleg für die Zeit in den Unterlagen befindet, in denen der Nutzer des Firmenwagens im Urlaub war.

Weitere Informationen: Steuern sparen mit dem Firmenwagen

 

2. EXIST-Gründerzuschuss:
Nicht als Betriebseinnahmen steuerpflichtig

Das EXIST-Gründerstipendium ist ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Es unterstützt Studierende, Absolventen und Wissenschaftler aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die ihre Gründungsidee realisieren und in einen Businessplan umsetzen möchten. Bei den Gründungsvorhaben sollte es sich um innovative technologieorientierte oder wissensbasierte Projekte mit signifikanten Alleinstellungsmerkmalen und guten wirtschaftlichen Erfolgsaussichten handeln.

Der EXIST-Zuschuss dient der Sicherung des persönlichen Lebensunterhalts über ein Stipendium. So erhalten promovierte Gründer 3.000 EUR pro Monat, Absolventen mit Hochschulabschluss 2.500 EUR/Monat, technische Mitarbeiter 2.000 EUR/Monat, Studierende 1.000 EUR/Monat. Gefördert werden darüber hinaus Sachausgaben bis zu 10.000 EUR sowie Coaching bis zu 5.000 EUR. Die maximale Förderdauer beträgt ein Jahr.

AKTUELL hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass Existenzgründerzuschüsse des EXIST-Programms, die an Gesellschafter einer GbR gezahlt werden, keine Sonderbetriebseinnahmen darstellen (FG Münster vom 13.4.2018, 14 K 3906/14 F).

  • Der Fall: Zwei Gesellschafter einer GbR hatten Stipendiatenverträge mit einer Universität abschlossen. Danach erhielten sie Mittel aus dem Programm "Existenzgründungen aus der Wissenschaft (EXIST)" zur Realisierung eines Gründungsvorhabens im Bereich der Softwareentwicklung. Nach dem jeweiligen Stipendiatenvertrag sollte das Stipendium den Gesellschaftern ermöglichen, sich ganz der Verfolgung und Realisierung ihrer Gründungsidee zu widmen. Es war weder als Vergütung noch als Arbeitsentgelt ausgestaltet, sondern diente vielmehr allein der Sicherung des Lebensunterhalts und einer angemessenen Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit des Existenzgründers während der Gründungsphase. Die Stipendien in Höhe von 18.000 EUR bzw. 16.800 EUR behandelte das Finanzamt als Sonderbetriebseinnahmen aus Mitunternehmerschaft bei der GbR.
  • Nach Auffassung der Finanzrichter sind die Stipendien nicht als Sonderbetriebseinnahmen der Gesellschafter anzusehen. Dies folge bereits daraus, dass die Beträge bei der GbR nicht zu einer Gewinnminderung geführt hätten. Darüber hinaus stellten die Stipendien auch keine Vergütungen von der Gesellschaft dar, da sie von der Universität gewährt worden seien. Sie seien auch nicht als Zahlungen von dritter Seite anzusehen, da keine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gegeben sei. Die Stipendiatenverträge hätten die Gesellschafter vielmehr unabhängig von ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GbR mit der Universität abgeschlossen. Da die Stipendien der Sicherung des Lebensunterhalts und einer angemessenen Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit der Gesellschafter gedient hätten, sei nicht davon auszugehen, dass die Zahlungen der GbR zugutekommen sollten.

Weitere Informationen:

- Richtlinie zur Förderung von Unternehmensgründungen (EXIST-Gründerstipendium) vom 19.9.2016

- Website des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

 

IX. Steuergrundlagen

1. Steuerbescheide:
Keine Änderung bei Ermittlungsfehlern des Finanzamts

Einmal erlassene Steuerbescheide können zu Ihrem Nachteil nur in engen Grenzen geändert werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Steuerbescheid vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist. Wenn ein solcher Vorbehalt oder eine Vorläufigkeit aber nicht vorliegen, versuchen die Finanzämter zuweilen, eine Änderung damit zu begründen, dass eine neue Tatsache vorliegen würde, die dem zuständigen Finanzbeamten erst jetzt bekannt geworden sei. Dies ermögliche eine Änderung nach § 173 der Abgabenordnung (AO). In vielen Fällen hat die Finanzverwaltung damit auch durchaus Erfolg - aber nicht immer!

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Änderung nach § 173 AO ausscheiden kann, wenn das Finanzamt seine Ermittlungspflicht verletzt hat. Der Grundsatz von Treu und Glauben verhindere eine Änderung zu Ungunsten eines Steuerzahlers, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Hierauf kann sich der Steuerbürger grundsätzlich aber nur dann berufen, wenn er seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat (Urteil vom 29.11.2017,II R 52/15).

  • Der Fall: Die Kläger sind zu drei gleichen Teilen Erben ihrer Mutter geworden. Zum Erbe gehören verschiedene Miet- und Geschäftsgrundstücke. Für die Festsetzung der Erbschaftsteuer wurden die Erben aufgefordert, Angaben zu den ererbten Grundstücken zu machen. Aus Vereinfachungsgründen verzichtete das Finanzamt aber auf ausführliche Erklärungen. Die gestellten Fragen wurden von den Erben korrekt und auch vollständig beantwortet. Erst im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt weitere Tatsachen fest, die zu einem höheren Wert des Grundbesitzes führten. Daraufhin änderte es den entsprechenden Bescheid.
  • Der BFH ist der Änderung entgegengetreten. Das Finanzamt verletze seine Ermittlungspflicht, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht. Verzichte das Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Erklärung und fordere ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletze es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Steuerfestsetzung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es auch später vor Erlass des Steuerbescheids keine weiteren Fragen stellt.
  • Erfülle der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom Finanzamt gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, sei das Finanzamt nach Treu und Glauben an einer Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt. Der Steuerpflichtige sei nicht verpflichtet, auf der Grundlage der maßgebenden steuerrechtlichen Vorschriften zu prüfen, ob die vom Finanzamt erbetenen Angaben eine zutreffende Steuerfestsetzung ermöglichen oder ob dazu weitere Angaben erforderlich wären. Es falle vielmehr in den Verantwortungsbereich des Finanzamts, die entscheidungserheblichen Fragen zu stellen.

STEUERRAT: Das Urteil wird der Finanzverwaltung nun in vielen Fällen die Änderung aufgrund neuer Tatsachen erschweren. Betroffene Steuerzahler sollten prüfen (lassen), ob und inwieweit das Finanzamt seine Ermittlungspflichten verletzt hat. Aber natürlich ist die Entscheidung kein Freibrief: Wer seinerseits seine Mitwirkungspflichten bewusst verletzt, wird eine Änderung nach §173 AO auch in Zukunft nicht vermeiden können. Hier hilft allenfalls die Festsetzungsverjährung.

 

2. Steuerzinsen:
Ab sofort Aussetzung der Vollziehung für Nachforderungszinsen

Bei Steuernachforderungen, Steuerstundung, Steuerhinterziehung und Aussetzung der Vollziehung berechnet das Finanzamt einen Zinssatz von 6 Prozent pro Jahr, d.h. für jeden vollen Monat des Verzinsungszeitraumes 0,5 Prozent des fälligen Steuerbetrages. Dies ist so im Gesetz festgelegt (§ 238 AO). Allerdings ist heutzutage ein Zinssatz von 6 Prozent p.a. fern jeder Realität und grenzt an Zinswucher (§ 138 BGB). Zinswucher liegt vor, wenn der verlangte Zinssatz doppelt so hoch ist wie der vergleichbare Marktzins.

Gerade hat sich der Bundesfinanzhof nach langem Zaudern und Zögern endlich dazu durchgerungen, an der Höhe von 6 Prozent "schwerwiegende"Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit zu äußern - allerdings erst für Verzinsungszeiträume ab 2015! Der Beschluss des BFH bezog sich auf die Aussetzung der Vollziehung (BFH-Beschluss vom 25.4.2018, IX B 21/18). Wir berichteten ausführlich im SteuerSparbrief Juni 2018.

AKTUELL hat das Bundesfinanzministerium bekannt gegeben, dass ab Mitte Juni 2018 im Fall von Steuernachzahlungen für festgesetzte Nachforderungszinsen "Aussetzung der Vollziehung" gewährt wird. Das bedeutet, dass Sie als Steuerzahler die Nachforderungszinsen vorerst nicht bezahlen müssen. Dies gilt aber nur dann, wenn Sie einen entsprechenden Antrag - am besten gemeinsam mit dem Einspruch - ans Finanzamt richten. Die Aussetzung erstreckt sich dem BFH-Beschluss folgend nur auf Verzinsungszeiträume ab dem 1.4.2015 (BMF-Schreiben vom 14.6.2018, IV A 3-S 0465/18/10005-01).

STEUERRAT: Falls Sie Steuern und dementsprechend Nachforderungszinsen für Zeiten vor dem 1.4.2015 nachzahlen sollen, gilt Folgendes: Sie können "Aussetzung der Vollziehung" beantragen, wenn die Bezahlung der Nachforderungszinsen für Sie eine "unbillige Härte bedeutet und im Einzelfall ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers zu bejahen ist".

Weitere Informationen: Abgeltungsteuer: Zinsen vom Finanzamt auf Steuererstattungen

 

X. Soziales

1. Arbeitslosengeld I:
Keine Sperrzeit bei Umzug zum Lebensgefährten

Wer sein Arbeitsverhältnis selber kündigt, hat im Regelfall für die Dauer einer Sperrzeit von 12 Wochen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I (§ 159 Abs. 1 SGB III). Die Sperrzeit tritt allerdings dann nicht ein, wenn der Arbeitslose für sein Verhalten einen "wichtigen Grund" hat. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wird, um mit dem Ehegatten oder dem Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft an einem entfernten Ort zusammenzuziehen.

AKTUELL hat das Landessozialgericht Celle-Bremen entschieden, dass die Aufgabe des Arbeitsplatzes auch dann keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I auslöst, wenn eine nichteheliche Lebensgemeinschaft an einem neuen Wohnort erstmals begründet wird, wenn also ein Umzug zum entfernt wohnenden Lebensgefährten erfolgt (LSG-Urteil Niedersachsen-Bremen vom 12.12.2017, L 7 AL 36/16).

  • Der Fall: Eine Frau kündigt ihre Stelle, zieht zu ihrem Lebensgefährten und meldet sich arbeitsuchend. Die Bundesagentur für Arbeit verhängt eine Sperrzeit, da die Frau ohne "wichtigen Grund" gekündigt habe. Sie stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach ein wichtiger Grund beim erstmaligen Zusammenziehen nur vorliege, wenn ein Verlöbnis bestehe und eine baldige Eheschließung folge.
  • Nach Auffassung des Landessozialgerichts erscheint es nicht mehr zeitgemäß, die Anwendung der Sperrzeitvorschrift bei Arbeitsaufgabe wegen Umzugs an einen familienrechtlichen Status anzuknüpfen. Die Sperrzeit sei weder eine Strafvorschrift noch ein Instrument zur Durchsetzung von gesellschaftspolitischen Vorstellungen, sondern diene nur dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer Manipulation des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit. Der "wichtige Grund" sei kein Privileg für Ehegatten, sondern gelte uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation. Es seien gewichtige Umstände, z.B. finanzielle Situation, Scheidungsverfahren, gesundheitliche Gründe, Wohnungsmarkt oder Schwangerschaft, denkbar, die unabhängig vom familiären Status einen Umzug zum Partner als vernünftig erscheinen lassen, sodass kein Interesse bestehe, die Arbeitsaufgabe als versicherungswidriges Verhalten zu sanktionieren. Die Partnerschaft der Klägerin sei erkennbar durch Kontinuität, Verantwortung und Fürsorge geprägt, sodass die Arbeitsaufgabe kein versicherungswidriges Verhalten darstelle.

HINWEIS: Das Landessozialgericht weicht mit dieser Entscheidung ausdrücklich von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab. Das BSG hat es bisher abgelehnt, den Zuzug zu einem Partner, mit dem eine nichteheähnliche Lebensgemeinschaft hergestellt werden sollte, als "wichtigen Grund" anzusehen (BSG-Urteil vom 12.11.1981, 7 RAr 21/81). Auch eine seit zehn Jahren bestehende eheähnliche Gemeinschaft rechtfertigte keinen Zuzug zum Lebenspartner (BSG-Urteil vom 25.10.1988, 7 RAr 37/87). Noch im Jahre 2002 wurde ein Ortswechsel zwecks Begründung einer - zuvor nicht bestehenden - nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht als "wichtiger Grund" anerkannt (BSG-Urteil vom 17.10.2002, B 7 AL 96/00 R). Insofern ist die neue Entscheidung eine erfreuliche Fortentwicklung der Rechtsprechung.nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr auf Vollständigkeit und Richtigkeit.