Der steuerliche Rentenfreibetrag zugunsten einer Rentnerin ist auch dann neu zu berechnen, also zu erhöhen, wenn eine Erhöhung der laufenden Rente um die so genannte Mütterrente erfolgt. Das hat die Finanzverwaltung zwar nicht anders gesehen, allerdings kam sie bei der Berechnung des Rentenfreibetrages dennoch vielfach zu niedrigeren Werten als der BFH bei seiner Ermittlung. Lesen Sie dazu die nachfolgenden Hinweise.

Gemeinhin wird davon gesprochen, dass Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem so genannten Besteuerungsanteil steuerpflichtig sind. Das ist eigentlich nur die halbe Wahrheit, denn konkret muss es lauten:

  • Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind im ersten und zweiten Bezugsjahr mit dem Besteuerungsanteil steuerpflichtig, der für das Jahr des Rentenbeginns gesetzlich festgelegt ist (bei Rentenbeginn im Jahre 2023: 83 Prozent).
  • Der Restbetrag im zweiten Jahr ist der persönliche Rentenfreibetrag, der in Euro ermittelt und dann zeitlebens festgeschrieben wird.
  • Ab dem dritten Jahr ist die Rente in voller Höhe nach Abzug des persönlichen Rentenfreibetrages und des Werbungskosten-Pauschbetrages von 102 EUR steuerpflichtig.
  • Das bedeutet: Laufende Rentenerhöhungen ab dem dritten Bezugsjahr sind immer in vollem Umfang steuerpflichtig.

Regelmäßige Rentenanpassungen führen nicht zu einer Neuberechnung des persönlichen Rentenfreibetrages. ABER: Eine Neuberechnung erfolgt, wenn sich die Rente aus außerordentlichen Gründen ändert, z.B. bei Rentennachzahlungen, Anrechnung eigenen Einkommens auf die Witwenrente, Übergang von einer Teilrente zur Vollrente und umgekehrt.

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Rentenfreibetrag zugunsten einer Rentnerin auch dann neu zu berechnen, also zu erhöhen ist, wenn eine Erhöhung der laufenden Rente um die so genannte Mütterrente erfolgt. Das hat die Finanzverwaltung zwar nicht anders gesehen, allerdings kam sie bei der Berechnung des Rentenfreibetrages dennoch vielfach zu niedrigeren Werten als der BFH bei seiner Ermittlung (BFH-Urteil vom 14.12.2022, X R 24/20).

  • Der Fall: Im Streitjahr 2014 bezog die Klägerin eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 6.726 EUR, wobei ihr bestehender Rentenanspruch ab dem 1.7.2014 durch die so genannte Mütterrente aufgrund von zwei berücksichtigungsfähigen Kindern jeweils um einen Rentenentgeltpunkt erhöht wurde. Das waren monatlich 28,61 EUR je Kind. Die Zahlung der Mütterrente basierte auf dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.6.2014 (BGBl I 2014, 787). Die Ursprungsrente wird seit 2010 gezahlt, so dass sie einem Besteuerungsanteil von 60 Prozent unterlag. Der Rentenfreibetrag wurde dementsprechend unter Berücksichtigung des steuerfreien Teils der Rente von 40 Prozent ermittelt. Das Finanzamt hat den Rentenfreibetrag aufgrund der Mütterrente zwar erhöht, allerdings nicht in dem Maße, wie es von der Klägerin gefordert wurde. Der BFH hat nun genau ins Gesetz geschaut und den Rentenfreibetrag höher angesetzt als es das Finanzamt getan hat.
  • Die Berechnung des BFH ist allerdings sehr komplex. Die Grundsätze lauten etwas vereinfacht: Der Rentenfreibetrag ist anzupassen, wobei der Rentenbeginn im Jahr 2010 (Besteuerungsanteil 60 Prozent) und die "Festschreibung" des Rentenfreibetrages in 2011 zu berücksichtigen ist. Allerdings sind die zwischenzeitlichen Erhöhungen der persönlichen Entgeltpunkte wie eine laufende Rentenerhöhung zu berücksichtigen, für die der Rentenfreibetrag nicht neu berechnet werden darf. Von daher muss so getan werden, als wenn die Mütterrente zwar - fiktiv - ab 2010 gezahlt worden wäre, dabei müssen aber wiederum - fiktive - laufende Erhöhungen berücksichtigt (abgezogen) werden. Die Berechnung sieht dann so aus: 6 Monate fiktiver Rentenbezug in 2011 (= Jahr der Festschreibung des Rentenfreibetrages) x 27,34 EUR Rentenerhöhung (statt 28,61 EUR tatsächlicher Erhöhung) x 2 Kinder x 40 % (aufgrund erstmaligem Rentenbezug in 2010) = 131,23 EUR. Dieser - neue - Rentenfreibetrag wird nun zeitlebens gewährt.
  • Die Finanzverwaltung hat anders gerechnet. Sie hat nämlich nicht die tatsächliche Mütterrente um die zwischenzeitlichen Erhöhungen der persönlichen Entgeltpunkte gemindert, sondern von vornherein nur den durchschnittlichen Rentenwert berücksichtigt, der bei erstmaligem Bezug der Rente galt (vgl. dazu auch die Berechnungen unter Landesamt für Steuern Niedersachsen - Häufige Fragen zur Mütterrente). Im Urteilsfall hat sie mit 27,20 EUR (durchschnittlicher Rentenwert) statt 27,34 EUR (tatsächliche Rentenerhöhung in 2014 rückgerechnet auf das Jahr 2011) kalkuliert.

STEUERRAT: Die Neuberechnung des Rentenfreibetrages aufgrund der Mütterrente ist zugegebenermaßen alles andere als einfach. Und die steuerlichen Auswirkungen dürften bei vielen Steuerzahlern - wenn überhaupt - auch nicht sehr hoch sein, denn oftmals geht es nur um wenige Cent. Andererseits muss man dem Fiskus auch nichts schenken. Von daher sollten Betroffene vom Finanzamt nun angesichts des BFH-Urteils eine Neuberechnung des Rentenfreibetrages einfordern. Legen Sie gegebenenfalls gegen aktuelle Steuerbescheide Einspruch ein.

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