Zigtausend deutsche Bürger wurden im Zuge der Corona-Pandemie in den Monaten März und April 2020 per Flugzeug nach Deutschland zurückgeholt. Bei vielen geschah dies durch Maschinen, die vom Auswärtigen Amt gechartert wurden. Seit Juni dieses Jahres erhalten die zurückgeholten Reisenden Rechnungen des Auswärtigen Amtes über Kostenbeteiligungen von 200 EUR bis 1.000 EUR. Bei Geschäftsreisenden, die per "Maas-Airline" zurückgeholt wurden, dürfte klar sein, dass deren Kostenbeteiligung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben steuerlich abziehbar ist. Doch was gilt bei privat Reisenden? Können diese die Kosten wenigstens als außergewöhnliche Belastungen - unter Abzug einer zumutbaren Eigenbelastung - steuerlich geltend machen?

Steuerrat24 empfiehlt auf jeden Fall, die Kostenbeteiligung bei den außergewöhnlichen Belastungen im Rahmen der Steuererklärung 2020 einzutragen. Ob die Aufwendungen vom Finanzamt anerkannt werden, dürfte allerdings fraglich sein.

Die Lohnsteuerhilfe Bayern e.V. ist der Auffassung, dass im Regelfall alle Voraussetzungen für den Abzug als außergewöhnliche Belastung erfüllt sind. In der Pressemeldung vom 7.7.2020 heißt es unter anderem:

"Eine außergewöhnliche Belastung wird vom Finanzamt anerkannt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als den meisten anderen Steuerpflichtigen mit einem vergleichbaren Einkommen und Familienstand entstehen. Kosten sind dann zwangsläufig, wenn sich ihnen der Steuerzahler nicht entziehen kann. Die Rechnungstellung der Kosten dieser Rückholaktion basieren auf dem Konsulargesetz, das den Empfänger des Rückflugs zum Ersatz der Auslagen durch das Auswärtige Amt verpflichtet. … Aufgrund der Corona-Pandemie wurden am 17. März umfangreiche Reisewarnungen ausgesprochen. Reisende, die von dieser Rückholaktion betroffen waren, haben in der Regel ihre Reise schon vorher angetreten und tragen somit nicht die Schuld für ihre Strandung. Dies setzt ein Steuerabzug voraus. Bei grob fahrlässigem Handeln ist er hingegen ausgeschlossen … Alle Voraussetzungen für den Abzug als außergewöhnliche Belastung sind somit erfüllt. Damit der Steuerzahler aber tatsächlich davon profitieren kann, muss er die individuelle Zumutbarkeitsschwelle überschreiten."

Doch es gibt auch andere Stimmen, die einen Abzug ablehnen. Begründet wird dies damit, dass sozusagen eine Stufe früher angesetzt werden muss, nämlich bereits beim Antritt des Urlaubs. Das eigentliche "Ereignis", auf das es ankommt, sei nicht die Rückholung, sondern der Urlaub. Und dieser sei nicht zwangsläufig veranlasst. Rückendeckung erhalten diejenigen, die einen Abzug ablehnen, immerhin durch ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16.9.1993 (II 430/91).

  • Der Fall: Eheleute buchten im März des Jahres 1990 für sich und ihre Tochter eine Flugreise von Frankfurt über Bagdad nach Tokio und zurück, um die Eltern der Klägerin in Tokio zu besuchen. Der Hinflug fand planmäßig Anfang Juli 1990 statt. Der für den 23.8.1990 gebuchte Rückflug fiel wegen der kriegerischen Ereignisse in Kuweit und der damit verbundenen Entziehung der Landerechte für die irakische Fluggesellschaft in der Europäischen Gemeinschaft aus. Um rechtzeitig zum Schulbeginn der Tochter und zum Arbeitsbeginn des Klägers wieder zu Hause zu sein, nahmen die Kläger für den Rückflug eine andere Fluggesellschaft in Anspruch. Hierdurch entstanden zusätzliche Kosten. Schadensersatzansprüche gegen die Fluggesellschaft konnten die Kläger nicht durchsetzen. Sie beantragten, den Mehraufwand bei der Einkommensteuerveranlagung 1990 als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Finanzamt und Finanzgericht versagten den Abzug.
  • Die Finanzrichter waren der Auffassung, dass den Klägern der Mehraufwand nicht zwangsläufig entstanden sei. Für die Frage der Zwangsläufigkeit müsse auf die wesentlichen Ursachen für die Entstehung des Aufwandes zurückgegriffen werden. Es sei deshalb stets danach zu fragen, ob das Ereignis, dessen Folge der zusätzliche Aufwand ist, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Folglich müsse auch auf die Lebensvorgänge zurückgegriffen werden, die die Verpflichtung ausgelöst haben. Es könne daher nicht unbeachtet bleiben, dass der Aufwand der Kläger seine Ursache in einer privaten Reise der Kläger hatte. Der Aufwand für eine Reise könne aber nur ausnahmsweise zwangsläufig und der Höhe nach notwendig sein, wenn nämlich die Reise selbst in ihrer Veranlassung zwangsläufig und notwendig ist. Dies sei jedenfalls bei einer Urlaubsreise nicht der Fall. Zwar konnten sich die Kläger dem Rückflug nicht entziehen, weil sie wieder zum Heimatort zurückkehren mussten, um ihren dortigen Verpflichtungen nachgehen zu können; gleichwohl sei auch dieser Rückflug Bestandteil der Urlaubsreise, die als solche weder zwangsläufig noch notwendig war.

Prognose: Nach unserem Dafürhalten wird die Finanzverwaltung zu der hier erörterten Frage sicherlich Stellung nehmen und zudem wird es wohl auch finanzgerichtliche Verfahren geben. Wir befürchten jedenfalls, dass der Fiskus die Kosten nicht ohne Weiteres anerkennen wird. Zumindest wird er sich wohl die Einzelfälle anschauen, denn es dürfte zahlreiche Sachverhalte geben, in denen etwa Langzeit-Reisende noch gar kein Rückflug-Ticket erworben hatten. Sie sind also mit den Kosten der Rückholaktion gar nicht zusätzlich belastet gewesen.

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