Diese Ausgabe bietet unter anderem folgende interessante Themen:
- Arbeitszimmer: Wenn der Nutzende nicht alleiniger Eigentümer oder Mieter ist
- Arbeitszimmer: Ist ein steuerfreier Auslagenersatz des Arbeitgebers möglich?
- Ambulante Pflege im eigenen Haushalt: Keine Steuerermäßigung für Angehörige
- Beerdigungskosten: Sterbegeld mindert außergewöhnliche Belastungen nicht
- Kindergeld: Hoffnung für Eltern, die die Sechs-Monats-Frist verpasst haben
- Kinderbetreuungskosten: Fahrtkostenersatz an Großeltern
Hier geht es zum gesamten Inhaltsverzeichnis und zu Ihrem SteuerSparbrief (Hinweis: Die PDF-Datei zum Ausdruck finden Sie unterhalb des Inhaltsverzeichnisses):
Hier finden Sie auch die PDF-Datei zum Ausdruck: SteuerSparbrief September 2020
Liebe Leserin, lieber Leser,
die meisten Steuergesetze bedürfen der Zustimmung des Bundesrats, bevor sie in Kraft treten. Das ist Ausfluss unseres föderalen Systems. Nicht jedes Steuergesetz wird dadurch besser und schon gar nicht einfacher. Aber unser Grundgesetz sieht die Verteilung der gesetzgeberischen Kompetenz aus gutem Grund vor. Schon gar nicht liegen Steuergesetze im Ermessen der Bundesregierung, sondern sind vom Parlament zu verabschieden, und zwar nach vorheriger Debatte.
Derzeit habe ich jedoch den Eindruck, dass sowohl das föderale als auch das parlamentarische System bei der Verabschiedung von steuerlichen Gesetzen einem gewissen Stress ausgesetzt sind, um es vorsichtig zu formulieren. Speziell beziehe ich mich auf das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz, mit dem unter anderem die befristete Absenkung der Umsatzsteuersätze beschlossen worden ist. Es wurde am 29. Juni von Bundestag und Bundesrat verabschiedet, am 30. Juni verkündet und ist am 1. Juli 2020 um 0.00 Uhr in Kraft getreten. Bereits in den Wochen zuvor wurde von allen Seiten so getan, als wenn das Gesetz längst beschlossen wäre. Das war es aber nicht. Der Bundesrat musste erst noch zustimmen! Die zeitliche Abfolge hat jedoch gar kein anderes Votum als eine Zustimmung erlaubt. Damit wurde der Bundesrat zur Zustimmung verdammt.
Es gab hinreichend Kritik an dem Gesetz, die der Bundesrat - genügend Zeit vorausgesetzt - mit Sicherheit angebracht hätte. Das durfte er aber nicht. Doch nicht nur dem Bundesrat wurde "die Pistole auf die Brust gesetzt." Auch der Nationale Normenkontrollrat (NKR), ein Beratungsgremium der Bundesregierung, das den Erfüllungsaufwand von Gesetzen einschätzen soll, wurde de facto übergangen. Die Einholung der Stellungnahme des Kontrollgremiums war ein reines Feigenblatt. Daher hat der Normenkontrollrat der Bundesregierung auch ungewohnt scharf mitgeteilt: "Das Ressort hat dem NKR am Tag der Kabinettbefassung um 01:02 Uhr den Regierungsentwurf zur Prüfung zur Verfügung gestellt. Eine Prüfung dieses Regierungsentwurfs in einer halben Nacht widerspricht jeglicher Form besserer Rechtsetzung und guter konstruktiver Zusammenarbeit." (Quelle: Bundesrat zu Drucksache 329/20).
Wer die anschließende Stellungnahme der Bundesregierung zu dieser "Rüge" liest, weiß, was diese von ihrem Beratungsgremium hält: nämlich nichts. Dabei handelt es sich nicht um einen x-beliebigen, freiwilligen Ausschuss. Nein, seine Funktion ist im Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates verankert.
Ich beneide derzeit keinen politisch Verantwortlichen. Zuweilen sind ihnen die Strapazen der vergangenen Wochen merklich anzusehen und schnelle Entscheidungen bergen stets auch die Gefahr, falsch zu liegen oder zumindest Seiteneffekte nicht hinreichend zu bedenken. Dennoch darf die Corona-Pandemie nicht zu einer Last für die Demokratie werden, in der Verfassungsorgane und gesetzlich bestimmte Institutionen zu Marionetten degradiert werden.
Leidtragende waren dieses Mal zigtausende kleine Händler und Gastronomen, die enormen Aufwand für die Umstellung ihrer Kassensysteme betreiben mussten. Das nächste Mal sind es aber vielleicht Vermieter, Kapitalanleger oder Rentner, die von einem Gesetz betroffen sind, das nicht einmal ordentlich parlamentarisch beraten worden ist.
Was im Übrigen geschieht, wenn ein Gesetz nicht sorgfältig erarbeitet wird, zeigt die Posse um den ungültigen Bußgeldkatalog. Sie wird nun wohl die Gerichte über Jahre belasten. Verkehrssünder und deren Anwälte wird es zwar freuen, doch den Steuerzahler kosten die Rückabwicklung und eventuelle Gerichtsverfahren Millionen. Ganz zu schweigen von dem deutschlandweit uneinheitlichen Umgang mit den "falschen" Knöllchen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Christian Herold
Redaktion Steuerrat24
I. Beruflicher Bereich
1. Arbeitszimmer:
Wenn der Nutzende nicht alleiniger Eigentümer oder Mieter ist
Das Wort "Drittaufwand" jagt vielen Steuerprofis einen kalten Schauer über den Rücken. Es bedeutet, dass jemand eine Rechnung für eine andere Person begleicht, die eigentlich die Werbungskosten oder Betriebsausgaben hätte tragen müssen. Beispiel: Die Kosten für den Einbau neuer Fenster in einem vermieteten Haus werden nicht vom Eigentümer bezahlt, sondern von Sohn oder Tochter, weil diese davon ausgehen, ohnehin bald selbst Eigentümer zu werden. In den meisten Fällen ist der Drittaufwand aber nicht abziehbar, weil nicht derjenige belastet ist, der über die Einkunftsquelle verfügt, sondern eine andere Person.
Nun haben sich die Finanzverwaltung und auch der Bundesfinanzhof zumindest in manchen Fällen großzügig gezeigt. Insbesondere galt dies, wenn Aufwendungen von einem Gemeinschaftskonto gezahlt werden. Auch bei häuslichen Arbeitszimmern wurde in der Regel nicht genau darauf geachtet, wer die Wohnung, in der sich das Arbeitszimmer befindet, eigentlich gemietet, gekauft oder errichtet hat. Das heißt: Haben Ehegatten ein Haus gemeinsam errichtet, so konnte die Ehefrau die Kosten für das von ihr genutzte häusliche Arbeitszimmer steuerlich abziehen, wenn die übrigen Voraussetzungen (z.B. Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung) vorlagen. Zumindest führte dies nur selten zu Nachfragen des Finanzamts.
Ende 2017 hat der Bundesfinanzhof (BFH) aber wie folgt entschieden: Nutzt die Ehefrau eine Wohnung, die ihr gemeinsam mit ihrem Ehemann gehört, zu beruflichen Zwecken, kann sie die AfA und Schuldzinsen nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil als Werbungskosten geltend machen, wenn die Darlehen zum Erwerb der Wohnung gemeinsam aufgenommen wurden und Zins und Tilgung von einem gemeinsamen Konto beglichen werden (Urteil vom 6.12.2017, VI R 41/15). Um es konkreter zu sagen:
- Die so genannten grundstücksorientierten Aufwendungen (also insbesondere AfA, Schuldzinsen, Grundsteuer, Versicherungsprämien) sind lediglich in Höhe des Miteigentumsanteils (hier: der Ehefrau) anzuerkennen (also üblicherweise 50 %).
- Die so genannten nutzungsorientierten Aufwendungen (Energiekosten, Wasser, Renovierungskosten für das Arbeitszimmer) bleiben jedoch zu 100 % abziehbar, auch wenn sie vom Gemeinschaftskonto beglichen werden. Gegebenenfalls ist natürlich der Höchstbetrag von 1.250 EUR für den Abzug der Arbeitszimmerkosten zu beachten, wenn das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Bislang ist die Praxis vielfach davon ausgegangen, dass die Rechtslage weniger streng ist, wenn es nicht um eine ganze "Arbeitswohnung", sondern nur um ein klassisches häusliches Arbeitszimmer im Familienheim geht. Es wurde unterstellt, dass der Ehegatte, der das Arbeitszimmer nutzt, auch Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet hat, um diesen Raum insgesamt zu nutzen. Demnach konnte die AfA - ohne nähere Prüfung - in voller Höhe geltend gemacht werden. Angeführt wurde insoweit das BFH-Urteil vom 23.8.1999 (GrS 5/97, BStBl 1999 II S. S. 774). Auch nach dem Urteil aus 2017 sollte diese Vereinfachung eigentlich Bestand haben. Doch wie so oft im Leben wurde die Rechnung ohne den Wirt, sprich ohne die Finanzverwaltung, gemacht.
AKTUELL lassen zwei Anweisungen aus Norddeutschland Böses erahnen. Sowohl die Bremer als auch die Schleswig-Holsteinische Finanzverwaltung wenden die neue Rechtsprechung ab sofort sehr streng auch beim klassischen häuslichen Arbeitszimmer an. Um es klar zu sagen: Ist der Nutzer eines Arbeitszimmers nicht gleichzeitig der alleinige Eigentümer oder der alleinige Mieter, sollte dringend geprüft werden, ob ein 100-prozentiger Abzug der Kosten weiterhin in Betracht kommt oder ob umgehend gehandelt werden muss (Senator der Finanzen, Erlass vom 4.11.2019, 900-S-2145-1/2014-1/2016-11-1, FinMin Schleswig Holstein, Kurzinfo vom 8.1.2020, VI 308-2145-116).
Die anschließend dargestellten Fälle sind also nicht nur bei einer ganzen "Arbeitswohnung", sondern auch beim häuslichen Arbeitszimmer zu unterscheiden und zu prüfen. Vorweg sei gesagt, dass die Ausführungen nicht nur für Eheleute, sondern auch für Lebenspartner gelten. Und um Missverständnisse auszuschließen: Falls nachfolgend von "100 % Abzug" die Rede ist, bezieht sich das zunächst auf den Abzug dem Grunde nach. Falls das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, ist der Abzug der Aufwendungen dann auch der Höhe nach zu 100 % möglich. Falls das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt ausmacht, ist der Abzug auf 1.250 EUR gedeckelt. Genauer gesagt: Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind bis zu 1.250 EUR als Werbungskosten absetzbar, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit "kein anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung steht. Dies ist derzeit z.B. der Fall, wenn Sie den "anderen Arbeitsplatz" im Betrieb oder in der Behörde Corona-bedingt nicht in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen können.
Das Arbeitszimmer befindet sich im eigenen Heim
Fall 1: Nutzender ist Alleineigentümer
Es kommt darauf an, von welchem Konto die grundstücksorientierten Aufwendungen (Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. AfA, Schuldzinsen, Grundsteuer, Versicherungen etc.) gezahlt werden. Die Aufwendungen werden gezahlt vom
Fall a) Konto des Ehegatten, der das Arbeitszimmer nutzt = 100 % Abzug
Fall b) Gemeinschaftskonto der Ehegatten = 100 % Abzug
Fall c) Konto des anderen Ehegatten = kein Abzug, da Drittaufwand
Fall 2: Miteigentum des Nutzenden und seines Ehegatten
Die grundstücksorientierten Aufwendungen werden gezahlt vom
Fall a) Konto des Ehegatten, der das Arbeitszimmer nutzt = 100 % Abzug
Fall b) Gemeinschaftskonto der Ehegatten = Abzug entsprechend dem Miteigentumsanteil (zumeist 50 %)
Fall c) Konto des anderen Ehegatten = kein Abzug, da Drittaufwand
Beispiel zu Fall 2b:
Die Größe der Wohung beträgt 100 qm, die des Arbeitszimmers 60 qm; der Miteigentumsanteil an der Wohnung 50 %. Die grundstücksorientierten Aufwendungen (AfA, Schuldzinsen etc.) belaufen sich auf 3.000 EUR. Von den grundstücksorientierten Aufwendungen entfallen mithin 1.800 EUR auf das Arbeitszimmer. Abziehbar entsprechend des Miteigentumsanteils sind maximal 3.000 EUR x 50 % = 1.500 Euro (ggf. begrenzt auf 1.250 EUR, wenn das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet).
Fall 3: Arbeitszimmer steht im Alleineigentum des anderen Ehegatten
Die grundstücksorientierten Aufwendungen werden gezahlt vom
Fall a) Konto des Ehegatten, der das Arbeitszimmer nutzt = 100 % Abzug
Fall b) Gemeinschaftskonto der Ehegatten = kein Abzug, da Drittaufwand
Fall c) Konto des anderen Ehegatten = kein Abzug, da Drittaufwand
Hinweis: Der Fall 3a ist eher selten anzutreffen, da in der Regel der Eigentümer allein schon die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Immobilie getragen hat.
Bei den anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden nutzungsorientierten Aufwendungen (Energiekosten, Wasser, Renovierungskosten für das Arbeitszimmer) kommt es in erster Linie darauf an, wer sie tatsächlich getragen hat und nicht, wer sie zivilrechtlich schuldet. Folglich werden die nutzungsorientierten Aufwendungen demjenigen zugerechnet, von dessen Konto sie gezahlt worden sind. Werden diese Aufwendungen von einem gemeinsamen Bankkonto der Ehegatten beglichen, kann der Nichteigentümer die durch seine berufliche Nutzung verursachten Kosten aber insgesamt und nicht nur anteilig steuerlich geltend machen.
Das Arbeitszimmer befindet sich in einer Mietwohnung
Fall 1: Nutzender ist alleiniger Mieter
Die grundstücksorientierten Aufwendungen (insbesondere die Kaltmiete) werden gezahlt vom
Fall a) Konto des Ehegatten, der das Arbeitszimmer nutzt = 100 % Abzug
Fall b) Gemeinschaftskonto der Ehegatten = 100 % Abzug
Fall c) Konto des anderen Ehegatten = kein Abzug, da Drittaufwand
Fall 2: Beide Ehegatten sind Mieter
Die grundstücksorientierten Aufwendungen (insbesondere die Kaltmiete) werden gezahlt vom
Fall a) Konto des Ehegatten, der das Arbeitszimmer nutzt = 100 % Abzug
Fall b) Gemeinschaftskonto der Ehegatten = 100 % Abzug (Ausnahme: Arbeitszimmer macht mehr als 50 % der gesamten Wohnfläche aus; dann sind max. 50 % der Kosten abziehbar)
Fall c) Konto des anderen Ehegatten = kein Abzug, da Drittaufwand
Fall 3: Der andere Ehegatte ist alleiniger Mieter
Die grundstücksorientierten Aufwendungen (insbesondere die Kaltmiete) werden gezahlt vom
Fall a) Konto des Ehegatten, der das Arbeitszimmer nutzt = 100 % Abzug
Fall b) Gemeinschaftskonto der Ehegatten = kein Abzug, da Drittaufwand
Fall c) Konto des anderen Ehegatten = kein Abzug, da Drittaufwand
Bei den anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden nutzungsorientierten Aufwendungen (Energiekosten, Wasser, Renovierungskosten für das Arbeitszimmer) kommt es in erster Linie darauf an, wer sie tatsächlich getragen hat und nicht, wer sie zivilrechtlich schuldet. Folglich werden die nutzungsorientierten Aufwendungen demjenigen zugerechnet, von dessen Konto sie gezahlt worden sind. Werden diese Aufwendungen von einem gemeinsamen Bankkonto der Ehegatten beglichen, kann der Nichteigentümer die durch seine berufliche Nutzung verursachten Kosten aber insgesamt und nicht nur anteilig steuerlich geltend machen.
STEUERRAT: Die Rechtslage zum so genannten Drittaufwand ist zugegebenermaßen äußerst kompliziert. Sofern irgend möglich, sollten daher klare Regelungen geschaffen werden. Das heißt: Es ist von Vorteil, wenn nur einer der beiden Ehegatten Eigentümer der beruflichen oder betrieblichen Räumlichkeiten ist und auch die entsprechenden Aufwendungen trägt. Unproblematisch ist der Fall, wenn der Eigentümer auch gleichzeitig der Nutzende ist. Im umgekehrten Fall, wenn zum Beispiel der Ehemann Eigentümer ist, während die Ehefrau die Räumlichkeiten beruflich oder betrieblich nutzt, sollte ein Mietvertrag zu fremdüblichen Konditionen abgeschlossen werden. Ist das Alleineigentum eines Ehegatten nicht möglich, sollte dennoch ein Mietvertrag abgeschlossen werden, und zwar über den Miteigentumsanteil. Der Vermieter muss dann zwar entsprechende Mieteinkünfte versteuern müssen, allerdings kann er die grundstücksbezogenen Aufwendungen gegenrechnen. Die Vermietung eines "halben" Arbeitszimmers in einer Wohnung, die die Eheleute ihrerseits gemeinschaftlich angemietet haben, dürfte aber wohl nicht möglich sein. Daher sollte die Miete am besten vom alleinigen Konto des Ehegatten, der das Arbeitszimmer nutzt, überwiesen werden. Zumindest muss die Überweisung vom Gemeinschaftskonto erfolgen, aber niemals vom alleinigen Konto des anderen Ehegatten.
Besonders schwierig wird die Rechtslage übrigens im betrieblichen Bereich, wenn Räumlichkeiten als Anlagevermögen bilanziert werden müssen oder es um den Abzug der gezahlten Umsatzsteuer als Vorsteuer geht. Hier gilt die Empfehlung, für klare Rechtsverhältnisse zu sorgen (alleiniges Eigentum oder Abschluss eines Mietvertrages), umso mehr. Und vor allem: Achten Sie darauf, dass die Rechnungen richtig adressiert sind. Ist ein Ehegatte alleiniger Eigentümer, müssen die Rechnungen auch auf ihn lauten und nicht auf "Herrn und Frau."
Weitere Informationen: Wenn das Arbeitszimmer anerkannt wird: Tipps und Kniffe
2. Arbeitszimmer:
Ist ein steuerfreier Auslagenersatz des Arbeitgebers möglich?
Nach wie vor befinden sich viele Arbeitnehmer quasi gezwungenermaßen im Home-Office. Üblicherweise stellen Arbeitnehmer ihrem Chef die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer nicht in Rechnung - sie sind froh, dass der Betrieb überhaupt weiterläuft. Doch zuweilen kommt der Wunsch auf, das Unternehmen möge sich an den Kosten beteiligen. Oder der Arbeitgeber möchte dem Arbeitnehmer die Kosten von sich aus ersetzen, und zwar am liebsten steuerfrei. Zwar ist verschiedentlich zu lesen, ein "Auslagenersatz" sei steuerfrei möglich. Doch so ist es ganz und gar nicht. Vielmehr gelten die Ausführungen des Bundesfinanzministeriums vom 18.4.2019 (BStBl 2019 I S. 461) und der Rechtsprechung, die wir Ihnen nachfolgend kurz vorstellen.
Vorab weisen wir darauf hin, dass es nachfolgend um die Fälle geht, in denen ein häusliches Arbeitszimmer dem Grunde nach steuerlich anzuerkennen ist, also ein eigener Raum für die Arbeit genutzt wird und nicht nur eine bloße Arbeitsecke.
Grundsätzliche Frage: Mietverhältnis oder Arbeitslohn?
Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein im Haus oder in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Arbeitszimmer, kann es sich um Mietzahlungen oder um Arbeitslohn handeln - und eben nicht um rein steuerfreien Auslagenersatz. Maßgebend ist, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Arbeitszimmers bzw. Büros erfolgt (BMF-Schreiben vom 13.12.2005, BStBl. 2006 I S. 4; BMF-Schreiben vom 18.4.2019, a.a.O.)
- Wird der betreffende Raum vor allem im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers genutzt, so ist anzunehmen, dass die Zahlungen auf einer gesonderten Rechtsbeziehung neben dem Arbeitsverhältnis beruhen. Dann ist ein Mietverhältnis anzuerkennen.
- Dient die Nutzung in erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers, so ist davon auszugehen, dass die Zahlungen des Arbeitgebers als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers geleistet werden. Ein Mietverhältnis wird folglich nicht anerkannt.
Die Nutzung erfolgt vorrangig im Interesse des Arbeitgebers (Fall 1)
Ein vorrangig betriebliches Interesse des Arbeitgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn der Arbeitgeber die Räume ausschließlich deshalb "anmietet" (bzw. einen Auslagenersatz zahlt), um dem Arbeitnehmer für die Ausübung seiner Tätigkeit einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Dieses Interesse des Arbeitgebers muss - objektiv nachvollziehbar - über die Entlohnung des Arbeitnehmers bzw. über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinausgehen. Dann wird unterstellt, dass die Mietzahlungen auf einer gesonderten Rechtsbeziehung neben dem Arbeitsverhältnis beruhen. Gerade in Corona-Zeiten kann dürfte dieser Fall sehr häufig anzunehmen sein. Folge:
- Die Mietzahlungen des Arbeitgebers gehören beim Arbeitnehmer zu den steuerpflichtigen Einnahmen aus Vermietung.
- Die Arbeitszimmerkosten sind in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung absetzbar.
STEUERRAT: Weil hier nicht ein "häusliches Arbeitszimmer", sondern ein (externes) "Büro des Arbeitgebers" vorliegt, gilt die Beschränkung des Werbungskostenabzugs auf 1.250 EUR nicht. Arbeitnehmer können daher sämtliche Aufwendungen des vermieteten Raumes in unbegrenzter Höhe als Werbungskosten absetzen - allerdings bei den Vermietungseinkünften. Andererseits kann es sein, dass die Finanzverwaltung eine Überschussprognose anfordert, aus der sich ergibt, dass die Zahlungen des Arbeitgebers die anteiligen Kosten für das Arbeitszimmer decken. Einzelheiten dazu finden Sie in dem Beitrag " Arbeitszimmer: Zimmervermietung an den Arbeitgeber".
Die Nutzung erfolgt nicht vorrangig im Interesse des Arbeitgebers (Fall 2)
Das Finanzamt erkennt Mietverträge mit dem Arbeitgeber nicht an, wenn kein vorrangig betriebliches Interesse des Arbeitgebers für die Nutzung des Arbeitszimmers nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden kann. Als gewichtiges Indiz für das Interesse des Arbeitnehmers wertet es der BFH, wenn Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers über einen weiteren Arbeitsplatz verfügen und die Nutzung des heimischen Arbeitszimmers vom Arbeitgeber lediglich gestattet oder geduldet wird. Dann ist davon auszugehen, dass die Zahlungen des Arbeitgebers als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft geleistet werden (BFH-Urteil vom 16.9.2004, BStBl 2006 II S. 10).
Außerhalb von Corona-Zeiten ist dieser Fall 2 wohl häufiger anzutreffen als der Fall 1. Derzeit ist der Fall 1, also das vorrangige Interesse des Arbeitgebers, wohl eher der Regelfall.
Die Zahlungen des Arbeitgebers für das Arbeitszimmer stellen im Fall 2 jedenfalls steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Auf der anderen Seite gelten für die Arbeitszimmerkosten die Abzugsbeschränkungen. Das bedeutet, dass die Kosten meist gar nicht oder nur begrenzt bis 1.250 EUR absetzbar sind. Nur wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung darstellt, sind die Arbeitszimmerkosten in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar.
STEUERRAT: Ist ein vorrangig betriebliches Interesse des Arbeitgebers für die Anmietung des Arbeitszimmers zu verneinen, macht ein Mietverhältnis steuerlich keinen Sinn: Denn auf der einen Seite müssen die Zahlungen des Arbeitgebers voll versteuert werden, auf der anderen Seite aber dürfen Arbeitnehmer die Aufwendungen gar nicht oder nur in begrenzter Höhe als Werbungskosten absetzen.
Pauschaler Bürokostenzuschuss
Pauschale Bürokostenzuschüsse des Arbeitgebers für Aufwendungen eines häuslichen Arbeitszimmers oder für die Übernahme der Kosten für die Büroeinrichtung (z.B. Telefon, Faxgerät, Kopierer usw.) führen zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Sie können nicht steuerfrei gezahlt werden (OFD Niedersachsen v. 27.03.2017 - S 2354 - 118 - St 215). Auch wenn der Arbeitgeber mit dem Zuschuss Ausgaben für die Einrichtung von eigenen Arbeitsplätzen erspart, erfolgen die Zahlungen nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers (BFH-Urteil vom 15.3.2007, VI R 65/05).
Eine Ausnahme gilt im öffentlichen Dienst: Wird hier für die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers eine Aufwandsentschädigung bzw. Mietentschädigung gezahlt, so bleibt diese nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei, soweit die Arbeitszimmerkosten beim Arbeitnehmer als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzbar sind. Der übersteigende Betrag aber ist als Arbeitslohn steuerpflichtig. Nach dieser Vorschrift bleiben Erstattungen aus öffentlichen Kassen steuerfrei, wenn sie Werbungskosten abdecken (BFH-Urteil vom 29.11.2006, BStBl 2007 II S. 308; BFH-Urteil vom 13.6.2013, VI R 37/11).
Theoretisch kommt eine steuerfreie Zahlung von Zuschüssen zum häuslichen Arbeitszimmer zwar auch bei privaten Arbeitgebern in Betracht, aber wirklich nur theoretisch. Denn der Arbeitgeber müsste sich bei jedem einzelnen Arbeitnehmer, dem er den Zuschuss zahlt, von der Beschaffenheit und der Nutzung des Arbeitszimmers überzeugen und die entsprechenden Unterlagen noch zum Lohnkonto nehmen. Das wird er nicht leisten können, sondern es letztlich, wenn überhaupt, nur bei pauschalen Zuschüssen belassen können. Auch stehen dem mitunter rechtliche Probleme gegenüber, denn der Arbeitgeber darf ja nicht ohne Weiteres die Wohnung eines Arbeitnehmers betreten und das Arbeitszimmer "begutachten."
STEUERRAT: Der Arbeitgeber darf Ihnen einen Barzuschuss zu den Kosten der Internetnutzung gewähren, diesen pauschal mit 25 % versteuern und die Pauschalsteuer übernehmen. Die pauschal versteuerte Leistung ist sozialversicherungsfrei (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 EStG, R 40.2 Abs. 5 LStR). Die Kosten für die Internetnutzung müssen Sie dem Arbeitgeber mitteilen. Aus Vereinfachungsgründen kann der Arbeitgeber den von Ihnen angegebenen Betrag pauschal versteuern, wenn dieser nicht höher als 50 EUR im Monat ist. Sie müssen lediglich erklären, dass Sie einen Internetzugang haben und dass Ihnen dafür im Kalenderjahr durchschnittlich Aufwendungen in der erklärten Höhe entstehen. Großer Vorteil: Pauschal versteuerte Zuschüsse bis zu 50 EUR im Monat brauchen Sie nicht auf Ihre Internetkosten anzurechnen, die Sie als Werbungskosten absetzen (R 40.2 Abs. 5 LStR). Aufgrund der heutigen Flatrates ist der Nachweis allerdings nicht immer leicht zu führen bzw. kann der Betrag von 50 EUR oftmals nicht mehr ausgenutzt werden.
STEUERRAT: Alternativ hilft Satz in R 3.50 Abs. 2 LStR weiter: "Fallen erfahrungsgemäß beruflich veranlasste Telekommunikationsaufwendungen an, können aus Vereinfachungsgründen ohne Einzelnachweis bis zu 20 Prozent des Rechnungsbetrags, höchstens 20 Euro monatlich steuerfrei ersetzt werden." Und letztlich ist bis zum Ende des Jahres 2020 an den so genannten "Corona-Bonus" von bis zu 1.500 EUR zu denken, der steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt werden darf (§ 3 Nr. 11a EStG)
Weitere Informationen: Arbeitszimmer: Zimmervermietung an den Arbeitgeber
3. Home-Office:
Vorsteuerabzug bei Vermietung an den Arbeitgeber
Viele Arbeitnehmer befinden sich nach vor wie im Home-Office. Zuweilen vermieten Arbeitnehmer ihr häusliches Büro oder eine ganze Arbeitswohnung auch an den Arbeitgeber, weil ein vorrangig betriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Nutzung der Räumlichkeiten besteht (siehe dazu die vorhergehende Meldung mit den entsprechenden Abgrenzungsfragen). Sofern das Mietverhältnis in einkommensteuerlicher Hinsicht anzuerkennen ist, bestehen auch umsatzsteuerlich grundsätzlich keine Bedenken gegen dessen Berücksichtigung, sofern der Vermieter zulässigerweise zur Umsatzststeuerpflicht optiert.
Das heißt: Der Vermieter, also der Arbeitnehmer, schlägt auf die Miete die Umsatzsteuer auf, kann aber im Gegenzug die Vorsteuer aus den Kosten für das Arbeitszimmer geltend machen. Für den Arbeitgeber wiederum entsteht keine zusätzliche Belastung, da er die gezahlte Umsatzsteuer seinerseits als Vorsteuer abziehen darf. Vorausgesetzt natürlich, er erbringt umsatzsteuerpflichtige Umsätze.
AKTUELL musste sich der Bundesfinanzhof aber mit der Frage befassen, ob und inwieweit ein Vorsteuerabzug aus der Renovierung eines Bades möglich ist, wenn eine ganze Einliegerwohnung an den Arbeitgeber vermietet wird. Er hat wie folgt entschieden: Vermietet ein Arbeitnehmer eine Einliegerwohnung als Home-Office an seinen Arbeitgeber für dessen unternehmerische Zwecke, kann er grundsätzlich die ihm für Renovierungsaufwendungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer steuermindernd geltend machen. Dies gilt nicht nur für die Aufwendungen zur Renovierung des beruflich genutzten Büros oder Besprechungsraums, sondern auch für Aufwendungen eines Sanitärraums; ausgeschlossen vom Abzug sind dagegen die Aufwendungen für ein mit Dusche und Badewanne ausgestattetes Badezimmer (BFH-Urteil vom 7.5.2020 V R 1/18).
- Der Fall: Die Kläger sind Eigentümer eines Gebäudes, das sie im Obergeschoss selbst bewohnen. Eine Einliegerwohnung mit Büro, Besprechungsraum, Küche und Bad/WC im Erdgeschoss vermieteten sie als Home-Office des Klägers umsatzsteuerpflichtig an dessen Arbeitgeber. Die Kläger renovierten das Home-Office und bezogen hierfür Handwerkerleistungen, von denen 25.780 EUR auf die Renovierung des Badezimmers entfielen. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer machten sie als Vorsteuer geltend. Die Miete wurde trotz der umfassenden Renovierung des Badezimmers nicht erhöht. Im Anschluss an eine Ortsbesichtigung ordnete das Finanzamt die Aufwendungen für das Badezimmer dem privaten Bereich zu und erkannte die hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge nicht an. Das Finanzgericht gab der Klage nur insoweit statt, als es um die Aufwendungen für die Sanitäreinrichtung (vor allem Toilette und Waschbecken, nicht aber für die komplette Badrenovierung) ging. Die Revision blieb ohne Erfolg.
- Auch nach Ansicht des BFH berechtigen Aufwendungen zur Renovierung eines an den Arbeitgeber vermieteten Home-Office zwar grundsätzlich zum Vorsteuerabzug, soweit es beruflich genutzt wird. Und bei einer Bürotätigkeit kann sich die berufliche Nutzung auch auf einen Sanitärraum erstrecken. Dies gilt jedoch nicht für ein mit Dusche und Badewanne ausgestattetes Badezimmer. Üblicherweise mietet der Arbeitgeber die Räumlichkeiten nicht an, um seinem Arbeitnehmer die dienstlich veranlasste Nutzung einer Dusche und Badewanne zu ermöglichen. Auch im Urteilsfall gab der Arbeitgeber lediglich vor, dass zur Ausstattung des Home-Office das Vorhandensein einer Sanitäreinrichtung gehört, nicht aber eine Dusche bzw. eine Badewanne. Zudem wurde auch die Miete trotz der umfassenden Renovierung des Badezimmers nicht erhöht. Hieraus folge mithin, dass der noch streitige Teil der Aufwendungen für die Badezimmerrenovierung gerade nicht zu den Kostenelementen der Umsätze aus der Vermietung an den Arbeitgeber gehörte. Vielmehr würde der private Charakter dieses Aufwands unterstrichen.
STEUERRAT: Die ertragsteuerlichen Fragen des Besprechungsfalles wurden abgetrennt und in einem separaten Verfahren vor dem BFH behandelt. Interessanterweise kommt der IX. Senat zur Einkommensteuer zu einem anderen Ergebnis: Er berücksichtigt die Renovierungskosten für das Badezimmer bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nämlich komplett, also inklusive der Aufwendungen für Dusche und Badewanne (BFH-Urteil vom 17.4.2018, IX R 9/17). Doch das muss nicht von Vorteil sein! Denn: Vermietet der Steuerpflichtige eine Einliegerwohnung als Home-Office an seinen Arbeitgeber für dessen betriebliche Zwecke, kann er Werbungskosten nur geltend machen, wenn eine Überschusserzielungsabsicht vorliegt. Dazu ist eine Prognoserechnung erforderlich. Das heißt: Auf einen Zeitraum von 30 Jahren betrachtet muss sich ein "Totalgewinn" aus der Vermietung ergeben. Die hohen Kosten können aber dazu führen, dass die erforderliche Prognoserechnung zu keinem Totalüberschuss führt und das gesamte Mietverhältnis steuerlich letztlich unbeachtet bleibt. Für Altfälle gibt es zwar eine Übergangsregelung. In neueren Fällen ist die Prognoserechnung aber erforderlich (BMF-Schreiben vom 18.4.2019, BStBl 2019 I S. 461). Von daher sollte sehr genau überlegt werden, ob es wirklich sinnhaft ist, hohe Kosten für ein Home-Office, das an den Arbeitgeber vermietet wird, aufzuwenden.
Weitere Informationen (auch zur Übergangsregelung): Arbeitszimmer: Zimmervermietung an den Arbeitgeber
4. Ausbildung:
Kosten der Erstausbildung nicht als Werbungskosten abzugsfähig
Aufwendungen für die erste Berufsausbildung sowie für ein Erststudium als Erstausbildung sind seit einer gesetzlichen Neuregelung im Jahre 2012 nur begrenzt bis 6.000 EUR pro Jahr als Sonderausgaben absetzbar. Falls Berufsausbildung oder Erststudium jedoch im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses (Lehre, duales Studium, Studium bei der Bundeswehr) stattfinden, können die Kosten in vollem Umfang als Werbungskosten berücksichtigt werden. Erfolgt das Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung, sind die Studienkosten ebenfalls als Werbungskosten absetzbar (§ 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG).
Ende 2019 hatte das Bundesverfassungsgericht - entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs (6. Senat) - die gesetzliche Regelung als verfassungsgemäß beurteilt. Die Verfassungshüter widersprechen damit den höchsten Finanzrichtern! (BVerfG-Beschluss vom 19.11.2019, 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14, veröffentlicht am 10.1.2020).
AKTUELL ist nun der Bundesfinanzhof dem Willen des Bundesverfassungsgerichts gefolgt und hat erstmals entschieden, dass Aufwendungen für die Erstausbildung oder das Erststudium ab 2004 nicht (mehr) als Werbungskosten abziehbar sind, wenn die Ausbildung oder das Studium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolviert wird (BFH-Urteil vom 12.2.2020, VI R 17/20).
Der Fall: Eine Studentin machte Aufwendungen für ihr Erststudium als Werbungskosten geltend. Da sie in den Streitjahren keine bzw. nur geringfügige Einkünfte erzielte, wollte sie die dadurch entstehenden Verluste mit künftigen, nach dem Studium erzielten Einkünften verrechnen. Der BFH wollte der Klage der Studentin stattgeben, sah sich daran aber auf Grund des § 9 Abs. 6 EStG gehindert, der mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 in das EStG aufgenommen worden ist. Danach sind die Aufwendungen für eine Erstausbildung nicht als Werbungskosten abziehbar. Deren Abzug kommt nur als Sonderausgaben begrenzt auf 6.000 EUR (bis 2011: 4 000 EUR) in Betracht. Da der Sonderausgabenabzug nicht zu einem vortragsfähigen Verlust führt, wirken sich die Aufwendungen aufgrund der während der Ausbildung erzielten geringen Einkünfte regelmäßig nicht bzw. nicht in vollem Umfang steuerlich aus.
HINWEIS: Beim BFH war eine Vielzahl von Revisionen zu derselben Rechtsfrage anhängig. Sie betrafen ebenfalls den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für das Erststudium sowie insbesondere den Werbungskostenabzug der Aufwendungen für die Pilotenausbildung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses stattfand. Diese Verfahren wurden nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf entsprechenden rechtlichen Hinweis des BFH zurückgenommen und durch Einstellungsbeschluss erledigt.
5. Verdienst: Erhöhung des Mindestlohns 2021 und 2022 in mehreren Stufen
Seit 2015 gilt branchenunabhängig ein Mindestlohn. Zum 1.1.2020 wurde er auf 9,35 EUR angehoben. Am 30.6.2020 hat die Mindestlohnkommission weitere Anpassungen beschlossen. Der gesetzliche Mindestlohn wird in folgenden Stufen erhöht:
- zum 1.1.2021 auf 9,50 EUR,
- zum 1.7.2021 auf 9,60 EUR,
- zum 1.1.2022 auf 9,82 EUR,
- zum 1.7.2022 auf 10,45 EUR
Die Werte gelten jeweils brutto je Zeitstunde. Bei der Festsetzung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohn orientiert sich die Mindestlohnkommission an der Tarifentwicklung, wobei sie zugibt, dass die Beschlussfassung in diesem Jahr angesichts der Corona-Pandemie in eine Zeit großer Unsicherheit fällt. Der Mindestlohn soll verhindern, dass Arbeitnehmer zu Löhnen beschäftigt werden, die unangemessen sind und den elementaren Gerechtigkeitsanforderungen nicht genügen. Die Bundesregierung setzt den von der Mindestlohnkommission beschlossenen angepassten Mindestlohn durch eine Rechtsverordnung in Kraft.
Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle volljährigen Arbeitnehmer - außer für Langzeitarbeitslose nach einer Arbeitsaufnahme in den ersten sechs Monaten. Auch für Azubis, Menschen mit Pflichtpraktikum oder Praktika unter drei Monaten gilt er nicht. Nach der Reform des Berufsbildungsgesetzes erhalten Azubis allerdings einen Mindestlohn von monatlich 515 EUR im ersten Ausbildungsjahr. Dies gilt erstmals für Azubis, die ihre Berufsausbildung im Jahr 2020 beginnen bzw. begonnen haben. Der Mindestlohn beträgt 550 EUR, wenn die Berufsausbildung in 2021 begonnen wird und 585 EUR bei Beginn im Jahre 2022.
Aufgepasst Minijobber: Mit dem Mindestlohn wurde indirekt eine Höchstarbeitszeit bzw. Maximalstundenzahl eingeführt. Arbeiten Minijobber über diese Stundengrenze hinaus, wird die Beschäftigung sozialversicherungspflichtig. Bei einem Stundenlohn von bisher 9,35 EUR (2020) betrug die zulässige Höchstarbeitszeit rund 48 Stunden pro Monat. Aufgrund des erhöhten Stundenlohnes im Jahre 2021 sinkt die Höchstarbeitszeit auf 47,37 Stunden (450 EUR : 9,50 EUR = 47,37 Stunden) und ein weiteres Mal Anfang Juli 2021, sofern die 450 Euro-Grenze für Minijobs nicht noch erhöht wird. Das ist 1 Stunde weniger als bisher! Unternehmer, die Minijobber beschäftigen, sollten prüfen, ob ab Januar 2021 die Entgeltgrenze bei diesen Mitarbeitern überschritten wird. Ist dies der Fall und soll der Mitarbeiter weiterhin als Minijobber beschäftigt werden, müssen zwangsläufig die Arbeitsstunden reduziert werden. Die Anhebung des Stundenlohns kann ohne Überprüfung bzw. Anpassung der Arbeitszeit dazu führen, dass der sozialversicherungsfreie Minijob in Gefahr gerät.
STEUERRAT: Die oben genannten Stundengrenzen sind allerdings nur dann zutreffend, wenn der Mitarbeiter keine steuer- und sozialversicherungspflichtigen Sonderzuwendungen (wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Prämien) erhält. Denn für die Rückrechnung vom Verdienst auf die Stundenzahl muss der gesamte Arbeitslohn im Jahr zugrunde gelegt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die betreffende Sonderzuwendung auch für die Berechnung des Mindestlohns miteinbezogen werden darf.
Weitere Informationen: Gesetzlicher Mindestlohn: Ausnahmen und Übergangsregelungen
II. Privater Bereich
1. Ambulante Pflege im eigenen Haushalt:
Keine Steuerermäßigung für Angehörige?
Die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kranken, alten Menschen und pflegebedürftigen Personen gehört zu den haushaltsnahen Tätigkeiten, so dass hier die Steuervergünstigung nach § 35a EStG in Betracht kommt. Die Kosten können also bis zu einem bestimmten Höchstbetrag direkt von der Steuerschuld abgezogen werden, und zwar
- für eine geringfügig beschäftigte Haushaltshilfe: 20 % der Kosten bis 2.550 EUR, höchstens 510 EUR.
- für eine sozialversicherungspflichtig angestellte Haushaltshilfe: 20 % der Kosten bis 20.000 EUR, höchstens 4.000 EUR.
- für einen ambulanten Pflegedienst: 20 % der Kosten bis 20.000 EUR, höchstens 4.000 EUR.
Im Jahre 2019 hat der Bundesfinanzhof leider - gegen die großzügige Haltung des Fiskus - entschieden, dass die Steuermäßigung gemäß § 35a EStG nur für Aufwendungen gewährt wird, die einem Steuerbürger für seine eigene Unterbringung in einem Heim oder für seine eigene Pflege entstehen. Hingegen ist der Steuervorteil ausgeschlossen für Aufwendungen, die er für eine andere Person übernimmt, das heißt wenn Kinder die Kosten für ihre Eltern übernehmen (BFH-Urteil vom 3.4.2019, VI R 19/17). Zwar hat die Finanzverwaltung ihre günstigere Verwaltungsanweisung (BMF-Schreiben vom 9.11.2016, BStBl 2016 I S. 1213, Tz. 13) noch nicht explizit aufgegeben bzw. das genannte BMF-Schreiben aufgehoben. Aufgrund der Veröffentlichung des Urteils im Bundessteuerblatt kann aber davon ausgegangen werden, dass sie das negative Urteil anwendet (BStBl 2019 II S. 445).
AKTUELL hat sich das Finanzgericht Berlin-Brandenburg ebenfalls mit der Übernahme von Pflegekosten für einen Elternteil befasst. Danach gilt: § 35a EStG begünstigt - wenn überhaupt - nur Aufwendungen für die ambulante Pflege von Angehörigen im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen (also des Betreuenden), nicht aber für die ambulante Pflege von Angehörigen in deren Haushalt (Urteil vom 11.12.2019, 3 K 3210/19). ABER: Es wurde explizit die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich auch vorliegt (Az. VI R 2/20). Der BFH wird sich mit der Thematik der Übernahme von Pflegekosten also erneut befassen müssen.
- Der Fall: Die Mutter der Klägerin wohnt in einem eigenen Haushalt, knapp 100 km vom Wohnort der Tochter entfernt. Sie bedurfte Hilfe für Einkäufe und Wohnungsreinigung. Mir einer Sozialstation wurde eine Vereinbarung zur Erbringung von Pflegeleistungen abgeschlossen. Die Mutter ist als Leistungsnehmerin aufgeführt, der Vertrag ist jedoch von der Tochter unterschrieben. Die Rechnungen wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus und wurden der Tochter übersandt, die sie jeweils per Banküberweisung beglich. Mit ihrer Einkommensteuererklärung machte die Tochter den Gesamtbetrag ihrer Aufwendungen für die Mutter in Höhe von 1.071 EUR geltend. Das Finanzamt lehnte den Abzug nach § 35a EStG ab; die Klage blieb erfolglos.
- Pflege- und Betreuungsleistungen für ambulante Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen (also in der Regel von Tochter oder Sohn) sind nicht nach § 35a EStG abziehbar. Allerdings soll dem BFH Gelegenheit gegeben werden, seine Auffassung zu überprüfen bzw. zu präzisieren.
- Auch wenn es für die Entscheidung letztlich nicht relevant war, so haben die Finanzrichter in einem Punkt eine bemerkenswerte Aussage getroffen: Aufgrund des Zwecks des Rechnungserfordernisses in § 35a EStG, nämlich der Verhinderung von Schwarzarbeit, müsse sich aus der Rechnung zwar der Leistungserbringer und der Leistungsempfänger ergeben. Dass der Leistungsempfänger und der Zahlende identisch sein müssten, ergäbe sich daraus aber nicht. Auch zu diesem Punkt soll der BFH nun Stellung beziehen. Das ist durchaus von Interesse, denn gerade bei älteren oder pflegebedürften Menschen werden die Rechnungen oftmals an deren Kinder gesandt und von diesen beglichen, da diese sich ohnehin um alle finanziellen Angelegenheiten kümmern.
STEUERRAT: Wir empfehlen, entsprechende Kosten für die Pflege der Eltern zunächst geltend zu machen und gegen ablehnende Bescheide Einspruch einzulegen. Beantragen Sie ein Ruhen Ihres eigenen Verfahrens, bis die obersten Finanzrichter in dem aktuellen Verfahren entschieden haben. Unabhängig davon sollte geprüft werden, ob die Kosten - wenn schon nicht als haushaltsnahe Dienstleistung - so doch als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden können. Die entstandenen Aufwendungen können Sie allerdings nur insoweit absetzen, als der Pflegebedürftige die Pflegekosten nicht selbst tragen kann.
Weitere Informationen: Pflegebedürftigkeit: Pflege eines Angehörigen zu Hause
2. Corona:
Sind die Flugkosten für die Rückholung außergewöhnliche Belastungen?
Zigtausend deutsche Bürger wurden im Zuge der Corona-Pandemie in den Monaten März und April 2020 per Flugzeug nach Deutschland zurückgeholt. Bei vielen geschah dies durch Maschinen, die vom Auswärtigen Amt gechartert wurden. Seit Juni dieses Jahres erhalten die zurückgeholten Reisenden Rechnungen des Auswärtigen Amtes über Kostenbeteiligungen von 200 EUR bis 1.000 EUR. Bei Geschäftsreisenden, die per "Maas-Airline" zurückgeholt wurden, dürfte klar sein, dass deren Kostenbeteiligung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben steuerlich abziehbar ist. Doch was gilt bei privat Reisenden? Können diese die Kosten wenigstens als außergewöhnliche Belastungen - unter Abzug einer zumutbaren Eigenbelastung - steuerlich geltend machen?
Steuerrat24 empfiehlt auf jeden Fall, die Kostenbeteiligung bei den außergewöhnlichen Belastungen im Rahmen der Steuererklärung 2020 einzutragen. Ob die Aufwendungen vom Finanzamt anerkannt werden, dürfte allerdings fraglich sein.
Die Lohnsteuerhilfe Bayern e.V. ist der Auffassung, dass im Regelfall alle Voraussetzungen für den Abzug als außergewöhnliche Belastung erfüllt sind. In der Pressemeldung vom 7.7.2020 heißt es unter anderem:
"Eine außergewöhnliche Belastung wird vom Finanzamt anerkannt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als den meisten anderen Steuerpflichtigen mit einem vergleichbaren Einkommen und Familienstand entstehen. Kosten sind dann zwangsläufig, wenn sich ihnen der Steuerzahler nicht entziehen kann. Die Rechnungstellung der Kosten dieser Rückholaktion basieren auf dem Konsulargesetz, das den Empfänger des Rückflugs zum Ersatz der Auslagen durch das Auswärtige Amt verpflichtet. ... Aufgrund der Corona-Pandemie wurden am 17. März umfangreiche Reisewarnungen ausgesprochen. Reisende, die von dieser Rückholaktion betroffen waren, haben in der Regel ihre Reise schon vorher angetreten und tragen somit nicht die Schuld für ihre Strandung. Dies setzt ein Steuerabzug voraus. Bei grob fahrlässigem Handeln ist er hingegen ausgeschlossen ... Alle Voraussetzungen für den Abzug als außergewöhnliche Belastung sind somit erfüllt. Damit der Steuerzahler aber tatsächlich davon profitieren kann, muss er die individuelle Zumutbarkeitsschwelle überschreiten."
Doch es gibt auch andere Stimmen, die einen Abzug ablehnen. Begründet wird dies damit, dass sozusagen eine Stufe früher angesetzt werden muss, nämlich bereits beim Antritt des Urlaubs. Das eigentliche "Ereignis", auf das es ankommt, sei nicht die Rückholung, sondern der Urlaub. Und dieser sei naturgemäß nicht zwangsläufig veranlasst. Rückendeckung erhalten diejenigen, die einen Abzug ablehnen, immerhin durch ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16.9.1993 (II 430/91).
- Der Fall: Eheleute buchten im März des Jahres 1990 für sich und ihre Tochter eine Flugreise von Frankfurt über Bagdad nach Tokio und zurück, um die Eltern der Klägerin in Tokio zu besuchen. Der Hinflug fand planmäßig Anfang Juli 1990 statt. Der für den 23.8.1990 gebuchte Rückflug fiel wegen der kriegerischen Ereignisse in Kuwait und der damit verbundenen Entziehung der Landerechte für die irakische Fluggesellschaft in der Europäischen Gemeinschaft aus. Um rechtzeitig zum Schulbeginn der Tochter und zum Arbeitsbeginn des Klägers wieder zu Hause zu sein, nahmen die Kläger für den Rückflug eine andere Fluggesellschaft in Anspruch. Hierdurch entstanden zusätzliche Kosten. Schadensersatzansprüche gegen die Fluggesellschaft konnten die Kläger nicht durchsetzen. Sie beantragten, den Mehraufwand bei der Einkommensteuerveranlagung 1990 als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Finanzamt und Finanzgericht versagten den Abzug.
- Die Finanzrichter waren der Auffassung, dass den Klägern der Mehraufwand nicht zwangsläufig entstanden sei. Für die Frage der Zwangsläufigkeit müsse auf die wesentlichen Ursachen für die Entstehung des Aufwandes zurückgegriffen werden. Es sei deshalb stets danach zu fragen, ob das Ereignis, dessen Folge der zusätzliche Aufwand ist, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Folglich müsse auch auf die Lebensvorgänge zurückgegriffen werden, die die Verpflichtung ausgelöst haben. Es könne daher nicht unbeachtet bleiben, dass der Aufwand der Kläger seine Ursache in einer privaten Reise der Kläger hatte. Der Aufwand für eine Reise könne aber nur ausnahmsweise zwangsläufig und der Höhe nach notwendig sein, wenn nämlich die Reise selbst in ihrer Veranlassung zwangsläufig und notwendig ist. Dies sei jedenfalls bei einer Urlaubsreise nicht der Fall. Zwar konnten sich die Kläger dem Rückflug nicht entziehen, weil sie wieder zum Heimatort zurückkehren mussten, um ihren dortigen Verpflichtungen nachgehen zu können; gleichwohl sei auch dieser Rückflug Bestandteil der Urlaubsreise, die als solche weder zwangsläufig noch notwendig war.
Prognose: Nach unserem Dafürhalten wird die Finanzverwaltung zu der hier erörterten Frage sicherlich Stellung nehmen und zudem wird es wohl auch finanzgerichtliche Verfahren geben. Wir befürchten jedenfalls, dass der Fiskus die Kosten nicht ohne Weiteres anerkennen wird. Zumindest wird er sich wohl die Einzelfälle anschauen, denn es dürfte zahlreiche Sachverhalte geben, in denen etwa Langzeit-Reisende noch gar kein Rückflug-Ticket erworben hatten. Sie sind also mit den Kosten der Rückholaktion gar nicht zusätzlich belastet gewesen.
3. Beerdigungskosten:
Sterbegeld mindert außergewöhnliche Belastungen nicht
Beerdigungskosten sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn die Kostenübernahme aus rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig ist. Weitere Voraussetzung für den Abzug ist aber, dass die Kosten nicht aus dem Nachlass bestritten werden können und auch nicht durch Versicherungs- oder sonstige Ersatzleistungen gedeckt sind. Zudem wirken sie sich nur aus, soweit die zumutbare Belastung überschritten ist.
Immerhin: Das dem Erben gezahlte Sterbegeld mindert die abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen nicht, wenn es schon versteuert werden muss. Denn dann wären die Hinterbliebenen in steuerlicher Hinsicht zweifach benachteiligt (FG Düsseldorf, Urteil vom 15.6.2020, 11 K 2024/18 E).
Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass das Sterbegeld aus der Beamtenversorgung, das an die Hinterbliebenen gezahlt wird, steuerfrei ist. Zwar handele es sich beim ausgezahlten Sterbegeld um Bezüge aus früheren Dienstleistungen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG, dennoch sei die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11 EStG anzuwenden. Denn es seien Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die stets "wegen Hilfsbedürftigkeit" bewilligt werden (Urteil vom 16.1.2019, 11 K 11160/18, Revision VI R 8/19).
AKTUELL hat das Finanzgericht Düsseldorf hingegen in dem o.g. Verfahren entschieden, dass es das Sterbegeld aus öffentlichen Kassen als steuerpflichtig ansieht, und zwar als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus früheren Dienstleistungen (Versorgungsbezüge). Das heißt, die Berechtigten, also die Hinterbliebenen, müssen das erhaltene Sterbegeld versteuern und dürfen nur den Versorgungsfreibetrag gegenrechnen. Zumindest gilt dies, wenn das Sterbegeld nicht wegen einer konkreten Hilfsbedürftigkeit der Hinterbliebenen ausgezahlt wird. ABER: Wenn das Sterbegeld aus einer öffentlichen Kasse schon versteuert werden muss, dann mindert es nicht die Beerdigungskosten, die von den Hinterbliebenen getragen werden und die diese als außergewöhnliche Belastungen geltend machen können. Lediglich der steuerfreie Versorgungsfreibetrag ist von den Beerdigungskosten abzuziehen.
STEUERRAT: Es bleibt abzuwarten, wie der BFH in dem Verfahren VI R 8/19 entscheiden wird. Auch das FG Düsseldorf hat die Revision zugelassen. Bis zur höchstrichterlichen Entscheidung sollten Betroffene zunächst auf die Steuerfreiheit des Sterbegeldes drängen und hilfsweise beantragen, die außergewöhnlichen Belastungen (Beerdigungskosten) für den Fall höher anzusetzen, dass der BFH das Sterbegeld als steuerpflichtig ansieht. Entschieden ist übrigens, dass das Sterbegeld aus einer betrieblichen Altersversorgung (Pensionskasse), das also nicht aus öffentlichen Mittlen stammt, einkommensteuerpflichtig ist, wenn es mangels lebender Bezugsberechtigter nicht an die Bezugsberechtigten i.S. des BetrAVG, sondern ersatzweise an die Erben gezahlt wird (BFH-Urteil vom 5.11.2019, X R 38/18). Hier sollten die Erben ebenfalls darauf achten, dass die abziehbaren Bestattungskosten nicht gemindert werden. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die Kosten nur auswirken, soweit sie die "zumutbare Eigenbelastung" übersteigen.
Weitere Informationen: Bestattung eines Angehörigen
III. Kinder
1. Kindergeld:
Hoffnung für Eltern, die die Sechs-Monats-Frist verpasst haben
Wird Kindergeld, aus welchen Gründen auch immer, zu spät beantragt, soll das Kindergeld nur für die letzten sechs Monate gezahlt werden (siehe dazu auch die nachfolgende Meldung). Es soll vermieden werden, dass Kindergeld mitunter für mehrere Jahre nachzuzahlen ist. Die Ausschlussfrist von sechs Monaten ist zum 1.1.2018 ins Kindergeldrecht eingeführt worden und bereitet seitdem nicht nur den betroffenen Eltern, sondern allen Experten Kopfzerbrechen, da sie verfahrensrechtlich im hohen Maße verunglückt ist. Doch nun besteht - in Altfällen - Hoffnung für viele Eltern, die die Sechs-Monats-Frist verpasst haben, denn der Bundesfinanzhof hat in einem bedeutsamen Verfahren den Familienkassen eine herbe Niederlage beigebracht. Worum geht es?
In § 66 Abs. 3 EStG hieß es bis Mitte 2019: "Das Kindergeld wird rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist." Nun gab es reichlich Fälle, in denen Kindergeld zum Beispiel im Januar 2018 rückwirkend für das ganze Jahr 2017 festgesetzt, aber eben nur für sechs Monate ausgezahlt wurde. Die Finanzverwaltung und die Familienkassen haben die Vorschrift jedenfalls in diesem Sinne ausgelegt.
Doch so geht es nicht! Der Bundesfinanzhof hat dem Fiskus und vor allem den Familienkassen die Leviten gelesen: Wenn Kindergeld festgesetzt wird, ist es auch auszuzahlen. Die Familienkassen hätten das Kindergeld halt nur für sechs Monate festsetzen dürfen. Wie gesagt: Das ist hohes Verfahrensrecht und es bedurfte des obersten deutschen Steuergerichts, um die Sache zu klären (BFH-Urteil vom 19.2.2020, III R 66/18).
- Der Fall: Der Kläger ist der Vater einer im Februar 1997 geborenen Tochter. In einem bereits 2015 gestellten Antrag gab der Kläger an, dass seine Tochter ab September 2015 eine Ausbildung zur Erzieherin aufnehmen wolle. Die Familienkasse setzte daraufhin zunächst Kindergeld fest, hob die Kindergeldfestsetzung aber im Juli 2015 mangels Vorlage eines Ausbildungsnachweises wieder auf. Mit einem dann erst im April 2018 bei der Familienkasse eingegangenen Antrag begehrte der Kläger erneut Kindergeld, dieses Mal sogar bereits für den Zeitraum ab August 2015. Die Familienkasse setzte in einem Bescheid vom April 2018 laufendes Kindergeld ab dem Monat August 2015 fest. Die Nachzahlung von Kindergeld beschränkte sie jedoch auf den Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018 (= sechs Monate). Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt und erkannte einen Nachzahlungsanspruch auch für die Monate August 2015 bis September 2017 an.
- Der BFH stimmt der Vorinstanz zu. Da die Familienkasse im Streitfall das Kindergeld über den Sechs-Monats-Zeitraum hinaus rückwirkend festgesetzt hatte, hielt sie der BFH auch für verpflichtet, das Kindergeld in diesem Umfang an den Kläger auszuzahlen.
HINWEIS: Seit dem 18.7.2019 sind die rückwirkende Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes klarer geregelt. § 66 Abs. 3 EStG wurde aufgehoben, dafür heißt es nun in § 70 Abs. EStG: "Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist." Auf den ersten Blick scheint die Vorschrift der alten Regelung zu entsprechen, doch die Betonung liegt auf dem Wort "festgesetzten". Nun wird das Kindergeld also, selbst wenn es für ein ganzes Jahr rückwirkend festgesetzt wird, tatsächlich nur für die letzten sechs Monate ausgezahlt. Das macht die Sache natürlich nicht besser, denn letzten Endes gehen Eltern leer aus, die den Antrag auf Kindergeld verspätet gestellt haben. Immerhin werden nun aber wenigstens die kindbedingten Vergünstigungen in der Steuererklärung gewährt (siehe dazu die nachfolgende Meldung, die auf weitere Zweifelsfragen aufmerksam macht).
MEINUNG: Das Kindergeldrecht sollte so aufgebaut sein, dass es der Normalbürger versteht. Wo sind wir nur hingekommen, wenn selbst Experten, das heißt hochrangige Juristen des Bundesfinanzministeriums, die sogar an der Konzeption der Vorschriften mitgewirkt haben, ihre eigenen Formulierungen zum Kindergeld nicht mehr verstehen und diese zudem falsch anwenden? Wie sollen Eltern dann noch zu ihrem Recht kommen? Nicht jeder hat die Möglichkeit und schon gar nicht die Lust, bis vor den Bundesfinanzhof zu ziehen. Es ist ein einziges Trauerspiel.
Weitere Informationen: Wissenswertes zum Kindergeld
2. Kindergeld und -freibetrag:
Streit um Sechs-Monats-Frist bei verspätetem Antrag
Es gibt viele Eltern, die vergessen haben, Kindergeld für ihre Sprösslinge zu beantragen. Sofern ein Antrag auf Kindergeld nachträglich oder verspätet gestellt wird, erfolgt "die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist" (§ 70 Abs. 1 Satz 2 EStG). Das heißt, länger als sechs Monate rückwirkend wird kein Kindergeld gezahlt (siehe dazu auch die vorhergehende Meldung mit der Unterscheidung zwischen "Festsetzung" und "Auszahlung" des Kindergeldes).
Nun könnte man glauben, dass die Eltern, die beim Kindergeld leer ausgegangen sind, wenigstens die kindbedingten Vergünstigungen, also den Kinderfreibetrag und den BEA-Freibetrag (für Betreuung, Erziehung und Ausbildung), im Rahmen ihrer Veranlagung zur Einkommensteuer erhalten würden. Doch weit gefehlt. Bei der Berechnung der Einkommensteuer rechnet das Finanzamt nämlich den Kindergeldanspruch an und zahlt - wenn überhaupt - nur die Differenz zwischen der Steuerermäßigung und dem Kindergeld aus. Die Betonung liegt dabei auf dem "Kindergeldanspruch", das heißt, bereits die Möglichkeit, Kindergeld erhalten zu können, wird auf die Steuerermäßigung angerechnet. Damit gehen Eltern auch im Rahmen ihrer Steuererklärung überwiegend leer aus, wenn sie das Kindergeld - aus welchen Gründen auch immer - nicht oder verspätet beantragt haben.
Genauer gesagt sind die Eltern bislang leer ausgegangen, denn Mitte 2019 ist eine Gesetzesänderung verabschiedet worden, die Ungerechtigkeiten vermeiden soll: Aufgrund einer Änderung des § 31 EStG kommt es nun nicht mehr auf das zustehende, sondern auf das ausgezahlte Kindergeld an, wenn das Kindergeld zu spät beantragt worden und es damit nicht zur Auszahlung gekommen ist. Betroffene können dann wenigstes von den Freibeträgen bei der Steuerveranlagung profitieren.
Das Zusammenspiel der Regelungen in den diversen Passagen des Einkommensteuergesetzes ist sehr komplex, verfahrensrechtlich nur schwer durchschaubar, verfassungsrechtlich problematisch und bereitet zudem Fachleuten Kopfzerbrechen. Selbst die Richter der Finanzgerichte sind sich uneinig, wie die Regelungen im Einzelfall anzuwenden sind.
AKTUELL gibt es Streit über die Frage, ab wann die erwähnte Gesetzesänderung des § 31 EStG, also die neue Billigkeitsregelung für betroffene Eltern, erstmals anzuwenden ist. Grundsätzlich gilt, dass die Neufassung ab dem 18.7.2019 anzuwenden ist. Doch zumindest das Hessische Finanzgericht hält - aus verfassungsrechtlichen Gründen - auch eine Anwendung für die Monate davor für geboten (Urteil vom 17.9.2019, 6 K 174/19).
Beispiel:
Das Kindergeld wird erstmals im Mai 2019 beantragt, obwohl es den Eltern eigentlich auch schon in den Vormonaten sowie im gesamten Jahr 2018 zugestanden hätte. Die Familienkasse zahlt Kindergeld ab Mai 2019 aus sowie rückwirkend für die Monate November 2018 bis April 2019. Nun haben die Eltern im Rahmen ihrer Steuererklärung für 2018 den Kinderfreibetrag sowie den BEA-Freibetrag beantragt. Sie machen ferner geltend, dass der Anspruch auf Kindergeld bei der so genannten Günstigerprüfung nur für zwei Monate (November und Dezember) angerechnet wird, da Kindergeld auch nur für diese Monate ausgezahlt wurde.
Doch das Finanzamt sieht die Sache anders: Da der Antrag auf Kindergeld vor dem 18.7.2019 gestellt wurde, gilt die Neufassung des § 31 EStG noch nicht. Zudem stellt sich das Finanzamt auf den Standpunkt, dass § 31 EStG in der aktuellen Fassung erst ab dem Veranlagungszeitraum 2019 und nicht bereits in 2018 anzuwenden war. Folge: Das Kindergeld, besser gesagt der Anspruch auf Kindergeld, wird für das Jahr 2018 komplett auf die Steuerermäßigung angerechnet, die damit wohl ganz entfallen dürfte.
Die Finanzgerichtsbarkeit ist sich uneinig: Wie erwähnt sieht das Hessische FG in diesem Fall eine Rückwirkung der Neuregelung auf das Jahr 2018 und begründet dies mit einer "verfassungskonformen Auslegung". Das heißt, den Eltern im Beispielsfall würden im Rahmen der Steuerveranlagung der Kinderfreibetrag und der BEA-Freibetrag fast ungeschmälert zustehen - nur zwei Monate Kindergeld würden angerechnet. Das FG Köln hingegen scheint sich exakt an den Gesetzeswortlaut zu halten und würde das Kindergeld für zwölf Monate anrechnen (Urteil vom 5.2.2020, 14 K 1612/19).
STEUERRAT: Eltern sollten sich gegen ablehnende Steuerbescheide unter Berufung auf das Urteil des Hessischen FG zur Wehr setzen und ein Ruhen ihres Falles beantragen. Zwischenzeitlich liegen sowohl gegen dieses Urteil als auch gegen die Kölner Entscheidung die Revisionen beim Bundesfinanzhof unter den Az. III R 50/19 bzw. III R 18/20 vor. Im Übrigen: Wäre das Kindergeld im obigen Beispiel für das gesamte Jahr 2018 festgesetzt, aber nur für die letzten sechs Monate vor der Antragstellung ausgezahlt worden, sollten sich Eltern gegenüber der Kindergeldkasse umgehend auf das BFH-Urteil vom 19.2.2020 (III R 66/18) berufen (siehe dazu die vorhergehende Meldung). Sofern verfahrensrechtlich noch möglich, könnten sie gegebenenfalls sogar noch eine Auszahlung des Kindergeldes für das gesamte Jahr 2018 erreichen. Dann würde sich auch der Streit mit dem Finanzamt erübrigen! Wie erwähnt: Das Zusammenspiel der Regelungen ist leider selbst für Experten nur sehr schwer durchschaubar.
Weitere Informationen: Kinderfreibetrag und BEA-Freibetrag
3. Behinderte Kinder:
Kein Kindergeld bei später Feststellung eines Gendefekts?
Eltern erhalten das Kindergeld für ein behindertes Kind ohne Altersbegrenzung, also über das 18. Lebensjahr hinaus, wenn dieses wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Früher galt eine Altersgrenze von 27 Jahren.
AKTUELL musste sich der Bundesfinanzhof mit einem Fall befassen, in dem ein Gendefekt des Kindes erst sehr spät, das heißt nach dem 25. bzw. 27. Lebensjahr diagnostiziert worden ist. Sein Urteil: Ein Gendefekt stellt nur dann eine solche Behinderung dar, die auch im Erwachsenenalter zum dauerhaften Anspruch auf Kindergeld führt, wenn das Kind dadurch vor Erreichen der Altersgrenze in seinen körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seiner seelischen Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate vom alterstypischen Zustand abweicht und dadurch in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist (BFH-Urteil vom 27.11.2019, III R 44/17).
- Der Fall: Der Kläger ist der Vater einer im August 1968 geborenen Tochter, die an einer Muskelerkrankung in Form der Myotonen Dystrophie Curschmann Steinert leidet. Trotz erster Symptome im Alter von ca. 15 Jahren wurde die Erkrankung zunächst nicht erkannt. Die Diagnose erfolgte erst 1998. In der Folgezeit verstärkte sich die Muskelschwäche und es wurde im Jahr 2005 zunächst ein Grad der Behinderung von 50 und im Jahr 2009 von 100 festgestellt. Die Tochter absolvierte eine Berufsausbildung und befand sich bis 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis. Ab Oktober 2011 erhielt sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger beantragte 2014, ihm für seine Tochter ab Januar 2010 Kindergeld zu gewähren. Dies lehnte die Familienkasse unter Hinweis darauf ab, dass die Behinderung nicht vor Vollendung des (damals noch maßgebenden) 27. Lebensjahres eingetreten sei. Der BFH hat diese Auffassung im Grundsatz bestätigt, die Sache aber an die Vorinstanz zurückverwiesen.
- Begründung: Der Behinderungsbegriff erfordert eine für das Lebensalter untypische gesundheitliche Situation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn vor Erreichen der Altersgrenze (25. bzw. 27 Lebensjahr) eine Behinderung zwar droht, aber noch nicht eingetreten ist. Der BFH hielt die bisherigen Feststellungen des Finanzgerichts für nicht ausreichend. Dieses müsse nun nähere Feststellungen dazu treffen, ob der Gendefekt bereits vor Erreichen der Altersgrenze zu Funktions- und Teilhabebeeinträchtigungen bei der Tochter des Klägers geführt hatte.
STEUERRAT: Zwar muss die Behinderung vor dem 25. Lebensjahr eingetreten sein muss, um Kindergeld zu erhalten. Das heißt aber nicht, dass auch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor dem 25. Lebensjahr entstanden sein muss. So kann beispielsweise ein behindertes Kind in fortgeschrittenem Alter berücksichtigt werden, wenn sich die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt erst später herausstellt. Zu denken ist hier an ein Kind mit Down-Syndrom, das in jungen Jahren einer einfachen Arbeit nachgehen kann, dies aber mit 39 Jahren infolge vorzeitiger Alterung der Organsysteme nicht mehr möglich ist (BFH-Urteil vom 9.6.2011, BStBl 2012 II S. 141).
Weitere Informationen: Behinderte Kinder: Welche Steuervergünstigungen in Betracht kommen
4. Kinderbetreuungskosten:
Fahrtkostenersatz an Großeltern ist abziehbar
Kinderbetreuungskosten sind unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben absetzbar, und zwar mit zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR je Kind. Begünstigt sind Dienstleistungen zur Betreuung eines Kindes, das zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört und das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Zeitlich unbegrenzt kann ein Abzug erfolgen, wenn das Kind behindert ist, diese Behinderung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist und das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Die Kinderbetreuungsleistungen müssen in einer Rechnung oder einem Vertrag aufgeführt werden. Nicht absetzbar sind Aufwendungen für Betreuungsleistungen, die lediglich auf familiärer Grundlage oder aufgrund einer bloßen Gefälligkeit erfolgen.
Was aber gilt, wenn Oma oder Opa das Kind betreuen? Kann hier ebenfalls eine Vergütung steuerlich abgesetzt werden? Sind zumindest die Fahrtkosten für das Hinbringen und Abholen des Kindes absetzbar? Und was gilt für die Fahrtkosten zum Abholen und Hinbringen der Großeltern? Wie erwähnt sind Aufwendungen für Betreuungsleistungen, die lediglich auf familiärer Grundlage oder aufgrund einer bloßen Gefälligkeit erfolgen, nicht abzugsfähig. Deshalb wird das Finanzamt nicht anerkennen
- eigene Fahrten zum Abholen der Betreuungsperson zu Hause und zum Zurückbringen.
- eigene Fahrten zum Hinbringen des Kindes zur Betreuungsperson oder zum Kindergarten sowie zum Abholen dort.
ABER: Etwas anderes gilt für Fahrtkostenerstattungen an die Betreuungsperson: Erstatten Sie der Großmutter die Fahrtkosten für Bus, Bahn oder Taxi oder pauschal 30 Cent pro Kilometer für die Fahrt mit eigenem Pkw, dann können Sie diese Aufwendungen als Kinderbetreuungskosten steuerlich geltend machen (BFH-Urteil vom 4.6.1998, III R 94/96; BFH-Urteil vom 10.4.1992, BStBl 1992 II S. 814). Und das Finanzgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass auch bei einer unentgeltlichen Kinderbetreuung durch die Großmutter die Erstattung der Fahrtkosten als Kinderbetreuungskosten im Rahmen der Sonderausgaben absetzbar ist. Die Betreuung erfolge nur insoweit auf der Grundlage familiärer Gefälligkeit, als sie unentgeltlich erbracht werde. Es sei unschädlich, wenn die eigentliche Betreuungsleistung unentgeltlich geleistet wird und lediglich die Fahrtkosten erstattet werden, die im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung entstanden sind (FG Baden-Württemberg vom 9.5.2012, EFG 2012 S. 1439).
Das Elternpaar hatte mit den beiden Müttern eine Vereinbarung geschlossen, dass sie ihr Enkelkind jeweils an einem Tag pro Woche in der elterlichen Wohnung betreuen und sie dafür Ersatz ihrer Fahrtkosten in Höhe von 30 Cent pro gefahrenen Kilometer erhalten sollten. Nach Auffassung der Richter spielt es keine Rolle, ob eine fremde Betreuungsperson für die Kinderbetreuung selbst ein Honorar gefordert hätte.
STEUERRAT: Erfolgt die Betreuung durch die Großmutter unentgeltlich, so können Sie ihr zumindest die Fahrtkosten erstatten und diese steuermindernd geltend machen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Betreuungsperson hierüber eine "Rechnung" ausstellt - wobei hier eine Quittung über Nebenkosten ausreicht. Zudem muss der Betrag überwiesen werden (BMF-Schreiben vom 14.3.2012, BStBl. 2012 I S. 307, Tz. 5; § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG).
Wie es aber nicht geht, zeigt ein Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 12.8.2019 (4 K 936/18): Die Kläger machten Kinderbetreuungskosten von über 3.000 EUR geltend. Diese entfielen weitestgehend auf den Fahrtkostenersatz an die Großeltern anlässlich der Betreuung der beiden Kinder. Zum Nachweis der Zahlungen wurden dem Finanzamt Kontoauszüge vorlegt. Aber: Ein Betreff war der Überweisung nicht zu entnehmen. Und aus welchen Gründen auch immer erlangte das Finanzamt Kenntnis davon, dass zumindest einmal der zunächst überwiesene Betrag in gleicher Höhe vom Großvater zurücküberwiesen wurde, und zwar mit dem Betreff "Bekannt" und nur wenige Tage nach der vorherigen Überweisung. Eine schlüssige Erklärung konnten die Kläger dafür wohl weder dem Finanzamt noch dem Finanzgericht liefern, so dass ihre Kinderbetreuungskosten nicht anerkannt wurden. Allerdings, und das ist erfreulich, weist auch das FG Nürnberg darauf hin, dass ein Fahrtkostenersatz an die Großeltern dem Grunde nach zu abzugsfähigen Kinderbetreuungskosten führt.
Beachten Sie:
- Zwar ist ein schriftlicher Betreuungsvertrag nicht zwingend erforderlich, wenn Betreuungsleistungen erbracht werden. Sie müssen für Ihre Aufwendungen aber zumindest eine Rechnung oder Ähnliches erhalten. Die Quittung erfordert Schriftform, muss also vom Aussteller eigenhändig unterschrieben sein. Und sie sollte vor allem eindeutig sein und keine Auslegung ermöglichen.
- Unschädlich ist es, wenn lediglich die Fahrtkosten ersetzt werden und die eigentliche Betreuungsleistung unentgeltlich erbracht wird.
- Sie dürfen die Rechnung nur durch Banküberweisung auf ein Konto des Kinderbetreuers begleichen. Barzahlung ist tabu! Und vor allem: Benennen Sie den Verwendungszweck konkret und nicht nebulös!
- Auch wenn es keines förmlichen Vertrages mit den Großeltern bedarf, so kann es dennoch nicht schaden, wenn zumindest kurze - schriftliche - Vereinbarungen über den Fahrtkostenersatz getroffen werden, etwa:
"Herr X / Frau Y hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, unsere Kinder A und B x-mal pro Woche zu betreuen. Die Betreuung erfolgt unentgeltlich und ohne rechtliche Verpflichtung. Allerdings erhält Herr X / Frau Y einen Ersatz seiner / ihrer Fahrtkosten in Höhe von 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer. Herr X / Frau Y listet einmal pro Quartal seine / ihre insoweit gefahrenen Kilometer auf und stellt den entsprechenden Betrag in Rechnung, der von uns anschließend auf sein / ihr Konto bei der Z-Bank überwiesen wird."
STEUERRAT: In dieser Information geht es nur um den Abzug von Kinderbetreuungskosten. Man ist leicht geneigt zu glauben, dass die Rechtsprechung gleichermaßen für den Fall der so genannten haushaltsnahen Dienstleistungen anzuwenden wäre (Abzug mit 20 Prozent der Aufwendungen, höchstens 4.000 EUR). Doch weit gefehlt: Das FG des Saarlandes hat entschieden, dass die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nicht gewährt wird, wenn ein Kind die Wohnung eines Elternteils reinigt, ihm bei notwendigen Einkäufen behilflich ist und dafür nachweislich nur Fahrtkostenerstattungen erhält (Urteil vom 15.2.2019, 1 K 1105/17; vgl. SteuerSparbrief September 2019). Zwar ist es auch bei haushaltsnahen Dienstleistungen grundsätzlich möglich, Arbeiten durch nahe Angehörige erledigen zu lassen und dennoch eine Steuerermäßigung zu beanspruchen. Dann muss die Dienstleistung aber in einem zivilrechtlich einwandfreien Vertrag geregelt werden - und zwar so, wie es auch unter fremden Dritten üblich wäre. Das wird nur ausnahmsweise gelingen.
Weitere Informationen: Kinderbetreuungskosten: Abzug als Sonderausgaben
5. Ferienjobs:
Im Jahre 2020 fünf statt drei Monate sozialabgabenfrei
Viele Schüler bessern im Sommer mit Ferienjobs ihr Taschengeld auf. Beiträge zur Sozialversicherung müssen sie hierfür in der Regel nicht zahlen - egal, wie viel sie verdienen. Ferienjobs zählen nämlich zu den kurzfristigen Beschäftigungen (Aushilfsjobs). Das sind Jobs, die im laufenden Jahr normalerweise nicht mehr als 70 Arbeitstage oder drei Monate am Stück dauern.
ABER aufgrund der Corona-Krise wurden die Grenzen für eine kurzfristige Beschäftigung angehoben: Und zwar für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Oktober 2020 auf fünf Monate oder 115 Arbeitstage. Die Begrenzung der Beschäftigung muss bereits im Vorfeld festgelegt werden. Zudem ist zu beachten, dass mehrere kurzfristige Beschäftigungen während eines Kalenderjahres zusammengerechnet werden.
Wird eine Tätigkeit in diesem Jahr länger als fünf Monate ausgeübt und beträgt der monatliche Verdienst nicht mehr als 450 Euro, handelt es sich um eine geringfügige Beschäftigung (Minijob). Der Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit ist dabei unerheblich. Personen, die einen Minijob aufnehmen, unterliegen grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der allgemeine Beitragssatz beträgt derzeit 18,6 Prozent. Hiervon übernimmt der Arbeitgeber einen Pauschalbetrag in Höhe von 15 Prozent, der Arbeitnehmer zahlt 3,6 Prozent. Allerdings kann der Minijobber sich auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen, sodass nur der Arbeitgeber den Pauschalbetrag zahlt. Dann aber entgeht dem Minijobber der Anspruch auf das gesamte Leistungspaket der gesetzlichen Rentenversicherung.
6. Ferienjobs:
Broschüre zu Aushilfstätigkeiten von Schülern und Studierenden
Schüler und Studierende, die in den Ferien arbeiten, stehen als Aushilfskräfte meist in einem Arbeitsverhältnis. Das heißt, sie sind für die Dauer ihrer Tätigkeit in einen Betrieb eingeordnet und weisungsgebunden. Sie können im Rahmen ihrer Aushilfstätigkeit jedoch auch selbstständig oder gewerblich tätig sein.
Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat in einer aktuellen Broschüre übersichtlich dargelegt, welche Auswirkungen sich bei Tätigkeiten von Schülern und Studierenden ergeben, wenn diese nichtselbstständig ausgeübt werden. Neben Fragen zur Lohnbesteuerung (individuell oder pauschal) geht es auch um die Berücksichtigung von Ausbildungskosten und eventuelle Auswirkungen auf das Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag.
Hier geht es zur der Broschüre mit dem Titel "Der aktuelle Tipp - Aushilfstätigkeiten von Schülerinnen, Schülern und Studierenden" (Stand Juli 2020): Info des Finanzministeriums Baden-Württemberg
7. Freiwilligendienst:
Neuer freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz
Bei der Bundeswehr gibt es künftig eine neue Form des Freiwilligen Wehrdienstes: "Dein Jahr für Deutschland". Das Projekt startet als Pilotprojekt der Streitkräftebasis. Es ermöglicht jungen Menschen, die Teilnahme als Freiwillig Wehrdienstleistende bei der Bundeswehr im Heimatschutz zu dienen. Das Pilotprojekt ist zunächst für ein Jahr geplant, dann folgt eine Entscheidung, in welcher Form das Projekt weitergeführt wird. Start der Grundausbildung für die ersten Rekruten wird der 1. April 2021 sein. Im ersten Jahr stellt die Bundeswehr 1000 Freiwillige ein. Bewerbungen können ab September 2020 erfolgen.
Für den Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz sollen junge Menschen angesprochen werden, die ein Interesse daran haben, bei der Bundeswehr einen insgesamt einjährigen Dienst zum Wohl der Allgemeinheit abzuleisten und die ein Interesse daran haben, an einer Unterstützung des Heimatschutzes teilzunehmen. Dabei soll der Dienst im Heimatschutz mit regionalen Unterstützungsleistungen einen gesamtstaatlichen Beitrag leisten und die Krisenvorsorge stärken. Der einjährige Dienst soll für eine Zielgruppe attraktiv sein, die bislang weder durch den klassischen freiwilligen Wehrdienst, noch durch den Reservistendienst angesprochen wird, um nicht in Konkurrenz mit diesen zu treten.
Der Freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz beträgt ein Jahr und besteht aus zwei Teilen:
- 7 Monate Ausbildung, davon 3 Monate militärische Grundausbildung und 4 Monate Spezialausbildung. Dies ist eine Spezialisierung für die Aufgaben, die der Bundeswehr in Deutschland übertragen werden können. Dazu gehört, bei Naturkatastrophen oder Großschadenslagen, Pandemien und anderen Ereignissen, die der Anstrengung unseres gesamten Landes mit allen Behörden, staatlichen Institutionen und der Bevölkerung bedürfen, mitzuwirken.
- 5 Monate Dienstzeit als Reservistendienst Leistender in einem Zeitraum von 6 Jahren.
- Während oder nach dem Freiwilligen Wehrdienst kann man sich für die Übernahme in ein anderes Dienstverhältnis (z. B. Zeitsoldat) und/oder in eine andere Laufbahn (z. B. Unteroffizier) bewerben.
- Das Programm richtet sich an Männer und Frauen von 17 bis 65 Jahren. Anders als beim regulären Freiwilligen Wehrdienst dienen sie jedoch nicht in der aktiven Truppe.
Vergleich Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz und Freiwilliger Wehrdienst
Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz
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Freiwilliger Wehrdienst
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Die aktive Dienstzeit umfasst 7 Monate. In den darauffolgenden sechs Jahren nimmt man für insgesamt 5 Monate an Reserveübungen und möglichen Einsätzen teil. |
Die Dienstzeit kann man selbst zwischen 7 bis 23 Monate wählen.
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Die militärische Heimat ist die Streitkräftebasis. Dort werden die Grundausbildung, Spezialausbildung Heimatschutz und der Reservistendienst geleistet. |
Die militärische Heimat ist eine Teilstreitkraft bzw. Organisationsbereich nach Wahl.
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Man wird heimatnah eingesetzt: Nach der Grundausbildung sowie der Spezialausbildung wird man in eine Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanie in der Nähe beordert. |
Man ist bundesweit einsetzbar. |
Das monatliche Einstiegsgehalt beträgt ca. 1.400 EUR netto, im Reservistendienst wird das Gehalt nach dem Unterhaltssicherungsgesetz pro aktiven Reservistentag berechnet, mind. 87 Euro netto. |
Das monatliche Einstiegsgehalt beträgt ca. 1.400 EUR netto. |
Man nimmt nicht an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil. |
Ab einer Dienstzeit von über zwölf Monaten wird die Bereitschaft erwartet, an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilzunehmen. |
IV. Eigenheim und Vermietung
1. Fotovoltaikanlage:
Für Ehegatten keine gesonderte Feststellungserklärung nötig
Sehr oft wird eine Fotovoltaikanlage von Ehegatten gemeinsam betrieben. Dabei bilden die Eheleute eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Wenn nun mehrere Personen an einer Einkunftsquelle beteiligt sind, müssen die Einkünfte den Beteiligten zugeordnet werden. Üblicherweise werden Einkünfte einer GbR durch das zuständige Finanzamt gesondert und einheitlich festgestellt und auf die Gesellschafter verteilt (§§ 180, 181 AO). Dafür gibt es ein eigenes Formular, die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung, sowie die zugehörige Anlage FB mit Angaben zu den Feststellungsbeteiligten. Diese Erklärung ist seit 2011 elektronisch mit Authentifizierung an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Da mit der Erklärung ein gewisser Aufwand einhergeht, ist sie unbeliebt und bei Ehegatten darf man sich durchaus fragen, ob eine solche überhaupt erforderlich ist.
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass bei einer Ehegatten-GbR, die eine Fotovoltaikanlage auf ihrem eigengenutzten Wohnhaus betreibt, eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nicht erforderlich ist, weil ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt (Urteil vom 6.2.2020, IV R 6/17).
- Voraussetzung ist, dass die Art, die Höhe und die Aufteilung der Einkünfte unstreitig sind. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen darf also keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen. Zudem muss das Finanzamt, welches für die Einkommensbesteuerung der Gesellschafter zuständig ist, auch für die Gewinnfeststellung der Gesellschaft zuständig sein. Die genannten Voraussetzungen dürften jedoch bei einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach des Eigenheims stets erfüllt sein. Die Durchführung eines Gewinnfeststellungsverfahrens in derartigen Fällen wäre also unnötiger Formalismus.
- Das Gesagte gilt auch dann, wenn die Ehegatten zum Zwecke des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungskosten zur Umsatzsteuerpflicht optiert haben und von der Kleinunternehmerregelung keinen Gebrauch machen. Gerade dieser Punkt war bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden, dürfte nun aber geklärt sein.
STEUERRAT: Das Urteil ist erfreulich, da es Ehegatten Arbeit und mitunter Kosten spart. Einer Erstellung der Anlage EÜR und der digitalen Übermittlung ihrer Steuererklärung können sie allerdings üblicherweise nicht entgehen. Zwar lassen einige Landesfinanzbehörden noch eine vereinfachte Anlage EÜR beim Betrieb einer Fotovoltaikanlage zu (siehe Fotovoltaik - vereinfachte Gewinnermittlung ). Die meisten Finanzämter fordern aber eine digital ausgefüllte und übermittelte Anlage EÜR.
Weitere Informationen: Fotovoltaik: Was Sie zur Einkommensteuer wissen müssen
2. Baumängel am Eigenheim:
Prozesskosten keine außergewöhnliche Belastung
Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 2013 sind Kosten eines gerichtlichen Prozesses nur im Ausnahmefall als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG absetzbar, nämlich dann, "wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Im Grunde genommen sind Prozesskosten allenfalls noch bei einem Bezug zum Beruf - als Werbungskosten oder Betriebsausgaben - abziehbar. Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen werden privat veranlasste Kosten für ein Gerichtsverfahren noch steuerlich anerkannt.
AKTUELL hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass Kosten, die durch Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines Eigenheims entstanden sind, nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abzugsfähig sind (Urteil vom 7.5.2020, 3 K 2036/19).
- Der Fall: In 2015 beauftragte ein Ehepaar ein Massivbau-Unternehmen mit der Errichtung eines Zweifamilienhauses mit Unterkellerung auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück. Wegen gravierender Planungs- und Ausführungsfehler gingen die Eheleute gegen das Bauunternehmen gerichtlich vor, unter anderem im Wege eines Beweissicherungsverfahrens. Allein im Jahr 2017 zahlten sie dafür Gerichts- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt rund 13.700 EUR. Im Jahr 2018 wurde über das Vermögen des Bauunternehmens das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 2017 machten die Ehegatten die ihnen entstandenen Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend und wiesen auf ihre extrem angespannte finanzielle Situation hin. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht lehnten die beantragte Steuerermäßigung hingegen ab.
- Begründung: Zu keiner Zeit habe für die Eheleute die Gefahr bestanden, die Existenzgrundlage zu verlieren oder die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können. Sie seien beide erwerbstätig gewesen und hätten eine ihrem Wohnbedürfnis entsprechende Mietwohnung bewohnt. Das Baugrundstück sei nicht lebensnotwendig gewesen und hätte notfalls verkauft werden können. Die Aufwendungen seien auch nicht außergewöhnlich. Der Erwerb eines Einfamilienhauses berühre typischerweise das Existenzminimum nicht und erscheine deshalb steuerlich als Vorgang der normalen Lebensführung. Auch Baumängel seien nicht unüblich, so dass entsprechende Prozesskosten wegen solcher Mängel ebenfalls grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden könnten.
STEUERRAT: Das Urteil liegt wohl auf einer Linie mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. So hat er mit Urteil vom 10.3.2016 (VI R 80/14) entschieden, dass Rechtsanwalts- und Gerichtskosten, die im Zusammenhang mit Baumängeln entstehen, grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Von daher wurde in dem aktuellen Verfahren die Revision auch nicht zu gelassen. Letztlich bedarf der Abzug der Kosten also einer existentiellen Notlage. Diese hatte das FG Köln, wenn auch noch vor der Gesetzesänderung im Jahre 2013, wie folgt bejaht: Zum existenziell wichtigen Bereich gehört grundsätzlich auch das selbst bewohnte Einfamilienhaus. Dementsprechend können auch Prozesskosten, die das selbst bewohnte Haus betreffen, als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sein. Voraussetzung ist, dass die Wohnsituation als Existenzgrundlage betroffen ist und der Rechtsstreit geführt wird, um ein menschenwürdiges Wohnen in dem betreffenden Objekt entweder aufrecht zu erhalten oder erst zu ermöglichen. Dazu reicht es keineswegs, wenn es um eine bloße Beeinträchtigung der Wohnqualität geht, wie Bau einer Stichstraße, zusätzlicher Lärm, geringerer Sichtschutz u.Ä. (FG Köln vom 24.11.2005, EFG 2006 S. 351).
Weitere Informationen: Anwalts- und Gerichtskosten im privaten Bereich
3. Handwerkerleistungen:
Reparatur von Elektrogeräten und Handys absetzbar?
Die Kosten für Handwerkerleistungen sind mit 20 %, höchstens 1.200 EUR im Jahr, direkt von der Steuerschuld abziehbar (§ 35a EStG). Der Steuerabzug wird gewährt für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen an und in der selbst genutzten Wohnung. Die Frage ist, ob auch Reparaturen von stationären Elektrogeräten, wie zum Beispiel Waschmaschinen und Geschirrspülmaschinen, oder Reparaturen von mobilen Geräten, wie zum Beispiel Handys und Fernsehgeräten, steuerlich begünstigt sind.
Vor einiger Zeit hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium diese Frage wie folgt beantwortet: "Aufwendungen für die Reparatur von Elektrogeräten im Haushalt sind berücksichtigungsfähig, soweit die Geräte in der Hausratversicherung mitversichert werden können. Eine allgemeine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Steuerermäßigung stellt die Leistungserbringung im Haushalt des Steuerpflichtigen dar" (BT-Drucksache 18/13202).
Im ersten Schritt ist also zu prüfen, ob das betreffende Gerät prinzipiell in der Hausratversicherung mitversichert werden kann (BMF-Schreiben vom 9.11.2016, BStBl. 2016 I S. 1213, Anhang). Im zweiten Schritt ist zu klären, ob die Reparatur im Haushalt durchgeführt wurde.
STEUERRAT: Die Steuervergünstigung wird nur dann gewährt, wenn die Reparaturarbeiten in Ihrem Haushalt durchgeführt werden. Es ist also unbedingt erforderlich, dass der PC, der Fernseher oder die Waschmaschine zu Hause repariert werden. Wenn Sie das defekte Gerät zur Reparatur wegbringen, gibt es keinen Steuerbonus. Eine verrückte Regelung! Wer - außer Steuerrat24-Leser - kennt diese Spitzfindigkeit schon?!
Weitere Informationen: Steuervergünstigung für Handwerkerleistungen
4. Gewerblicher Grundstückshandel:
Vorsicht bei umfassenden Baumaßnahmen
Den meisten Immobilienbesitzern ist bekannt, dass die Veräußerung einer Immobilie innerhalb von zehn Jahren Einkommensteuer auslösen kann, wenn diese nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden ist. Umgangssprachlich wird insoweit auch von einem "Spekulationsgeschäft" gesprochen. Etwas weniger bekannt ist, dass es neben den "Spekulationsgeschäften" eine weitere Möglichkeit gibt, mit der die Finanzverwaltung Immobilienverkäufe besteuern kann: der so genannte gewerbliche Grundstückshandel. Es gilt die Regel, dass der Gewinn aus dem Verkauf von Immobilen zu - steuerpflichtigen - gewerblichen Einkünften führt, wenn mehr als drei Objekte innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren an- und wieder verkauft werden. Doch keine Regel oder Ausnahme: Im Einzelfall kommt es weder auf die "Drei-Objekt-Grenze" noch auf den "Fünf-Jahres-Zeitraum" an. Das heißt, selbst der Verkauf eines einzigen Objekts oder einer Immobilie, die bereits viele Jahre im Privateigentum gehalten wird, kann einen gewerblichen Grundstückshandel auslösen.
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass umfangreiche Bau- und Erweiterungsmaßnahmen, die der Immobilienbesitzer selbst an einer langjährig privat vermieteten Immobilie vornimmt, dazu führen können, dass das Grundstück einem gewerblichen Betriebsvermögen zuzuordnen ist und seine Veräußerung steuerpflichtig ist. Anders ausgedrückt: Der Verkauf einer derartigen Immobilie kann zu einem gewerblichen Grundstückshandel führen und hohe Steuern auslösen (Urteil vom 15.1.2020, X R 18, 19/18).
- Der Fall: Eine Immobilie befand sich bereits seit vielen Jahren im Eigentum des Klägers. Sie wurde an eine GmbH vermietet, die dort ein Senioren- und Pflegeheim betrieb. Im Jahr 1999 beantragte der Kläger die Genehmigung für die Errichtung eines Erweiterungsbaus, der im Jahr 2004 fertiggestellt wurde. Mitte des Jahres 2005 brachte der Kläger die Immobilie in eine KG ein, die die mit dem Grundstück zusammenhängenden Verbindlichkeiten übernahm. Die KG setzte das Mietverhältnis mit der GmbH fort. Das Finanzamt besteuerte den Gewinn aus der Einbringung in die KG, da es den Vorgang einem Verkauf gleichstellte. Der Kläger habe aufgrund anderweitiger Grundstücksaktivitäten einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben, zu dem auch das in die KG eingebrachte Grundstück gehört habe. UND: Selbst bei isolierter Betrachtungsweise sei das Grundstück einem gewerblichen Grundstückshandel zuzuordnen gewesen, da die Errichtung des Erweiterungsbaus nach ihrem wirtschaftlichen Kern einer Bauträgertätigkeit entsprochen habe. Die Klage vor dem Finanzgericht blieb ohne Erfolg.
- Der BFH hob die Entscheidung zwar auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Es fehlten ausreichende Feststellungen, ob das eingebrachte Grundstück in Anbetracht dessen langjähriger Nutzung im Rahmen privater Vermögensverwaltung überhaupt taugliches Objekt eines gewerblichen Grundstückshandels gewesen sein konnte. ABER: Privat vermietete Immobilien könnten trotz langjähriger Nutzung zum Objekt eines gewerblichen Grundstückshandels werden, wenn der Eigentümer im Hinblick auf eine Veräußerung Baumaßnahmen ergreife, die derart umfassend seien, dass hierdurch das bereits bestehende Gebäude nicht nur erweitert oder über seinen bisherigen Zustand hinausgehend wesentlich verbessert, sondern ein neues Wirtschaftsgut "Gebäude" hergestellt werde. Dementsprechend habe die Vorinstanz zu prüfen, ob durch die umfangreichen Baumaßnahmen entweder ein neues selbständiges Gebäude ("Erweiterungsbau") oder sogar ein einheitliches neues Gebäude geschaffen wurde. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu diesem Ergebnis kommen, wäre die Einbringung ein vollentgeltlicher Vorgang und sei mithin voll zu versteuern. Denn als Gegenleistung für die Einbringung übernahm die KG sämtliche Verbindlichkeiten. Die "Entgeltkomponenten" entsprachen dem Verkehrswert des Grundstücks.
- Ob die Errichtung des Erweiterungsbaus für sich genommen einer gewerblichen Bauträgertätigkeit entsprochen habe, hat der BFH nicht weiter behandelt, da ohnehin weitere Grundstücksaktivitäten (Baulandverkäufe über eine weitere KG) hinzukamen, die in die Gesamtbetrachtung einfließen müssten.
STEUERRAT: Immer wieder wird die Frage gestellt, ob die Aufteilung eines Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen mit anschließendem Verkauf der einzelnen Objekte zu einem gewerblichen Grundstückshandel führen kann. Leider kann hier nur die unbefriedigende Antwort gegeben werden: Es kommt darauf an. So hat der BFH die Teilung eines Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen, deren umfangreiche Sanierung bzw. Modernisierung sowie zeitnahe Veräußerung als gewerblich eingestuft (z.B. BFH-Urteile vom 10.8.1983, I R 120/80, und vom 28.10.1993, IV R 66-67/91). Unabhängig davon hat der BFH entschieden, dass selbst ein zeitlich bereits weit zurückliegender Grundstückserwerb die Zuordnung zu einem gewerblichen Grundstückshandel nicht ausschließt, wenn ein hierauf befindliches Gebäude abgerissen und durch eine in Veräußerungsabsicht erfolgte Neubebauung ersetzt wird (z.B. BFH-Urteil vom 22.3.1990 IV R 23/88). Ebenso wenig kann generell davon ausgegangen werden, dass Grundstücke, die länger als zehn Jahre im Eigentum gehalten werden, keine Objekte eines gewerblichen Grundstückshandels mehr sind. Betroffen sind insbesondere die Fälle der Baulanderschließung (z.B. BFH-Urteil vom 17.2.1993, X R 108/90). Und auch Grundstücksverkäufe über eine Personengesellschaft, an der ein Steuerbürger beteiligt ist, sind zu berücksichtigen. Eine Personengesellschaft entfaltet keine "Abschirmwirkung" (BFH-Beschluss vom 3.7.1995, GrS 1/93, BStBl II 1995, 617). Insofern ist in diesen oder ähnlichen Fällen dringend zu empfehlen, beim zuständigen Finanzamt vor dem Verkauf einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu stellen, um auf "Nummer Sicher" zu gehen.
5. Schäden am Eigenheim:
Kosten eines Marderbefalls steuerlich nicht absetzbar
Aufwendungen für das Wohnen im eigenen Haus sind steuerrechtlich grundsätzlich irrelevant. Doch bei Schäden, die durch ein "unabwendbares Ereignis" eingetreten sind, kann eine steuerliche Berücksichtigung in Betracht kommen. Dabei muss das außergewöhnliche Schadensereignis mit einer Naturkatastrophe (z.B. Hochwasser oder Unwetter) oder einer "privaten Katastrophe" (z.B. Wohnungsbrand oder rückgestautes Wasser) vergleichbar sein (BFH-Urteil vom 6.5.1994, BStBl. 1995 II S. 104). Die Aufwendungen müssen mithin zwangsläufig entstanden sein.
- Ein unabwendbares Ereignis bzw. eine "private Katastrophe" stellt auch der Befall mit echtem Hausschwamm dar. Daher sind die Aufwendungen zur Schadensbeseitigung als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzbar (BFH-Urteil vom 29.3.2012, VI R 70/10; Niedersächsisches FG vom 17.8.2010, EFG 2011 S. 134).
- Ein unabwendbares Ereignis bzw. eine "private Katastrophe" ist ferner die Beseitigung von unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit, die von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs (Wohnung) ausgehen. Die Nutzbarkeit kann beeinträchtigt sein durch sinnlich nicht wahrnehmbare Schadstoffe, z.B. Asbest oder Formaldehyd. Aufwendungen zur Schadensbeseitigung sind als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG absetzbar (BFH-Urteil vom 29.3.2012, VI R 21/11).
AKTUELL hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit Marderschäden am Eigenheim prinzipiell nicht abziehbar sind. Zumindest gilt dies, wenn der Marderschaden nicht akut und geballt auftritt, sondern dieser über einen gewissen Zeitraum hingenommen wird oder - zunächst - mit untauglichen Mitteln versucht wird, den Marder zu verscheuchen (Urteil vom 21.2.2020, 3 K 28/19).
- Der Fall: Die Klägerin war Eigentümerin eines Einfamilienhauses. Erstmalig beauftragte sie im April 2004 ein Unternehmen mit dem Vertreiben und Aussperren von Steinmardern. Die Firma fand einen Marderzugang zum Dach, verschloss ihn und deckte zur Vermeidung von weiterem Marderbefall die Regenrinnen ab (Kosten: 928 EUR). Im April 2006 verschloss die Firma erneut einen Marderzugang (Kosten: 348 EUR). Es kamen im Laufe der folgenden Jahre weitere - stets untaugliche - Versuche hinzu, um den bzw. die Marder zu vertreiben. Doch es half nichts. Im Jahr 2015 musste eine komplette Dachsanierung her mit schweren, von einem Marder nicht mehr zu hebenden Dachziegeln. Kosten: über 54.000 EUR. Die Klägerin machte diese Kosten in ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Dachsanierung sei erforderlich gewesen, weil aufgrund von Kot und Urin der Marder und der Kadaver ihrer Beutetiere eine akute Gesundheitsgefährdung für sie und ihre Familie bestanden habe. Doch die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen wurden nicht berücksichtigt, weil sie nicht "zwangsläufig" gewesenen seien. Die Klage vor dem Finanzgericht blieb ohne Erfolg.
- Begründung: Die Verschmutzung des Dachbodens mit Kot, Urin und Beutekadavern von Mardern könnte zwar als ungewöhnlich anzusehen sein. Allerdings ist bei der Beurteilung die dahinterliegende Ursache wertend einzubeziehen, dass nämlich ein oder nacheinander mehrere Marder den Dachboden der Klägerin zu ihrem Rückzugsort und dann zu dem Ort für die Aufzucht ihres Nachwuchses machen konnten. Dem Marderbefall hätte weitergehend vorgebeugt werden können, wenn regelmäßige und hinreichend eng getaktete Kontroll- und Vergrämungsmaßnahmen vorgenommen worden wären und nicht nur bei akutem Befall reagiert worden wäre. Gleichwohl eintretende Schäden hätten dann jeweils zeitnah beseitigt werden können. Häufige Inspektionen und Wartungsarbeiten mögen lästig und mit ständigen Kosten verbunden gewesen sein. Sie hätten allerdings unterhalb der Belastungsgrenze des § 33 EStG für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen gelegen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin über die Jahre finanzielle Vorsorge hätte treffen können. Sie hätte im Rahmen der Zumutbarkeit regelmäßig Rücklagen bilden können für den zu besorgenden Fall, dass die konkret getroffenen Maßnahmen unzureichend bleiben und eine Änderung der Dachdeckung sich doch noch als erforderlich herausstellen sollte.
STEUERRAT: Gegen das Urteil liegt die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof vor, so dass in ähnlichen Fällen Einspruch eingelegt und auf das Verfahren verwiesen werden sollte (Az. VI B 41/20). Immerhin hat der BFH in einem anderen Fall, in des um Biberschäden geht, die Revision zugelassen (Az. VI R 42/18). Um aber die Erfolgsaussichten zu wahren oder zu erhöhen, sollten Hauseigentümer nicht nur nachweisen, dass materielle Schäden entstanden sind, sondern mittels Gutachten verdeutlichen, dass auch gesundheitliche Gefahren existierten (so auch Matthias Tiemann, Vorsitzender Richter am FG, EFG 2020, S. 837/840).
Weitere Informationen: Schäden am Eigenheim
6. Ferienwohnungen:
Wichtiges Urteil zur ortsüblichen Vermietungszeit
Bei Ferienwohnungen, die im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung vermietet werden, sind die Werbungskosten oftmals über viele Jahre höher als die Einnahmen, weil die Wohnungen selten ganzjährig vermietet werden. Und da hier auch noch private Motive mitspielen, lehnen die Finanzämter die Anerkennung der Verluste wegen "Liebhaberei" häufig ab. Das heißt: Der Vermieter muss in vielen Fällen den Gegenbeweis antreten und dem Finanzamt gegenüber darlegen, dass er langfristig doch einen "Total-Überschuss" erreichen kann.
Bei Wohnungen, die ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet, also nicht selbstgenutzt werden, muss der Fiskus dem Eigentümer grundsätzlich Glauben schenken. Der Nachweis einer Total-Überschusses ist also nicht erforderlich; vielmehr wird dieser - anders als bei zeitweise selbstgenutzten Wohnungen - unterstellt. Allerdings spielt die Anzahl der Vermietungstage eine bedeutende Rolle:
Eine Überschusserzielungsabsicht wird (nur) dann unterstellt, wenn die Ferienwohnung im ganzen Jahr - bis auf die üblicherweise vorkommenden Leerstandszeiten - an wechselnde Feriengäste vermietet wird. Dabei darf die tatsächliche Vermietungszeit nur um bis zu 25 % niedriger sein als die ortsübliche Vermietungszeit (BFH-Urteil vom 26.10.2004, IX R 57/02).
Steht die Wohnung im Durchschnitt häufiger leer als andere Ferienwohnungen desselben Ortes, so wird das Finanzamt eine Ertragsprognose für 30 Jahre verlangen, um zu prüfen, ob in diesem Zeitraum ein Überschuss erzielt werden kann. Nur bei positiver Ertragsprognose werden die Werbungskosten in voller Höhe anerkannt.
Doch was bedeutet eigentlich "ortsübliche Vermietungszeit"? Auf welche Zahlen kommt es konkret an?
AKTUELL hat sich der Bundesfinanzhof mit dieser Frage befasst und ein Urteil gefällt, das betroffenen Besitzern von Ferienwohnungen möglicherweise helfen kann. Bei der Ermittlung des Vergleichsmaßstabes für die Auslastungszahlen ist nämlich nur auf die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen, nicht jedoch auf diejenige von sämtlichen Beherbergungsbetrieben einer Stadt abzustellen. Daher ist der Vergleichsmaßstab deutlich geringer als von der Finanzverwaltung angenommen (BFH-Urteil vom 26.5.2020, IX R 33/19).
- Der Fall: Die Kläger erklärten Verluste aus der Vermietung einer Ferienwohnung in der Stadt A. Die Ferienwohnung befindet sich im selbstgenutzten Haus mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 220 qm, wovon 155 qm auf den selbstgenutzten Teil und 65 qm auf die Ferienwohnung entfallen. Die Ferienwohnung wurde in den vergangenen Jahren maximal an 124 Tagen pro Jahr, zumeist aber an wesentlich weniger Tagen vermietet. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Verluste aus Vermietung und Verpachtung nicht an.
- Zur Begründung wies das Finanzamt darauf hin, dass die Kläger zwar eine ausschließliche Vermietung der Ferienwohnung nachgewiesen hätten. So böten sie die Ferienwohnung über Vermittler an und es stünde ihnen genügend Wohnfläche für die Unterbringung von eigenen Gästen zur Verfügung. Dennoch sei die Einkünfteerzielungsabsicht immer dann anhand einer Prognose zu überprüfen, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit mindestens um 25 % unterschreitet. Im Streitfall sei die ortsübliche Vermietungszeit unterschritten. Abzustellen sei auf die Erhebungen des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern. Danach habe die durchschnittliche Auslastung der Stadt A 35,5 % (alle Unterkünfte) betragen. Für die Region Vorpommern/Rügen läge sie bei 29,3 % (alle Unterkünfte) und bei 23,6 % (nur Ferienunterkünfte und Campingplätze). Dies ergebe ins Verhältnis gesetzt eine durchschnittliche Vermietung von 104 Tagen für die Stadt A für das Jahr 2013. Die Kläger hatten die Wohnung in 2013 aber nur an 75 Tagen vermietet, so dass die Grenze von 25 % unterschritten und eine Prognoseberechnung erforderlich sei. Anhand dieser sei ersichtlich, dass ein Totalüberschuss innerhalb des Prognosezeitraumes mit der Ferienwohnung nicht erzielt werden könne. Besonders auffällig an der Prognose sei, dass bereits die Kosten, auf die die Kläger kaum Einfluss hätten, fast doppelt so hoch seien wie die Einnahmen.
- Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich; die Revision des Finanzamts hat der BFH zurückgewiesen. Die Kläger haben Anspruch auf Berücksichtigung der von ihnen geltend gemachten Verluste aus der Vermietung ihrer Ferienwohnung. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist im Streitfall nicht anhand einer Prognoserechnung zu überprüfen.
- Begründung: Gemessen an den Zahlen des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern haben die Kläger mit der Vermietung ihrer Ferienwohnung eine Auslastung erreicht, die durchschnittlich oberhalb von 75 % des ortsüblichen Wertes lag. Es ist auf die durchschnittliche Auslastung der Ferienwohnung über einen längeren Zeitraum abzustellen, nicht also nur auf einzelne Jahre. Bei der Ermittlung des Vergleichsmaßstabes ist im Übrigen auf die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen, nicht jedoch auf diejenige von sämtlichen Beherbergungsbetrieben in der Stadt A abzustellen. Die Auslastungszahlen von Hotels sowie Gasthöfen sind mit denjenigen von Ferienwohnungen nicht vergleichbar. Die ortsübliche Auslastung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern in A habe in den Jahren 2011 bis 2015 - nach den Erhebungen des Statistischen Amtes MV - zwischen 92 und 110 Tage betragen. Die Vermietungstage der Kläger haben im selben Zeitraum durchschnittlich 92 Tage betragen und mithin die ortsübliche Auslastung nicht erheblich unterschritten. Die eingangs erwähnte "Unterschreitensgrenze" von 25 % ist zudem kein starrer Wert. Lediglich aus Vereinfachungsgründen ist die Grenze bei "mindestens" 25 % angesetzt worden.
Weitere Informationen: Steuerrat zur Ferienwohnung
V. Renten und Pensionen
1. Hinterbliebenenrenten: Höhere Hinzuverdienst-Freibeträge ab Juli 2020
Bei der Witwen-/Witwerrente und Erziehungsrente wird eigenes Einkommen grundsätzlich angerechnet. Zunächst wird aus den Bruttoeinnahmen durch verschiedene Pauschalabzüge ein fiktives Nettoeinkommen ermittelt. Dieses Nettoeinkommen bleibt in Höhe bestimmter Freibeträge anrechnungsfrei (siehe Tabelle). Soweit das Nettoeinkommen die Freibeträge übersteigt, wird es zu 40 % auf die Witwen-/Witwerrente angerechnet.
AKTUELL steigen zum 1.7.2020 die Anrechnungsfreibeträge für Hinzuverdienste, weil der aktuelle Rentenwert angehoben wird (West: 34,19 EUR, Ost: 33,23 EUR). Der Freibetrag für die Einkommensanrechnung ist mit dem aktuellen Rentenwert verknüpft. So ist sichergestellt, dass er mitwächst, wenn die Renten erhöht werden. Er beträgt für Witwen- und Witwerrenten und Erziehungsrenten das 26,4-fache des aktuellen Rentenwertes. Wenn Sie Kinder haben, steigt der Freibetrag für jedes Kind, das grundsätzlich einen Anspruch auf Waisenrente hat, um das 5,6‑fache des aktuellen Rentenwertes. Es ist nicht notwendig, dass Ihr Kind die Waisenrente tatsächlich bezieht.
Das sind die Anrechnungsfreibeträge (ab 1.7.2020) |
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West |
Ost |
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ab 1.7.2020 |
bisher |
ab 1.7.2020 |
bisher |
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Witwen-/Witwerrente, Erziehungsrente - zuzüglich je Kind |
902,62 EUR 191,46 EUR |
872,52 EUR 185,08 EUR |
877,27 EUR 186,09 EUR |
841,90 EUR 178,58 EUR |
STEUERRAT: Eine Einkommensanrechnung erfolgt nicht in den ersten drei Kalendermonaten nach dem Tod des Versicherten. In diesem "Sterbevierteljahr" wird die Witwen-/Witwerrente stets ungekürzt gezahlt. Seit dem 1.7.2015 wird bei volljährigen Waisen auf die Anrechnung eigenen Einkommens vollkommen verzichtet. Folglich werden Waisenrenten unabhängig von den Einkommensverhältnissen immer in voller Höhe gezahlt. Bei Waisen, die noch keine 18 Jahre alt sind, wurde schon bisher auf eine Einkommensanrechnung verzichtet (§ 97 SGB VI).
Weitere Informationen: Hinterbliebenenrente: Witwen- oder Witwerrente
2. Bahnpensionäre: Fahrvergünstigungen sind Versorgungsbezüge
Ruhestandsbeamte der ehemaligen Bundesbahn oder des Bundeseisenbahnvermögens profitieren immer noch von einem Vorteil aus aktiven Tagen: Sie erhalten auch im Ruhestand oftmals eine persönliche Jahresnetzkarte(BahnCard 100) der 1. oder 2. Klasse im Wert von immerhin derzeit 6.560 EUR bzw. 3.878 EUR. Die Frage ist, wie dieser Vorteil zu versteuern ist. Müssen nur die tatsächlich durchgeführten Freifahrten oder der gesamte Wert der BahnCard versteuert werden? Wird auch für Pensionäre der Personal-Rabattfreibetrag berücksichtigt? Handelt es sich bei den Fahrvergünstigungen um "Vorteile aus früheren Dienstleistungen" und damit um Arbeitslohn oder um Versorgungsbezüge?
- Zur Frage 1: Bei Überlassung einer Jahresnetzkarte sind nicht die tatsächlich durchgeführten Freifahrten, sondern der Wert der BahnCard 100 als geldwerter Vorteil zu versteuern (BFH-Urteil vom 12.4.2007, VI R 89/04).
- Zur Frage 2: Auch bei Pensionären erfolgt die Versteuerung der BahnCard gemäß § 8 Abs. 3 EStG mit einem Bewertungsabschlag von 4 Prozent und dem Personalrabattfreibetrag von 1.080 EUR (BFH-Urteil vom 26.6.2014, VI R 41/13). Der BFH hat offen gelassen, ob es sich bei den Fahrvergünstigungen um Versorgungsbezüge handelt.
- Zur Frage 3: Ob es sich bei dem Sachbezug "Fahrvergünstigungen" für Ruhestandsbeamten der Bahn um Versorgungsbezüge handelt, ist in der Rechtsprechung noch umstritten gewesen. Die Versorgungsbezüge von Pensionären sind steuerlich begünstigt durch den Versorgungsfreibetrag, den Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag und den Werbungskosten-Pauschbetrag.
AKTUELL hat der BFH zur Frage 3 entschieden, dass der geldwerte Vorteil der Jahresnetzkarte Versorgungsbezüge darstellt. Wenn einem Ruhestandsbeamten eine Netzkarte für die Dauer des Ruhegehalts zustehe, sei ein altersabhängiger Bezug mit Versorgungscharakter gegeben, weil keine Gegenleistung mehr erbracht werden müsse (BFH-Urteil vom 11.3.2020, VI R 26/18; ebenso FG München vom 8.5.2018, 6 K 2979/17).
- Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 EStG setzen voraus, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens der Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden ist.
- Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens sind Versorgungsbezüge, da sie keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Ruhestandsbeamten darstellen, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden. Dies gilt auch, wenn die Fahrvergünstigungen aufgrund eines vor Erreichens der Altersgrenze abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrags geleistet werden. Die kostenlose Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten ist wie das Ruhegeld selbst als Versorgungsbezug anzusehen.
- Zur Versteuerung: Der Wert der Jahresnetzkarte bleibt in Höhe des Personalrabattfreibetrages von 1.080 EUR steuerfrei (gemäß § 8 Abs. 3 EStG), wobei zuvor noch ein Bewertungsabschlag von 4 Prozent erfolgt. Der verbleibende Betrag ist - zusammen mit anderen Versorgungsbezügen - begünstigt durch den Versorgungsfreibetrag, den Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag und den Werbungskosten-Pauschbetrag von 102 EUR, sofern keine höheren Werbungskosten nachgewiesen werden. Es besteht kein Anspruch auf den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 EUR sowie auf den Altersentlastungsbetrag, weil die Einkünfte bereits durch den Personalrabattfreibetrag begünstigt sind.
Weitere Informationen: Personalrabatte für Waren und Dienstleistungen
3. Rente mit 63: Zeiten in Transfergesellschaft sind zu berücksichtigen
Wer mindestens 45 Versicherungsjahre vorzuweisen hat, kann die "Altersrente für besonders langjährig Versicherte" in Anspruch nehmen. Umgangssprachlich wird diese Rente auch als "Rente mit 63" bezeichnet, weil die vor 1953 Geborenen ohne Abschläge mit 63 Jahren in Rente gehen konnten. Wer ab dem 1.1.1953 geboren ist, muss einige Monate länger arbeiten. Bei ihnen wird die Altersgrenze von 63 Jahren stufenweise auf 65 Jahre angehoben. Immer wieder stellt sich allerdings die Frage, welche Jahre tatsächlich zu den "Versicherungsjahren" bzw. zu den "maßgebenden 45 Jahren" gehören, da zahlreiche Arbeitnehmer nicht ununterbrochen sozialversicherungspflichtig beschäftig waren und es insoweit einige - eng umrissene - Ausnahmetatbestände gibt.
AKTUELL hat das Bayerische Landessozialgericht entschieden, dass auf die Mindestversicherungszeit von 45 Jahren auch Zeiten von Arbeitslosigkeit im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Transfergesellschaft anzurechnen sind, wenn die Beschäftigung nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers erfolgte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden sind (Urteil vom 1.7.2020, L 1 R 457/18).
- Der Fall: Der Kläger war bis zum 31.1.2012 bei einer Aktiengesellschaft (AG) und nach deren Insolvenzanmeldung im November 2011 noch vom 1.2.2012 bis zum 31.10.2012 in einer Transfergesellschaft versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war der Kläger bis zum Beginn der Altersrente am 1.7.2015 arbeitslos. In einem zwischen dem Kläger, dem Insolvenzverwalter der AG und dem Geschäftsführer der Transfergesellschaft geschlossenen dreiseitigen Vertrag wurde neben der Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses mit der AG zugleich die Begründung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses mit der Transfergesellschaft vereinbart. Der Kläger beantragte eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährige Versicherte. Diese erfordert eine Mindestversicherungszeit von 45 Jahren (540 Monate) und ist nur gegeben, wenn die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld des Klägers ab 1.11.2012 auf die Mindestversicherungszeiten angerechnet werden. Dies hat die beklagte Rentenversicherung abgelehnt. Auf die Wartezeit von 45 Jahren würden Kalendermonate mit Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur angerechnet, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei. Das sei im Fall des Klägers, dessen letzter Arbeitgeber die Transfergesellschaft gewesen sei, nicht der Fall.
- Das Landessozialgericht sieht die Sache anders und hat die Rentenversicherung zur Gewährung der Rente verurteilt. Die Voraussetzungen für eine insolvenzbedingte Arbeitslosigkeit seien auch dann erfüllt, wenn es nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers zu einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft und anschließend zu keinem Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber mehr gekommen sei und der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden seien.
- Begründung: Die Beschäftigung in der Transfergesellschaft verlängere faktisch das rechtlich nicht mehr bestehende Beschäftigungsverhältnis mit der insolventen Firma. Die daran anschließende Arbeitslosigkeit bzw. der Bezug von Arbeitslosengeld sei in diesem Fall weiterhin kausal auf die Insolvenz des früheren Arbeitgebers zurückzuführen. Die Revision wurde zugelassen.
VI. Selbstständige
1. Gewerbesteuer:
Wann liegen zwei eigenständige Betriebe vor?
Übt ein Unternehmer verschiedene gewerbliche Tätigkeiten aus oder verfügt sein Gewerbetrieb über Zweigstellen bzw. mehrere Niederlassungen, so stellt sich stets die Frage, ob insoweit eigenständige (Teil-)Betriebe gegeben sind. Die Interessenlage kann dabei unterschiedlicher Natur sein: Wer Verluste einer gewerblichen Tätigkeit mit Gewinnen aus einer anderen Tätigkeit gewerbesteuerlich verrechnen will, möchte in der Regel einen einzigen Gesamtbetrieb sein Eigen nennen, während die Sache anders aussieht, wenn beide Tätigkeiten Gewinne erwirtschaften und der gewerbesteuerliche Freibetrag von 24.500 EUR mehrfach genutzt werden soll. Dann wäre es schön, wenn zwei Gewerbebetriebe vorliegen und der Freibetrag doppelt genutzt werden könnte. Zu der Frage der (Teil-)Betriebseigenschaft sind in den vergangenen Jahren unzählige Urteile gefällt worden.
- Interessant ist zum Beispiel eine Entscheidung des Finanzgerichts Nürnberg vom 7.10.2015 (3 K 1631/14). Hier haben die Richter einen Elektromeisterbetrieb und den Betrieb einer Windkraftanlage nicht als einheitlichen Gewerbebetrieb angesehen, da die Windkraftanlage an einem anderen Ort betrieben worden ist.
- Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.10.2012 (BFH/NV 2013, S. 252). Der Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts für Zeitungen, Tabakwaren, Bücher und ähnlichem und der Betrieb einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach des Hauses sind danach ungleichartige Betätigungen, die einander auch nicht fördern oder ergänzen. Folge: Es liegen zwei selbstständige Gewerbebetriebe vor.
- Anders wiederum das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.9.2010 (X R 21/08): Danach ergänzen sich das Betreiben einer Fotovoltaikanlage und das Betreiben eines Elektroinstallations-Unternehmens wechselseitig. Die Fotovoltaikanlage befand sich in diesem Fall auf dem Nachbargebäude.
AKTUELL hat das FG Düsseldorf entschieden, dass zwei Tankstellen desselben Pächters einen einheitlichen Gewerbebetrieb darstellen (Urteil vom 23.6.2020, 10 K 197/17 G).
- Der Fall: Der Kläger betrieb innerhalb einer Gemeinde auf derselben Straße zwei Tankstellen. Die Entfernung zwischen den beiden Tankstellen betrug ca. 600 Meter. Er stritt mit dem Finanzamt darüber, ob diese beiden Tankstellen als zwei gesonderte Gewerbebetriebe anzusehen waren und ihm folglich für beide Betriebe jeweils ein Gewerbesteuerfreibetrag zu gewähren war. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die beiden Tankstellen einen einheitlichen Gewerbebetrieb bilden würden. Infolgedessen addierte es die erzielten Ergebnisse der beiden Tankstellen und gewährte den Gewerbesteuerfreibetrag nur einmal. Der Kläger war hingegen der Ansicht, dass zwischen den beiden Tankstellen kein finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Zusammenhang bestanden habe. Beide Betriebe seien separat geführt worden. Doch Einspruch und Klage blieben erfolglos.
- Begründung: Die beiden Tankstellen seien nicht vollkommen selbstständig geführt worden. Es habe zwar kein finanzieller Zusammenhang bestanden, weil für beide Tankstellen Bankkonten und Buchhaltung getrennt geführt worden seien. Dies reiche aber nicht aus. In organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht habe zwischen den beiden Tankstellen ein nicht unwesentlicher Zusammenhang bestanden. Für beide Tankstellen habe zudem mit dem gleichen Franchisegeber ein Vertrag bestanden, so dass die Waren von den gleichen Lieferanten bezogen worden seien. Zudem habe - jedenfalls in Ausnahmefällen - zwischen den beiden Tankstellen ein Austausch von Waren und Personal stattgefunden. Hinzu komme die räumliche Nähe der beiden Tankstellen sowie die gleichartige Betätigung.
STEUERRAT: Gegen das Urteil ist die Revision zugelassen worden. Soweit ersichtlich, ist dieser aber nicht eingelegt worden. Jedenfalls sollten ähnlich gelagerte Fälle zunächst offengehalten werden. Ungeachtet dessen sprechen u.a. folgende Kriterien für die Annahme von zwei einzelnen Betrieben: räumliche Trennung, gesonderte Buchführungen, eigenes Personal, jeweils eigene Verwaltungen und eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeiten, ein jeweils eigener Kundenstamm und eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation. Diese Merkmale brauchen zwar nicht sämtlich vorzuliegen, aber eine gewisse Selbständigkeit der beiden Betriebe ist erforderlich.
2. Ansparabschreibung für Wohnmobil:
Ohne Fahrtenbuch droht hohe Nachzahlung
Planen Sie in den kommenden Jahren die Anschaffung oder Herstellung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, können Sie bereits heute einen so genannten Investitionsabzugsbetrag (IAB) gewinnmindernd abziehen (§ 7g EStG). Früher nannte man dies Ansparabschreibung. Der IAB beläuft sich auf bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Er ist an bestimmte Größenmerkmale des Betriebs geknüpft. Voraussetzung ist ferner, dass die geplante Investition innerhalb von drei Jahren vorgenommen wird und vor allem, dass das Wirtschaftsgut eine gewisse Zeit lang ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, muss der IAB rückgängig gemacht werden. Das verursacht üblicherweise nicht nur eine hohe Nachzahlung, sondern "oben drauf" noch Zinsen, die an das Finanzamt zu entrichten sind.
Wer einen IAB und später die Sonderabschreibung nach § 7g EStG geltend machen will, muss das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im Folgejahr zu mindestens 90 Prozent betrieblich nutzen. Für die geplante Anschaffung eines Pkw bedeutet das eine hohe Hürde. Die Finanzämter verlangen nämlich, dass eine mindestens 90-prozentige Nutzung nachgewiesen wird, und zwar üblicherweise durch Führung eines Fahrtenbuchs. Dadurch ist es nahezu unmöglich, den IAB für einen Firmenwagen zu bilden - genauer gesagt zu "behalten"-, für den zunächst die Ein-Prozent-Regelung angewandt werden soll.
Im vergangenen Jahr hat das Finanzgericht Münster die Haltung der Finanzverwaltung bestätigt: Die für Zwecke des IAB erforderliche fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines Pkw ist grundsätzlich durch ein Fahrtenbuch nachzuweisen. Nachträglich erstellte Unterlagen können dies nicht ersetzen - sie sind im Prinzip irrelevant (Urteil vom 20.7.2019, 7 K 2862/17 E, Revision unter VIII R 24/19).
AKTUELL hat das FG Münster "nachgelegt" und auch für den Fall der betrieblichen Nutzung eines Wohnmobils entschieden, dass die "fast ausschließliche betriebliche Nutzung" zur Bildung des IAB letztlich nur durch ein Fahrtenbuch nachgewiesen werden kann - und zwar durch ein ordnungsgemäß geführtes (Urteil vom 18.2.2020, 6 K 46/17 E, G).
- Der Fall: Im Betriebsvermögen des Klägers befand sich neben anderen betrieblich genutzten Fahrzeugen ein Wohnmobil, das der Kläger für Fahrten zu seinen Kunden nutzte, um bei Stillständen in den Produktionsanlagen der Kunden schnell vor Ort sein zu können und um kostenintensive Hotelaufenthalte zu vermeiden. Der Einsatz des Wohnmobils eröffnete ihm die Möglichkeit, teilweise auf den Betriebsgeländen der Kunden zu übernachten und unabhängig von Rezeptionszeiten der Hotels sehr früh bei den Kunden vor Ort zu sein. Seit 2013 ordnete der Kläger das für einen Preis von 132.000 EUR brutto neu erworbene Wohnmobil seinem Betriebsvermögen zu. Für das Wohnmobil machte der Kläger im Jahr 2011 einen IAB in Höhe von 30.000 EUR gewinnmindernd geltend. Das Finanzamt war zum einen der Auffassung, dass der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung nach der Ein-Prozent-Regelung zu bewerten sei. Es seien zwar digitale Fahrtenbücher geführt worden; diese seien aber aufgrund formeller und inhaltlicher Mängel zu verwerfen. Zum anderen vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass im Falle der Bewertung einer privaten Pkw-Nutzung anhand der Ein-Prozent-Regel die für den IAB erforderliche "fast ausschließlich betriebliche Nutzung" nicht angenommen werden könne, so dass der IAB und die spätere Sonderabschreibung rückgängig zu machen seien. Für ein Wohnmobil gelte insoweit keine andere Handhabung. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
- Das FG weist zwar darauf hin, dass es im vorliegenden Fall dahinstehen könne, welche grundsätzlichen Anforderungen an den Nachweis der fast ausschließlich betrieblichen Nutzung zu stellen sind. Dafür war die "Beweisführung" des Steuerpflichtigen offenbar zu mangelhaft. Jedoch lässt die weitere Urteilsbegründung darauf schließen, dass "am Ende des Tages" nur ein - ordnungsgemäßes - Fahrtenbuch den IAB rechtfertigen kann.
- Um Missverständnisse zu vermeiden: Im Fall einer "klassischen" Wohnmobilvermietung sähe die Sache sicherlich anders aus. Von dem Urteil unmittelbar betroffen sind nur die Fälle, in denen der erste Anschein für eine private Mitnutzung eines Kfz spricht.
STEUERRAT: Die Verlockung, ein vorzeitiges Steuergeschenk über den IAB zu erhalten, ist zwar groß. Die Rückgängigmachung eines IAB kann aber teuer werden, weil die Steueränderungen auch zu Nachzahlungszinsen führen. Überlegen Sie also sehr genau, ob Sie die hohen Anforderungen der Finanzverwaltung erfüllen können. Für das "Corona-Jahr" 2020 gilt in Bezug auf die Investitionsfrist beim IAB übrigens eine Besonderheit: Falls im Jahre 2017 IAB berücksichtigt wurden, müssen die Investitionen eigentlich spätestens bis zum 31.12.2020 erfolgen - oder die Abzugsbeträge müssen aufgelöst und verzinst werden. In vielen Fällen ist eine solche Investition infolge der Corona-Krise jetzt aber nicht wie geplant möglich. Zur Vermeidung dieser negativen Effekte und zur Steigerung der Liquidität der Unternehmen wird die Frist für IAB, deren dreijährige Investitionsfrist in 2020 ausläuft, um ein Jahr auf vier Jahre verlängert. Dadurch haben Steuerpflichtige, die in 2020 investieren wollen, aber wegen der Corona-Krise nicht investieren können, die Gelegenheit, die Investition in 2021 ohne negative steuerliche Folgen (Rückgängigmachung, Verzinsung der Steuernachforderung) nachzuholen. Zudem plant der Gesetzgeber weitere, umfassende Änderungen zum IAB, über die wir noch gesondert informieren werden, sobald diese verabschiedet worden sind.
Weitere Informationen: Der Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG
3. Grundstücksunternehmen:
Vorsicht beim Betrieb einer Fotovoltaikanlage
Reine Grundstücksunternehmen, die außer der Immobilienverwaltung sowie der Verwaltung eigenen Kapitalvermögens keine anderen Aktivitäten entfalten, profitieren von einer besonderen Regelung im Gewerbesteuergesetz: Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG greift die so genannte erweiterte Gewerbesteuerkürzung, die selbst hohe Gewinne komplett von der Gewerbesteuer befreit. Doch die Finanzverwaltung ist recht streng: Übrige Aktivitäten, die in der Vorschrift nicht genannt sind, führen zu einem Entzug der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. Selbst geringfügige weitere Tätigkeiten, die über die reine Verwaltung von Grundbesitz und Kapitalvermögen hinausgehen, sind generell schädlich und verhindern die vollständige Kürzung des Gewerbeertrags.
Auch der Betrieb einer Fotovoltaikanlage ist eine schädliche Tätigkeit. Dies hat das Landesamt für Steuern Niedersachsen in einer aktuellen Verfügung klargestellt. Ebenfalls schädlich für die erweiterte Kürzung ist die Auslagerung des Betriebs der Fotovoltaikanlage auf ein Tochterunternehmen, egal ob dieses als Personen- oder als Kapitalgesellschaft betrieben wird (Verfügung vom 15.5.2020, G 1425-50-St 251).
Auf folgende Gestaltungsmöglichkeit weist die Finanzverwaltung aber hin: Wenn nicht eine Tochtergesellschaft, sondern eine Schwestergesellschaft die Fotovoltaikanlage auf den Dachflächen des Wohnungsunternehmens betreibt, ist in derartigen Fällen die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG grundsätzlich zu gewähren.
STEUERRAT: Das Gesagte gilt für den Betrieb von Blockheizkraftwerken, die vom Wohnungsunternehmen selbst betrieben werden, gleichermaßen (OFD Nordrhein-Westfalen vom 2.10.2015, Kurzinfo GewSt 10/2015). Reine Nebentätigkeiten sind nur dann nicht kürzungsschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können. Hierzu zählen insbesondere der Betrieb notwendiger Sondereinrichtungen für die Mieter und notwendiger Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbewirtschaftung, etwa die Unterhaltung von zentralen Heizungsanlagen, Gartenanlagen und Ähnlichem. Eine darüber hinausgehende Mitvermietung von - nicht fest mit dem Grundstück verbundenen - Betriebsvorrichtungen schließt die Kürzung dagegen regelmäßig aus (BFH 11.4.2019, III R 36/15, III R 5/18, III R 6/18; vgl. SteuerSparbrief April 2020).
4. Ärzte:
Keine Abzugsbeschränkung der Kosten für häuslichen Behandlungsraum
Viele Ärzte verfügen in ihrem privaten Einfamilienhaus über einen kleinen Behandlungsraum oder eine Notfallpraxis. Es stellt sich dann die Frage, ob die Räumlichkeiten einem häuslichen Arbeitszimmer gleichstehen und die Kosten daher nicht abziehbar sind oder ob diese als "Betriebsstätte" gelten und dementsprechend ein unbegrenzter Abzug der Aufwendungen zulässig ist. Das FG Münster hatte diesbezüglich mit Urteil vom 14.7.2017 (Az. 6 K 2606/15 F) entschieden, dass Kosten für einen für Notfälle eingerichteten Behandlungsraum im privaten Wohnhaus eines Arztes dem Abzugsverbot für ein häusliches Arbeitszimmer unterliegen.
AKTUELL ist der Bundesfinanzhof dem Münsteraner Urteil entgegengetreten: Ist bei einem in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der als Behandlungsraum eingerichtet ist und der nachhaltig zur Behandlung von Patienten genutzt wird, aufgrund seiner Einrichtung und tatsächlichen Nutzung eine private (Mit-)Nutzung praktisch auszuschließen, begründet allein der Umstand, dass die Patienten den Behandlungsraum nur über einen dem privaten Bereich zuzuordnenden Flur erreichen können, nicht die Annahme eines häuslichen Arbeitszimmers. Die Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer (gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) für die hierfür geltend gemachten Betriebsausgaben greift mithin nicht (BFH-Urteil vom 29.1.2020, VIII R 11/17).
- Der Fall: Die Klägerin ist als Augenärztin an einer Gemeinschaftspraxis beteiligt. Zur Behandlung von Notfällen hat sie im Keller ihres privaten Wohnhauses einen Raum mit Klappliege, Sehtafel, Medizinschrank, mehreren Stühlen und medizinischen Hilfsmitteln eingerichtet. Einen gesonderten Zugang hat dieser Raum nicht; er ist nur vom Flur des Wohnhauses aus erreichbar. Die Klägerin machte die Aufwendungen für den Behandlungsraum als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Feststellungserklärung der Gemeinschaftspraxis geltend. Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen nicht an, weil der Raum ein häusliches Arbeitszimmer darstelle. Doch der BFH ist anderer Ansicht und gab der Revision der Ärztin statt.
- Begründung: Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können unbeschränkt als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbar sein, wenn sie betrieblich/beruflich genutzt werden und sich der betriebliche/berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen. So hat die BFH-Rechtsprechung in verschiedenen Fällen angenommen, dass die Aufwendungen hierfür in vollem Umfang abziehbar sind. Der für die Abzugsbeschränkung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung gilt für diese Räume nicht. Denn bereits aus ihrer Ausstattung und/oder wegen ihrer Zugänglichkeit durch dritte Personen lässt sich eine private Mitbenutzung ausschließen.
- Der Raum im Wohnhaus der Klägerin war als Behandlungsraum eingerichtet und wurde als solcher von ihr genutzt. Aufgrund dieser tatsächlichen Gegebenheiten kann eine private (Mit-)Nutzung des Raums praktisch ausgeschlossen werden. Die Patienten mussten zwar zwei dem privaten Bereich zuzuordnende Flure durchqueren, um in den Behandlungsraum zu gelangen. Allerdings ist die dadurch gegebene räumliche Verbindung zu den privat genutzten Räumen gering ausgeprägt. Sie fällt angesichts der Ausstattung des Raums und der tatsächlichen beruflichen Nutzung nicht entscheidend ins Gewicht. Die Anforderungen, die an das Merkmal der leichten Zugänglichkeit zu einer Notfallpraxis zu stellen sind, dürfen nicht überspannt werden.
STEUERRAT: Die Entscheidung ist für viele Ärzte, aber auch für andere Selbstständige erfreulich. Doch Vorsicht: Die Nutzung von Räumlichkeiten im Eigenheim - egal ob als Betriebsstätte oder als Arbeitszimmer - zu beruflichen oder betrieblichen Zwecken kann mitunter dazu führen, dass diese zum "notwendigen Betriebsvermögen" werden und bei Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit die entstandenen "stillen Reserven" versteuert werden müssen. Ganz misslich wird die Sache, wenn das Unternehmen als GmbH betrieben wird. Dann droht sogar die Annahme einer gefürchteten Betriebsaufspaltung und auch die GmbH-Anteile können plötzlich zu Betriebsvermögen werden. Der BFH hat mit Urteil vom 29.11.2017 (X R 34/15) bestätigt, dass auch Büroräume im Regelfall als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen sind. Bei einer Nutzung "für die eigene GmbH" kann es also zu einer ungewollten Betriebsaufspaltung kommen, die - wenn sie übersehen wird - erhebliche Konsequenzen haben kann. Alles hat eine Kehrseite.
Weitere Informationen: Arbeitszimmer: Wer kann ein häusliches Arbeitszimmer steuerlich absetzen?
VII. Schenkung und Erbschaft
1. Immobilienübertragung:
BFH stellt strenge Anforderungen an Gutachter
Wer eine Immobilie erbt oder geschenkt bekommt, muss für den Vermögenszuwachs grundsätzlich Erbschaft- oder Schenkungsteuer zahlen. Das gilt jedenfalls, wenn die persönlichen Freibeträge überschritten sind und auch keine sachliche Steuerbefreiung - etwa für ein Familienheim - in Betracht kommt. Insbesondere bei der Übertragung von älteren Mietshäusern werden für die Bemessung der Steuer oft vollkommen überhöhte Werte zugrunde gelegt, da diese nach dem so genannten Ertragswertverfahren bewertet werden. Für die Höhe des steuerlichen Werts spielt die - tatsächliche oder übliche - Miete die entscheidende Rolle. Ein erheblicher Renovierungsstau wird dabei nicht berücksichtigt. Es bleibt letztlich nur die Beauftragung eines Sachverständigen, der gegenüber dem Finanzamt per Gutachten einen niedrigeren tatsächlichen Wert der Immobilie nachweist. Eine weitere Ausnahme gilt für den Fall des zeitnahen Verkaufs nach der Übertragung, da insofern ein "echter" Wert vorliegt.
Ein Sachverständigengutachten muss eine "methodische Qualität" aufweisen und zudem die Begutachtungsgrundlagen zutreffend erheben und dokumentieren (BFH-Urteil vom 24.10.2017, II R 40/15, vgl. SteuerSparbrief Juni 2018). Oftmals werden die Gutachten daher durch die Finanzverwaltung verworfen. Diese wiederum greift nämlich auf ihre Bausachverständigen zurück, die sich mit Wertermittlungen und Gutachten auskennen. Gefälligkeitsgutachten oder Gutachten von "selbst ernannten" Sachverständigen werden daher schnell enttarnt. Und ein Gegengutachten durch das Finanzamt wird nicht erstellt; das in Auftrag gegebene - und bezahlte - Gutachten kann somit im Prinzip wertlos sein.
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Gutachten entweder durch den örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erstellt sein muss. Ob das Gutachten den Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Finanzamts und gegebenenfalls des Finanzgerichts. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne weitere Beweiserhebung, insbesondere Einschaltung weiterer Sachverständiger, gefolgt werden kann. Soweit die Finanzverwaltung zugunsten der Steuerpflichtigen auch andere Gutachten dem Grunde nach berücksichtigt, sei dies für die Finanzgerichte nicht bindend. Der BFH geht also über die Anforderungen der Finanzverwaltung hinaus, die eine "öffentliche Bestellung und Vereidigung" bislang nicht fordert (Urteil vom 5.12.2019, II R 9/18).
Dem BFH ist durchaus klar, dass auch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen unzureichend sein kann. Ebenso kann auch ein Gutachten eines nicht öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen fachlich beanstandungsfrei und integer sein. Dennoch kommt er zu dem Ergebnis, dass die Eigenschaft "öffentliche Bestellung und Vereidigung eines Gutachters" eine zulässige Typisierung eines Gutachtens ist.
STEUERRAT: Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen sind natürlich teuer und liegen bei Mietobjekten oftmals zwischen 3.000 EUR und 5.000 EUR, zuweilen auch weit darüber hinaus. Die Kosten sind vom "Auftraggeber", also vom Beschenken oder Erben, und nicht von der Finanzverwaltung zu tragen. Dennoch sollten sich Beschenkte und Erben lieber an einen öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter wenden als das Risiko einzugehen, dass ein Gutachten schon aus formalen Gründen zurückgewiesen wird. Zwar bieten auch Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen keine Gewähr dafür, dass diese anerkannt werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Finanzverwaltung die Gutachten dann nicht in Gänze verwirft, sondern an der einen oder anderen Stelle um Nachbesserung bittet und man sich am Ende des Tages auf einen Wert einigt. Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe hat erfreulicherweise in einem Merkblatt ausgeführt, welche Anforderungen ein Gutachten erfüllen sollte. Zwar sind in dem Merkblatt jüngere BFH-Urteil noch nicht eingearbeitet worden, dennoch kann es sich empfehlen, vor der Beauftragung eines Gutachters zu fragen, ob er die in dem Merkblatt genannten Punkte hinreichend würdigen wird. Hier geht es zum Merkblatt der OFD Karlsruhe: Merkblatt
2. Streit ums Erbe:
Abzug vergeblicher Prozesskosten bei der Erbschaftsteuer
Man kennt das aus vielen Filmen: Bei der Testamentseröffnung erfährt der "sichere" Erbe, dass er nicht wie erwartet bedacht wurde, sondern ein wesentlicher Teil des Vermögens einem anderen Erben oder einer gemeinnützigen Einrichtung vermacht wird. Nicht jeder respektiert den Wunsch des Verstorbenen, sondern wittert "Machenschaften" im Hintergrund, die ihn letztlich einen Teil seines Erbes gekostet haben. Oft wird dann gerichtlich vorgebracht, der Erblasser sei bei der Abfassung seines Testaments nicht geschäftsfähig gewesen. Allerdings ist dieser Versuch vielfach untauglich und so ist nicht nur das Erbe weg, sondern auch die Prozesskosten müssen noch getragen werden. Im Bereich des Einkommensteuerrechts ist gesetzlich geregelt, dass Prozesskosten - von wenigen Ausnahmefällen abgesehen - nicht abgezogen werden dürfen. Doch gilt dies auch für das Erbschaftsteuerrecht?
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche Nachlassansprüche geltend gemacht hat, bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer mindernd zu berücksichtigen sind (BFH-Urteil vom 6.11.2019, II R 29/16).
- Der Fall: Der 1999 verstorbene Erblasser hatte seine Porzellansammlung 1995 einem städtischen Museum geschenkt. Die Erben forderten nach seinem Tod von der Stadt die Rückgabe der Sammlung mit der Begründung, dass der Erblasser bei der Schenkung nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Die Klage und die eingelegten Rechtsmittel waren jedoch erfolglos und die Erben blieben auf den Prozesskosten sitzen. Sie machten daher die Kosten bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit steuermindernd geltend. Weil dies vom Finanzamt jedoch abgelehnt wurde, zogen die Erben erneut vor Gericht. Und diesmal mit Erfolg.
- Begründung: Als Nachlassverbindlichkeiten sind unter anderem die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Zu diesen Ausgaben können auch Kosten zählen, die der Erbe durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers zu tragen hat. Die Kosten müssen in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG). § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG steht dem Abzug der Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeiten nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen.
- Vergebliche Prozesskosten für die Rückholung der Porzellansammlung des Erblassers sind damit grundsätzlich abzugsfähig; sie müssen aber im Einzelnen nachgewiesen werden. Das Gleiche gilt für die Kosten der anwaltlichen Vertretung.
STEUERRAT: Der Abzug von Prozesskosten bei der Erbschaftsteuer ist aber ausgeschlossen, wenn diese dem Erben entstanden sind, weil er Schadensersatz wegen verspäteter Räumung und Herausgabe einer geerbten Wohnung vom Mieter verlangt hat. Bei diesen Ausgaben handelt es sich um nicht abzugsfähige Kosten der Nachlassverwertung. Hierauf weist der BFH in seinem aktuellen Urteil gesondert hin.
VIII. Steuergrundlagen
1. Einsprüche:
Finanzamt muss auf Möglichkeit elektronischer Einlegung hinweisen
Einsprüche gegen Steuerbescheide sind innerhalb von einem Monat nach deren Bekanntgabe beim zuständigen Finanzamt einzureichen. Nach dieser Frist eingelegte Einsprüche werden als unzulässig verworfen. Betroffene Steuerbürger können dann allenfalls noch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen. In diesem Fall wäre jedoch nachzuweisen, dass die Einspruchsfrist unverschuldet versäumt wurde, zum Beispiel bei einer plötzlichen aufgetretenen schweren Krankheit. Neben der Wiedereinsetzung gibt es aber eine weitere Möglichkeit, um im Einzelfall einen verspäteten Einspruch "zu rechtfertigen", nämlich wenn dem Finanzamt Formfehler unterlaufen sind, etwa bei der Formulierung seiner Rechtsbehelfsbelehrung. Und diese Fälle sind gar nicht so selten wie man meinen könnte.
AKTUELL hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Einspruchsfrist ein ganzes Jahr beträgt, wenn in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hingewiesen wird. Denn ein Einspruch ist in der ab dem 1.8.2013 gültigen Fassung des § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Nur wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung vor der Neufassung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO ergangen ist, muss sie keinen Hinweis auf die Möglichkeit einer elektronischen Einspruchseinlegung enthalten (BFH-Urteil vom 28.4.2020, VI R 41/17).
- Der Fall: Bei einem Arbeitgeber ist eine Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführt worden, die zu einer Nachzahlung führte. Gegen den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid legte der Arbeitgeber Einspruch ein, allerdings beim falschen Finanzamt. Als der Einspruch das zuständige Finanzamt endlich erreichte, war die Ein-Monats-Frist bereits abgelaufen. Der Einspruch wurde als unzulässig verworfen. Schützenhilfe bekam der Steuerzahler nun aber vom BFH.
- Die Monatsfrist für die Einspruchseinlegung beginnt nur, wenn der Beteiligte über die Einspruchsvoraussetzungen korrekt belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig. Vorliegend galt die Jahresfrist, da die dem streitigen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt worden ist. Sie weist entgegen dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hin.
STEUERRAT: Selbstverständlich sollte ein Einspruch beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden. Fehler passieren in der Praxis immer wieder bei Feststellungsbescheiden, wenn also zum Beispiel eine Grundstücksgemeinschaft ihren Sitz im Bereich des Finanzamts A hat, während der Wohnsitz eines Beteiligten im Bereich des Finanzamts B liegt. Der Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ist dann beim Finanzamt A einzureichen.
IX. Soziales
1. Elterngeld:
Provisionen können das Elterngeld erhöhen
Das Elterngeld unterstützt Eltern nach der Geburt des Kindes. Es errechnet sich aus dem Durchschnitt des Nettoeinkommens der letzten zwölf Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes und ersetzt teilweise das bisherige Nettoeinkommen des Betreuenden. Doch immer wieder gibt es Streit über die Frage, was als Nettoeinkommen in diesem Sinne gilt und inwieweit Bezüge von Arbeitnehmern zu berücksichtigen sind, die der Höhe nach schwanken können (z.B. Umsatzbeteiligungen).
In dem maßgebenden § 2c des Elterngeldgesetzes heißt es dazu unter anderem: "Der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld ... ergibt das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind." Nun liegt die Vermutung nahe, dass es bei der Wertung, was als "sonstiger Bezug" in diesem Sinne gilt, ausschließlich auf die lohnsteuerliche Behandlung durch den Arbeitgeber ankommt. Doch weit gefehlt.
AKTUELL hat das Bundessozialgericht zugunsten der Eltern wie folgt entschieden: Als sonstige Bezüge im Lohnsteuerabzugsverfahren angemeldete Provisionen können als laufender Arbeitslohn das Elterngeld erhöhen, wenn die Bindungswirkung der Anmeldung für die Beteiligten des Elterngeldverfahrens weggefallen ist (BSG-Urteil vom 25.6.2020 B 10 EG 3/19 R). Es kommt also vielmehr auf die Einkommensteuererklärung und den nachfolgenden Steuerbescheid an.
- Der Fall: Die Klägerin ist Steuerfachwirtin. Sie erzielte vor der Geburt ihrer Tochter neben ihrem monatlichen Gehalt jeden Monat eine Provision in Höhe von 500 EUR bis 600 EUR, die lohnsteuerrechtlich von ihrer Arbeitgeberin als sonstiger Bezug eingestuft wurde. Der beklagte Freistaat bewilligte der Klägerin deshalb Elterngeld, ohne die Provisionen bei der Elterngeldbemessung zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht hat - anders als das Sozialgericht - der Klage auf höheres Elterngeld stattgegeben. Das Bundessozialgericht hat die Entscheidung des Landessozialgerichts bestätigt.
- Die der Klägerin in den arbeitsvertraglich vereinbarten Lohnzahlungszeiträumen regelmäßig und lückenlos gezahlten Provisionen sind materiell steuerrechtlich als laufender Arbeitslohn einzustufen. Die anderslautende Lohnsteueranmeldung der Arbeitgeberin steht dem nicht entgegen. Die Lohnsteueranmeldung bindet zwar grundsätzlich die Beteiligten im Elterngeldverfahren. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Regelungswirkung der Lohnsteueranmeldung weggefallen ist, wenn sie aufgrund eines nachfolgenden Einkommensteuerbescheids überholt ist.
STEUERRAT: Das Bundessozialgericht hatte bereits zu Provisionszahlungen entschieden, dass diese bei der Berechnung des Elterngeldes miterfasst werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Provisionen neben dem monatlichen Grundgehalt mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen regelmäßig gezahlt werden. Regelmäßige, mehrmals im Jahr zusätzlich zum Grundgehalt gezahlte Provisionen seien elterngeldrechtlich nicht anders zu behandeln als das Grundgehalt (BSG-Urteil vom 26.3.2014, B 10 EG 7/13 u.a.). ABER: Jährlich einmal gezahltes Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sowie einmalige Boni und Tantiemen erhöhen das Elterngeld nicht. Diese Gelder bleiben bei der Bemessung des Elterngeldes als sonstige Bezüge außer Betracht (BSG-Urteil vom 29.6.2017, B 10 EG 5/16 R).
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