Bei vielen Steuerzahlern haben die Finanzämter ein häusliches Arbeitszimmer abgelehnt, weil es für die beschriebene Tätigkeit nicht "erforderlich" oder "notwendig" sei, etwa für die Verwaltung von einigen Mietwohnungen oder für die Verwaltung einer Fotovoltaikanlage. Ist dieses Kriterium aber für die steuerliche Absetzbarkeit des Arbeitszimmers tatsächlich von Bedeutung? Jedenfalls ergibt sich die Bedingung der "Erforderlichkeit" nicht aus dem Gesetz. Doch die Finanzverwaltung lehnt den Werbungskostenabzug ab, wenn das Arbeitszimmer nach Art und Umfang der Tätigkeit nicht erforderlich ist (OFD Rheinland vom 10.7.2012, S 2130-2011/0003-St 142). Im März 2017 hatte der Bundesfinanzhof indes genau ins Gesetz geschaut und kam zu dem verblüffenden Ergebnis, dass es auf die "Erforderlichkeit" des häuslichen Arbeitszimmers gar nicht ankommt. Die Erforderlichkeit ergebe sich nicht aus dem Gesetz und sei auch kein Merkmal für die Abzugsfähigkeit des Arbeitszimmers (BFH-Urteil vom 8.3.2017, IX R 52/14).

Im Gesetz sei die Absetzbarkeit eines Arbeitszimmers auf zwei Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung) begrenzt. Diesen Fallgruppen liegt die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in diesen Fällen erforderlich sind. "Ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für die beiden Fälle, in denen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer überhaupt nur abzugsfähig sind, folgt daher weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung".

AKTUELL hat der Bundesfinanzhof seine Sichtweise aus 2017 erneut bestätigt: Die "Erforderlichkeit" des Arbeitszimmers ist kein Merkmal des Abzugstatbestands. Ein Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer setzt nicht voraus, dass das Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist. Wird der Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt, genügt das für den Abzug. Daher kann ein Arbeitszimmer auch bei einer Flugbegleiterin wegen fehlenden Arbeitsplatzes absetzbar sein, sofern der Raum so gut wie ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt wird. Auf den zeitlichen Umfang ihrer Büroarbeiten im Arbeitszimmer kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 3.4.2019, VI R 46/17, erst veröffentlicht am 24.3.2022).

  • Der Fall: Eine Flugbegleiterin macht Arbeitszimmerkosten in Höhe von 1.250 EUR als Werbungskosten geltend. Sie benötige das Arbeitszimmer für die Nutzung des firmeninternen Intranets, das Abrufen der Dienstpläne, das Lesen interner Mitteilungen und Dienstanweisungen, Trainingsprogramme sowie allgemeine Flugvorbereitungen (z.B. Information über streckenspezifische Besonderheiten und Produktveränderungen, Studium der Arbeitsanweisungen), für Flugnachbereitungen (z.B. Erstellung von Feedback- und Ereignisprotokollen) sowie Fortbildungen (Erste-Hilfe-Auffrischungen, Emergency-Übungen). Zudem legt sie eine Bescheinigung der Fluggesellschaft vor, wonach ihr kein individueller Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.
  • Das Finanzgericht hatte die Anerkennung des Arbeitszimmers abgelehnt, weil der feststellbare zeitliche Umfang der Bürotätigkeiten so gering war, dass dafür ein Arbeitszimmer nicht "erforderlich" war. Die Richter gingen von einem zeitlichen Arbeitsumfang zu Hause von 51 Stunden im Jahr aus, was einem Anteil von 3,1 % der Gesamtarbeitszeit entsprach - zu wenig, um das Arbeitszimmer anzuerkennen (FG Düsseldorf vom 4.5.2017, 8 K 329/15 E).
  • Doch nach Auffassung des BFH kommt es für den Werbungskostenabzug nicht darauf an, ob ein Arbeitszimmer für die beruflichen Arbeiten erforderlich ist. Das Gesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abziehbar sind. Insoweit typisiert das Gesetz die Erforderlichkeit der beruflichen oder betrieblichen Nutzung des Arbeitszimmers für die Fälle, dass "kein anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung steht oder das Arbeitszimmer den "Mittelpunkt der gesamten Betätigung" bildet. Dabei wird der Begriff der Erforderlichkeit nicht zu einer Voraussetzung für den Abzug gemacht. Ob der Steuerpflichtige die Arbeiten, für die ihm kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, leicht an einem anderen Ort in der Wohnung - am Küchentisch, im Esszimmer oder in einem anderen Raum - hätte erledigen können, ist deshalb unerheblich.

STEUERRAT: Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können grundsätzlich nicht als Werbungskosten abgezogen werden (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG). Anders ist dies, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall können Aufwendungen bis zu 1.250 EUR im Rahmen der Einkommensteuer berücksichtigt werden. Bildet das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, können die Aufwendungen der Höhe nach unbeschränkt abgezogen werden. ABER: Das Arbeitszimmer muss tatsächlich nahezu ausschließlich beruflich genutzt werden. Entfällt ein nicht unerheblicher Anteil der Nutzung des Arbeitszimmers auf private Tätigkeiten (z.B. Erledigung privater Korrespondenz, Aufbewahrung privater Unterlagen), scheidet ein Abzug der Aufwendungen wegen der "gemischten Nutzung" dennoch aus. Dann kommt in Fällen jüngeren Datums nur der Abzug der Homeoffice-Pauschale (max. 600 EUR pro Jahr) in Betracht. 

Bitte beachten Sie die Neuregelungen zum Abzug der Kosten für das Arbeitszimmer bzw. zur Homeoffice-Pauschale ab 2023: Arbeitszimmer und Homeoffice: Die neuen Regeln ab 2023

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