Wird eine Immobilie unentgeltlich auf Sohn oder Tochter übertragen, so ist dieser Vorgang schenkungsteuerlich zu würdigen. In vielen Fällen fällt jedoch keine Schenkungsteuer an, weil der persönliche Steuerfreibetrag höher ist als der Wert der Immobilie. Trotzdem ermittelt das Finanzamt üblicherweise den Grundbesitzwert (Grundstücks- bzw. Bedarfswert) für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke. Der Wert wird mit einem Bescheid festgesetzt. Liegt dieser Wert bei einer Schenkung an Sohn oder Tochter weit unter dem persönlichen Freibetrag von 400.000 EUR, widmet man der Festsetzung des Grundbesitzwerts möglicherweise nicht die nötige Aufmerksamkeit, da einige tausend Euro mehr oder weniger egal sind - die Steuer bleibt ja bei 0 EUR. ABER: Die fehlende Prüfung des festgestellten Grundbesitzwerts kann sich später als fatal erweisen.

Die unterbliebene Prüfung des festgestellten Grundbesitzwerts kann sich später als schwerwiegender Fehler erweisen, wenn innerhalb der nächsten zehn Jahre weitere Schenkungen erfolgen, weil die Werte der jetzigen und der damaligen Schenkung zusammengerechnet werden. Das heißt, der Freibetrag wird für alle Schenkungen innerhalb von zehn Jahren nur einmal gewährt. Wird er mit den beiden Schenkungen zusammen überschritten, entsteht Schenkungsteuer. Und ein seinerzeit festgestellter Wert des Grundbesitzes behält seine Gültigkeit, wenn der Bescheid bestandskräftig geworden ist.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein für Zwecke der Schenkungsteuer gesondert festgestellter Grundstückswert für alle Schenkungsteuerbescheide bindend ist, bei denen er in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt auch für die Berücksichtigung eines früheren Erwerbs bei einem so genannten Nacherwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, das heißt bei einer Schenkung, die innerhalb von zehn Jahren nach der ersten Schenkung erfolgt (BFH-Urteil vom 26.7.2023, II R 35/21).

  • Der Fall: Der Kläger hatte im Jahr 2012 von seinem Vater einen Miteigentumsanteil an einem unbebauten Grundstück geschenkt bekommen. Das Finanzamt hatte den Grundstückswert festgestellt und der Besteuerung zu Grunde gelegt. Seinerzeit musste der Kläger keine Schenkungsteuer bezahlen, weil der Grundstückswert mit knapp 90.000 EUR weit unter dem gesetzlichen Freibetrag für Kinder in Höhe von 400.000 EUR lag. Im Jahr 2017 bekam der Kläger von seinem Vater 400.000 EUR geschenkt. Da dies innerhalb der Zehn-Jahres-Frist geschah, rechnete das Finanzamt beide Erwerbe zusammen und setzte Schenkungsteuer von rund 10.000 EUR fest. Dabei berücksichtigte es den Grundstückswert in der damals festgestellten Höhe. Der Kläger meinte, dieser Wert sei zu hoch und deshalb nunmehr nach unten zu korrigieren. Bei der Schenkung in 2012 habe er sich nur deshalb nicht gegen den falschen Grundstückswert gewendet, weil die Schenkungsteuer ohnehin mit 0 EUR festgesetzt worden sei. Doch er scheiterte mit seinem Ansinnen.
  • Der festgestellte Grundstückswert ist nicht nur der Schenkungsteuer-Festsetzung zu Grunde zu legen, für die er angefordert wurde, sondern auch bei nachfolgenden Schenkungsteuer-Festsetzungen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren, die mit der Grundstücksschenkung zusammenzurechnen sind. Hält der Steuerpflichtige den festgestellten Grundstückswert für zu hoch, muss er sich sogleich gegen die Feststellung wenden. Tut er dies nicht und wird der Bescheid über den festgestellten Wert bestandskräftig, kann er die Unrichtigkeit bei den nachfolgenden Schenkungsteuer-Festsetzungen nicht mehr mit Erfolg geltend machen.
  • Fazit: Ein einmal festgestellter Grundstückswerts bleibt "für immer" gültig. Immerhin: Das Urteil kann natürlich auch einmal zuungunsten der Finanzverwaltung ausfallen. Das heißt: Ein zu niedrig festgestellter Grundstückswert bindet auch das Finanzamt in Zukunft.

Weitere Informationen: 

Beachten Sie auch unsere weiteren Steuertipps in der Rubrik