Fahrten zur Arbeit, genauer gesagt zur "ersten Tätigkeitsstätte", dürfen nur mit der Entfernungspauschale von 30 Cent je Entfernungs-km (2021: 35 Cent ab dem 21. Km; seit 2022: 38 Cent ab dem 21. Km) steuerlich geltend gemacht werden, während Dienstreisen mit 30 Cent pro gefahrenem Km oder mit den tatsächlichen Kosten abziehbar sind. Nun arbeiten derzeit unzählige Arbeitnehmer von zuhause aus, sei es im "echten" häuslichen Arbeitszimmer oder sei es in einer Arbeitsecke. Das Büro im Betrieb oder in der Behörde wird nur noch gelegentlich aufgesucht. Und da liegt der Gedanke nahe, dass die gelegentlichen Fahrten ins Büro des Arbeitgebers doch eigentlich nach Dienstreise-Grundsätzen, also mit 30 Cent pro gefahrenem Km, abziehbar sein müssten. Oder anders ausgedrückt: Die erste Tätigkeitsstätte liegt doch eigentlich nicht mehr am Sitz des Unternehmens oder der Verwaltung, sondern zuhause. Aber Sie ahnen es: Leider ist die Sache nicht so einfach.

1. Grundsatz: Zuordnung des Arbeitgebers bleibt maßgebend

In den allermeisten Fällen ist die Frage, wo der Arbeitnehmer die "erste Tätigkeitsstätte" hat, schnell beantwortet: Die erste Tätigkeitsstätte ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist (§ 9 Abs. 4 EStG). Das bedeutet: Bleibt der Mitarbeiter arbeits- oder dienstrechtlich dem Betriebs- oder Behördensitz auch in der Coronazeit zugeordnet, kann das Arbeitszimmer nicht die erste Tätigkeitsstätte bilden. Sie bleibt dort, wo sie auch zuvor war, also im Betrieb oder der Behörde. Die gelegentlichen Fahrten ins Büro sind nur mit der Entfernungspauschale abziehbar.

Beispiel:

Arbeitnehmer Müller soll seine berufliche Tätigkeit an drei Tagen wöchentlich in seinem häuslichen Arbeitszimmer ausüben und an zwei Tagen wöchentlich in der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig werden, der er arbeitsrechtlich zugeordnet ist. Folge: Die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers bleibt die erste Tätigkeitsstätte, da der Arbeitnehmer dieser per Weisung des Arbeitgebers zugeordnet ist. Die Fahrten zum Betriebssitz sind nur mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen.

2. Was gilt, wenn der Arbeitgeber eine Weisung nicht vorgenommen hat?

Falls der Arbeitgeber eine dauerhafte Zuordnung mittels Weisung nicht oder nicht eindeutig vorgenommen hat, kommt es auf den Umfang der Arbeitszeit an der Arbeitsstätte an. Als "erste Tätigkeitsstätte" gilt dann die betriebliche Einrichtung, an der Sie aufgrund Ihres Arbeitsvertrages

  • typischerweise arbeitstäglich oder
  • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
  • mindestens ein Drittel Ihrer vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden sollen.

Das heißt zwar nicht, dass das Arbeitszimmer nun zur ersten Tätigkeitsstätte wird. Das Bundesfinanzministerium verfügt dazu: Das häusliche Arbeitszimmer des Arbeitnehmers ist keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers und kann daher niemals eine erste Tätigkeitsstätte sein. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer einen oder mehrere Arbeitsräume anmietet, die der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228 Rz. 4). ABER: Fahrten zum Betriebssitz oder zur Behörde können mit 30 Cent pro gefahrenem Km abziehbar sein, wenn überhaupt keine erste Tätigkeitsstätte (mehr) vorliegt.

Beispiel:

Arbeitnehmer Meier soll seine berufliche Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ausüben und zusätzlich mehrmals pro Woche in jeweils verschiedenen Filialen seines Arbeitgebers nach dem Rechten sehen. Er ist keiner Betriebsstätte zugeordnet. Die Arbeitszeit in den verschiedenen Tätigkeitsstätten beträgt jeweils weniger als 1/3 der gesamten Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Folge: Das häusliche Arbeitszimmer ist nie erste Tätigkeitsstätte. Aber auch an den anderen Tätigkeitsstätten des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte, da er diese Tätigkeitsstätten nicht arbeitstäglich aufsucht und dort jeweils weniger als 1/3 seiner gesamten Arbeitszeit tätig wird. Die Fahrten zu den Filialen sind nach Dienstreisegrundsätzen geltend zu machen. 

Beispiel:

Der Arbeitgeber des Arbeitnehmers Schulze hat im Rahmen eines "Homeoffice-Konzeptes" entschieden, es seinen Arbeitnehmern komplett selbst zu überlassen, ob sie am Betriebssitz oder von zuhause aus arbeiten möchten. Es gibt insoweit keinerlei arbeits- oder dienstrechtliche Weisung mehr. Schulze beschließt daraufhin, seine berufliche Tätigkeit ganz überwiegend in seinem häuslichen Arbeitszimmer auszuüben und nur noch einen Tag pro Woche die betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers aufzusuchen, um dort Post abzuholen oder seinen PC warten zu lassen. Folge: Die Arbeitszeit in der Tätigkeitsstätte des Arbeitgebers beträgt weniger als 1/3 der gesamten Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Zwar wird das häusliche Arbeitszimmer damit nicht zu einer ersten Tätigkeitsstätte. Aber auch am Unternehmenssitz des Arbeitgebers hat Schulze keine erste Tätigkeitsstätte, da er diese nicht arbeitstäglich aufsucht, dort nicht zwei volle Arbeitstage pro Woche verbringt und dort zu jeweils weniger als 1/3 seiner gesamten Arbeitszeit tätig wird. Vor allem aber besteht keine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung oder eine irgendwie geartete Absprache oder Weisung, dass das Büro am Unternehmenssitz - noch - eine erste Tätigkeitsstätte darstellt. Folge: Die vereinzelten Fahrten ins Büro sind mit 30 Cent pro gefahrenem Km zu berücksichtigen.

STEUERRAT:  Gerade das letzte Beispiel zeigt, dass in Coronazeiten viel mehr Arbeitnehmer ihre sporadischen Fahrten ins Büro nach Dienstreisegrundsätzen geltend mach können als zunächst gedacht. Mitarbeiter im Homeoffice sollten daher in ihren Arbeitsverträgen oder anderen Unterlagen nachschauen, ob sie überhaupt (noch) einer Tätigkeitsstätte zugeordnet sind. Ist das nicht der Fall, sollte gegebenenfalls durch Aufzeichnungen festgehalten werden, wie viele Tage im Homeoffice verbracht wurden und an wie vielen Tagen der Betrieb oder die Behörde aufgesucht wurden.

Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie in den SteuerSparbriefen der Monate April 2021 und Mai 2021 sowie in folgenden Beiträgen:

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