Bereits zum 1.1.2002 wurde für Vermieter im Einkommensteuergesetz eine besondere Pflicht verankert, die vielen Immobilieneigentümern selbst nach über 20 Jahren nicht bekannt ist: Wer Arbeiten am Mietshaus oder in der vermieteten Wohnung durchführen lässt, muss in bestimmten Fällen vom Rechnungsbetrag einen Teilbetrag von 15 Prozent einbehalten und ans Finanzamt abführen. Dadurch soll die Steuer gleich an der Quelle erhoben werden. Wenn sich der Bauunternehmer oder Handwerker aus dem Staub macht, ohne seinen steuerlichen Pflichten nachzukommen, hat der Fiskus wenigstens 15 Prozent Steuern kassiert. Der Auftraggeber wird von der Verpflichtung, 15 Prozent der Rechnungssumme einzubehalten, grundsätzlich nur befreit, wenn ihm der Bauunternehmer oder Handwerker eine Freistellungsbescheinigung vorliegt. Diese erhält er vom Finanzamt, wenn er als redlicher Steuerzahler gilt.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Hier geht es um den Steuereinbehalt nach dem Einkommensteuergesetz (§§ 48 bis 48d EStG). Es gibt daneben noch eine ähnliche Regelung im Umsatzsteuerrecht. Dabei werden gewisse Unternehmer, die Bauleistungen in Auftrag geben, zum Schuldner der Umsatzsteuer. Die Steuerschuld wechselt also vom Leistenden zum Auftraggeber (§ 13b UStG). Doch das ist ein anderes Thema.

1. Die Bauabzugsteuer

Auftraggeber, die Bauleistungen an Gebäuden oder in Wohnungen ausführen lassen, müssen in bestimmten Fällen vom Rechnungsbetrag (einschl. Umsatzsteuer) 15 Prozent für Rechnung des Bauunternehmers/Handwerkers einbehalten, an das für ihn zuständige Finanzamt abführen und hierüber eine Steueranmeldung auf amtlichem Formular abgeben. An den Bauunternehmer dürfen folglich nur 85 Prozent des Rechnungsbetrages überwiesen werden. Der Steuerabzug kann vermieden werden, wenn der Bauunternehmer dem Auftraggeber eine Freistellungsbescheinigung vorlegt (§§ 48 bis 48d EStG). Diese Bauabzugsteuer stellt keine neue oder zusätzliche Steuer dar. Der Auftraggeber zahlt lediglich einen Teil der Steuer des Handwerkers schon mal vorab an dessen Finanzamt. Mit diesem Abzugsbetrag soll eine Vorauszahlung auf die Steuerschuld des Bauunternehmers geleistet werden, die später auf dessen Steuern angerechnet wird.

Spätestens ab dem 1.1.2025 soll der Leistungsempfänger einer Bauleistung übrigens verpflichtet werden, die Steueranmeldung elektronisch abzugeben (Entwurf des Jahressteuergesetz 2022).

STEUERRAT: Bauleistungen, die der Bauabzugsteuer unterliegen, sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die Begriffe "Bauwerke" und "Bauleistungen" sind weit auszulegen. Zu den Bauleistungen gehören u.a. auch der Einbau von Fenstern und Türen sowie Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen und Heizungsanlagen, aber auch von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind. Ausschließlich planerische Leistungen (z.B. von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs-, Prüf- und Bauingenieuren) sind aber keine Bauleistungen. Einzelheiten ergeben sich aus dem aktuellen BMF-Schreiben vom 19.7.2022, IV C 8 -S 2272/19/10003 :002), das Sie hier abrufen können.

STEUERRAT: Die Installation einer Fotovoltaikanlage stellt eine Bauleistung dar. Damit unterliegen Leistungen für Fotovoltaikanlagen in, an oder auf einem Gebäude grundsätzlich der Bauabzugsteuer. Auch für die Errichtung von so genannten Freiland-Fotovoltaikanlagen kann die Steuer anfallen (BFH-Urteil vom 7.11.2019, I R 46/17, BStBl 2020 II S. 552).

2. Wer von der Bauabzugsteuer betroffen sein kann

In § 48 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ist geregelt, wer von der Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Bauabzugsteuer betroffen ist. Und das sind insbesondere Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes. Nun werden wohl viele Leser denken, dass sie doch gar kein Unternehmer sind, denn schließlich mussten sie niemals eine Umsatzsteuererklärung abgeben. ABER: Jeder Vermieter gilt als Unternehmer! Zwar haben sie mit der Umsatzsteuer eher am Rande zu tun, weil ihre Vermietungseinnahmen grundsätzlich umsatzsteuerfrei sind. Doch § 48 EStG nimmt darauf keine Rücksicht. Auch Vermieter mit umsatzsteuerfreien Mieteinnahmen, also die ganz überwiegende Zahl, ist grundsätzlich zum Einbehalt und zur Abführung der Bauabzugsteuer verpflichtet - sofern ihnen keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird. Betroffen sind im Übrigen auch Kleinunternehmer, die keine Umsatzsteuererklärung abgeben müssen und Arbeitnehmer, die nebenberuflich eine selbstständige oder gewerbliche Tätigkeit ausüben (z.B. nebenberufliche Schriftsteller, Journalisten).

STEUERRAT: Vermieter sind jedoch von der Bauabzugsteuer befreit, wenn sie nicht mehr als zwei Wohnungen vermieten. Eine unentgeltliche Wohnungsüberlassung an Angehörige zählt nicht als Vermietung. Bei einzeln vermieteten Zimmern ist die Nutzung der gesamten Wohnung ausschlaggebend. Wird diese im Übrigen selbst genutzt oder unentgeltlich überlassen, so ist kein Steuerabzug vorzunehmen. Werden sämtliche Zimmer an mehrere Mieter vermietet, so zählt die Wohnung als ein Objekt für die Zweiwohnungsregelung. Vorübergehend leerstehende Wohnungen sind im Rahmen der Zweiwohnungsgrenze zu berücksichtigen, es sei denn, der Vermieter hat die Vermietungsabsicht aufgegeben (BMF-Schreiben vom 19.7.2022, IV C 8 -S 2272/19/10003 :002, Rz. 53 ff.).

3. Wann Sie die Bauabzugsteuer nicht abführen müssen

Als Vermieter oder Unternehmer brauchen Sie sich in den folgenden vier Fällen nicht um den Steuerabzug zu kümmern:

Fall 1: Sofern die Bauleistungen für Ihre Privatwohnung anfallen, brauchen Sie einen Steuerabzug nicht vorzunehmen. Die Abzugsverpflichtung betrifft nämlich nur den unternehmerischen Bereich des Auftraggebers. Wird eine Bauleistung an einem Gebäude erbracht, das nur teilweise unternehmerischen Zwecken dient, gilt Folgendes (BMF-Schreiben vom 19.7.2022, IV C 8 -S 2272/19/10003 :002, Rz. 14, 15):

  • Ist die Bauleistung dem unternehmerischen Teil zuzuordnen, muss die Abzugsteuer einbehalten werden.
  • Ist die Bauleistung dem nichtunternehmerischen Teil zuzuordnen, können Sie auf den Steuerabzug verzichten.
  • Ist eine Zuordnung nicht eindeutig möglich, wird die Bauleistung dem Zweck zugerechnet, der überwiegt. Diese Gewichtung erfolgt nach dem Wohn- oder Nutzflächenverhältnis oder nach anderen sachgerechten Maßstäben.

Beispiele:
Herr Meier ist freiberuflicher Journalist und lässt die Fliesen im Badezimmer seiner Wohnung erneuern. Der Rechnungsbetrag unterliegt nicht dem Steuerabzug, obwohl es sich beim Auftraggeber um einen Unternehmer handelt, denn die Bauleistung wurde in dessen Privatwohnung vorgenommen.

Herr Müller ist Angestellter und nebenberuflich als Bausparkassenvertreter tätig. Er lässt das Dach seines selbst genutzten Eigenheims neu eindecken, in dem sich ein Arbeitszimmer befindet. Herr Müller ist zwar hinsichtlich seiner Nebentätigkeit Unternehmer. Er braucht einen Steuerabzug jedoch nicht vorzunehmen, weil die Bauleistung dem unternehmerischen Zweck nicht unmittelbar zugeordnet werden kann und die Nutzung zu Wohnzwecken überwiegt.

Herr Schmidt ist Eigentümer eines Vierfamilienhauses, in dem er eine Wohnung selbst bewohnt, und lässt neue Fenster einbauen. Vom Rechnungsbetrag muss er den Steuerabzug vornehmen, soweit dieser sich auf die Fenster in den drei vermieteten Wohnungen bezieht. Dasselbe gilt für die Fenster in den Gemeinschafträumen (Flure, Treppenhaus, Keller), die der überwiegenden Nutzung und damit dem Vermietungsbereich zuzuordnen sind. Nur die Vergütung für die Fenster in der selbst genutzten Wohnung unterliegt nicht dem Steuerabzug.

Fall 2: Wie bereits erwähnt sind Sie als Vermieter von der Bauabzugsteuer gänzlich befreit, wenn Sie nicht mehr als zwei Wohnungen vermieten (§ 48 Abs. 1 EStG). Zu dieser Zweiwohnungsregel gibt es eine großzügige Auslegung: Bei Ehegatten ist die Zweiwohnungsgrenze für jeden Ehegatten getrennt zu ermitteln. Eine Ehegatten-Eigentümergemeinschaft ist ein eigener Leistungsempfänger (BMF-Schreiben vom 19.7.2022, IV C 8 -S 2272/19/10003 :002, Rz. 61).

Fall 3: Vom Steuerabzug sind Sie nicht betroffen, wenn der Auftragswert der Bauleistungen im laufenden Kalenderjahr (voraussichtlich) eine bestimmte Bagatellgrenze nicht übersteigt. Diese Bagatellgrenze beträgt für Vermieter 15.000 EUR im Kalenderjahr. Für andere Unternehmer, also für Steuerzahler mit anderen als reinen Vermietungsumsätzen, beträgt sie 5.000 EUR im Kalenderjahr (§ 48 Abs. 2 EStG).

Die höhere Bagatellgrenze von 15.000 EUR gilt nur für Vermieter, die ausschließlich steuerfreie Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 UStG erzielen. Haben Sie daneben noch weitere umsatzsteuerpflichtige Einnahmen, z.B. aus selbstständiger oder gewerblicher Tätigkeit, gilt insgesamt die Freigrenze von nur 5.000 EUR. Und zwar auch dann, wenn diese Einnahmen nur geringfügig sind.

Maßgebend für die Bagatellgrenze ist der Rechnungsbetrag einschließlich Umsatzsteuer. Die Grenze gilt gesondert je Bauunternehmer und nicht je Auftraggeber oder je Objekt! Sobald der Auftragswert an einen einzelnen Bauunternehmer die Bagatellgrenze im Kalenderjahr übersteigt, müssen Sie vom gesamten Auftragswert bzw. Rechnungsbetrag dieses Unternehmers den Steuerabzug vornehmen, wenn keine Freistellungsbescheinigung vorliegt. Sie können die Freigrenze also mehrfach ausnutzen, wenn Sie für verschiedene Aufträge unterschiedliche Firmen beauftragen.

Beispiel:
Herr Meiser lässt infolge Mieterwechsels die Mietwohnung renovieren. Die Kosten dafür betragen einschließlich Umsatzsteuer 10.000 EUR. Eine Freistellungsbescheinigung legt der Malermeister nicht vor.
Da voraussichtlich keine weiteren Bauarbeiten in diesem Jahr mehr anfallen, wird die Bagatellgrenze nicht überschritten, sodass Herr Meiser einen Steuerabzug nicht vornehmen muss und den Rechnungsbetrag in voller Höhe überweisen kann.

Bei der Ermittlung der Bagatellgrenze müssen die im Kalenderjahr bereits erbrachten und voraussichtlich noch zu erbringenden Bauleistungen zusammengerechnet werden. Kommt es wider Erwarten doch zu einer Überschreitung der Bagatellgrenze, etwa wegen Zusatzarbeiten oder wegen eines weiteren Auftrages, müssen Sie den unterlassenen Steuerabzug bei der Folgezahlung nachholen.

Beispiel:
Herr Müller lässt an seinem vermieteten Zweifamilienhaus das Dach reparieren. Der beauftragte Dachdecker legt keine Freistellungsbescheinigung vor. Nach dem Kostenvoranschlag soll die Dachreparatur 14.500 EUR kosten. Vereinbarungsgemäß leistet Herr Müller nach Baufortschritt eine Abschlagszahlung von 10.000 EUR. Durch Zusatzarbeiten verteuert sich der Auftrag, sodass in der Endrechnung noch 6.000 EUR zu zahlen sind. Damit wird die Bagatellgrenze von 15.000 EUR überschritten, und der Gesamtbetrag von 16.000 EUR unterliegt dem Steuerabzug. Sofern bei der Leistung der Abschlagszahlung der Steuerabzug unterblieben ist, muss er nun bei Erfüllung der Restzahlung nachgeholt werden, es sei denn, der Dachdecker legt vor Zahlung der Restsumme eine Freistellungsbescheinigung vor.

Fall 4: Den Steuerabzug vom Rechnungsbetrag müssen Sie nicht vornehmen, wenn das Bauunternehmen Ihnen als dem Auftraggeber eine gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt (§ 48 Abs. 2 EStG). Die Freistellungsbescheinigung erhält der Bauunternehmer auf Antrag bei dem für ihn zuständigen deutschen Finanzamt, wenn der Steueranspruch des deutschen Fiskus nicht gefährdet erscheint. Es muss also sichergestellt sein, dass der Bauunternehmer seine steuerlichen Pflichten in Deutschland ordnungsgemäß erfüllt. Für den Antrag ist ein Fragebogen auszufüllen, den das Finanzamt bereithält (§ 48b EStG).Die Freistellungsbescheinigung muss Ihnen spätestens dann vorliegen, wenn Sie die Rechnung begleichen. Sonst müssen Sie den Steuerabzug vornehmen, selbst wenn der Bauunternehmer Ihnen die Freistellungsbescheinigung später nachreichen sollte.

STEUERRAT: Als Leistungsempfänger sind Sie verpflichtet, die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung zu überprüfen; insbesondere sollten Sie sich vergewissern, ob die Freistellungsbescheinigung mit einem Dienstsiegel versehen ist und eine Sicherheitsnummer trägt. Bei Vorlage einer Kopie müssen alle Angaben auf der Freistellungsbescheinigung lesbar sein. Sie können die Gültigkeit einer Freistellungsbescheinigung online überprüfen, und zwar beim Bundeszentralamt für Steuern. Eine Verpflichtung zu einer regelmäßigen Prüfung einmal erteilten Freistellungsbescheinigung besteht aber grundsätzlich nicht.

FAZIT: Wenn Sie mehr als zwei Wohnungen vermieten und Bau- bzw. Handwerkerleistungen für diese Wohnungen in Auftrag geben, sollten Sie sich stets eine Freistellungsbescheinigung vom Bauleistenden/Handwerker aushändigen lassen und deren Gültigkeit überprüfen. Kann Ihnen der Unternehmer eine solche Bescheinigung nicht vorlegen, sollten Sie stutzig werden, denn es könnte bedeuten, dass er Ärger mit dem Finanzamt hat oder nirgendwo registriert ist.

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