Die Steuererklärung für das Jahr 2023 hätte - bei nicht beratenen Steuerbürgern - bis zum 2. September 2024 beim Finanzamt eingereicht werden müssen. Wer steuerlich beraten wird, hat noch Zeit bis zum 2. Juni 2025. Gegebenenfalls kann die Frist auf Antrag verlängert werden. Doch was geschieht eigentlich, wenn die Steuererklärung - eventuell trotz gewährter Fristverlängerung - verspätet abgegeben wurde? Nun ja, dann droht die Festsetzung von Verspätungszuschlägen, die eine enorme Höhe erreichen können. Dabei muss unterschieden werden zwischen Verspätungszuschlägen, die im Ermessen des Finanzamts liegen und gesetzlich vorgeschriebenen Verspätungszuschlägen Lesen Sie nachfolgend, wann bzw. wie man sich gegen die Festsetzung eines Verspätungszuschlages wehren kann.

Verspätungszuschläge im Ermessen des Finanzamts

Das Finanzamt kann von der Festsetzung eines Verspätungszuschlag absehen, wenn die Steuererklärung innerhalb von 14 Monaten nach Ablauf des Steuerjahres abgegeben wird. Für das Steuerjahr 2023 sind es sogar 17 Monate, denn als Nachwirkung der Corona-Pandemie gelten derzeit noch etwas längere Fristen, bis ein Verspätungszuschlag gesetzlich festgesetzt werden muss ("Viertes Corona-Steuerhilfegesetz" vom 19.6.2022).

Das bedeutet, dass ein Verspätungszuschlag bezüglich des Steuerjahres 2023 erst ab dem 1. Juni 2025 festgesetzt werden "muss". Andererseits "kann" das Finanzamt den Zuschlag natürlich auch bereits festsetzen, wenn die Steuererklärung 2023 beispielsweise am 10. September 2024 eingegangen ist, kein Antrag auf Fristverlängerung gestellt wurde und die Verspätung auch nicht entschuldbar ist. Die Festsetzung des Verspätungszuschlages liegt dann im Ermessen des Finanzamts (§ 152 Abs. 1 AO).

STEUERRAT: Wann ist die verspätete Abgabe einer Steuererklärung entschuldbar? Hierzu kann leider keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. Ein Unglücksfall oder eine plötzliche schwere Erkrankung werden grundsätzlich als Entschuldigung akzeptiert. Eine Arbeitsüberlastung wird hingegen zumeist nicht als Entschuldigungsgrund anerkannt.

STEUERRAT: Ermessen bei der Festsetzung des Verspätungszuschlages heißt nicht Willkür. Das Finanzamt muss verschiedene Faktoren berücksichtigen und abwägen, etwa die Höhe der Steuernachforderung und das Abgabeverhalten des Steuerbürgers in der Vergangenheit. Wurde die Steuererklärung immer zu spät abgegeben oder handelt es sich dieses Mal um eine Ausnahme? Wer der Meinung ist, dass das Finanzamt sein Ermessen nicht "pflichtgemäß ausgeübt" hat, sollte gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages Einspruch einlegen. Dazu später mehr.

Gesetzlich vorgeschriebene Festsetzung von Verspätungszuschlägen

Nach 14 Monaten bzw. für das Steuerjahr 2023 nach 17 Monaten hat die Geduld des Fiskus ein Ende. Die Festsetzung und auch die Höhe des Verspätungszuschlages sind hier gesetzlich normiert: Der Zuschlag beträgt für jeden angefangenen Monat der Verspätung 0,25 Prozent der gegebenenfalls um die Vorauszahlungen und die Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer - abgerundet auf volle Euro -, aber mindestens 25 EUR pro angefangenem Monat der Verspätung (§ 152 Abs. 2 und Abs. 5 AO).

STEUERRAT: Es gibt einige wenige Ausnahmen, bei denen auf die Festsetzung eines Verspätungszuschlages verzichtet wird oder verzichtet werden kann, und zwar insbesondere, wenn Ihnen eine Steuererstattung zusteht oder die Steuer mit 0 EUR festgesetzt wird (§ 152 Abs. 3 AO). Das heißt aber nicht, dass bei Erstattungsfällen stets auf die Festsetzung eines Verspätungszuschlages verzichtet muss. Vielmehr greift dann die obige Regelung "Verspätungszuschläge im Ermessen des Finanzamts" sinngemäß.

Aktuelles Urteil des Finanzgerichts Münster

Ein Steuerzahler hatte seine Einkommensteuererklärung erst nach Ablauf der Abgabefrist und sogar nach dem Ende der Karenzzeit für die verpflichtende Festsetzung eines Verspätungszuschlages eingereicht. Einen "guten" und wirklich glaubhaften Grund für die verspätete Einreichung der Steuererklärung konnte der Steuerpflichtige nicht vorbringen. Allerdings kam es zu einer Erstattung. Das Finanzamt war daher gesetzlich nicht verpflichtet, den Verspätungszuschlag festzusetzen, doch es machte von seinem Ermessen Gebrauch. Es setzte einen Verspätungszuschlag in Höhe von 175 EUR fest. Der Steuerzahler wehrte sich hiergegen vor dem Finanzgericht Münster. Er machte geltend, dass er seine Steuererklärung erstmalig und lediglich geringfügig verspätet abgegeben habe. Zudem habe die Veranlagung sogar zu einer Erstattung geführt.

Das Gericht sieht die Klage als begründet an. Das Finanzamt habe bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlages eine Ermessensentscheidung treffen müssen. Zwar lag aufgrund der erheblich verspäteten - und nicht entschuldbaren - Abgabe der Steuererklärung ein Fall des § 152 Abs. 2 AO vor, wonach die Festsetzung von Verspätungszuschlägen eigentlich obligatorisch ist. Da es sich um einen Erstattungsfall gehandelt habe, wurde aus der "Muss-Vorschrift" dann aber doch wieder eine "Kann-Vorschrift" (§ 152 Abs. 1 AO). Das Finanzamt musste also eine Ermessensentscheidung treffen. Dabei könne unter anderem von Bedeutung sein, ob sich aus der Veranlagung eine Nullfestsetzung, eine Nachzahlung oder eine Steuererstattung ergibt - so das Gericht (FG Münster, Urteil vom 14.6.2024 (Az. 4 K 2351/23).

Das Finanzgericht weist auf Folgendes hin und gibt damit eine Prüfreihenfolge vor:

  • Zunächst ist zu prüfen, ob der Verspätungszuschlag verpflichtend festzusetzen war (§ 152 Abs. 2 AO). Das war hier - trotz des Überschreitens des Karenzzeit - nicht der Fall, da es zu einer Erstattung kam (§ 152 Abs. 3 AO). Folglich greifen nicht mehr die Regelungen des § 152 Abs. 2 AO ("Muss-Vorschrift"), sondern diejenigen des § 152 Abs. 1 AO ("Kann-Vorschrift")
  • Als Zweites ist zu prüfen, ob die verspätete Abgabe der Steuererklärung entschuldbar war. In § 152 Abs. 1 Satz 2 AO heißt es: "Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn der Erklärungspflichtige glaubhaft macht, dass die Verspätung entschuldbar ist; das Verschulden eines Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Erklärungspflichtigen zuzurechnen." Einen guten Entschuldigungsgrund konnte der Steuerpflichtige hier aber nicht vorbringen. Somit ist klar, dass das Finanzamt einen Verspätungszuschlag, der in seinem Ermessen lag, prinzipiell festsetzen durfte (§ 152 Abs. 1 Satz 1 AO).
  • Nun muss das Finanzamt sein Ermessen aber auch tatsächlich ausüben und dabei "die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhalten" (§ 5 AO). Bei dieser Ermessensausübung muss das Finanzamt einerseits berücksichtigten, welche Folgen sich aus der verspäteten Abgabe für das Veranlagungsverfahren und den Steuerpflichtigen ergeben. Insbesondere kann von Bedeutung sein, ob die verspätete Abgabe zu einer Verzögerung des Veranlagungsverfahrens geführt und ob sich aus der Veranlagung eine Nullfestsetzung, Nachzahlung oder Erstattung ergeben hat. Andererseits ist die Schwere des Pflichtverstoßes des Steuerpflichtigen und dabei insbesondere die Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung ebenfalls mit einzubeziehen. Eine ermessensfehlerfreie Festsetzung setzt daher grundsätzlich voraus, dass die Finanzbehörde alle maßgeblichen Kriterien beachtet und gegeneinander abwägt. Im Urteilsfall habe die Ermessensentscheidung des Finanzamtes den genannten Kriterien nicht entsprochen, da alleine auf die verspätete Abgabe und das Verschulden des Klägers abgestellt worden sei.

STEUERRAT: Das Gericht hat zwar die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, doch darauf wurde verzichtet. Das Urteil ist rechtskräftig.

Handlungsempfehlungen

Wer absehen kann, dass er seine Steuererklärung nicht innerhalb der gesetzlichen Abgabefrist beim Finanzamt einreichen kann, sollte unbedingt einen Antrag auf Fristverlängerung stellen und diesen begründen. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wird das Finanzamt den Antrag - zumindest stillschweigend - genehmigen. Natürlich gibt es vereinzelte Finanzbeamte, die auf der pünktlichen Abgabe der Steuererklärung beharren und einen Antrag auf Fristverlängerung ablehnen. Dann gibt es folgende Möglichkeiten:

1.Man kommt dem Wunsch des Finanzbeamten nach und setzt alles daran, die Steuererklärung noch irgendwie fristgerecht einzureichen.

2.Man sieht keine Möglichkeit, die Erklärung innerhalb der gesetzten Frist einzureichen, bemüht sich aber, die Frist nicht allzu sehr zu überschreiten und macht glaubhaft, dass die Verspätung entschuldbar ist. Dann besteht die Möglichkeit, dass das Finanzamt erst gar keinen Verspätungszuschlag festsetzt. Und falls ein Zuschlag dennoch festgesetzt wird, weil das Finanzamt die Entschuldigung nicht anerkennt, bestehen gute Chancen, sich gegen den Verspätungszuschlag - mittels Einspruch und gegebenenfalls Klage vor dem Finanzgericht - erfolgreich zur Wehr zu setzen. Das setzt aber voraus, dass die Verspätung die Ausnahme ist oder eben doch - anders als von Finanzamt angenommen - auf einem wichtigen Grund beruht. Jedenfalls muss das Finanzamt sein Ermessen pflichtgemäß ausüben und darf nicht willkürlich handeln.

STEUERRAT: Wer der Meinung ist, dass die verspätete Abgabe der Steuererklärung entschuldbar ist oder das Finanzamt sein Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt hat, sollte gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages Einspruch einlegen.

14 bzw. 17 Monate nach Ablauf des Steuerjahres ist aber das Ende der Fahnenstange erreicht. Dann greift die obige gesetzliche Regelung zur verpflichtenden Festsetzung von Verspätungszuschlägen. Hier macht es keinen Sinn, eine vermeintlich falsche Ermessensabwägung anzuprangern - es sei denn, es kommt zu einer Erstattung oder es wurde gar keine Steuer festgesetzt ("Null-Fall"). Dann wiederum "kann" das Finanzamt zwar einen Verspätungszuschlag festsetzen, muss sein Ermessen aber auch hier pflichtgemäß ausüben. Und dieses wiederum kann per Einspruch und gegebenenfalls mittels Klage überprüft werden.

STEUERRAT: Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen noch bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen. Damit ist es der Finanzbehörde aber nur gestattet, bereits an- oder dargestellte Ermessenserwägungen zu vertiefen, zu verbreitern oder zu verdeutlichen. Nicht dagegen ist die Behörde befugt, Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren erstmals anzustellen, die Ermessensgründe auszuwechseln oder vollständig nachzuholen - so das FG Münster im Besprechungsurteil.

STEUERRAT: Wenn ein Einspruch nicht hilft, bleibt - bei unbilligen Härten - ein Antrag auf einen teilweisen oder vollständigen Erlass des Verspätungszuschlages. Dieser Antrag auf Billigkeitserlass muss aber gut begründet sein, das heißt, es ist die sachliche und am besten auch die persönliche Härte darzulegen, die durch die Festsetzung des Verspätungszuschlages entstanden ist.

Werden zusätzlich Nachzahlungszinsen festgesetzt?

Neben den Verspätungszuschlägen gibt es andere "Widrigkeiten", mit denen Steuerzahler konfrontiert sein können, insbesondere den Zinsen auf Steuernachforderungen ("Nachzahlungszinsen"). Verspätungszuschläge und Nachzahlungszinsen schließen sich nicht aus.

Was geschieht bei Nichtabgabe der Steuererklärung?

Wer die Steuererklärung nicht abgibt, muss damit rechnen, dass seine Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden, was in aller Regel zu einer noch höheren Nachzahlung führt als bei der Abgabe einer ausgefüllten Steuererklärung. Zwar sollen die Finanzämter möglichst reell schätzen und zudem werden viele Daten, insbesondere zum Lohn, zu Lohnersatzleistungen und zu den Vorsorgeaufwendungen, programmtechnisch beigesteuert. Doch Werbungskosten oder Sonderausgaben, die über die automatisiert mitgeteilten Beträge und die Pauschalen hinausgehen, werden vom Finanzamt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht geschätzt. Mitunter wird auch die eine oder andere Zahl mit einem Sicherheitsauf- oder -abschlag zu Ungunsten der Steuerpflichtigen versehen: Und: Der Verspätungszuschlag kommt oben drauf - auch wenn die Erklärung überhaupt nicht abgegeben wurde. In extremen Fällen droht zudem ein Bußgeld. 

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Steuertipp der Woche vom 28.10.2024