Für ein Kind zwischen dem 18. und dem 25. Lebensjahr besteht Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Nun geschieht es leider doch recht häufig, dass ein Kind während der Ausbildung einen Unfall erleidet oder erkrankt und seine Ausbildung unterbrechen oder sogar ganz beenden muss. Aber besteht dann auch der Anspruch auf Kindergeld fort? Nachfolgend stellen wir Ihnen hierzu die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und die neuen Regelungen in der "Dienstanweisung Kindergeld" vor, die die Familienkassen anwenden.

Grundsätzlich gilt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs:

  • Besteht das Ausbildungsdienstverhältnis während einer Erkrankung des Kindes fort, bleibt grundsätzlich auch der Anspruch der Eltern auf Kindergeld bestehen.
  • Falls die Erkrankung länger als sechs Monate dauert, muss im Einzelfall entschieden werden, ob mit einer Fortsetzung der Ausbildung noch zu rechnen ist oder nicht. Im zweiten Fall wird das Kindergeld dann nicht mehr länger gewährt.
  • Wird das Ausbildungsverhältnis wegen einer Erkrankung des Kindes nicht nur unterbrochen, sondern beendet, zum Beispiel durch Abmeldung von der Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses, entfällt der Anspruch auf Kindergeld. In einem solchen Fall kommt allenfalls eine Berücksichtigung als "Ausbildungsplatz suchendes Kind" in Betracht. Das setzt allerdings voraus, dass es sich um eine vorübergehende Krankheit handelt. Auch hier kommt wieder die Sechs-Monats-Frist zum Zuge. Das heißt, dass die Krankheit voraussichtlich nicht länger als sechs Monate andauern darf. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass das Kind trotz vorübergehender Ausbildungsunfähigkeit weiterhin ausbildungswillig ist (BFH-Urteil vom 31.8.2021, III R 41/19; vgl. SteuerSparbrief März 2022).
  • Bei voraussichtlich länger als sechs Monate andauernder Erkrankung ist gegebenenfalls eine Berücksichtigung als "behindertes Kind" möglich. Ist die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten, kommt die Gewährung des Kindergeldes unter bestimmten Voraussetzungen auch über das 25. Lebensjahr hinaus in Betracht.
  • Eine Kindergeldgewährung wegen einer Berufsausbildung ist selbst dann nicht möglich, wenn das Ausbildungsverhältnis zwar fortbesteht, Ausbildungsmaßnahmen wegen einer langfristigen Erkrankung des Kindes aber unterbleiben. Eine Krankheit ist nicht vorübergehend, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung zu erwarten ist (BFH-Urteil vom 15.12.2021, III R 43/20; vgl. SteuerSparbrief Juni 2022).

AKTUELL hat das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die "Dienstanweisung Kindergeld" überarbeitet, an der sich die Familienkassen bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs orientieren. Das BZSt hat die Anwendung der BFH-Urteile verfügt (BZSt vom 26.5.2023, St II 2 - S 2280-DA/22/00001, BStBl 2023 I S. 818). Danach gilt laut Abschnitt A 15.11:

  • Eine anspruchsschädliche Unterbrechung der Ausbildung liegt nicht vor, solange während einer Erkrankung die rechtliche Bindung zur Ausbildungsstätte bzw. zum Ausbilder fortbesteht und die Durchführung der Ausbildungsmaßnahmen wegen einer vorübergehenden Erkrankung unterbleibt (BFH-Urteil vom 15.12.2021, III R 43/20, BStBl II 2022 S. 472).
  • Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig nicht länger als sechs Monate währt (BFH-Urteil vom 31.8.2021, III R 41/19, BStBl II 2022 S. 465).
  • Die Erkrankung und das voraussichtliche Ende der Erkrankung sind durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen. Ist nach den ärztlichen Feststellungen das voraussichtliche Ende der Erkrankung nicht absehbar oder währt die Erkrankung bzw. die von ihr ausgehende Beeinträchtigung länger als sechs Monate, ist zu prüfen, ob das Kind wegen einer Behinderung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann.
  • Von einer ärztlichen Bescheinigung über das voraussichtliche Ende der Erkrankung kann abgesehen werden, wenn das Kind zwischenzeitlich die Ausbildung wieder aufgenommen oder eine neue Ausbildung begonnen hat.
  • Ein Studierender ist während einer Unterbrechung seines Studiums zu berücksichtigen, wenn er wegen Erkrankung beurlaubt oder von der Belegpflicht befreit ist und dies der Familienkasse unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachgewiesen wird. Die Berücksichtigung erfolgt für das betreffende Studiensemester einschließlich der Semesterferien, in dem der Studierende durch Krankheit gehindert ist, seinem Studium nachzugehen. Dies gilt auch, wenn die Erkrankung vor Ablauf des Semesters endet, das Studium aber erst im darauf folgenden Semester fortgesetzt wird.
  • Das Vorliegen eines Beschäftigungsverbots nach §§ 3, 13 Abs. 1 Nr. 3 oder 16 Mutterschutzgesetz ist für den Anspruch unschädlich. Das Gleiche gilt, wenn das Kind wegen unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen nach §§ 11, 12 MuSchG die Ausbildung unterbricht. Die Schwangerschaft und der voraussichtliche Tag der Entbindung sind durch ein ärztliches Zeugnis oder das Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungshelfers nachzuweisen. Ein Beschäftigungsverbot nach § 16 MuSchG ist durch ärztliches Zeugnis zu bestätigen. Die Unterbrechung der Ausbildung wegen unzulässiger Tätigkeit nach §§ 11, 12 MuSchG ist durch eine Bescheinigung des Ausbildungsbetriebes bzw. des Ausbilders nachzuweisen. Unterbrechungszeiten wegen Kindesbetreuung, beispielsweise wegen Elternzeit gemäß §§ 15 bis 21 BEEG, sind dagegen nicht zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 15.7.2003, VIII R 47/02, BStBl 2003 II S. 848). Eine Studierende ist für die Dauer des Semesters zu berücksichtigen, in dem die Entbindung zu erwarten ist, längstens bis zum Ablauf des Monats, in dem die Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG endet. Wird das Studium jedoch in dem darauf folgenden Semester fortgesetzt, ist die Studierende auch darüber hinaus bis zum Semesterbeginn zu berücksichtigen.

STEUERRAT: Wenn Ihr Kind längerfristig erkrankt ist, sollten Sie rechtzeitig Kontakt mit der Familienkasse aufnehmen. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Kind seine Ausbildung fortsetzen kann, sollten Sie dies der Familienkasse glaubhaft darlegen und zudem das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachweisen. Die Bescheinigung ist jeweils nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern und der Familienkasse vorzulegen. Für die Nachweisführung steht der so genannte Vordrucke KG 9a zur Verfügung.

STEUERRAT: Falls nach den ärztlichen Feststellungen das voraussichtliche Ende der Erkrankung nicht absehbar ist, ist zu prüfen, ob das Kind wegen einer Behinderung berücksichtigt werden kann. Bitte beachten Sie für die dann erforderliche Nachweisführung die vorhergehende Information in diesem SteuerSparbrief.

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