Verpflegungspauschalen dürfen steuerlich nur dann abgezogen werden, wenn der Arbeitnehmer länger als acht Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist. Zudem dürfen Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale steuerlich geltend gemacht werden, während Fahrten zu anderen beruflichen Zielen mit der Dienstreisepauschale von 30 Cent pro gefahrenem Km oder mit den tatsächlichen Kosten abziehbar sind. Steuerlich wäre es also von Vorteil, wenn ein Arbeitnehmer gar keine erste Tätigkeitsstätte hat oder seine Fahrten als Reisen zu einer zweiten oder einer auswärtigen Tätigkeitsstätte gewertet würden. Der Bundesfinanzhof hat in jüngster Vergangenheit zweimal zu der Frage Stellung nehmen müssen, wann Rettungsassistenten und Rettungssanitäter eine erste Tätigkeitsstätte haben. Einmal entschied er zu Ungunsten und einmal zu Gunsten des jeweiligen Klägers. Dabei wichen die Sachverhalte nur in Nuancen voneinander ab.

Fall 1: Rettungswache als erste Tätigkeitsstätte

Im Jahre 2020 hat der BFH entschieden, dass die Rettungswache, der ein Rettungsassistent zugeordnet war, auch dessen erste Tätigkeitsstätte war (BFH-Urteil vom 30.9.2020, VI R 11/19).

  • Der Fall: Der Arbeitgeber des Klägers betrieb drei Rettungswachen. Für alle Standorte bestand eine 24-Stunden-Einsatzbereitschaft. Die Arbeitseinteilung der Rettungsassistenten war in Fünf-Tages-Dienstplänen organisiert, die von der jeweiligen Wachleitung erstellt wurden. Der Kläger begann seinen Schichtdienst regelmäßig in der Hauptwache in der Y-Straße und half in Vertretungsfällen ausnahmsweise in einer anderen Rettungswache aus. Der Kläger kam jeweils ca. 15 bis 20 Minuten vor Schichtbeginn in die Hauptwache und legte seine Dienstkleidung an. Anschließend prüfte er, ob das Rettungsfahrzeug sauber war und die erforderliche Ausstattung enthielt. Sobald von der Rettungsleitstelle Einsatzdaten übermittelt wurden, fuhr der Kläger im Rettungsfahrzeug von der Hauptwache zum Einsatz. Nach dem jeweiligen Einsatz verblieb er im dortigen Stadtteil. Bei Schichtende fuhr er das Rettungsfahrzeug nach dem letzten Einsatz wieder zur Hauptwache.
  • Der BFH sah die Hauptwache als erste Tätigkeitsstätte des Rettungsassistenten. Die Möglichkeit des Arbeitgebers, den Kläger auch an einer anderen Rettungswache als Rettungsassistenten einzusetzen, wertete der BFH hier als unerheblich.

Fall 2: Rettungswache ist nicht die Tätigkeitsstätte

In einem aktuellen Fall hat der BFH dagegen anders entschieden und die Rettungswache nicht als erste Tätigkeitsstätte angesehen. Folglich konnten an allen Tagen, an denen der Kläger länger als acht Stunden von seiner Wohnung entfernt war, Verpflegungspauschalen beansprucht werden. Der Beschluss des BFH lautet: Ordnet der Arbeitgeber seine Mitarbeiter einem Versorgungsbereich zu, innerhalb dessen sie dauerhaft und grundsätzlich, aber rollierend auf Basis monatlich erstellter Dienstpläne in verschiedenen Rettungswachen eingesetzt werden, kommt eine dauerhafte Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 8.2.2024, VI B 46/23).

  • Der Fall: Ausweislich des Arbeitsvertrages des Klägers galt das Kreisgebiet eines Landkreises als dessen Arbeitsort. Der Kläger reichte beim Finanzamt eine Arbeitgeberbestätigung ein, wonach keine dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte festgelegt wurde. Vielmehr hatte der Arbeitgeber erläutert, die Mitarbeiter würden einem Versorgungsbereich zugeordnet, innerhalb dessen sie dauerhaft und grundsätzlich eingesetzt würden. Innerhalb dieses Bereichs rollierten sie jedoch auf Basis monatlich erstellter Dienstpläne auf allen Wachen.
  • Bei diesem Sachverhalt könne eine dauerhafte Zuordnung zu einer bestimmten Rettungswache oder einer ersten Tätigkeitsstätte nach § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG nicht angenommen werden - so der BFH. Allein ein monatlich im Voraus erstellter Dienstplan könne bei einem unbefristet tätigen Arbeitnehmer keine Dauerhaftigkeit der Zuordnung begründen. Darauf, dass der Steuerpflichtige rückblickend betrachtet ganz überwiegend in einer bestimmten Einsatzstelle eingesetzt wurde, komme es nicht an. Dienstpläne seien allenfalls ein Indiz für die Annahme einer dauerhaften Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers, seien jedoch kein alleiniger Beweis für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte.

STEUERRAT: Letztlich kommt es also darauf an, ob die jeweilige Weisung des Arbeitgebers als "Zuordnung" zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte zu verstehen ist oder nicht. Im ersten Fall hat der BFH eine Zuordnung gesehen, und zwar offenbar auch, weil der Kläger seine Dienste tatsächlich ganz überwiegend von der Hauptwache angetreten hat. Im zweiten Fall hingegen sah der BFH keine Zuordnung zu einer bestimmten Tätigkeitsstätte (Hauptwache), da der Kläger rollierend eingesetzt werden konnte. Interessanterweise schreibt der BFH im zweiten Fall, dass es auf eine rückblickende ("ex post") Betrachtung nicht ankommt, obwohl er genau das im ersten Fall getan hat. Zudem legt der BFH im zweiten Fall wenig wert auf die Dienstpläne, obwohl er diesen im ersten Fall durchaus Bedeutung zugemessen hat. Das verstehe, wer will.

STEUERRAT: Im Zweifelsfall ist eine eventuelle Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers durch Auslegung zu ermitteln, zumal die Zuordnung nicht zwingend dokumentiert werden muss. Sie kann sich vielmehr auch ergeben aus: Regelungen im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Protokollnotizen, dienstrechtlichen Verfügungen (u.a. Regelungen zum abweichenden Dienstsitz), Einsatzplänen, Reiserichtlinien, Reisekostenabrechnungen, dem Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Nutzung eines Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder vom Arbeitgeber als Nachweis seiner Zuordnungsentscheidung vorgelegten Organigrammen (BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228 Rz. 6 ff.). Dabei haben die einzelnen Punkte aber stets nur Indiz-Charakter und müssen mitunter in der Summe betrachtet werden, wie der BFH nun noch einmal klargestellt hat.

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