Wenn an einem älteren Gebäude, dessen Räumlichkeiten vermietet werden oder erst noch vermietet werden sollen, umfassende Baumaßnahmen vorgenommen werden, stellt sich die Frage, ob es sich bei den Kosten um Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand handelt. Im ersten Fall können die Kosten nur im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) über viele Jahre verteilt abgesetzt werden, im zweiten Fall ist ein Sofortabzug oder wahlweise eine Verteilung der Kosten auf zwei bis fünf Jahre möglich (§ 82b EStDV). Damit ist es in aller Regel günstiger, wenn Erhaltungsaufwand angenommen wird. Die Frage, wann Herstellungs- und wann Erhaltungsaufwand vorliegt, ist mitunter nur schwierig zu beantworten und es gibt dazu enorm viele Streitigkeiten zwischen Finanzämtern und Hausbesitzen. Im Grundsatz gilt Folgendes:
  • Aufwendungen für die Renovierung oder Modernisierung einer Immobilie, die in den ersten drei Jahren nach deren Erwerb getätigt werden, sind nicht sofort abziehbar, wenn die Investitionen insgesamt 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Dann müssen die Aufwendungen den Anschaffungskosten des Gebäudes hinzugerechnet und damit zusammen abgeschrieben werden. Sie können also nicht sofort in einer Summe geltend gemacht werden. Der Fachbegriff für derartige Aufwendungen lautet "anschaffungsnahe Herstellungskosten" (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG).
  • Wenn sich die Immobilie schon seit mehreren Jahren im Besitz des Steuerpflichtigen befindet, anschaffungsnahe Herstellungskosten also ausscheiden, kommt es darauf an, ob die Renovierungsmaßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Zustand der Immobilie geführt haben. Das ist die so genannte Standardhebung und die Aufwendungen sind in diesem Fall als Herstellungsaufwand zu beurteilen. Eine wesentliche Verbesserung liegt vor, wenn der Gebrauchswert des Gebäudes durch die Baumaßnahmen deutlich erhöht wird. Maßgebend ist, dass mindestens drei der vier Ausstattungs-Kernbereiche einer Immobilie, nämlich Elektro-, Heizungs-, Sanitärinstallation und Fenster, nicht allein eine zeitgemäße Modernisierung erfahren, sondern in ihrer Funktion deutlich erweitert und ergänzt werden (BFH-Urteil vom 14.7.2004, IX R 52/02). Auch wenn etwas Neues geschaffen, also zum Beispiel angebaut wird, liegen Herstellungskosten vor. Dies wird als Substanzmehrung bezeichnet. Ohne Standardhebung oder Substanzmehrung sind die Kosten grundsätzlich als Erhaltungsaufwand zu beurteilen, selbst wenn diese - zum Beispiel aufgrund einer Generalüberholung des Gebäudes in ungewöhnlicher Höhe zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum anfallen (BMF-Schreiben vom 18.7.2003, BStBl 2003 I S. 386).

AKTUELL hat das Niedersächsische Finanzgericht entschieden, dass Herstellungsaufwand auch dann vorliegen kann, wenn die von der Baumaßnahme betroffene Fläche eine bessere oder eine völlig neue Nutzungsmöglichkeit schafft. Auf eine Standardhebung kommt es dann nicht mehr unbedingt an (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.3.2023, 15 K 17/21).

  • Der Fall: Einer GbR gehört ein Geschäftshaus. Das Gebäude, Baujahr 1974, hat ein Kellergeschoss, ein Erdgeschoss sowie zwei Obergeschosse. Das Erdgeschoss wurde in 2014 umfassend renoviert. An die Stelle einer Nutzung als Verkaufsfläche für einen Lebensmittelmarkt sollte eine Nutzung als Ladenfläche für eine Apotheke sowie eine Bäckerei mit angeschlossenem Café-Betrieb treten. Die Größe der Nutzfläche blieb unverändert. Die GbR war der Auffassung, dass lediglich Erhaltungsaufwand vorlag, da es durch die Baumaßnahmen nicht zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung gekommen sei. Die Eigenschaft des Erdgeschosses als Einzelhandelsfläche sei durch den Umbau nicht berührt worden. Der Umbau habe lediglich zur Aufteilung der vormaligen einheitlichen Einzelhandelsfläche in zwei separat vermietbare Einzelhandelsflächen geführt. Eine Wesensänderung des Gebäudes sei nicht eingetreten. Die Aufwendungen für die Gewerke Elektro, Heizung, Sanitär und Fenster hätten hauptsächlich darin bestanden, die vorhandenen Anlagen in zeitgemäßer Form zu ersetzen. Doch das Finanzamt und auch das Finanzgericht beurteilten die Sache anders: Es lägen Herstellungskosten vor, die lediglich im Wege der AfA abzuziehen seien.
  • Begründung: Aufgrund der Gesamtheit der durchgeführten Gewerke liegen Herstellungskosten vor, weil das Erdgeschoss umfassend renoviert und - vor allem - für eine andere Art von gewerblicher Nutzung erschlossen wurde. Mag es auch zutreffen, dass sämtliche Teile in ihrer ursprünglichen Funktion bereits im Erdgeschoss vorhanden waren, so wurden diese durch den Umbau neu zueinander in Beziehung gesetzt. Damit ist die Schwelle zu einer mit der Substanzmehrung einhergehenden erweiterten bzw. geänderten Nutzungsmöglichkeit überschritten. Eine wesentliche Verbesserung liegt zwar nicht durch eine Standardhebung in drei der vier für Wohngebäude entwickelten Kernbereichen der Ausstattung vor, jedoch durch die Schaffung einer bislang nicht vorhandenen Nutzungsmöglichkeit für eine andere Art der gewerblichen Nutzung. Im Übrigen ist es ausreichend, wenn - wie hier - lediglich die Erdgeschossfläche infolge der Baumaßnahme in seinen Nutzungsmöglichkeiten erweitert wird.

STEUERRAT: Zur besseren Verständlichkeit sind der Sachverhalt und die Begründung des Urteils etwas vereinfacht wiedergegeben worden. Immobilieneigentümer, die eine umfassende Renovierung - verbunden mit einer Nutzungsänderung von Räumlichkeiten - planen, sollten das Urteil aber ausführlich studieren, auch wenn es nicht gerade leicht verdaulich ist.

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