Werden bei der Scheidung im Rahmen des Versorgungsausgleichs die Rentenanwartschaften beim Ausgleichsverpflichteten gemindert, hat dieser die Möglichkeit, die gekürzten Rentenanwartschaften ganz oder teilweise wieder aufzufüllen (§ 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). AKTUELL hat das Bundesfinanzministerium zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Wiederauffüllungsleistungen Stellung genommen (BMF-Schreiben vom 21.3.2023, IV C 3 - S 2221/19/10035 :001). Danach gilt:
  • Die ausgleichspflichtige Person kann jederzeit freiwillig Zahlungen vornehmen, um aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs geminderte eigene Versorgungsanwartschaften wieder aufzufüllen. Beiträge in die gesetzlichen Rentenversicherungen, zur landwirtschaftlichen Alterskasse oder zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie zu zertifizierten Basisrentenverträgen können im Jahr der Zahlung als Sonderausgaben im Rahmen des Höchstbetrages nach § 10 Abs. 3 EStG berücksichtigt werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a und b EStG).
  • Zahlungen zur Auffüllung eines geminderten Versorgungsanspruchs im Sinne des § 19 EStG, also zur Auffüllung von späteren Pensionsleistungen, können im Jahr der Zahlung als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden, da dies den Bezug höherer Versorgungsbezüge sichert.

HINWEIS: Eine Wiederauffüllungszahlung an die Rentenversicherung oder an ein berufsständisches Versorgungswerk stellt ihrer Rechtsnatur nach zwar vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften dar, da sie Kürzungen der Altersrente vermeidet. Doch nach Ansicht der Finanzverwaltung handelt es sich letztlich um Beiträge zur Rentenversicherung bzw. zum berufsständischem Versorgungswerk, und daher stellt die Zahlung eine Sonderausgabe dar, die lediglich im Rahmen des zulässigen Höchstbetrages abgesetzt werden kann. Der Bundesfinanzhof hat die Ansicht der Finanzverwaltung mit Urteil vom 19.8.2021 (X R 4/19) bestätigt. 

  • Der Fall: Ein angestellter Rechtsanwalt hatte Versorgungsanwartschaften aus dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte erworben und davon einen Teil bei Scheidung im Wege der internen Teilung an die Ehefrau abgegeben. Der Anwalt nahm die Möglichkeit wahr, seine durch den Versorgungsausgleich gekürzte Rentenanwartschaft durch eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 75.000 EUR um die Hälfte wieder aufzufüllen. Der Anwalt machte diesen Betrag als Werbungskosten geltend, während das Finanzamt die Zahlung der Vermögensebene zuordnete und den Betrag als Beitrag zur Altersvorsorge im Rahmen der Sonderausgaben berücksichtigte.
  • Nach Auffassung des BFH kann die Wiederauffüllungszahlung nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften berücksichtigt werden. Trotz ihrer Rechtsnatur als Werbungskosten ist die Wiederauffüllungszahlung nur im Rahmen der Sonderausgaben absetzbar, weil es sich bei der Zahlung um "Beiträge" handelt.

STEUERRAT: Die Zuordnung der Wiederauffüllungsleistung zu den Sonderausgaben hat den Nachteil, dass sich die Zahlung nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag auswirkt. Im Jahre 2022 waren die Altersvorsorgebeiträge insgesamt absetzbar bis zu 25.639 EUR bei Ledigen und 51.278 EUR bei Verheirateten. Davon wirkten sich 94 Prozent steuermindernd aus, das heißt höchstens 24.101 EUR bzw. 48.202 EUR. Im Jahre 2023 beträgt der abzugsfähige Höchstbetrag für Altersvorsorgeaufwendungen 26.528 EUR bei Alleinstehenden und 53.056 EUR bei Verheirateten. Der Höchstbetrag wird seit 2023 zwar nicht weiter gekürzt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der jeweilige Höchstbeträge oft bereits weitgehend durch laufende Rentenversicherungsbeiträge bzw. Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken ausgeschöpft ist, sodass sich eine zusätzliche Wiederauffüllungszahlung nur wenig steuermindernd auswirkt.

STEUERRAT: Wegen des Höchstbetrages empfiehlt es sich, hohe Wiederauffüllungszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung oder in das Versorgungswerk auf mehrere Jahre zu verteilen - natürlich nur, sofern dies wirtschaftlich sinnvoll und nach der Satzung des Versorgungwerks zulässig ist. Falls Sie hierfür ein Darlehen aufnehmen müssen, können Sie die Schuldzinsen zumindest nach einem älteren BFH-Urteil als Werbungskosten bei den "sonstigen Einkünften" nach " 22 Nr. 1 EStG absetzen (BFH 5.5.1993, BStBl 1993 II S. 867).

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