Fahrten zur Arbeit, genauer gesagt zu ersten Tätigkeitsstätte, sind mit der Pendler- bzw. Entfernungspauschale von 30 Cent pro Entfernungskilometer abziehbar; seit 2021 gelten 35 Cent ab dem 21. Kilometer. Doch viele Arbeitnehmer haben gar keine erste Tätigkeitsstätte im steuerlichen Sinne, also zum Beispiel einen Betrieb, den sie täglich aufsuchen und dort ihre Arbeit verrichten. Das betrifft beispielsweise Bauarbeiter, die auf wechselnden Baustellen eingesetzt sind. Grundsätzlich dürfen diese die Fahrtkosten dann nach Dienstreisesätzen geltend machen, also mit 30 Cent pro gefahrenem Kilometer oder mit den tatsächlichen Kosten. Davon wiederum gibt es jedoch eine wichtige Ausnahme: Fahren die Arbeitnehmer täglich zu einem Sammelpunkt, um von dort mit einem Fahrzeug des Arbeitgebers weiterzufahren, so sind die Fahrten zum Sammelplatz nur mit der Pendlerpauschale abzugsfähig. Doch es gibt ein neues Urteil, das Bauarbeiter und Co. unbedingt kennen sollten.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof eine interessante Entscheidung zu dem Thema "Fahrten zum Sammelpunkt" gefällt. Danach gilt: Wenn der Sammelpunkt nicht typischerweise arbeitstäglich aufgesucht wird, sind die Fahrten dorthin mit den Dienstreisesätzen und nicht nur mit der Entfernungspauschale abziehbar (BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 6/19). Vorweg: Das Urteil des BFH ist nicht leicht verdaulich, doch insbesondere Bauarbeiter, die häufig die Baustellen wechseln, sollten sich die Ausführungen genau durchlesen, da sie bares Geld bringen können.

  • Der Fall: Der Kläger ist als Baumaschinenführer tätig. Zu den jeweiligen Baustellen gelangte er entsprechend einer betriebsinternen Anweisung jeweils von einem bestimmten Treffpunkt aus mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen der Kläger mehrtägig übernachtete. Die Einsätze auf den Fernbaustellen dauerten in der Regel die gesamte Woche. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten zum jeweiligen Sammelpunkt nur mit der Entfernungspauschale, während der Kläger den Dienstreisesatz von 0,30 EUR je gefahrenem Kilometer geltend machte. Der BFH hat nicht abschließend entschieden, sondern den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen. Er hat dieser aber wichtige Sätze ins Stammbuch geschrieben.
  • Wird der Sammelpunkt typischerweise arbeitstäglich aufgesucht, sind die Fahrten dorthin nur mit der Entfernungspauschale abzugsfähig. Ein typischerweise fahrtägliches Aufsuchen des Sammelpunktes hingegen reicht nicht aus, um den Arbeitnehmer mit der Pendlerpauschale abzuspeisen. Damit nimmt der BFH eine seltsame Unterscheidung vor, die sich erst auf den zweiten Blick erschließt.
  • Das typischerweise arbeitstägliche Aufsuchen bedeutet, dass der Arbeitnehmer den Sammelpunkt tatsächlich täglich aufsuchen soll, um von dort zu den Baustellen zu gelangen. Maßgebend sind insoweit die Weisung des Arbeitgebers und das geplante Geschehen. Zwar muss der Arbeitnehmer den Sammelpunkt nicht wirklich jeden Werktag aufsuchen, aber doch mit einer solchen Regelmäßigkeit, dass Fortbildungen, außerplanmäßige Einsätze oder mehrtägige Einsätze auf Baustellen mit Übernachtungen die Ausnahme sind. Es kommt entscheidend darauf an, ob von vornherein feststeht, dass der Mitarbeiter nur auf eintägigen Baustellen eingesetzt werden soll. Hierfür kann auch die Betriebsstruktur des Arbeitgebers eine Rolle spielen.
  • Wird der Arbeitnehmer häufiger auch auf mehrtägigen Fernbaustellen eingesetzt, liegt kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Sammelpunktes des Arbeitgebers vor. Er wird lediglich typischerweise für die Weiterfahrten ("fahrtäglich") zu den Baustellen aufgesucht. Dann sind die Kosten aber mit 0,30 EUR je gefahrenem Kilometer zu berücksichtigen. Auch hier kommt es für die Beurteilung nicht auf eine nachträgliche Betrachtung des Geschehens an, sondern auf den vom Arbeitgeber geplanten Einsatz des Mitarbeiters.

STEUERRAT: Der Sammelpunkt muss sich nicht unbedingt auf einem öffentlichen Parkplatz befinden. Es kann auch der Betriebssitz des Arbeitgebers sein. Dann ist aber weiter zu prüfen, ob sich die Mitarbeiter dort wirklich nur treffen und anschließend weiterfahren oder ob sie dort ebenfalls Arbeiten verrichten, etwa die Wartung von Baumaschinen. Im letzteren Fall könnte der Betriebssitz dann doch als erste Tätigkeitsstätte gelten und die Pendlerpauschale wäre anzuwenden.

STEUERRAT: Auch wenn die Fahrten nur mit der Entfernungspauschale absetzbar sind, so können aber dennoch Verpflegungspauschbeträge und Übernachtungskosten als Werbungskosten abgezogen oder steuerfrei erstattet werden. Denn die Mitarbeiter sind ja weiterhin außerhalb einer ersten Tätigkeitsstätte und somit auswärts beruflich tätig. Es wird hier keine erste Tätigkeitsstätte fingiert, sondern nur die Anwendung der Entfernungspauschale vorgeschrieben und der steuerfreie Arbeitgeberersatz ausgeschlossen (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl 2014 I S. 1412, Tz. 39).

Weitere Informationen:

 Beachten Sie auch unsere weiteren Steuertipps in der Rubrik