Werden bei der Scheidung im Rahmen des Versorgungsausgleichs die Rentenanwartschaften beim Ausgleichsverpflichteten gemindert, hat dieser die Möglichkeit, die gekürzten Rentenanwartschaften ganz oder teilweise wieder aufzufüllen (§ 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Die Frage ist, ob und wie diese Wiederauffüllungszahlungen an den Versorgungsträger (Rentenversicherung, Versorgungswerk), die Kürzungen der späteren Rente vermeiden sollen, steuerlich berücksichtigt werden.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof die Frage geklärt: Die geleistete Wiederauffüllungszahlung an den Versorgungsträger stellt ihrer Rechtsnatur nach zwar vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften dar, da sie Kürzungen der Altersrente vermeidet. Aber bei der Zahlung handelt es sich quasi um "Beiträge" zur Rentenversicherung bzw. berufsständischem Versorgungswerk (gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), und daher kann die Zahlung nur als Sonderausgaben im Rahmen des zulässigen Höchstbetrages abgesetzt werden (BFH-Urteil vom 19.8.2021, X R 4/19).

  • Der Fall: Ein angestellter Rechtsanwalt hatte Versorgungsanwartschaften aus dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte erworben und davon einen Teil bei Scheidung im Wege der internen Teilung an die Ehefrau abgegeben. Der Anwalt nahm nach § 37 Abs. 4 der Satzung des Versorgungswerks die Möglichkeit wahr, seine durch den Versorgungsausgleich gekürzte Rentenanwartschaft durch eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 75.000 EUR um die Hälfte wieder aufzufüllen. Der Anwalt machte diesen Betrag als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend, während das Finanzamt die Zahlung der Vermögensebene zuordnete und den Betrag als Beitrag zur Altersvorsorge im Rahmen der Sonderausgaben berücksichtigte.
  • Nach Auffassung des BFH kann die Wiederauffüllungszahlung nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften berücksichtigt werden. Trotz ihrer Rechtsnatur als Werbungskosten ist die Wiederauffüllungszahlung nur im Rahmen der Sonderausgaben absetzbar, weil es sich bei der Zahlung um "Beiträge" handelt.
  • Als Sonderausgaben absetzbar sind Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zur landwirtschaftlichen Alterskasse sowie zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Beiträge sind alle Leistungen auf eine Versicherung zur Erlangung des Versicherungsschutzes bzw. alle aufgrund von Gesetz oder Vertrag vom Steuerpflichtigen erbrachten Geldleistungen zu den begünstigten Versicherungen. Sowohl laufende Beiträge als auch Einmalbeiträge sind begünstigt.

ACHTUNG: Die Zuordnung der Wiederauffüllungszahlungen zu den Sonderausgaben hat gegenüber dem Werbungskostenabzug einen krassen Nachteil: Während bei den Werbungskosten der gesamte Zahlungsbetrag berücksichtigt würde (z.B. 75.000 EUR), wirkt sich die Zahlung unter den Sonderausgaben nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag aus, der sich jährlich ändert (gemäß § 10 Abs. 3 EStG). Im Jahre 2022 sind die Altersvorsorgebeiträge insgesamt absetzbar bis zu 25.639 EUR bei Ledigen und 51.278 EUR bei Verheirateten. Davon wirken sich 94 Prozent steuermindernd aus, d.h. höchstens 24.101 EUR bzw. 48.202 EUR. Diese Beträge sind allerdings schon weitgehend durch laufende Rentenversicherungsbeiträge bzw. Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken ausgeschöpft, sodass sich eine zusätzliche Wiederauffüllungszahlung nur wenig steuermindernd auswirkt.

STEUERRAT: Wegen des Höchstbetrages empfiehlt es sich, hohe Wiederauffüllungszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung auf mehrere Jahre zu verteilen. Falls Sie hierfür ein Darlehen aufnehmen müssen, können Sie die Schuldzinsen als Werbungskosten bei den "sonstigen Einkünften" nach " 22 Nr. 1 EStG absetzen (BFH-Urteil vom 5.5.1993, BStBl. 1993 II S. 867).

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